Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis zum Jahr 2020 wol-len die norddeutschen Länder Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ihre Kapazitäten zur polizeilichen Telekommunikationsüberwachung bündeln und ein gemeinsames Abhörzentrum in Hannover aufbauen, das als gemeinsames Rechen- und Datenzentrum, RDZ, bezeichnet wird. Ursprünglich sollten auch noch die Landesämter für Verfassungsschutz beteiligt werden, bis irgendjemandem dann plötzlich auffiel, dass man da wohl unausweichlich unterschiedliche Rechtsgrundlagen hat und das irgendwie mit der Bündelung von Überwachungsmaßnahmen an einem Ort tatsächlich schwierig ist. Das ist ein klarer Verstoß gegen das grundgesetzliche Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst.
In diesem sogenannten RDZ sollen nun Kapazitäten und Technik zur Überwachung von Telefonen, Handys und Computern gebündelt werden, und Bremen zahlt dafür mindestens 2,4 Millionen Euro. Datenschutzrechtlich besonders problematisch ist die sogenannte Mandantentrennung. Im RDZ überwachen, wie gesagt, verschiedene Landespolizeien die Telekommunikation von Beschuldigten. Dabei hat aber jede Landespolizei als Grundlage ein eigenes Landespolizeigesetz. Auf gar keinen Fall darf passieren, dass sich Polizeien im RDZ sozusagen auf dem kurzen Dienstweg mit Überwachungsaufträgen an diejenigen wenden, die die weitreichendsten landesrechtlichen Überwachungsbefugnisse haben. Das finden wir hoch bedenklich.
An dieser Stelle irritiert auch der Staatsvertrag, der sowieso in einem sehr fragwürdigen Hauruckverfahren durchgezogen werden soll, denn in dem vorliegenden Vertragstext werden Befugnisse genannt, für die es in Bremen überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt. Überwachung verschlüsselter Kommunikation soll im RDZ möglich sein. Damit ist die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung gemeint, die landläufig auch als Bundestrojaner bekannt ist. Wer hier jetzt sagt, dass das gar nicht im Raume ist, dem kann ich nur sagen, dass die Bundesjustizministerkonferenz just erst vor zwei Wochen einstimmig gefordert hat, die Rechtsgrundlage für Staatstrojaner zu schaffen. Staatsrat Stauch war anwesend und hat dem nicht widersprochen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt, dass das nicht eine Schwarz-Weiß-Malerei von uns ist.
Es ist eine staatlich entwickelte Software, die vom Bundesverfassungsgericht deutlich kritisch gesehen wird, weil damit die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme angegriffen wird, wie die Verfassungsrichter meinen.
In diesem Zusammenhang ist übrigens auch interessant, dass das Gericht in Karlsruhe erst gestern deutliche Kritik am BKA-Gesetz geübt hat und es in Teilen für verfassungswidrig erklärte. Auch in diesem Bereich ging es vor allem um die Überwachung von Telekommunikation und die Weitergabe der auf diesem Weg gewonnenen Daten. Dieses Urteil ist das neueste in einer langen Liste von einkassierten Sicherheitsgesetzen, und ich finde, dass deshalb seriös geprüft werden müsste, welche Schlussfolgerungen aus dem Urteilsspruch von gestern – Kollege Zenner nickt – für die Rechtsgrundlage und die Überwachungspraxis der Landespolizei und des Landesamtes für Verfassungsschutz zu ziehen sind.
ten ist. Niedersachsen führt als Dienstleister schon heute die technische Umsetzung von Abhörmaßnahmen der Bremer Polizei durch. Das wissen wir nicht erst durch den Untersuchungsausschuss. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode dazu auch ein paar Anfragen. Der niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz – und jetzt wird es interessant, ich schaue Frau Sommer an – hat nämlich festgestellt, dass es dabei zu erheblichen Verstößen gegen den Datenschutz kommt. 44 gravierende datenschutzrechtliche Probleme umfasst in Niedersachsen die aktuelle Mängelliste.
Um es zusammenzufassen: Wir, DIE LINKE, wollen keine Bündelung von Überwachungskapazitäten. Wir sehen große datenschutzrechtliche Probleme, die durch die aktuelle Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Hannover bestätigt werden. Ich finde es auch sehr kritisch, dass dieser Staatsvertrag ohne eine echte Beteiligung von Expertinnen und Experten im Schnellverfahren durch die Parlamente geboxt wird. Ich möchte hier auch sagen, dass ich das Verfahren in der Innendeputation ziemlich ungewöhnlich fand. Ich war in Vertretung für unseren Deputierten dort. Es wurde als Tischvorlage einmal eben durchgezogen, im Nachhinein auf die Tagesordnung gesetzt und gegen den Widerspruch der FDP und von mir einfach durchgezogen, ohne dass man sich damit ordentlich, vernünftig und seriös hätten beschäftigen können. Wir lehnen also diesen Staatsvertrag für ein norddeutsches Abhörzentrum in vollem Umfang, rundum und begründet ab. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nur ein bisschen überrascht, wie dieses Thema hier von den vier Vorrednern behandelt wurde. Ich habe ganz bewusst bis zum Ende gewartet, weil ich mir schon etwas Ähnliches gedacht habe.
(Abg. Prof. Dr. Hilz [FDP]: Wir sind auch nicht über- rascht! – Abg. Frau Vogt [Die LINKE]: Ich enttäusche Sie nicht!)
Das eigentliche Thema wurde doch arg vernachlässigt, nämlich der Staatsvertrag, und es wurde viel mehr über die datenschutzrechtlichen Belange der Telekommunikationseinrichtungen und der Telekommunikationsüberwachung gesprochen, was sicherlich wichtig ist. Eigentlich geht es aber bei diesem Thema um etwas anderes, nämlich um die Einrichtung und den Betrieb eines Rechen- und Dienstleistungszentrums der Telekommunikationsüberwachung der Polizeien im Verbund der norddeutschen Länder Bre
Wenn wir uns einmal ansehen, was im Laufe der letzten Jahre mit den digitalen Medien passiert ist, stellen wir fest, dass sich die Technik an der Stelle massiv ausgebreitet hat. Wir legen alle Wert darauf, dass unsere Daten möglichst schnell, mobil, verschlüsselt und unter Nutzung internationaler Anbieter mit möglichst hohem Datenaufkommen verarbeitet werden können. Leider – und das ist die Kehrseite dieser modernen Technik – nutzen einzelne Täter oder Gruppen von Tätern bis hin zu kriminellen Strukturen auch mit terroristischem Hintergrund ebenfalls diese Möglichkeiten für ihre Handlungen.
Ganz wichtig ist an der Stelle die Feststellung – und das ist von meinen vier Vorrednern völlig unterlassen worden –, dass alle TKÜ-Maßnahmen, also Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, dem Richtervorbehalt unterliegen, egal ob sie nach der Strafprozessordnung oder den jeweiligen Polizeigesetzen stattfinden.
In der Vergangenheit wurde es für die Ermittlungsbehörden technisch immer schwieriger und aufwendiger, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Insbesondere für ein kleines Land wie Bremen wären eigenständig durchzuführende TKÜ-Maßnahmen weder finanziell und personell noch technisch durchführbar. Vor dem Hintergrund wurde eine Projektgruppe ins Leben gerufen – das ist mir wichtig, weil das hier völlig anders dargestellt wurde, mit einem anderen Hintergrund –, um die Auswirkungen der Nutzung des Internets auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden in rechtlicher, technischer, finanzieller, organisatorischer und personeller Hinsicht zu untersuchen. Dabei ist auch der Datenschutz umfangreich berücksichtigt worden. Frau Dr. Sommer, Sie sind ja anwesend und haben sich damit auch beschäftigt. Dass aus den verschiedenen Datenschutzbehörden durchaus Kritik aufgekommen ist, will ich nicht verhehlen.
An der einen oder anderen Stelle ist das auch berechtigt, und da muss der Kritikpunkt abgestellt werden.
Das Ergebnis dieser Maßnahmen, die ich eben aufgezählt habe, ist eine Kooperationsvereinbarung der norddeutschen Länder. Das ist die sogenannte Phase 1. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Staatsvertrags soll die rechtliche Grundlage für die Phase 2 geschaffen werden. Dazu gehört die Schaffung eines gemeinsamen Rechen- und Dienstleistungszentrums in Niedersachsen. Die Tätigkeiten dieses Zentrums wie zum Beispiel die Durchführung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im Rahmen der geltenden Gesetze für die auftraggebenden Länder sind hoheitlicher Art.
Ich muss sagen, dass die CDU-Fraktion das, was meine Vorredner gesagt haben, nicht so kritiklos hinnimmt, denn die Antwort des Senats lässt durchaus erkennen, dass der Datenschutz in der polizeilichen TKÜ Berücksichtigung gefunden hat und sich diese Belange dort auch entsprechend wiederfinden. Es klang hier so durch, dass möglicherweise alles illegal ist, was da gemacht wird, aber das kann man aus dieser Antwort des Senats aus meiner Sicht und aus der Sicht der CDU-Fraktion zumindest nicht entnehmen.
Damit die entsprechenden Tätigkeiten im Auftrag der – das ist auch wichtig – örtlich zuständig bleibenden Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften vom Rechenzentrum durchgeführt werden können, bedarf es des vorliegenden Staatsvertrages. Mit ihm sichern die jeweiligen Landesgesetzgeber zukünftig notwendig werdende Investitionen für das Rechen- und Dienstleistungszentrum ab. Die CDU-Fraktion stimmt dem Staatsvertrag und auch dem dazugehörenden Gesetz zu.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen des Hohen Hauses! Bei der letzten sicherheitspolitischen Tagung der AfD hat man sich über Bremen gewundert, dass es doch einmal etwas gibt, bei dem Bremen vor Süddeutschland liegt, nämlich bei der geplanten Errichtung eines sicherheitspolitischen Zentrums der norddeutschen Länder. Insofern freue ich mich, vor der Sommerpause einem rot-grünen Gesetz heute zustimmen zu dürfen, vor allem deshalb, weil es auch hinterlegt, dass Bremen doch wohl kein Failed State ist, wie das heute im Raum gestanden hat. Das ist vielleicht etwas gewagt gewesen.
Ich glaube vielmehr, dass man sich wirklich im Hinblick auf den Datenschutz, wenn wir auch von der AfD und ich persönlich ganz gewiss, einen großen Abstand zu rot-grüner Politik haben, nun wirklich keine Sorge haben müssen, wenn zwei rot-grüne Bundesländer sich auf so etwas einigen, dass nun gerade Datenschutzfragen vernachlässigt werden. Ich habe eher andere Sorgen. Ich möchte dem Senat wirklich nicht unterstellen, dass er Datenschutzfragen vernachlässigt. Insofern die vollste Zustimmung eines Bremers, der sich freut, dass dieses Gesetz, dieser Staatsvertrag, der nicht nur innerhalb der Alternative für Deutschland positiv diskutiert worden ist, sondern in der Tat auch eine bundesweite sicherheitspolitische Ausstrahlung hat! Ich stimme dem Staatsvertrag zu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit der mir noch zur Verfügung stehende Stimmgewalt versuchen, das eine oder andere zu sortieren, das hier gerade angesprochen worden ist.
Herr Hinners hat mir ja schon ein bisschen geholfen. Dafür an dieser Stelle vielen Dank! Damit es nicht durcheinandergeht, die Große Anfrage der FDP bezieht sich im Kern nicht auf den hier verhandelten Staatsvertrag. Sie bezieht sich auf den Status quo, die Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen zum heutigen Tag. Das ist Gegenstand der Kritik der Landesdatenschutzbeauftragten in Bremen und Niedersachsen, und genau dieser Status quo soll durch diesen Staatsvertrag abgelöst werden. Ich finde, es ist noch einmal wichtig, dass das richtig verstanden wird.
Die Zustimmung zu diesem Staatsvertrag schafft die Grundlage für das gemeinsame RDZ, das im Anschluss an die jetzige Praxis entstehen soll. Derjenige, der ernsthafte Kritik am Status quo formuliert, darf sich der Weiterentwicklung in technisch-finanzieller Hinsicht nicht in den Weg stellen,
denn dann bliebe der Status quo erhalten. Beziehungsweise – und das wäre für uns das tatsächliche Problem – der Status quo bliebe nur bis zur Inbetriebnahme des RDZ erhalten, und dann stünde Bremen vor der Situation, ob es teilnehmen wolle oder nicht. Wenn man nicht daran teilnimmt, dann gibt es nur eine Alternative, nein, es gibt natürlich immer mehrere Alternativen, in diesem Fall gäbe es die Alternative, eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Herr Hinners hat darauf hingewiesen, dass das weder technisch noch finanziell für das Bundesland Bremen erstrebenswert wäre, wenn es überhaupt machbar wäre.
Es bestünde die Möglichkeit, sich selbst außerstande zu setzen, Datentelekommunikationsüberwachung durchzuführen. Das hieße in dem Fall, dass wir Anordnungen der Gerichte technisch nicht mehr nachkommen könnten. Als letzte Alternative ist der Beitritt zu dieser gemeinsamen Institution zu nennen.
Ich finde, von einem Schweinsgalopp zu sprechen, ist in Anbetracht der Tatsache, dass der Staatsvertrag der Bürgerschaft im März zur Kenntnis gegeben worden ist, auch ein bisschen unangemessen. Es ist ja nicht so, dass wir gestern mit dem Paket unter dem Arm vorbeigekommen wären und gesagt hätten, könnten Sie bitte morgen zustimmen, sondern der Staatsvertrag und die Inhalte waren in der Deputation und sind dort kurz erörtert worden.
Er liegt dem Parlament seit März vor, und deshalb, glaube ich, ist es vertretbar, hier und heute die erste
und die zweite Lesung durchzuführen. Das wäre für uns wichtig, weil der Staatsvertrag zum 1. Juli in Kraft treten soll. In den anderen Ländern hat die Beschlussfassung stattgefunden. Ich habe es schon gesagt, für Bremen ist das Dabeisein ganz wichtig.
Ich will noch auf das Bedenken eingehen, das Frau Vogt in den Raum gestellt hat: Wird mit dem Staatsvertrag möglicherweise eine Rechtsgrundlage für etwas geschaffen – für die Telekommunikationsüberwachung –, das wir so nicht wollen oder so nicht haben? Das ist nicht der Fall. Der Staatsvertrag eröffnet natürlich jedem Land die Möglichkeit, auf den für das Land geltenden Rechtsgrundlagen zu operieren. Bremen kann und wird im RDZ nur auf der Grundlage der für dieses Land geltenden rechtlichen Grundlagen Telekommunikationsüberwachung durchführen können.
Ich will ich noch einmal deutlich sagen – Herr Hinners hat es bereits ausgeführt –, die rechtliche Grundlage für das Bundesland Bremen ist die StPO. Vor der Telekommunikationsüberwachung steht die entsprechende Anordnung durch den Richter. Vor der Verwertung im Strafprozess steht die richterliche Kontrolle. Also, der gesamte Bereich der Telekommunikationsüberwachung ist sehr gut abgesichert und eindeutigen rechtsstaatlichen Verfahren unterworfen. Das RDZ soll uns nur in die Lage versetzen, in der Zukunft technisch in der Lage zu sein, die Telekommunikationsüberwachung in den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten durchführen zu können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine kurze Frage an Herrn Staatsrat Ehmke: Es ist doch völlig unstreitig, dass ein richterlicher Beschluss vorliegen muss, dass das eine Maßnahme nach der Strafprozessordnung ist und es ein Interesse auch für Bremen gibt, an diesem Verbund teilzunehmen. Das ist alles von uns ausgeführt worden. Sie haben aber nicht die Bedenken aus Ihren eigenen Fraktionen berücksichtigt, denken Sie einmal an die beiden Vorredner! Beide haben die Antworten des Senats unterstrichen, die Mängel, die derzeit in der Einrichtung in Hannover vorhanden sind, nicht ausräumen können und sie nicht als trivial bezeichnet, sondern dargestellt, dass diese beachtet und aufgelöst werden müssen.
Deswegen frage ich Sie: Ist es nicht sinnvoll, sich zuerst um die Probleme zu kümmern und sie nicht im Zuge der weiteren Abarbeitung des Vertrages im Auge zu behalten, sondern sich zunächst eine datenschutz
rechtlich sichere Grundlage zu schaffen und dann den Vertrag umzusetzen, aber nicht umgekehrt zu verfahren?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Zenner, ich will Ihnen die Antwort auf die Frage nicht schuldig bleiben. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir hier zwei unterschiedliche Dinge debattieren.