Für die weiteren Verhandlungen brauchen Sie, Frau Senatorin, das Vertrauen dieses Parlaments. Um nicht mehr, aber auch nicht weniger geht es gleich bei der Abstimmung. Die CDU-Fraktion wird Ihnen dieses Vertrauen nicht aussprechen, und ich habe die Hoffnung und Erwartung, dass mit der Abstimmung der Neustart für Bremen wirklich möglich ist. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Leider stehen mir als Einzelabgeordnetem nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Deshalb werde ich mich bei der Begründung relativ kurz fassen müssen, warum wir Bürger in Wut heute gemeinsam mit der CDU einen Misstrauensantrag gegen die Finanzsenatorin in die Bürgerschaft eingebracht haben.
Die Bremer Landesbank befindet sich in einer schweren Krise. Die Europäische Zentralbank hat das Institut im März aufgefordert, das Portfolio der Schiffskredite in Höhe von 700 Millionen Euro wertzuberichtigen. Die Bremer Landesbank hat zurzeit Schiffskredite in einem Umfang von 6,5 Milliarden Euro vergeben. Etwa 50 Prozent dieser Kredite entfallen dabei auf Reedereien, die entweder ihrer Tilgung oder Zinszahlung nicht nachkommen, weil die Frachtraten aufgrund eines Überangebots an Tonnage zu niedrig sind.
Auch wenn das Schiffskreditgeschäft ein Kerngeschäft der Landesbank darstellt, so muss man doch feststellen, dass sich die Landesbank in diesem Bereich deutlich verzockt hat. Mit dem „Prinzip Hoffnung“ hat der Bankvorstand versucht, die seit 2008 andauernde Negativentwicklung im Bereich der Schiffstransporte zu überstehen. Nach dem Motto „irgendwann
muss es ja mal besser werden“ hat man zu viele Schiffskredite zu lange in den Büchern belassen und damit fahrlässig die Handlungsfähigkeit einer ganzen Landesbank aufs Spiel gesetzt.
Nun stehen wir alle vor einem Scherbenhaufen. Ein dreistelliger Millionenbetrag wurde in den Sand gesetzt, Arbeitsplätze sind bedroht, und die Übernahme der BLB durch die NORD/LB scheint nicht mehr abwendbar zu sein. Für die bedrohliche Schieflage gibt es Schuldige und Verantwortliche. Natürlich kann man dem Bankvorstand keine Schuld daran geben, dass die Weltwirtschaftslage in den letzten acht Jahren die Schiffsverkehre derart unter Druck gesetzt hat, wie es derzeit eben noch ist. Aber der Bankvorstand trägt sehr wohl die Verantwortung dafür, dass man zu lange gewartet und sich nicht frühzeitiger und vor allem konsequenter von diesen hoch risikobehafteten Krediten getrennt hat. Sich nur darauf zu verlassen, dass sich die Weltwirtschaft irgendwann wieder erholen wird, reicht eben nicht aus.
Natürlich trägt die Finanzsenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende der BLB Karoline Linnert keine Schuld daran, dass der Bankvorstand in den Jahren 2003 bis 2006 zu viele Schiffsfinanzierungen abgeschlossen hat und damit die heutige Schieflage der Bank erst ermöglichte. Frau Senatorin Linnert trägt aber die Verantwortung dafür, dass der Aufsichtsrat zwischen 2008 und 2016 nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ seine Kontrollfunktion im Bereich der hoch risikobehafteten Schiffskredite nicht ausgeübt und kritisch hinterfragt hat, warum man trotz jahrelanger Krise weiterhin an diesen Krediten festhalten will.
Gemäß der Satzung der Bremer Landesbank hat der Aufsichtsrat den Vorstand zu beraten und seine Geschäftsführung zu überwachen. Er erörtert mit dem Vorstand die Geschäfts- und Risikostrategie der Bank. Angesichts der schweren Krise, in der sich die BLB derzeit befindet, muss man sich wirklich fragen, ob Frau Senatorin Linnert diese Aufgabe tatsächlich auch bewusst wahrgenommen hat.
Dabei hätte die Aufsichtsratsvorsitzende bereits 2008 hellhörig werden müssen, als im Geschäftsbericht der BLB unter anderem vermerkt wurde – ich zitiere –: „Aufgrund der Finanzmarktkrise und reduzierter Handelsströme sind die Charterraten im zweiten Halbjahr in einzelnen Schiffssegmenten deutlich gesunken.“ Frau Linnert hätte darüber hinaus hellhörig werden müssen, als sich der Vorstandsvorsitzende der Bremer Landesbank vier Jahre später wie folgt öffentlich äußerte: „Die Charterraten sind immer noch sehr niedrig, die Schiffswerte sind am Boden.“ Aber auch diese deutliche Warnung hat die Bürgermeisterin nicht dazu bewogen, die Interessen des Landes Bremen zu vertreten und kritisch im Aufsichtsrat zu hinterfragen, ob es denn angesichts der jahrelangen Negativentwicklung in der Schiffsfracht weiterhin sinnvoll ist, genehmigte Schiffskredite in Höhe von insgesamt 6,5 Milliarden Euro zu belassen.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1839
Ein Teil des Parlaments, Frau Senatorin Linnert – vielleicht wird es heute auch die Mehrheit sein; das werden wir nachher in der Abstimmung sehen – fühlt sich von Ihnen nicht mehr gut im Senat und im Aufsichtsrat der BLB vertreten, denn Sie haben in Ihrer Funktion als Aufsichtsratsvorsitzende versagt. Sie haben Ihre Kontrollfunktion im Aufsichtsrat der Bremer Landesbank nicht ausreichend wahrgenommen und damit billigend in Kauf genommen, dass die Landesbank durch eine Schieflage dem Ansehen unseres Bundeslands und dem Steuerzahler schweren Schaden zugefügt hat. Durch die Krise der BLB ist ein Teil der 1 000 Arbeitsplätze in Bremen und Oldenburg bedroht, und nicht nur das: Auch die Beteiligung der BLB an anderen bremischen Unternehmen ist durch die Schieflage gefährdet. Auch dafür tragen Sie als Aufsichtsratsvorsitzende eine Mitverantwortung.
Einfach nur zu sagen, hinterher sei man ja schlauer, oder in dieser Situation zwanghaft nach Schuldigen zu suchen, hilft auch nicht weiter. So wie Sie zumindest in den letzten Tagen in den Medien zitiert werden, reicht angesichts der immensen finanziellen Schieflage der Bank eben nicht aus. Deshalb brauchen wir einen personellen Neuanfang; einen Neuanfang an der Spitze des Finanzressorts, einen Neuanfang an der Spitze des Aufsichtsrats und vor allem einen personellen Neuanfang bei den anstehenden Verhandlungen mit der NORD/LB. Ich kann Sie daher nur noch einmal und letztmalig auffordern, dass Sie einer Abstimmung über Ihren Verbleib als Senatorin und Aufsichtsratsvorsitzende doch noch durch einen Rücktritt zuvorkommen und den Weg für einen Neuanfang freimachen. Zerschlagen Sie nicht noch mehr Porzellan und schaden damit dem Ansehen Bremens, indem Sie sich an Ihren Schreibtischstuhl klammern und erst durch eine Abstimmung hier aus Ihrem Büro getragen werden müssen! Erklären Sie daher noch vor der Abstimmung Ihren Rücktritt! Noch ist Zeit dafür. Das wäre das Beste für die BLB, für das Bundesland Bremen und für den Steuerzahler. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bremen ist eines von vier Bundesländern in der Bundesrepublik, das ein sogenanntes destruktives Misstrauensvotum kennt. Destruktive Misstrauensvoten sind Misstrauensvoten, die einen einzelnen Minister abwählen können. Konstruktive Misstrauensvoten in allen anderen Bundesländern und im Bund sind darauf gerichtet, eine Alternative gegen die bestehende Regierung zu schmieden, sie darzustellen, für sie zu werben und sie auch durchzusetzen. Ziel ist es, eine neue parlamentarische Mehrheit zu erreichen, ohne Neuwahlen durchzuführen. Die bekanntesten Beispiele in der Geschichte der Bundes
Destruktive Misstrauensvoten hingegen benötigen keine Sammlung für eine neue Mehrheit. Sie benötigen keine Sammlung für eine neue Politik, für neue Inhalte. Sie benötigen für ihren Erfolg ausschließlich eine möglichst breite Negativkoalition aus allen oppositionellen Kräften und die Hoffnung darauf, dass vielleicht irgendjemand aus der Regierungskoalition mitmacht. Aber allein schon das Schmieden dieser Negativkoalition war ja, wenn ich das richtig beobachtet habe, von erheblichen Schwierigkeiten begleitet.
Wir reden über das Misstrauensvotum, Herr Kollege Bensch. Sie können ja gleich noch nach vorn kommen. Oder haben Sie eine Zwischenfrage? Ich wäre bereit, Ihnen die Möglichkeit zu geben.
Nach meinem Kenntnisstand ist es so gewesen, dass die anderen Oppositionsfraktionen Schwierigkeiten hatten, ihr Abstimmungsverhalten zu diesem Misstrauensvotum festzulegen. Woran lag dies? Lag es vielleicht daran, dass alle hier in diesem Haus wissen, dass die persönlichen Vorwürfe, die gegen Karoline Linnert erhoben wurden, konstruiert und fadenscheinig waren?
Lag es vielleicht auch daran, dass alle hier im Haus wissen, dass ein verantwortlicher Umgang mit der Zukunft der BLB und deren Arbeitsplätzen eigentlich gebietet, dass wir einen gemeinsamen und geschlossenen Auftritt nach außen dokumentieren? Lag es vielleicht auch daran, dass keiner hier im Haus versteht, warum die CDU noch in der letzten Woche den parlamentarischen Dreiklang – erst Aktuelle Stunde, dann parlamentarischer Untersuchungsausschuss, dann gegebenenfalls personelle Konsequenzen – forderte und heute überhaupt keinen Aufklärungsbedarf mehr sieht und nur noch personelle Konsequenzen fordert?
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass viele bei der LINKEN und der FDP einfach Skrupel hatten und auch noch haben, sich diesem rein destruktiven Misstrauensvotum der CDU anzuschlie
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1840
ßen. Ich persönlich habe mich auf meinen Urlaub vorbereitet, bevor dieser Antrag eingegangen ist. Ich nehme immer gern Bücher mit und hatte mir als Urlaubslektüre zufälligerweise den russischen Anarchisten Bakunin ausgewählt.
Ich war erstaunt, denn er hat gesagt – und das erinnerte mich fatal an diesen CDU-Antrag –: „Jeder Aufruhr ist immer nützlich, so erfolglos er auch immer sein mag.“
Kommen wir zu den konkreten Vorwürfen, die die persönliche Verantwortung von Karoline Linnert betreffen. Ich mache es kurz, weil das am einfachsten abzuhandeln ist. Zur Angelegenheit Stabilitätsrat: Ja, der Stabilitätsrat hat auch auf seiner letzten Sitzung nicht akzeptiert oder kritisiert, dass Bremen die Flüchtlingskosten extra ausweist und über den Haushalt einstellen will. Das ist aber übrigens eine Entscheidung, die Karoline Linnert nicht allein zu verantworten hat, sondern es ist eine Entscheidung des Gesamtsenats, diesen Haushalt dem Parlament so vorzulegen, und dann ist es eine Entscheidung dieses Parlaments, das so zu machen. Der Stabilitätsrat sagte: Das finden wir nicht in Ordnung, das haben wir doch alle vorher gewusst! Warum haben wir uns denn sonst überhaupt damit auseinandergesetzt, ein Gutachten bei Herrn Korioth darüber einzuholen, ob das rechtlich unter den Bedingungen des Konsolidierungspfads und der Schuldenbremse überhaupt möglich ist? Herr Korioth hat gesagt, das sei möglich, und wir haben gesagt, übrigens im großen Pakt mit vielen in dieser Stadt – Arbeitnehmerkammer, Handelskammer und Gewerkschaften –, es ist richtig, Flüchtlingskosten separat auszuweisen. Die Einzigen, die gesagt haben, das finden wir nicht richtig, waren Sie, Herr Eckhoff. Sie haben gesagt, da gehen wir gegebenenfalls vor den Staatsgerichtshof. – In Anbetracht der Lage haben Sie sich ja nun dafür entschieden, nicht zum Staatsgerichtshof zu gehen.
Das heißt, diese Entscheidungen sind nicht die persönliche Verantwortung von Frau Linnert, sondern darin beziehen wir uns alle ein.
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Röwe- kamp [CDU]: Das ist aber nicht Inhalt der Rüge! Der Inhalt der Rüge war etwas anderes!)
keiten übernimmt man, indem man einen Haushalt aufstellt und ihn so, wie man ihn aufgestellt hat, durchführt. Den Haushalt stellt Gott sei Dank in Deutschland und auch in Bremen dieses Parlament auf, und wenn es so etwas gäbe wie einen blauen Brief, dann bekommen wir den, nicht Karoline Linnert in Person.
Aber lassen Sie uns, weil das wenig spannend ist, zum Komplex der Bremer Landesbank zurückgehen, weil das, glaube ich, deutlich spannender ist. Ja, es hat in der Vergangenheit reichlich Skandale in den deutschen Landesbanken gegeben: WestLB, HSH Nordbank, Bayern LB, LBBW, Sachsen LB. Aber es gab auch Ausnahmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern hat sich die BLB deutlich und positiv von diesen abgesetzt.
Der BLB ist in der Vergangenheit immer von allen einschlägigen Fachjournalen, die es gibt, attestiert worden, dass sie eben gerade keine Zockerbank ist.
Tatsächlich – da sind wir, Kollege Röwekamp, wieder eng beieinander, und die Wahrheit bestreitet auch niemand – steht die BLB jetzt vor einer ganz existenzgefährdenden Krise. Hintergrund sind die geplatzten Schiffskredite, die von Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre in Zeiten des globalen Booms zu einem großen Geschäftsfeld der BLB wurden – aber nicht nur der BLB, auch der NORD/LB, auch der HSH Nordbank.
Wie kam es dazu, dass auch die Bremer Landesbank solche Geschäfte gemacht hat? Von ihr wurde das erwartet, und es wurde auch öffentlich eingefordert, auch und insbesondere von CDU-Politikern, aber auch von Sozialdemokraten. Es war ein Dual-Use-Instrument der Finanzwirtschaft, zu sagen: Damit kann man im laufenden globalen Boom Geld verdienen und gleichzeitig die regionale und heimische Wirtschaft dadurch unterstützen, dass man Schiffe bauen lässt. Wer jetzt sagt, dass diese Entscheidung Anfang, Mitte des Jahres 2000 falsch war, handelt unlauter. Das war damals eine richtige Entscheidung.
Genauso ist es richtig, dass man mit dem Wissen von heute sagen würde, dass man das vielleicht hätte schneller abbauen, schneller hätte herausgehen müssen. Das gestehe ich Ihnen sofort zu. Man kann auch der Meinung sein, dass das Klumpenrisiko durch Schiffskredite gar nicht erst hätte gebildet werden dürfen, und ja, man kann auch der Meinung sein, dass
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1841