Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Hier geht es nicht um die Frage der Bundeswehr als solche, sondern es geht darum –

(Zuruf)

ja, es grüßen offenbar viele, oder wie auch immer –: Kann die Bundeswehr, die für die Außenverteidi gung der Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, auch für polizeiliche Aufgaben im Innern eingesetzt werden? Wir haben Landespolizeien, wir haben eine Bundespolizei, die die Aufgabe haben, die öffentli che Sicherheit und Ordnung zu garantieren und die Kriminalität zu bekämpfen. Daneben haben wir – ich sagte es schon – eine Bundeswehr, die die Aufgabe hat, das Staatsgebiet Bundesrepublik Deutschland gegen äußere Feinde zu schützen, und die nach Artikel 35 im Rahmen von Amtshilfe die Möglich keit hat, bei Naturkatastrophen mit eingesetzt zu werden. Denken Sie an das Elbe-Hochwasser oder auch an den Flüchtlingsstrom, was ich jetzt nicht als Naturkatastrophe bezeichnen will, und denken Sie an besonders schwere Unglücksfälle. Das ist der Punkt, wo eingesetzt werden kann.

Jetzt haben sich einige Bundesländer – ich glaube, es sind mittlerweile sechs – verabredet, um im nächsten Monat eine Übung abzuhalten, um die Zusammen arbeit zwischen Polizei und Sicherheitsbehörden zu verbessern, zu testen, zu probieren. Es haben sich nicht 16 Länderpolizeien bereit erklärt und es ist offenbar auch nicht die Bundespolizei beteiligt. Hinzu kommt noch die Bundeswehr selbst. Also, 18 Teilnehmer müsste man sich vorstellen, etwa ein Drittel ist dabei. Dies bringt schon Zweifel zum Ausdruck: Warum nicht alle, wenn dies eine ganz wichtige Übung wäre, an der eigentlich alle aus Sicherheitsgründen teilnehmen sollten? – Auch der eine oder andere Innenminister, wie zum Beispiel der niedersächsische Minister für Inneres, beurteilt eine solche Kooperation, eine sol che Zusammenarbeit mehr als skeptisch. Bremen als Stadtstaat hat sich mit Senator Mäurer für diese Übung ausgesprochen und wird daran teilnehmen.

Wir haben die Überschrift genannt: „Panikmache und Aktionismus“. Wenn man von der Bundeswehr beim Einsatz für polizeiliche Aufgaben hört, dann hat man den Eindruck, jetzt wird die ganz große Keule

herausgeholt, jetzt soll besondere Stärke suggeriert werden.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: So ein Quatsch!)

Doch, diesen Eindruck kann man damit erwecken.

Das Zweite ist: Wenn man auf die Bundeswehr abhebt, könnte es auch darum gehen, polizeiliche Defizite verschleiern zu wollen. Polizei kann nur polizeiliche Aufgaben lösen und erledigen. Die Bundeswehr ist für polizeiliche Aufgaben überhaupt nicht ausgebildet. Sie soll sich auch, wenn man den Wortlaut sieht, nur nach besonders schweren Unglücksfällen – also dann, wenn ein Unglücksfall eingetreten ist – beteiligen.

(Beifall FDP)

Hier kommt es aber darauf an. Wir haben das so häufig in den Sicherheitsfragen diskutiert. Wir haben immer feststellen müssen, dass in der Vorarbeit, in der polizeilichen Vorarbeit, wie jetzt auch im Fall Amri, die Fehler gemacht worden sind – nicht im Nachhinein, sondern im Vorhinein. Es kommt darauf an, dass wir das Augenmerk darauf legen, dass die polizeiliche Arbeit in der Vorarbeit für solche Fälle verbessert wird.

(Beifall FDP)

Jetzt wird zwar gesagt: Gut, wir machen das für Personenschutz und Absperrmaßnahmen. Das ist in Ordnung, das kann man überlegen. Bei „Materialun terstützung“ ein Fragezeichen an den Senator: Was verstehen Sie unter Materialunterstützung für die Polizei? Erkennung und Delaborierung von Spreng stoff – okay, das ist für mich auch denkbar. Wie die Bundeswehr aber zeitlich kurzfristig eingesetzt werden kann, wenn wir in Bremen nur eine Reservekompanie haben, da stellt sich für mich die Frage des zeitlichen Faktors. Den kann ich nicht erkennen.

Mich würde weiter interessieren, wie lange diese Übung erfolgen soll und ob und wann sie wiederholt werden soll. Mich interessiert auch: Sie beantworten die betreffende Frage dahin gehend, dass wir in Bremen ausgebildete und trainierte Spezialeinheiten haben. Mich würde interessieren: Wie groß sind diese?

(Glocke)

Zum Schluss: Wir begrüßen, dass über die Bundespo lizei robuste Einheiten gebildet und über das Gebiet der Bundesrepublik verteilt werden sollen und dass Sie bestätigen, dass diese Einsatzgruppen zügig – auch per Lufttransport – vor Ort erscheinen werden. Summa summarum: Wichtig ist, dass die Bundeswehr dort eingesetzt wird, wo es verfassungsrechtlich vorgesehen ist. Wir wollen bessere, vorsorgende Polizeiarbeit. Darauf muss der Schwerpunkt liegen, das kann die Bundeswehr nicht leisten.

(Glocke)

Mehr Personal in den Landespolizeien und in der Bundespolizei, eine bessere Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden und eine Verbesserung der Sicherheitsstruktur – darauf müssen die Schwerpunkte liegen. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich glaube, der sieht das ein bisschen anders!)

Sie könnten mit Ihrer Vermutung recht haben. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Zenner, laut Überschrift Ihrer Großen Anfrage machen Sie in unserem Land Aktionismus oder gar Panikma che nach den Ereignissen in Deutschland im Süden im Sommer aus. Zugegeben, Ihre Große Anfrage konnte die terroristischen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit – insbesondere in Berlin – noch nicht einbeziehen, aber auch ganz unabhängig davon mache ich weder Panikmache noch Aktionismus im Lande aus. Ich nehme vielmehr eine ernste Diskus sion über die Sicherheitsagentur und ganz entfernt auch über die Rolle der Bundeswehr wahr. Ich stelle keine solche, von Ihnen nur mühselig herbeigeredete Diskussion fest, bei der es eigentlich nur darum geht, Befürchtungen zu bedienen oder zu erzeugen, die in Richtung einer vermeintlichen Militarisierung der Innenpolitik weisen sollen. Nichts dergleichen ist die Realität. Um im Bilde zu bleiben, Herr Zenner: Sie haben eine Fahrkarte geschossen.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Es ist meine feste Überzeugung, dass wir die Denke der Nach kriegszeit und des Kalten Krieges nicht einfach so fortschreiben können. Die Realität im Jahr 2017 ist eine andere. Zwischen innerer und äußerer Sicherheit kann längst nicht mehr unterschieden werden, so wie es vielleicht noch in vergangenen Zeiten der Fall war. Terrorismus hat gleichermaßen Auswirkungen und Ursachen, die nationale und internationale Bezüge haben. Die Bundeswehr ist im Ausland längst unver zichtbarer Teil des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus – übrigens sowohl in militärischen als auch in humanitären Handlungsfeldern.

Dazu stehen wir, und das hat unsere Unterstützung verdient und nicht Misstrauen, das man aus Ihrer Anfrage auch herauslesen könnte, Herr Zenner, auch wenn Sie hier anderes behaupten. Denn im Jahr 2017 stehen wir Bedrohungen gegenüber, die längst nicht mehr eindimensional sind, die interna

tionale Antworten brauchen und deshalb nicht mehr in die Schemata der Vergangenheit passen wollen, die Szenarien beinhalten, die längst notwendig ma chen, dass Sicherheit vernetzt gedacht wird, und die notwendig machen, die Sicherheitsarchitektur der Realität anzupassen.

Sie gehen den umgekehrten Weg: Sie wollen eine veränderte Realität in eine längst überprüfungsbe dürftige Sicherheitsarchitektur pressen, und das wird ganz unabhängig davon, welche Rolle man der Bundeswehr zugedenkt, dauerhaft so nicht mehr funktionieren.

Für mich sind drei Fragen in einer ganzheitlichen Diskussion über die Sicherheitsarchitektur zu stellen, die nicht willkürlich und irreführend einen Aspekt isoliert herauspicken. Natürlich müssen wir zuerst und ständig abwägen zwischen der Sicherheit und der möglicherweise stattfindenden Einschränkung von Freiheitsrechten. Wir müssen zum Zweiten immer die Kompatibilität unserer Maßnahmen im Rahmen der notwendigen Zusammenarbeit der einzelnen Behör den, der unterschiedlichen Ebenen, aber insbesondere auch international und in Europa im Auge behalten.

Aber wir brauchen zum Dritten die Effektivität, auch unter Umständen mit veränderten Szenarien zurecht zukommen. Wer hätte gestern über Bedrohungen durch Lkw nachgedacht? Es sind auch Bedrohungen aus der Luft, von See, durch ABC-Mittel oder durch Cyberattacken möglich und denkbar oder Bedrohun gen, die an mehreren Schauplätzen stattfinden, mobil sind oder über einen längeren Zeitraum stattfinden. Auch darauf müssen wir Antworten finden. Darauf haben unsere Bürger ein Anrecht. Ich möchte Bürgern nicht sagen müssen, wir hätten die Mittel zur Abwehr der Gefahr bei der Bundeswehr gehabt, setzen sie aber nicht ein, weil wir einfach in Kategorien von vorgestern denken, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Um nicht missverstanden zu werden, noch einmal: Es geht nicht darum, Innenpolitik zu militarisieren. Die Polizei ist und bleibt hierfür zuständig. Alle an deren Sicherheitsaufgaben oder damit betrauten Behörden und Organisationen – dazu gehört die Bundeswehr – können höchstens subsidiär und/oder per Amtshilfe tätig werden. Aber eventuell müssen sie eben in diesem Rahmen auch tätig werden, und um dieses im Bedarfsfall auch zu können, müssen Wege der Zusammenarbeit gefunden und geübt werden, wie dies in Katastrophenschutzszenarien, wie von ihnen auch beschrieben, längst üblich ist. Ich finde es ausdrücklich richtig, meine Damen und Herren, dass sich Bremen hieran beteiligt.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Es hat keinen Zweck, eine Diskussion darüber mit Befürchtungen zu

befrachten oder mit Scheinargumenten zu dämonisie ren. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und das Vertrauen in einen jederzeit handlungsfähigen Staat stärken Sie so jedenfalls nicht. Nein, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit unter der Verantwortung der Polizei ist, im Gegenteil, geradezu ein Gebot der Stunde. Wie kann logistische Unterstützung im Bedarfsfall erfolgen? Wie kann ich die Durchhaltefähigkeit der Kräfte notfalls erhöhen? Wie kann ich die Fähigkeiten mobilisieren, die die Polizei vielleicht gar nicht hat? Das sind die eigentlich anstehenden Fragen, und sie sind nüchtern zu überlegen und zu bewerten. Weder Panikmache, wie Sie fälschlicherweise unterstellen, noch Scheuklappen und Inaktivität, die Sie uns an scheinend raten wollen, sind da angezeigt, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Welt.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Als ich in der Mitte des letzten Jahres in den Medien die Berichterstattung verfolgte und die Frage hörte: „Kann die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden?“, war meine erste Reaktion dicht bei der FDP und auch dicht bei den LINKEN. Für mich war im ersten Moment völlig klar, dass das keiner will. Ich bin froh, dass die SPD in dieser Frage eine ganz klare Haltung hat. Es ist im Grundgesetz ganz klar und in ganz engen Grenzen definiert, wann die Bundeswehr eingesetzt werden darf und wann nicht. Eine Grundgesetzänderung wird es dazu mit der SPD nicht geben. Das ist aus unserer Sicht auch nicht erforderlich.

(Beifall SPD – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Genau!)

Das Grundgesetz regelt alles ganz genau, Vorredner haben das auch schon gesagt. Katastrophenhilfe bei besonders schweren Unglücksfällen, Wiederherstel lung der Sicherheit und Ordnung, wenn die Polizei dazu nicht mehr in der Lage ist, Katastrophenhilfe bei einem Terroranschlag, zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokrati schen Grundordnung, des Bundes oder eines Landes sind einige Stichworte dazu. Solch ein Thema muss man erst einmal sacken lassen und sich informieren, bevor man Argumente nach außen vertritt. Ich halte nichts von populistischer Ablehnung ohne Sachver stand. Die Große Anfrage der FDP ist aber durchaus geeignet, negativen Populismus zu verbreiten. Allein die Überschrift: „Aktionismus und Panikmache“ lässt keinen Raum für eine sachliche Diskussion.

(Beifall SPD, CDU)

Wann und wo die Bundeswehr eingesetzt werden kann, ist, wie schon gesagt, klar im Grundgesetz

festgeschrieben und durch die obersten Gerichte beurteilt worden, aber klar ist auch, dass hier Behör den des Bundes und der Länder in ganz bestimmten Fällen um Amtshilfe ersuchen können. Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir auf der Welt keine Verteidi gungsarmeen und auch keine Polizeien bräuchten, aber wir leben nun einmal in einer realen Welt mit realen Bedrohungen. Diese Bedrohungen haben sich in unserer globalisierten Gesellschaft in den letzten Jahren völlig verändert. Wir brauchen dabei gar nicht nach Amerika, in den Nahen Osten, nach Frankreich oder Belgien zu schauen. Auch bei uns müssen die Polizeien auf größere Lagen, seien es Naturkatast rophen oder Katastrophen durch den Terrorismus, zumindest vorbereitet sein.

Was ich immer wieder schade finde, auch hier in dieser Großen Anfrage – der Vorredner hat es auch schon gesagt –, ist die Dämonisierung der Bundes wehr. Allein die Überschrift der Großen Anfrage geht schon wieder in diese Richtung. Aktionismus und Panikmache, dabei arbeiten diese Menschen bei der Bundeswehr – ob Soldat oder Angestellte ohne Uniform – für uns, für unsere Sicherheit. Das wird schnell vergessen, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, CDU)

Die FDP stellt Fragen und beantwortet sich diese in der Großen Anfrage teilweise selbst – Zitat:

„Weitere Krisenmanagementübungen in einem an deren Format sind weitgehend überflüssig.“

Woher wissen Sie das, meine Damen und Herren? Ich sage es noch einmal: Diese Menschen, Freunde und unsere Nachbarn und Verwandten, diese Men schen in der Bundeswehr arbeiten für uns und nicht gegen uns. In 2015 unterstützten fast 1 000 Soldaten in Deutschland die Behörden bei der Unterbringung, Registrierung und Versorgung von Flüchtlingen. Auch die vielen Einsätze der Bundeswehr, ganz besonders auch der Sanitäter bei Katastrophen, sollte man an dieser Stelle einmal lobend erwähnen.

(Beifall SPD, CDU)

Auch in Bremen hat die Bundeswehr zeitweise als Leiter eines Lagezentrums massiv bei der Bewältigung ankommender Flüchtlinge geholfen. Dafür möchte ich mich hier auch im Namen der SPD-Bürgerschafts fraktion noch einmal ganz herzlich bedanken.

(Beifall SPD)

Ich erinnere an 1962, an die Hochwasserkatastrophe in Hamburg, wo Helmut Schmidt auf dem kleinen Dienstweg Einheiten der Bundeswehr und sogar Streitkräfte anderer Nationen mobilisieren konnte und damit die Hansestadt Hamburg vor noch gewaltige ren Schäden gerettet hat. Oder 1978 hier in Bremen