Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Ich erinnere an 1962, an die Hochwasserkatastrophe in Hamburg, wo Helmut Schmidt auf dem kleinen Dienstweg Einheiten der Bundeswehr und sogar Streitkräfte anderer Nationen mobilisieren konnte und damit die Hansestadt Hamburg vor noch gewaltige ren Schäden gerettet hat. Oder 1978 hier in Bremen

und Niedersachsen, wo die Bundeswehr mit hohem Personaleinsatz und sogar mit schwerem Räumgerät unterwegs war. Ich erinnere mich daran, dass ich damals vom Dienst in der Bereitschaftspolizei nach Hause gefahren bin und ein Panzerfahrzeug vor uns die Straße, die alte B 6, von den Schneemassen räumte und wie eingeschneite Dörfer aus der Luft versorgt wurden. Ich erinnere an das Oderbruch oder an die Terrorlage, an den Amoklauf in München, als 100 Feldjäger vorsorglich in Alarmbereitschaft versetzt wurden. Ich könnte noch lange Weiteres aufzählen.

Die Zeiten haben sich verändert und das Bundes verfassungsgericht hat 2012 sogar den Einsatz der Bundeswehr im Inland bei großangelegten Terror angriffen unter selbstverständlich ganz strengen Auflagen erlaubt. Hier hat das Gericht noch einmal ganz ausdrücklich klargestellt, dass bei einer ganz besonderen Terrorlage Soldaten zur Unterstützung von Polizisten auch im Inland von den Ländern ange fordert werden können. Wir als SPD hoffen selbstver ständlich, dass dieser Ernstfall niemals eintritt, und wir werden immer darauf drängen und dafür sorgen, dass die Polizei auch für außerordentliche Fälle gut ausgerüstet und auch gut geschult ist.

(Beifall SPD)

Wir stellen aktuell große Geldsummen aus dem Haus halt bereit, um unsere Polizei auch für die Terroris musbekämpfung mit besonderen Schutzwesten und besseren Maschinenpistolen zusätzlich auszurüsten. Auch soll ein gepanzertes Sonderfahrzeug angeschafft werden. Übergangsweise hat die Bundeswehr in Amtshilfe den Polizeien beider Städte Schutzwesten der Klasse 4 ausgeliehen. Es findet also bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Bundeswehr im rechtlich zulässigen Rahmen statt. Völlig klar ist auch, dass unsere Polizei immer wieder, wie auch in der Vergangenheit, an länderübergrei fenden Krisenübungen teilnehmen wird.

Die gute Zusammenarbeit mit allen zur Verfügung stehenden Institutionen, die mit dem Schutz der Be völkerung und der Katastrophenhilfe betraut sind, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Wer verantwortungs voll arbeiten will, muss wissen, welche Ressourcen andere Institutionen haben und wie die Arbeitsläufe dort organisiert sind. Das ist doch völlig klar, und die LÜKEX-Übung 2018 wird übrigens auch weiterhin von Bremen unterstützt. Es ist aber auch völlig klar, dass ein kleiner Stadtstaat wie Bremen, wenn man sich eine große Terrorlage vorstellt, genau wie alle anderen Länder und Städte mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ganz schnell an Gren zen stoßen kann. Können uns andere Bundesländer überhaupt unterstützen, wenn sie selbst ihre eigenen Maßnahmen treffen müssen, wenn also zum Beispiel Niedersachsen oder Hamburg selbst betroffen sind? Die Bundeswehr mit ihrem Sanitätspersonal, ihren Pionierkräften, ihrem Fachpersonal für Delaborie

rung, mit ihrem gewaltigen Fahrzeugpark – dabei auch gepanzerte Fahrzeuge, die zum Transport für hilflose Menschen aus Gefahrenzonen eingesetzt werden können – und vielem anderem mehr kann ein wichtiger Partner auch in terroristischen Lagen sein. Und einmal ganz ehrlich, meine Herren von der FDP: Ihre Frage 15 – ich zitiere aus Ihrer Frage –:

„Wird nicht gegebenenfalls durch die öffentliche, demonstrative Hervorhebung der Bundeswehr … dem Terrorismus unbewusst zugespielt …?“

Also, die Polizei und der Senat, so habe ich es jedenfalls wahrgenommen, haben kein großes Interesse, ihre Übung zu einer Terrorlage öffentlich darzustellen, zumal eine Stabsrahmenübung im nichtöffentlichen Raum durchgeführt werden soll. Es wird nichts un nötig verheimlicht, aber sicher auch nicht in Einzel heiten vorgestellt. Das wäre völlig kontraproduktiv. Öffentlichkeit stellen Sie, sehr geehrte Damen und Herren der FDP, mit dieser Großen Anfrage her. Ich denke, bei dieser Großen Anfrage stehen Sie sich mit dieser und mit anderen Fragen irgendwie selbst im Weg. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja es stimmt, im Feb ruar wollen Polizei Bremen und Bundeswehr eine gemeinsame Übung durchführen. Im sogenannten Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr vertritt das Bundesverteidigungsministerium die Ansicht, dass im Falle eines Terroranschlages die Armee auch Eingriffs- und Zwangsbefugnisse im Inland hätte und dies zulässig wäre. Das heißt, die Bundeswehr soll nach Meinung von Frau von der Leyen auch un mittelbar polizeiliche Aufgaben übernehmen dürfen und können. Während andere Bundesländer eine Beteiligung an dieser gemeinsamen Übung abgelehnt haben, ist Bremen eines von vier Bundesländern, in denen diese Übung durchgeführt wird.

(Abg. Hinners [CDU]: Wer sagt das, dass die das abgelehnt haben?)

Das konnte man den Medien entnehmen, dass an dere Bundesländer gesagt haben, ihnen wäre das zu vage, Herr Hinners.

(Abg. Hinners [CDU]: Ach, das muss deswegen aber nicht richtig sein!)

Aber ich gehe einmal konkret darauf ein, was statt finden soll. Es soll ein gemeinsames Lagezentrum gebildet werden. Ein Führungsstab aus Polizei, In nenressort und Bundeswehr soll ein Terrorszenario

abarbeiten. Das heißt, die Übung findet virtuell statt, Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen werden im Land Bremen nicht zu sehen sein. Laut Senatsantwort auf die Große Anfrage der FDP geht es bei der Übung um Führungsstab und Kommunikationswege, um eine Prüfung und Abstimmung unterschiedlicher Abläufe über mögliche Koordination und Aufgabenübertra gung und über personelle und materielle Kapazitäten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das stimmt, was der Senat hier geantwortet hat, scheint das alles noch weitgehend offen zu sein. Ich zitiere aus der Antwort 4. Demnach soll unter anderem geklärt werden – ich zitiere –:

„Was kann die Bundeswehr leisten? Wie kann die Bundeswehr die Polizei aus bestimmten Aufgaben herauslösen, um andere polizeiliche Aufgaben zu erfüllen? Welche Truppenteile würden der Polizei Bremen zur Verfügung stehen?“

Dann in der Antwort auf Frage Nummer 9:

„Erst nach Auswertung der Übung kann eine Aussage zur künftigen Koordination im Anti-Terror-Kampf zwischen Polizei und Bundeswehr getroffen werden.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas irritierend finde ich diese Antwort schon. Was wird denn geübt, wenn vorher nicht einmal klar sein soll, wie viele Soldaten welche Aufgaben auf welche Weise über nehmen könnten? Wird das dann spontan überlegt? Man muss doch wissen, wie die Rahmenbedingungen sind und was der Zweck sein soll, um überhaupt einen sinnvollen Ansatz für eine solche Übung zu bekommen.

Leider ist auch der Rest der Antwort des Senats nicht besonders ergiebig. Wir erfahren zum Beispiel, dass der Senat die Auffassung der Bundesverteidigungsmi nisterin teilt, wonach Artikel 35 Grundgesetz relativ viel Spielraum für Bundeswehreinsätze im Inneren im Rahmen der Amtshilfe erlaube. Das sieht DIE LINKE anders. Viele Juristen sehen das auch anders, und der Senat bleibt leider eine eigene Begründung schuldig, warum er Frau von der Leyens Interpretation teilt.

(Abg. Bensch [CDU]: Weil er klug ist!)

Ich kann es ganz kurz abschließen: Für uns muss der Einsatz der Bundeswehr im Inneren auf konkrete Katastrophenszenarien beschränkt bleiben. Unter stützung bei Flutkatastrophen oder logistische Hilfen wie jetzt bei der Bewältigung der Unterbringung von Flüchtlingen und der Erstellung von Notunter künften stellen für uns kein Problem dar. Was für uns aber definitiv ein Problem ist und was auch dem Gedanken des Grundgesetzes zuwiderläuft, ist eine Übertragung von polizeilichen Kompetenzen mit dem schwammigen Konstrukt der Amtshilfe.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das ist überhaupt nicht schwammig!)

Wenn der Senat offiziell angibt – ich zitiere diesen Satz noch einmal –: „Wie kann die Bundeswehr die Polizei aus bestimmten Aufgaben herauslösen, um andere polizeiliche Aufgaben zu erfüllen?“, dann interpretiere ich das so, dass offensichtlich eine Über tragung hoheitlicher Aufgaben von der Polizei an die Bundeswehr geübt werden soll. Das lehnen wir ab. DIE LINKE ist gegen den Einsatz der Armee im Inneren im Rahmen polizeilicher Zuständigkeiten.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: DIE LINKE ist immer dagegen!)

Nein, nicht immer.

(Zuruf von Abg. Dr. vom Bruch [CDU])

Herr Dr. vom Bruch, ich habe gerade erklärt, wo wir überhaupt keine Probleme mit dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren haben. Haben Sie da nicht zugehört? Das habe ich eben in längeren Absätzen begründet.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Aber nur Brunnen boh ren geht auch nicht!)

Aber wenn polizeiliche Aufgaben durch die Bundes wehr übernommen werden sollen, dann finden wir das falsch. Wir finden es grundgesetzwidrig, wir lehnen es ab. Deshalb finden wir auch diese Übung nicht richtig. Damit stehen wir übrigens nicht allein. Das findet die GdP auch nicht richtig. Ich zitiere einmal den Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei, der sagt nämlich – Zitat –:

„Die GdP lehnt Großübungen der Polizei mit der Bundeswehr mit terroristischen Szenarien, bei denen der Bundeswehr polizeiliche Aufgaben übertragen werden sollen, ab.“

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es. Das sehen wir auch so, und das hat gute Gründe. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Stellenwert der Bundeswehr an verschiedener Stelle in diesem Land ist schon erwähnt worden. Bei Naturkatastrophen, Flugkatastrophen, aber insbesondere auch hier in Bremen bei der Bewäl tigung der Flüchtlingszugänge hat die Bundeswehr Überragendes für unser Bundesland geleistet, und dafür gebührt ihr in der Tat Dankbarkeit.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Grundsätzlich haben wir jedoch immer das Problem, dass nach Amokläufen oder terroristischen Anschlä gen auf Bundesebene irgendwelche Abgeordnete, egal, welcher Couleur, den Ruf nach der Bundeswehr tätigen, die doch bitte eingesetzt werden soll. Das ist so ein wenig wie die Diskussion um die Sommer- und Winterzeit. Sie kommt immer wieder. Das Grundprob lem – das ist, glaube ich, auch heute in der Diskussion deutlich geworden – ist, dass es einen Graubereich gibt, in dem es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, was die Bundeswehr darf und was sie nicht darf. Klar ist: Eine klammheimliche Militarisierung und Übertragung von Polizeiaufgaben kann und darf es nicht geben. Wenn, dann muss es offen, transparent und gesetzlich vorgegeben sein.

Zur Situation in Bremen und der angesprochenen gemeinsamen Übung mit der Bundeswehr: Darin sehen wir Grünen ehrlicherweise keinen Skandal. Der Senat hat in seiner Antwort deutlich gemacht, dass es um die Klärung vieler möglicher Fragestel lungen geht. Dass es in besonderen Situationen not wendig sein kann, auf die Logistik der Bundeswehr zurückzugreifen – beispielsweise, wenn es um den Transport oder die Versorgung von Verletzten geht –, finde ich absolut verständlich. Darüber hinaus ist für uns auch klar, dass wir keine Aufweichung des Grundgesetzes in der Frage des Bundeswehreinsatzes im Inneren brauchen.

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch diese Übung vielleicht erst einmal geschehen. Ich würde an dieser Stelle, Herr Hinners, wenn Sie mir zuhören, bei Ihnen als Vorsitzendem der Innende putation die Berichtsbitte abgeben, dass wir uns im Anschluss in der Innendeputation einmal sachlich mit der Frage auseinandersetzen, welche Erkenntnisse diese Übung am Ende des Tages gebracht hat.

(Abg. Hinners [CDU]: Machen wir!)

Dann können wir uns auch gern noch einmal über die eine oder andere rechtliche Einschätzung un terhalten, die ich wahrscheinlich nicht in Gänze – sehen Sie es mir nach –, wie hier von Herrn Dr. vom Bruch vorgetragen, teilen werde. Aber ich finde, wir müssen uns erst einmal im Klaren darüber sein, über welche Form der Unterstützung der Bundeswehr wir sprechen. Denn natürlich gehört zu einer schlechten Sicherheitspolitik auch immer so ein gewisses marti alisches Gehabe, nach Lösungen zu suchen und erst einmal pauschal zu schreien: Wir brauchen die Hilfe der Bundeswehr! – Das mag vielleicht in der einen oder anderen Situation sogar notwendig sein, aber es ist pauschal nicht die richtige Lösung,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Aber wer macht das denn pauschal?)

weil die Terrorismusbekämpfung in diesem Land aus grüner Sicht in erster Linie den Polizeiprofis der

Polizeien der Länder und des Bundes zugeordnet ist und wir deshalb auch weiterhin darauf setzen, dass diese in einer vernünftigen Schutzausstattung, mit einer vernünftigen Ausrüstung und personell vernünftig aufgestellt agieren können. Für die Bun deswehreinsätze im Inneren gibt es klare Grenzen des Grundgesetzes, und dabei werden wir keine Verschiebung mitmachen.

Wir werden, glaube ich, in Zukunft immer wieder diese Diskussion haben. Wir werden das mit einem wachsamen Auge begleiten. Ich denke – noch einmal –, dass wir uns die Zeit nehmen sollten, das, was bei der Übung im Februar herausgekommen ist, was wahrscheinlich auch an rechtlichen Fragestellungen herauskommt, wenn unterschiedliche Sicherheitsbe hörden und die Bundeswehr zusammen agieren, in Ruhe zu bewerten und abschließend eine Diskussion darüber zu führen, was möglich und machbar ist. Jetzt so ein wenig im Nebulösen zu diskutieren, wenn es keine konkreten Vorstellungen und keine konkreten Vorschläge gibt, halte ich persönlich für nicht ziel führend. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Bild: Wenn im Süden der Schnee schmilzt, massiv schmilzt, wenn es in Bremen tagelang regnet und die Deiche aufgeweicht sind und wenn dann noch zu allem Überfluss eine Sturmflut hinzukommt, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Dann ist es meine Aufgabe, den Krisenstab aufzurufen, und natürlich wird auch das Landeskommando dann dabei sein. Das Landeskommando, Herr Zenner, ist nicht dazu da, um die Sandsäcke zu befüllen, sondern die Auf gabe ist es dann, Einheiten heranzuführen, das heißt Menschen, Material, Lkws, Transportkapazitäten und insbesondere Hubschrauber. Das ist das, was das Landeskommando zu leisten hat, und wir haben das in der Vergangenheit häufig geübt. Die Bundeswehr weiß, wie man Deiche baut, und wir sind froh, dass wir diese Unterstützung haben. Das war das, was wir bisher gemacht haben.