Protokoll der Sitzung vom 15.02.2017

Das gilt übrigens für alle Ausländer, die kein Bleiberecht haben. Die Rückführungen werden allesamt im rechtlichen Rahmen und nach Möglichkeiten, die unsere Verwaltungseinheiten haben, durchgesetzt, und zwar konsequent. Ein übergeordneter Koordinierungsstab beim Senator für Inneres erarbeitet Lösungsansätze und legt Prioritäten fest. Polizei und Ausländerbehörde sammeln alle Informationen zusammen und stimmen ihre Maßnahmen ab. Das Ziel dieser Maßnahmen ist neben der strafrechtlichen Belangung der Täter eine möglichst schnelle Abschiebung von Tätern mit ausländischer Staatsbürgerschaft.

Abschiebungshindernisse, die nur deswegen existent sind, weil es Probleme der Kooperation mit den Herkunftsländern gibt, müssen so schnell wie möglich

bearbeitet und ausgeräumt werden. Wenn es dafür neuer gesetzlicher Regelungen bedarf, dann muss man auf Bundesebene endlich nachbessern. Es kann nicht sein, dass ausländische Straftäter nicht das Land verlassen können, weil ihre Identitäten nicht geklärt werden können. Es kann doch nicht sein, dass ausländische Straftäter wegen fehlender Pässe nicht ausgewiesen werden können. Die Herkunftsländer dieser Menschen sind an erster Stelle für ihre Bürger selbst verantwortlich. Es kann doch nicht sein, dass minderjährige Straftäter, deren Identitäten feststehen, nicht rückgeführt werden können, weil in den Herkunftsländern eine Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden verweigert wird.

Ein vernünftiges, gut durchdachtes Rücknahmeabkommen, gerade mit den Maghreb-Staaten, aber auch mit anderen Ländern ist deshalb längst überfällig. Wir erwarten vom Innenminister und von der Bundeskanzlerin mehr persönlichen Einsatz, und wenn es nicht anders geht, auch politischen Druck auf diese Regierungen. Die Bundesländer können ihre Aufgaben in vielen Fällen nur wahrnehmen, wenn der Bund hier die längst überfälligen Voraussetzungen schafft. Auf dieser Ebene muss endlich gehandelt werden.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Da sprechen Sie einmal den Senat an, wie er sich im Bundesrat verhalten hat! Sie halten doch hier gerade eine Märchenstunde! Es spricht Herr Schulz!)

Dass Frau Merkel dies jetzt beabsichtigt, ist zwar anerkennenswert, kommt aber reichlich spät. Die politisch Verantwortlichen haben viel zu lange gewartet. Leider scheint auch der Besuch aus Tunesien gestern bei der Bundeskanzlerin nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Was hat denn der Außen- minister produziert? Heiße Luft! Sonst nichts!)

In den Medien haben wir gestern eine ausgebrannte, völlig überforderte Bundeskanzlerin sehen müssen. Positive Ergebnisse wurden nicht präsentiert.

(Beifall SPD – Lachen und Zurufe von der CDU – Abg. Kastendiek [CDU]: Wer hat Ihnen das aufgeschrie- ben? – Abg. Bensch [CDU]: Sie lesen ab, was man Ihnen aufgeschrieben hat! Das ist nicht von unserer Welt! – Zuruf von der CDU: Märchenwelt! – Glocke)

Mittlerweile hat aber Marokko sehr zögernd und sehr verhalten eine Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden angekündigt. Hier liegt die Betonung aber auch auf „sehr verhalten“.

Zum Schluss! Bremen ist gut aufgestellt, sehr zielstrebig dabei, geschriebenes Recht durchzusetzen.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Besonders loben möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal die Strategie der freiwilligen Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern.

(Zuruf Abg. Hinners [CDU])

Hier handelt Bremen außerordentlich erfolgreich und vorbildlich, Herr Hinners. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

(Abg. Bensch [CDU]: Unglaublich! Man spürt, was von oben vorgegeben ist! Das ist für den Parlamen- tarismus richtig Shit!)

Jetzt hat das Wort die Kollegin Frau Leonidakis! Vielleicht erzählt sie Ihnen ja etwas anderes Schönes.

(Zuruf Abg. Bensch [CDU] – Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Wollen Sie reden, Herr Bensch? Ich stelle meine Rede gern zurück!)

Herr Bensch, bitte schön! Frau Leonidakis hat das Wort.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Sie kann nichts dafür!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anfrage der FDP gehört tatsächlich für mich in die Kategorie postfaktischer Politiksimulation.

(Beifall DIE LINKE)

Beschworen wird in dieser Begründung ein Gefühl der Hilflosigkeit von Polizei und Bevölkerung gegenüber straffällig gewordenen Ausländern, das Zweifel an der Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaats nährt und in Teilen so weit geht, dass Bürgerwehren gegründet werden. Sie malen ein Bild von Bremen am Rande des Chaos, und das alles nur, weil Herr Senator Mäurer nicht genügend abschiebt. Ich finde, das hat mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wenn man sich an die Tatsachen aus den Antworten hält – hätten Sie die Antworten durchgelesen, wären Sie auch zu einem ähnlichen Schluss gekommen –, dann kann man doch mehreres feststellen: In Bremerhaven wird erstens dreimal so viel abgeschoben wie in Bremen, gemessen an der Bevölkerungszahl

sogar 15-mal so oft, und man kann konstatieren, dass Bremerhaven deswegen im Vergleich zu Bremen nicht der Hort der Sicherheit ist.

Zweitens: Im Jahr 2015 sind im Land Bremen 219 Erwachsene und 25 Jugendliche ohne deutschen Pass zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt worden. Das sind die letzten verfügbaren Zahlen, die vorgelegt wurden. Das ist eine sehr überschaubare Zahl, und sie bezieht sich auf ein Achtel der Bevölkerung Bremens ohne deutschen Pass. Sie haben ja nach Straftätern ausländischer Staatsangehörigkeit gefragt. Ich halte mich nicht an die Statistik der Tatverdächtigen, denn Verdächtigungen sind noch keine Verurteilungen. Insofern habe ich mich jetzt an die Zahl der Verurteilungen gehalten.

Zum 31. Oktober 2016 gab es im Land Bremen 3 805 rechtlich ausreisepflichtige Personen – Sie sind darauf eingegangen –, davon 3 060 Geduldete. Duldung heißt aber auch, werte Kollegin, dass es Ausreisehindernisse gibt, ob rechtliche oder tatsächliche Ausreisehindernisse. Das heißt, sie können, selbst wenn man wirklich will, nicht einmal annähernd vollständig abgeschoben werden. Hätten Sie sich die Duldungsstatistik angeschaut, hätten Sie gesehen

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Ich habe nicht über die Geduldeten gesprochen, sondern nur über die an- deren! Wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie das!)

Sie haben über die Ausreisepflichtigen gesprochen –, dass nur ein kleiner Teil der Geduldeten wegen Passlosigkeit geduldet wird. Der Großteil der Duldungen wird wegen anderer Gründe ausgesprochen. Auch da suggerieren Sie also mit Ihrer Frage eine Art Versäumnis.

Es stimmt, Duldungen sind Mist, aber nur wegen der aufenthaltsrechtlichen Unsicherheit.

(Abg. Schäfer [LKR]: Nein, die sollen nach Hause befördert werden!)

Es gab deswegen einmal den politischen Willen, Kettenduldungen zu verringern. Jetzt sind wir wieder bei über 3 000. Da sollte der Senat einmal heran und Aufenthaltserlaubnisse erteilen, damit Menschen nicht über Monate und Jahre hinweg in Unsicherheit leben müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Sowohl die Gruppe derer, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden und keinen deutschen Pass haben, als auch die Zahl derer, bei denen eine Abschiebung tatsächlich vollzogen werden könnte, ist also ziemlich klein. Wenn man die Schnittmenge aus beiden nimmt, bleiben auch im Sinne der FDP-Anfrage nur sehr wenige übrig, die man konsequent zurückführen könnte. Ihr tatsächliches Druckpotenzial auf politisches Handeln ist also begrenzt.

Der Druck hingegen, den Sie gesellschaftlich erzeugen, ist größer und tatsächlich schlimmer. Sie legitimieren die Abschiebung von straffällig gewordenen Bremerinnen und Bremern, die nicht Inhaber eines deutschen Passes sind. Legitimität ist bekanntermaßen etwas anderes als Legalität, denn legal ist das. Frau Kollegin Aulepp – sie ist gerade nicht im Raum – hat heute Morgen von der gesellschaftspolitischen Macht von Gesetzen gesprochen. Es gibt inzwischen ein regelrechtes Zusatzstrafrecht, das zusätzlich, ausschließlich oder ersatzweise, zur strafrechtlichen Ebene eine aufenthaltsrechtliche Bestrafung vorsieht. Wir lehnen das aus ganz grundsätzlichen Erwägungen ab, die ich Ihnen gern erläutern möchte.

(Beifall DIE LINKE)

Eine der Errungenschaften der Aufklärung waren moderne Bürgerrechte, eines davon die Gleichheit vor dem Gesetz. Sie nennen sich ja die Bürgerrechtepartei.

Die Gleichheit vor dem Gesetz begreife ich im Hinblick auf die Fragestellung, die Sie aufgeworfen haben, wie folgt: Wer Straftaten begeht, wird strafrechtlich belangt, ausschließlich, und zwar egal welcher Herkunft, egal welcher Staatsangehörigkeit. Wenn Bürgerrechte nur solange gelten, wie Bürger Wohlverhalten an den Tag legen, dann sind das keine Bürgerrechte. Wenn Sie Bremerinnen und Bremern ohne deutschen Pass absprechen, Bürger zu sein, dann haben Sie die letzten 50 Jahre gesellschaftliche Entwicklung verpasst.

(Beifall DIE LINKE)

Heute Morgen haben Sie ja schon Ihr krudes Verständnis von Freiheit angeboten. Sie halten sich für die Bürgerrechtepartei. Ich frage Sie: Wer sind denn Ihre Bürgerinnen und Bürger? Sind das nicht die, die schon seit Jahren hier leben? Sind das nicht die, die als Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten sind und zufällig keinen deutschen Pass haben? Sind das nicht auch die Jugendlichen, die wegen Straßenkindervergangenheit erst einmal Vertrauen fassen müssen, und sind das nicht auch Straftäter?

Sie haben eben schon gesagt, dass Sie auch Leistungskürzungen für richtig halten.

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Ja!)

Viele Fachleute halten die Leistungskürzungen, die jetzt mit den Asylpaketen durchgesetzt wurden – –.

(Zuruf Abg. Schäfer [LKR])

Nein, es gab Anhörungen im Bundestag von Juristen, die sagen, das ist klar grundrechtswidrig, denn es gibt ein Recht auf die Menschenwürde! Es gibt sogar oberste Rechtsprechung zu dieser Frage! Da

muss man aber einmal wieder warten, bis das oberste Gericht in mehreren Jahren urteilen wird.

(Glocke)

Ich werde in meiner zweiten Runde noch auf die Handlungen des Senats in diesem Feld eingehen und danke erst einmal!