könnte, insbesondere dann, wenn ich hier höre, dass der Bremer Senat diese Initiative nun auch voll und ganz unterstützt. Wir müssen ja immer daran denken, dass es jeden Tag neue Stalkingopfer gibt, die genau dieses Problem jeden Tag haben, und dass das Gericht nicht anders als nach Paragraf 238 des Strafgesetzbuches handeln kann.
Es ist also in keiner Weise zu diskreditieren, dass die CDU-Fraktion dieses Thema erneut aufgegriffen hat. Wir werden dieses Thema erneut aufgreifen, wenn in Berlin im Bundesrat oder in den entsprechenden Ausschüssen keine Initiative ergriffen wird. Das sehen wir auch in Zukunft allein schon im Interesse der Opfer als gerechtfertigt an.
Herr Erlanson, ich mag für Sie ein rotes Tuch sein, aber eigentlich müssten Sie ja rote Tücher mögen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sachstand ist folgender: Wir sind in Bremen davon überzeugt gewesen, und zwar schon seit längerer Zeit, dass man den Stalkingtatbestand verändern, verschärfen muss. Er muss ein Eignungsdelikt werden. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Bundesgerichtshof im Jahr 2012 entschieden hat, dass eine tatsächliche Verschlechterung in der Lebensgestaltung eingetreten sein muss. Damit sind die Täter bei Opfern geschützt, die Stalking ertragen und ihre Lebensgestaltung nicht ändern. Diese Situation ist nicht hinnehmbar.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Täter eines bestimmten Personenkreises geschützt werden, wenn sie „hartgesotten“ – so steht es in der Literatur – sind. Diesen Schutz soll man nicht hinnehmen, und deswegen ist es richtig, dass der Tatbestand auf Eignung geändert wird. Gleichwohl ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung als weiterer Tatbestand erforderlich, sodass die Anforderungen immer noch hoch sind. Es wird also immer noch eine Reihe von Fällen geben, bei denen die Tatbestandsmerkmale nicht als erfüllt anzusehen sind.
Der bayerische Antrag ist ein bisschen schlicht. Ich lese Ihnen den Satz einmal vor: „Wer einen Menschen in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist,“ – das ist die Änderung – „ihn in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich – –.“ Es ist wirklich nur das Wort „geeignet“ eingefügt worden. Das ist der Text, der geändert werden soll, und diese Änderung wird gerade beraten.
Es ist auch richtig, dass die Beratung noch erfolgt. Denn ich kann Ihnen sagen, dass die Bundesregierung in der letzten Woche verlautbart hat, sie werde einen eigenen Gesetzentwurf einbringen, der in die
Richtung Eignungsdelikt gehe. Der Wechsel vom Erfolgsdelikt zum Eignungsdelikt wird durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vorbereitet. Der Wechsel ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass sich Bremen an der Seite von Bayern und Hessen dafür eingesetzt hat. Wir wollten, dass es zu diesem Wechsel kommt, obwohl er rechtlich schwierig ist. Herr Zenner hat es richtig beschrieben, es ist nicht ganz einfach, weil Straftatbestände immer durch feststehende Tatsachen gekennzeichnet sein müssen. Der Begriff Eignung ist ein schillernder Begriff als eine konkrete Tatsache. Es wird aber zu einer Änderung kommen.
Das Bundesjustizministerium hat weiterhin im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf angekündigt, dass überlegt wird, die Möglichkeit auf den Hinweis auf den Privatklageweg zu streichen. Das ist eine weitere Verschärfung, die geeignet ist gegen die Täter vorgehen zu können.
Ich will noch einmal betonen, dass das Vorgehen gegen Stalking in Bremen ganz besonderes Gewicht hat, und zwar nicht nur mit der Anwendung des Strafgesetzbuches, sondern in Bremen gibt es das StalkingKIT. Es ist im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs eingerichtet worden und wird fortlaufend finanziert. Das Stalking-KIT wird von zwei angestellten Psychologen, die sich mit den Tätern auseinandersetzen, umgesetzt. Es wird eine sehr erfolgreiche Arbeit geleistet.
Der Abgeordnete Dr. Yazici war Mediator im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs und kennt die Situation. Das Stalking-KIT ist etwas Besonderes, das in Bremen etabliert worden ist. Der Kampf gegen Stalking hat in Bremen ein besonderes Gewicht, und entsprechend haben wir uns in Berlin eingesetzt. Wir werden die eingeschlagene Linie fortsetzen. Im Augenblick geht es nicht darum, ob man es macht, sondern wie man eine vernünftige Regelung findet, um zu einem Eignungsdelikt zu kommen. Das ist auf dem Weg, und wir müssen keine Eulen nach Athen tragen. – Vielen Dank!
Es ist getrennte Abstimmung beantragt worden. Zunächst lasse ich über die Ziffer 1 des Antrags abstimmen.
Wer der Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/8 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wer der Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/8 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
„Operation Last Chance“ – Die letzten lebenden NSTäter müssen ihrer strafrechtlichen Verfolgung zugeführt werden Antrag der Fraktion der CDU vom 1. Juli 2015 (Drucksache 19/13)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt den Bogen zu einem sehr ernsten Thema zu spannen, das ist sehr schwierig. Vielleicht sollten wir drei Sekunden innehalten.
Morris Venezia, ein jüdischer Zeitzeuge, berichtet aus dem KZ Birkenau: „Als die Gaskammern geöffnet wurden, hörten wir drinnen jemanden schreien, wahrscheinlich ein Baby, das das Gas überlebt hatte. Wir sagten dem Deutschen Bescheid. Der ging einfach mit seinem Gewehr hin und erschoss das Kind.“ Venezias Erzählung ist eine von zahllosen Berichten des Grauens aus deutschen Vernichtungslagern.
Unmenschliches geschah aber auch außerhalb. Zu nennen sind hier insbesondere die circa 3 000 Mann starken Tötungsbrigaden, die sogenannten Einsatzgruppen, die zusammen mit anderen Tätergruppen maßgeblich am Holocaust beteiligt waren. Aufgeteilt in Gruppen mit den Bezeichnungen A, B, C und D haben sie an der deutschen Ostfront im Zweiten Weltkrieg geradezu im Akkord gemordet. Das Unterkommando 4a tötete am 29. und 30. September 1941 in Kiew gemeinsam mit der Wehrmacht und zwei Kommandos der Polizei 33 771 Juden.
Rund zwei Millionen Menschen, ganz überwiegend Juden, sind der Brutalität dieser Einsatzgruppen zum Opfer gefallen. Das war nicht der industrialisierte Massenmord per Giftgas wie in den Vernichtungslagern, sondern die Opfer der Einsatzgruppen wurden Mensch für Mensch erschossen, und zwar überwiegend von hinten durch einen Genickschuss. Später wurden auch mobile Gaswagen eingesetzt.
Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Krieg ist es für uns schwer nachvollziehbar, wie diese Einsatzgruppen schier ansatzlos diese Taten ausführen konnten, im Übrigen kommandiert von promovierten Juristen.
Die Quellen sind überraschend gut. In den NS-Archiven findet sich der Beweis für den Mord an mindestens 535 000 Menschen. Trotzdem standen im sogenannten Einsatzgruppen-Prozess 1947 und 1948 gerade einmal 24 Kommandeure vor Gericht. Die meisten Täter blieben also unbehelligt.
Das Gleiche gilt auch für die zahlreichen Täter in den Konzentrationslagern. So wurden von den 6 500 SS-Offizieren, die in Auschwitz waren, gerade einmal 49 verurteilt. So wird die justizielle Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland als eine Geschichte des Scheiterns beschrieben. Richtig an dieser Einschätzung sind die hohe Zahl der Ermittlungen, die geringe Zahl der Verurteilungen, die niedrigen Strafen und die lange Dauer von Verfahren, die häufig auch wegen der Verhandlungsunfähigkeit der Beschuldigten endeten.
In der Tat müssen wir konstatieren, dass die Strafverfolgungsbilanz der bundesdeutschen Justiz kein Ruhmesblatt ist. Allerdings liegt die Verantwortung nicht nur bei der Justiz. Sie vollzog sich vielmehr lange Zeit in einem gesellschaftlichen Klima, in dem die Deutschen eher Verständnis und Mitgefühl für die Täter der Verbrechen hatten als dass der Wille da war, diese Täter auch zu bestrafen. Im Januar 1965 gab es eine repräsentative Umfrage. Darin gaben 52 Prozent der Deutschen an, dass sie unverzüglich alle NSProzesse beendet haben wollen. Deckel darauf und vorbei! So wurde die Verjährung von Mord erst 1979 aufgehoben. Sehr spät, aber nicht zu spät!
Aufgrund dieses Gesetzes können die Staatsanwälte heute Anklage erheben und die Täter von damals vor Gericht ziehen. Genau das ist das Ansinnen des Ihnen heute vorliegenden Antrags, meine sehr geehr
ten Damen und Herren. „Die letzten lebenden NSTäter müssen ihrer strafrechtlichen Verfolgung zugeführt werden“ lautet der Titel, der an die gleichnamige Kampagne des Simon-Wiesenthal-Zentrums angelehnt ist, mit deren Hilfe die letzten noch lebenden NS-Verbrecher in Deutschland aufgespürt werden sollen. Weil immer wieder die Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Anklage von über 90-jährigen Menschen geführt wird, möchte ich an dieser Stelle noch hinzufügen, an diesem Punkt geht es nicht primär um Strafvollzug oder um die Höhe des Strafmaßes. Es geht um Aufklärung. Es geht darum, nicht erneut die Augen, die Ohren und die übrigen Sinne zu verschließen. Es geht vor allem darum, dass sich eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft, wie Deutschland sie heute ist, mit ihrem dunkelsten Kapitel der Geschichte immer und immer wieder auseinandersetzen muss, um daraus Lehren für die Gegenwart und für die Zukunft zu ziehen. Das ist das Ansinnen des Antrags.
Wir haben gerade aus Baden-Württemberg die Nachricht bekommen, dass dort ein Flüchtlingsheim angegriffen wurde. Der Blick auf die zunehmenden antisemitischen Straftaten in Deutschland und andere fremdenfeindliche Übergriffe, wie etwa auf Flüchtlingsheime oder die Übergriffe auf zahlreiche Moscheen in Deutschland, machen eines deutlich: Menschen, die diesen menschenverachtenden Ideologien aufsitzen, müssen das klare Zeichen bekommen, es ist ganz gleich, wie alt ihr seid, ob 90, 92 oder 93, die bundesdeutsche Justiz wird es nicht vergessen, und ihr könnt nicht sagen, es ist vorbei. Das ist das Ansinnen des Antrags, meine Damen und Herren,