Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Ich stimme mit Herrn Dr. Yazici in der Bewertung der beschämenden Bilanz der Strafverfolgung bis weit in die Siebzigerjahre hinein völlig überein, und ich freue mich, wie Herr Erlanson, dass es bei dieser Tendenz eine Wende gegeben hat, sodass wir jetzt tatsächlich ernsthafte Strafverfolgung betreiben.

Die nicht nachlassende Ernsthaftigkeit, die Sie in Ihrem Antrag darstellen, ist vor der Geschichte ein bisschen irritierend, aber trotzdem ist diese Haltung erfreulich und in jeder Hinsicht zu unterstützen. Selbstverständlich werden wir deshalb als Sozialdemokratinnen und als Sozialdemokraten diesem Antrag zustimmen, aber auch in der begründeten Hoffnung, dass aktuelle Straftaten – und darauf haben auch meine Vorrednerinnen und Vorredner hingewiesen – mit rassistischem, antisemitischem und homophobem Hintergrund unbedingt, unbeirrt und mit aller Ernsthaftigkeit und Sorgfalt verfolgt und geahndet werden müssen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Mit dem Beschluss, der heute hier gefasst werden wird, aber auch mit der Strafverfolgung, wollen wir an alle hier beheimateten und alle hier Heimat suchenden Menschen das Signal senden: Unsere Gesellschaft, in der wir zusammenleben, ist bunt, weltoffen und tolerant.

Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, die wichtige Arbeit des SimonWiesenthalCenters und der Targum Shlishi Foundation zu loben, die die Kampagne „Operation: Last Chance“ ins Leben gerufen haben.

Selbst Efraim Zuroff, der im Augenblick das Simon WiesenthalCenter in Jerusalem leitet, verknüpft die Aufarbeitung der deutschen Verbrechen während des Nationalsozialismus mit dem Kampf gegen heutigen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus.

(Beifall SPD, Bündnis90/Die Grünen)

Ich möchte, wie auch schon Herr Zenner, ein paar Worte zu den konkreten Forderungen verlieren. Unsere Strafverfolgungsbehörden arbeiten unter den der Haushaltssituation geschuldeten Rahmenbedingungen sorgfältig, pflichtbewusst und zügig.

Die hier in Rede stehenden Ermittlungsverfahren werden entsprechend bearbeitet werden. Da bin ich mir sicher, wobei das angesichts des Zeitablaufs zwischen Tat und Verfolgung nicht mehr so sehr viele sein dürften. Ich habe Vertrauen in unsere Justiz.

Anders als in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik hat sich auch hier das Selbstverständnis erfreulicherweise gewandelt. Wir gehen auch davon aus, dass insbesondere staatliche Stellen, die über die hierfür notwendigen Erkenntnisse verfügen, diese selbstverständlich den Strafverfolgungsbehörden übermitteln und auch die Zivilgesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger, entsprechend verfahren wird.

Die beantragte Aufforderung ist dennoch im Sinne eines deutlichen politischen Signals begrüßenswert. Wir werden Ihrem Antrag deshalb zustimmen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tassis.

Genauso wenig, wie ich der verantwortungslosen Flüchtlingspolitik zustimme – –.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, es beginnt mit: Sehr geehrter Herr Präsident! So fängt man hier an!

Entschuldigung! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Genauso wenig können Sie mich aber auch davon abbringen, jetzt aus vollstem Herzen dem CDU-Antrag zuzustimmen. Selbstverständlich ist die Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen ein vollkommen berechtigtes Anliegen. Ich bin daher auch geblieben und gleich wieder hereingekommen als ich hörte, dass es um diesen Antrag geht. Der Antrag ist mir wichtig, und ich werde zustimmen.

Die Alternative für Deutschland steht gegen jeden Nationalsozialismus und gegen jeden Rassismus. Ich habe vorhin in meiner Rede nichts anderes getan, als an die Einhaltung von Rechtsstaat und Ordnung zu appellieren, und daran zu erinnern, dass dies gelten muss. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich in meinem kleinen Beitrag an Afrika und an die Solidarität mit Osteuropa erinnert. Dabei bleiben wir. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die AfD stimmt diesem Antrag aus vollstem Herzen zu. – Vielen Dank!

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wäre dankbar, wenn wir weitere Ermittlungsverfahren anstoßen könnten. Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Staatsanwaltschaft gut aufgestellt ist. Wir haben ein Sonderdezernat für diese Verfahren. Es ist in der Lage, diese Verfahren zu betreiben.

Zur zweiten Forderung Ihres Antrags kann ich Ihnen berichten, wann das letzte Ermittlungsverfahren stattgefunden hat. Das letzte Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 1999 in Bremen eingestellt. Das ist gerade die Funktion der Zentralen Stelle. Die ganzen Informationen werden bei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg gesammelt, um sie konzentriert an die Strafverfolgungsbehörden zu leiten, und zwar sowohl für die ausländischen Taten als auch für Taten, die im Bereich der Bundesrepublik Deutschland begangen wurden. Das war eine ganz wichtige Funktion. Es wäre gut gewesen, wenn das wesentlich früher erfolgt wäre.

Die entscheidende Feststellung ist, es hat eine Änderung der Rechtsprechung gegeben. Das kann man auch aus den Verfahren sehen, die jetzt betrieben werden. Wir haben einen 94-Jährigen, der Buchhalter in Auschwitz war. Wir haben eine 91-Jährige, die angeklagt ist und Funkerin war. Wenn in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nach den rechtlichen Maßstäben Täter verfolgt worden wären, dann hätten wir eine ganz andere Lage als heute. Man kann nach diesen Maßstäben die noch möglichen Verfahren betreiben. Das wird sehr, sehr schwierig sein. Wir können das gerne berichten, aber ich habe keine große Hoffnung. Sie können davon ausgehen, dass wir das mit Verve betreiben werden.

Im Moment findet im Justizzentrum eine Ausstellung zu Fritz Bauer statt, einem Juristen, den wir sehr verehren, weil er wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tür zum Vorgehen gegen die Täter überhaupt geöffnet wurde.

Wir sind im Moment dabei, die Verarbeitung durch die Geschichte zu ermöglichen. Wir sind in Bremen sehr intensiv dabei und werden alles tun, wenn es noch neue Informationen über Täter gibt. Ich habe aber keine große Hoffnung, auch im Hinblick darauf, wann wir die letzten Ermittlungsverfahren hatten. Sie können davon ausgehen, dass wir das mit ganz großem Engagement machen würden. Wir müssen aber die Realität betrachten und uns mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, mit der Verfolgung der Täter in den 50-er und 60-er Jahren auseinandersetzen. Das ist ein Dreh- und Angelpunkt. Das ist ein Teil unserer Geschichte. Das gibt uns auch Aufschluss darüber, wie man damit umgegangen ist. Ich glaube, das ist entscheidend. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist getrennte Abstimmung beantragt worden.

Zuerst lasse ich stimmen wir über den ersten Teil des Antrags der CDU abstimmen.

Wer dem ersten Teil des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 19/13, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, ALFA, Abg. Ravens [parteilos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(FDP)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem ersten Teil des Antrags bei Stimmenthaltung der FDP zu.

Jetzt lasse ich über den zweiten Teil des Antrags abstimmen.

Wer dem zweiten Teil des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 19/13, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem zweiten Teil des Antrags der CDU zu.

(Einstimmig)

Schaffung von drogenfreien Bereichen Antrag der Fraktion der CDU vom 8. Juli 2015 (Drucksache 19/17)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Drogenabhängigkeit geht häufig mit sozialer Verelendung und Beschaffungskriminalität einher. Ich denke einmal, damit sage ich Ihnen nichts Neues. Auf dem Weg dorthin ist insbesondere das erste Heranführen an Drogen – im Dealerjargon heißt das Anfixen – besonders verwerflich. Die Dealer nutzen dabei die Unerfahrenheit und Neugier ihrer potenziellen Kunden sowie das mangelnde Wissen über die Gefahren von Drogen und einer Drogenabhängigkeit. Dabei gehen die Dealer knallhart vor, indem sie gerade Jugendliche in der Pubertät mit den damit verbundenen Unsicherheiten zielgerichtet für ihre Geschäfte aussuchen.

Meine Damen und Herren, völlig zu Recht wird der Besitz von kleinen Mengen zum Eigenbedarf – ich wiederhole: zum Eigenbedarf! – nach dem Betäubungsmittelgesetz strafrechtlich in der Regel von der Staats

anwaltschaft nicht weiter verfolgt, die Verfahren werden eingestellt. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden ist dieser Personenkreis eher Opfer als Täter. Das gilt naturgemäß nicht für Drogenhändler, insbesondere dann nicht, wenn sie, wie zuvor beschrieben, Jugendliche anfixen, um neue Käufer zu generieren. Die Dealer nutzen die von mir eben angeführte Regelung zu den geringen Mengen für den Eigenbedarf aus, um ihre Ware gezielt potenziellen Drogenkonsumenten anzubieten.

(Heiterkeit Bündnis 90/Die Grünen)

Ich stelle allgemeine Heiterkeit bei den Grünen fest. Kommen da irgendwelche Erinnerungen hoch, oder was muss ich da vermuten?