Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

Ich hätte es deswegen gern erreicht, dass der Antrag überwiesen wird. Ich finde auch, dass man sich Berlin genau anschauen muss, um zu sehen, was auf Bremen übertragbar ist und wo es Doppelstrukturen gibt. Da zumindest der eine Teil der Koalition dazu nicht bereit gewesen ist, denke ich, schauen wir einmal, was von den Grünen kommt und warten einmal ab, was die SPD für dieses Parlament - und ob überhaupt - zulässt. Vielleicht debattieren wir das Thema dann in einem Dreivierteljahr erneut. - Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE - Abg. Tschöpe [SPD]: Wer war nicht bereit?)

Vizepräsidenten Dogan: Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Ehmke.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht noch einige Ergänzungen von meiner Seite zu der beantragten Stelle eines Polizeibeauftragten.

Kurz zur Einordnung! Es gibt, nach dem, was wir recherchieren konnten - die Rechtslage spricht dafür, dass das auch zutreffend ist -, in keinem Land einen Polizeibeauftragten, der über eigene Ermittlungskompetenzen verfügt. Es sind allerdings Beschwerdestellen bei den Landtagen beziehungsweise in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein Ombudspersonen vorhanden. Derjenige, der in Schleswig-Holstein dafür zuständig ist, ist in seiner Funktion auch noch für einiges andere zuständig. Er ist nebenbei Bürgerbeauftragter für soziale Angelegenheiten sowie Leiter der Antidiskriminierungsstelle und der Beschwerdestelle für Heimkinder.

Es ist dort eine Beschwerdestelle gebündelt worden, in der unterschiedliche Interessenlagen eingereicht werden können. Man kann sich an die Beschwerdestelle wenden, wenn man mit Verwaltungshandeln unzufrieden ist.

In Rheinland-Pfalz ist das Ganze stärker in Richtung eines Bürgerbeauftragten entwickelt. Das kann man machen, rechtlich spricht nichts dagegen. Man muss es inhaltlich bewerten, und am Ende stellt sich ein bisschen die Frage nach der Prioritätensetzung: Wie viele Ressourcen will ich für welche Dinge einsetzen? Letztlich ist es eine

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unabhängige Beschwerdestelle, die man einrichten kann. Sie hat überhaupt keine Ermittlungskompetenzen, die die Staatsanwaltschaft besitzt. Sie ist auch in keiner Weise mit der Aufgabenstellung zu vergleichen, die die Interne Ermittlung wahrnimmt. Ihr Antrag wird hier ab und zu unscharf.

Sie beschreiben in Ihrem Antrag zunächst die internen Ermittlungen und führen dann weiter aus, noch besser wäre es, wenn man eine unabhängige Stelle schaffte. Das erweckt schon den Eindruck, dass diese unabhängige Stelle entweder etwas Ähnliches wie die Interne Ermittlung machen oder die Aufgabenstellung der Internen Ermittlung kompensieren soll. Nach unserer festen Überzeugung geht das eben nicht.

Wenn gegen Polizeibeamte oder andere öffentlich Bedienstete der Vorwurf einer strafbaren Handlung im Raum steht, dann ist ein Disziplinarverfahren einzuleiten und ein Strafverfahren zu führen. Dieses Strafverfahren hat grundsätzlich Vorrang und ist unter der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft zu führen. Dieses Verfahren kann unserer Auffassung nach weder aus inhaltlichen noch aus rechtlichen Gründen durch ein konkurrierendes, mit ähnlichen Befugnissen ausgestattetes Verfahren im parlamentarischen Raum oder von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden.

Nach meiner Auffassung fehlt es dem Landesgesetzgeber schon an der Kompetenz, eigene Ermittlungsbehörden mit Eingriffsbefugnissen gegen Privatpersonen irgendwie neben oder am Rande des Strafverfahrens zu konstituieren. Selbst wenn man das anders beurteilen würde, würde man sicher zu der Erkenntnis kommen, dass zwei Ermittlungsverfahren unter unterschiedlicher Leitung nebeneinander nicht sachgerecht sind. Das heißt, am Ende müsste man eine solche Institution auch unter die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft stellen. Dann hätte man zwei unterschiedliche Institutionen, auf die man zugreifen könnte. Das ist eine Doppelstruktur, die meiner Auffassung nach nicht zielführend ist. Sie würde als Instrument auch zwangsläufig ihre Unabhängigkeit verlieren.

(Beifall SPD)

Ich bin deshalb, ehrlich gesagt, ganz gespannt gewesen, was in Berlin passiert. Wir waren gerade mit der Deputation in Berlin. Die Vertreter der Koalition haben uns gesagt, ja, wir haben uns im Koalitionsvertrag auf eine Institution verständigt, aber wir wissen noch gar nicht genau, wie wir das machen, weil wir im Hinblick auf die Eingriffsbefugnis bei der konkreten Umsetzung auf nicht unerhebliche rechtliche Probleme gestoßen sind. Das heißt,

es spricht nichts dagegen, unabhängige Beschwerdeinstanzen zu schaffen, die Frage ist allerdings, ob man sie braucht, und ob man entsprechende Prioritäten setzen will. Wenn man eine entsprechende Stelle einrichtet, dann müssen allerdings der Zuständigkeitsbereich und der Kompetenzbereich klar definiert sein.

Es wird hier hin und wieder die Landesdatenschutzbeauftragte genannt. Das Paradebeispiel für den Polizeibeauftragten ist allerdings häufig der Wehrbeauftragte.

Ich will noch einmal kurz darauf eingehen, mit welchen Institutionen wir es hier zu tun haben. Der Wehrbeauftragte ist ein Instrument zur Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle des Bundestages. Es ist nicht eine im luftleeren Raum stehende Ermittlungsbehörde, sondern es ist ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle. Wenn man es als Parlament für notwendig erachtet, dann kann man sich als Parlament ein solches Instrument schaffen, man muss sich dann aber auch anschauen, welche Tätigkeit der Wehrbeauftragte ausgeübt. Er kontrolliert Verwaltungshandeln. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages verfügt über ein Akteneinsichtsrecht, und er hat ein Auskunftsrecht gegen das Bundesverteidigungsministerium und den nachgeordneten Behörden. Der Wehrbeauftragte kann nicht durch das Land laufen und irgendwo Leute vernehmen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber niemand hat vom Wehrbeauftragten geredet!)

Na ja, der Wehrbeauftragte ist das Musterbeispiel für die Konstruktion eines Polizeibeauftragten. Sie finden es überall in der Literatur, wenn man sich fragt, welches Vorbild man nehmen könnte. In dem größten einschlägigen Aufsatz, den ich dazu gefunden habe, wird als Beispiel immer auf den Wehrbeauftragten des Bundes oder auf die Datenschutzbeauftragten in den Landesparlamenten hingewiesen. Die Landesbeauftragten der Landesparlamente sind auch Instrumente zur Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle.

Es sind alles Dinge, die man umsetzen kann, aber man muss sie einordnen. Ich finde, an der Stelle gibt es hier einige Unschärfen. Eine Unschärfe macht mir in diesem Verfahren Kopfschmerzen. Ich will nicht soweit gehen, dass ich von einer Misstrauenskultur spreche. Ich finde es aber ein bisschen anstrengend, dass die 96-prozentige Einstellung der Strafverfahren gegen Polizeibeamte einfach immer in den Raum geworfen wird. Man sagt, dass 96 Prozent der Verfahren eingestellt werden. Sie, Frau Vogt, haben vorhin selbst ausgeführt, dass das daran liegen könne, dass nichts dabei

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herausgekommen sei oder dass es vielleicht ein Problem gebe.

Wenn es Hinweise auf ein Problem gibt, dann müssen wir darüber reden. Wenn wir aber keine Hinweise auf ein Problem haben, dann finde ich es schwierig, dass immer wieder diese Zahl in den Raum gestellt wird, sie stehen gelassen wird und damit suggeriert wird, dass die 96-prozentige Einstellungsquote stelle Vertuschung und unrechtmäßige Einstellung darstelle. Dafür gibt es überhaupt keinen Beleg!

(Beifall SPD, CDU, FDP, LKR)

Die Polizei - und das ist hier mehrfach gesagt worden - befindet sich in einer besonderen Situation, weil sie das staatliche Gewaltmonopol ausgeübt und weil sie in dieser Funktion besonders kontrolliert werden muss. Richtig! Weil die Polizei das staatliche Gewaltmonopol ausgeübt, befindet sie sich auch regelmäßig in Auseinandersetzungen, in denen es am Ende zu Anzeigen wegen Körperverletzung kommen kann. Die Polizei ist nämlich die einzige Behörde, die legal Gewalt anwenden darf. Eine solche Auseinandersetzung zieht auch - zum Teil auch von Amts wegen - eine Überprüfung nach sich.

Wenn irgendjemand sagt, es habe eine gewaltsame Auseinandersetzung gegeben und wenn nur der Anschein eines Verdachts entsteht, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, dann wird sofort ein Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten eingeleitet. Am Ende des Verfahrens stellt sich aber in vielen Fällen heraus, und zwar in der Mehrzahl der Fälle, dass es einen legitimen Grund zum Einschreiten gegeben hat.

Deshalb finde ich, wenn es zu Einzelfällen gekommen ist und wenn wir sagen, es sei etwas schiefgelaufen, dann muss man das offen ansprechen. Wenn wir Probleme haben, dann müssen wir diesen Problemen nachgehen. Wir sollten allerdings aufpassen, einfach nur eine Zahl in den Raum zu stellen, um damit den Eindruck zu erwecken, es würde irgendetwas im Argen liegen.

Im Übrigen will ich sagen, in den 96 Prozent der Fälle, in denen wegen einer Tätlichkeit von Polizeibeamten ein Verfahren eröffnet und dann eingestellt worden ist, bestand in jedem Einzelfall für den Betroffenen die Möglichkeit, die Einstellung der Staatsanwaltschaft gerichtlich überprüfen zu lassen. In Deutschland besteht über das sogenannte Klageerzwingungsverfahren die gerichtliche Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungspraxis. Ich möchte nicht, dass einfach im Raum steht, dass irgendwelche Leute irgendwo sitzen und entscheiden, dem Sachverhalt gehen wir nicht

nach, und dann fehlt es an der Möglichkeit, diese Entscheidung überprüfen zu lassen. Das ist nicht der Fall! Wir haben Kontrollinstanzen, die meiner Auffassung nach auch funktionieren.

Wenn man die Auffassung vertritt, dass man an der einen oder anderen Stelle zusätzlich Beschwerdeinstanzen bündeln muss, um Vertrauen zu schaffen, um sich als Parlament strukturelle Unterstützung bei der parlamentarischen Kontrolle zu organisieren, dann kann man das tun. Ich möchte aber nicht, dass der Eindruck entsteht, die Polizei stünde nicht unter der Kontrolle der Staatsanwaltschaft und der Gerichte, und es würde irgendwo irgendetwas in Hinterzimmern entschieden. Das ist nicht so!

Wir verfügen über Kontrollinstrumente. Wir schauen sehr, sehr genau hin. Es zeigt sich auch, dass Polizeibeamte leider oft zu Unrecht „Opfer“ einer falschen Verdächtigung sind. Das muss man dann einfach einmal so hinnehmen, ohne gleich den Verdacht in den Raum zu stellen, es sei alles irgendwie weggeschummelt worden. - Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/947 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, LKR, Abg. Tassis [AfD]) , Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Mittel für das EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch auch für das Schuljahr 2017/2018 und die Folgejahre ausschöpfen! Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 23. März 2017 (Drucksache 19/994)

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Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Pietrzok.

Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saffe.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute das vierte Mal, wenn ich richtig gerechnet habe, dass wir in dieser Legislaturperiode das Thema gesundes Essen für Kinder beraten. Zweimal haben wir den Bürgerantrag Billigfleisch sowie den DGEQualitätsstandard für Schulverpflegung beraten und nun das EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch.

Es ist nicht schon, sondern erst das vierte Mal, dass wir das Thema beraten, und diese Zahl spiegelt nicht die Bedeutung und das Gewicht dieses Themas wider. In Sachen Ernährung der Kinder müssen die Weichen früh und rechtzeitig richtig in Richtung gutes Essen gestellt werden. Dabei geht es nicht um den konkreten Verzehr, sondern es geht auch darum, die Kinder entsprechend zu sensibilisieren und neugierig zu machen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Konzentrationsfähigkeit und Leistungsvermögen ist bekannt und belegt. Das Essen macht ja etwas mit den Schülerinnen und Schülern. Das Essen wirkt in uns. Das kann in die eine oder in die andere Richtung gehen. Häufig bekommen Kinder zu Hause, aber auch in Schulen am Schulkiosk Essen m itviel zu viel Zucker, Süßigkeiten und fettiges Essen. Das kann nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig ungewollte Auswirkungen haben, wenn zum Beispiel Kinder im Alter von zwölf Jahren Diabetes Typ 2, Fettleibigkeit und dergleichen haben.

Mit dem neuen Programm sollen die jungen Verbraucher angeregt werden, Geschmack an Obst und Gemüse zu finden und zu entwickeln, um die Nahrungsmittel später angemessen in ihrem eigenen alltäglichen Speiseplan einzubauen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)