Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Es gibt also keinen Umweltgrund, einen Diesel zu fahren. Eine Steuersubvention hat die Leute hier in Deutschland zum Fahren eines Dieselautos gebracht. Deutschland ist insoweit exklusiv. In anderen Ländern ist das nicht so. In England ist Diesel ungefähr genauso teuer wie

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Benzin. In den USA ist Diesel etwas teurer als Benzin. Dementsprechend ist der Anteil der Dieselfahrzeuge dort sehr gering. Lange Zeit war er gar nicht existent. Da in Deutschland aber aufgrund dieser Subvention eine große Nachfrage entstanden ist, hat natürlich die deutsche Industrie auf diese Dieseltechnologie gesetzt und dann in einer Marketing-Offensive die Dinge auch in den Weltmarkt getragen. Das war sicherlich kein Ruhmesblatt für uns alle.

Es gibt aber nicht nur Software-Manipulationen seitens der Hersteller, die vielleicht gar nicht so gravierend sind. Die Stickoxid-Grenzwerte sind sicherlich diskutabel. Jeder von uns, der Fahrrad oder mit seinem Auto in einer Kolonne fährt, merkt aber, dass er anfängt zu husten. Im Auto drückt man die Umlufttaste, wenn man hinter einem Dieselfahrzeug herfährt. Das hat damit zu tun, dass ein Pkw mit Diesel überhaupt nur funktioniert, wenn er über eine sehr komplexe Technik mit Turbo, Abgasrückführung, Katalysator und Rußpartikelfilter verfügt. Das Ganze ist elektronisch gesteuert. Es ist unglaublich einfach, das zu manipulieren. Das nennt sich Chiptuning, wird weitestgehend gemacht und lässt sich vor der TÜV-Prüfung wieder zurückrüsten. Das machen viele Leute, um geringere Verbräuche zu erzielen und höhere Leistungen aus ihren Motoren herauszuholen. Ein erheblicher Anteil der Dieselfahrzeuge auf unseren Straßen ist chipgetunt. Das sind die Fahrzeuge, bei denen man Husten bekommt, wenn man hinter ihnen herfährt.

In der aktuellen Krise der Dieselindustrie sehen wir jetzt, dass die Zulassungszahlen für Dieselfahrzeuge in Deutschland zurückgehen. Das ist auch gut so. Ich möchte gar nicht hoffen, dass wir uns vielleicht auf politischer Ebene darauf einigen könnten, die steuerliche Ungleichbehandlung von Diesel- und Benzintreibstoff zu harmonisieren oder gegebenenfalls auch den Betriebsstoff Flüssig- oder Erdgas als Alternative in Betracht zu ziehen.

Wenn Dieselfahrzeuge einfach nicht mehr nachgefragt werden, wachsen wir aus diesen Problemen heraus, auch weil Dieselfahrzeuge, nebenbei gesagt, nicht so lange halten wie Benziner. Mit einem Benziner, der ein Sauger ist, können Sie 400 000 bis 500 000 Kilometer fahren. Bei einem Dieselfahrzeug mit Turbotechnik bekommen Sie nach 200 000 bis 250 000 Kilometern so hohe Reparaturkosten, dass das Fahrzeug dann entweder verschrottet oder nach Afrika exportiert wird, wo es dann weiter auf die Umwelt einwirken kann.

Elektromobilität mit Batteriebetrieb ist übrigens keine Alternative, weil die Ökobilanz von Elekt

rofahrzeugen noch verheerender als von benzinbetriebenen Fahrzeugen ist. Das würde sich nur dann ändern, wenn es einen sensationellen Durchbruch in der Speichertechnologie gäbe oder wenn wir eine permanente Stromversorgung wie bei einer Overhead-Leitung beziehungsweise bei der Straßenbahn hätten. Das ist aber nichts für den Individualverkehr.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir brauchen kein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Das regelt sich von selbst. Wir wachsen aus dieser Sache heraus. Es wäre aus meiner Sicht auch eine ungerechtfertigte Enteignung der Leute, die jetzt in ein Dieselfahrzeug investiert haben. Wir sollten aber den Trend, dass wir aus der Dieseltechnologie herauswachsen, im Idealfall unterstützen, indem wir bei den unterschiedlichen Betriebsstoffen eine Steuerharmonisierung anstreben. - Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines ist klar: Der Dieselskandal ist ein Fauxpas vieler Parteien. Die Politik an erster Stelle hätte schon viel früher agieren und reagieren müssen. Zwei Jahre nach dem USAbgasskandal hat die Politik die Lage immer noch nicht wirklich unter Kontrolle gebracht. Mitten in dieser Megakrise steht nun der VWKonzern, bei dem seit Jahren übrigens auch die SPD mitregiert.

Umso wichtiger ist es jetzt, die Fehler des Autobauers nicht auf dem Rücken der Steuerzahler auszutragen. Dafür ist der Antrag von RotGrün zum Teil ein erster richtiger Schritt. Die Musterfeststellungsklage, also die Sammelklage, ermöglicht dem einfachen Dieselfahrer, seine Rechte bestätigt zu wissen. Daher unterstützen wir diese Option. Auch wir sind der festen Überzeugung, dass die Kontrollen und die Überwachung der tatsächlichen Schadstoffemissionen von Fahrzeugen zu verbessern sind.

(Beifall FDP)

Wir glauben, dass man als Kunde ein Recht auf Transparenz und belastbare Zahlen zum Verbrauch des Autos hat, die auch im Alltag tatsächlich nachvollziehbar sind. In der Konsequenz ist es auch richtig, dass Hersteller in die Pflicht genommen werden, Fahrzeuge in den Zustand zu versetzen, von dem die Verbraucher, als sie sie kauften, ausgegangen sind.

Nur auf Elektro zu setzen, ist in unseren Augen dennoch zu kurz gedacht, denn mit einer

Landtag

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einseitigen Orientierung an der E-Mobilität drohen gegebenenfalls neue Fehler.

(Beifall FDP)

Mit Quoten kommen wir beim Ausbau von Elektromobilität unseres Erachtens nicht weiter. Es ist natürlich richtig und wichtig, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Aber dies wäre wieder eine einseitige Förderung des Staates, die Rot-Grün beim Diesel so sehr verurteilt. Auch die Elektromobilität ist noch lange nicht ausgereift und hat noch immer ein großes Aber, zum Beispiel im Hinblick auf den Einsatz seltener Erden, im Hinblick auf die großen Mengen an Batterien, die auch nicht ökologisch wertvoll sind.

(Beifall FDP)

Elektroautos sind daher im Moment noch nicht das Allheilmittel. Für uns ist es, wie gesagt, wichtig, bei Elektromobilität in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das trifft aber auch für andere Antriebstechnologien zu, zum Beispiel für die Wasserstofftechnologie und für synthetische Brennstoffe. Die Verbrennungsmotoren sollten parallel optimiert werden. Außerdem gilt es auch, Leichtbauweisen und das autonome Fahren dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Forschung sollte unbedingt zeitgleich vorangetrieben werden.

Mein Kollege Michael Theurer aus BadenWürttemberg sagte erst letztens, das Problem der Luftverschmutzung am Neckartor in Stuttgart wäre mit Dieselfahrverboten auch nicht zu lösen gewesen. Das sehen wir genauso. Die Feinstaubbelastung kommt größtenteils von Kraft- und Fernheizwerken, vom Reifenabrieb, vom Luftverkehr, von Heizungen und Öfen. Reifenabrieb gibt es auch bei E-Autos. Des Weiteren gibt es auch noch Wettereinflüsse. Ein Fahrverbot ist in unseren Augen nicht verhältnismäßig.

(Beifall FDP)

Es gibt sehr viele Kollegen, die oft draußen vor der Tür stehen. Wir als FDP sind, glaube ich, die gesündeste Fraktion von allen. Das Rauchen einer Zigarette erzeugt so viel Feinstaub wie ein Dieselmotor ohne Filter, der anderthalb Stunden läuft.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber die Nichtraucher! Alle Kinder! Es tut mir leid, eine solche Argumentation nutzt nie- mandem!)

So viel zum Thema Gesundheit. Wir setzen uns auch für die Gesundheit ein. Es wäre total

schön, einmal damit anzufangen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Frau Sprehe, ich finde es sehr schade, dass Sie der CDU nicht zustimmen. Wenn Sie sagen, es ist zu kurz gegriffen, dann kann man dem doch trotzdem zustimmen und dies unterstützen.

(Beifall FDP)

Dann kann man eher auch den nächsten Schritt gehen und diesen Antrag erweitern. Das hätte ich total gut gefunden.

(Beifall FDP)

Auch der rot-grüne Antrag enthält aus unserer Sicht richtige Ideen. Daher beantragen wir getrennte Abstimmung.

Zu dem Gerichtsurteil, das eben noch einmal aufgegriffen worden ist, kann ich für uns als Freie Demokraten sagen: Wenn Gerichte Fahrverbote fordern, dann muss man eben den juristischen Weg dagegen gehen. Auch das ist möglich. Aber wir dürfen den Verbraucher nicht immer weiter bevormunden. Jahrzehntelang war der Dieselmotor der ökologischste und effizienteste Motor. Jetzt, von heute auf morgen, einfach umzukippen und die Technologie zu verbieten, gefährdet eine ganze Generation von Autobauern, Zulieferern und deren Familien. - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Kappert-Gonther, man kann es sich immer ganz leicht machen - dafür sind Sie als Grüne ja bekannt - und erst einmal ein Verbot aussprechen.

(Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich habe es ausführlich erklärt und erkläre es gleich noch einmal!)

Vielleicht hören Sie zu. Ich bin noch nicht fertig mit dem Satz. - Das können Sie ja gern machen. Das haben Sie ja hier gesagt. Dann machen Sie es bitte auch! Dafür haben Sie aber natürlich wieder nicht den Hintern in der Hose. Sie sind in der Regierung und hätten beantragen können, sofort ein Dieselverbot zu erlassen. Warum haben Sie den Antrag nicht gestellt?

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(Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn die Grenzwerte über- schritten werden! Das werden sie glücklicher- weise gerade nicht! - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich frage mich, ob Sie in der Umweltdeputation überhaupt zuhö- ren, Herr Strohmann!)

Sie können sich gleich noch einmal melden. - Warum haben Sie nicht gesagt: „Der CDUAntrag ist uns zu lobby-lastig, das wollen wir nicht, wir wollen die Gesundheit, wir fordern, wenn die Grenzwerte so und so oft überschritten werden, Fahrverbote in Bremen!“? Warum haben Sie das nicht gemacht?

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Die CDU fordert Sie gerade zum Verbot auf! Haben Sie das gehört?)

Aber Sie tun das nicht, sondern fordern wieder, dass das in Berlin gemacht werden soll. Werden Sie sich doch Ihrer eigenen Verantwortung bewusst!

(Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt vorn und hinten nicht!)

Sie jammern hier herum.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: „Jammern herum!“ Erzählen Sie das einmal den Betroffenen!)

Das sind ohne Frage alles Probleme. Auch der Gesundheitsschutz ist ein wichtiges Gut. Nur, was folgt daraus?

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was folgt bei Ihnen daraus?)