Ich will am Ende der ersten Runde noch etwas zur sozialen Struktur der beiden Städte unseres Landes sagen. Wenn ich vorhin über Einwohnerwachstum, über Wirtschaftswachstum und über die Notwendigkeit des Wachstums von Arbeitsplätzen gesprochen habe, dann habe ich das natürlich im Hinblick auf die aufzustellenden Haushalte und die mittelfristige Finanzplanung getan. Mich und die Bremer CDU treibt die tiefe Sorge um, dass eine Fortsetzung der bisherigen Politik dazu führen wird, dass sich die soziale Spaltung in den beiden Städten unseres Landes unverändert fortsetzt. Wir sind das einzige Bundesland, in dem die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren noch weiter auseinandergegangen ist.
Frau Senatorin, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir ein Fünftel unseres Haushaltes, rund eine Milliarde Euro, zwischenzeitlich für die Sozialausgaben aufwenden. Nun kann man natürlich denken, je mehr ein Staat und ein Gemeinwesen für Sozialausgaben aufwenden, umso besser muss es den Menschen doch eigentlich gehen. Das ist nicht die Auffassung der CDU zur Sozialpolitik.
Für uns ist es viel wichtiger - dies wäre ein Erfolgsindikator -, wenn die Menschen nicht auf die Fürsorge des Staates angewiesen wären. Die Menschen leben in einem Land, das möglichst hohe Sozialausgaben pro Kopf aufwendet, nicht besser. Sie leben in einem Land besser, das die geringsten Ausgaben aufwenden muss, um Geld umzuverteilen.
Während Ihrer Amtszeit, Frau Senatorin, sind die Ausgaben für den Sozialbereich von knapp 600 Millionen Euro auf fast 1,1 Milliarden Euro oder um knapp 85 Prozent gestiegen. Hinter dieser Zahl steht eine Vielzahl von Kindern, Frauen und Männern, die in Bremen und Bremerhaven nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe zu finanzieren. Es ist richtig und vernünftig, dass wir ihnen helfen und versuchen, ihre Armut zu lindern, indem wir ihren Lebensunterhalt teilweise finanzieren.
Sozialpolitik, wie die CDU und ich sie verstehen, leistet aber mehr als Geld zu verteilen. Sie sorgt dafür, dass die Kinder dieser Menschen in einem gut ausgestatteten, individuelle Talente fördernden Schulsystem eine Zukunft bekommen, dass sie eine Chance erhalten, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Eine Sozialpolitik, die hilft, erreicht darüber hinaus, dass Menschen in die neu entstehenden Arbeitsplätze vermittelt werden können. Eine Sozialpolitik, wie wir sie verstehen, schafft es auch, dass die Menschen in Wohnverhältnissen leben, die angemessen und auskömmlich finanziert sind.
Deswegen sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der vorliegende Haushaltsentwurf wird den Anforderungen an die Zukunft unseres Bundeslandes in keinem Punkt gerecht. Er verwaltet die Gegenwart, er erfüllt das gesetzlich Verpflichtende, aber er gibt der Gesellschaft in Bremen keine Perspektive. - Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Röwekamp, ich bin nicht so lange dabei wie Sie und Bür
Ich habe immer wieder festgestellt, dass Haushaltsberatungen einem gewissen Ritual folgen. Einmal ist es mehr erträglich, ein anderes Mal ist es weniger erträglich. Haushaltsberatungen in der ersten Lesung laufen immer so ab, dass die Regierung darstellt, was sie demnächst machen möchte, und die Opposition frei assoziierend darbietet, was sie an dieser Regierung zu kritisieren hat. Darauf hatte ich mich eingerichtet. Aber, Herr Kollege Röwekamp, meinen Sie nicht auch, dass Sie heute ein bisschen überzogen haben? Sie sprechen von Scheinheiligkeit, reden von Lügen, von Wahrheitsverdrehung und Fälschung.
(Abg. Röwekamp [CDU]: Das habe ich nicht gesagt! - Abg. Frau Grotheer [SPD]: „Fäl- schung“ haben Sie gesagt! - Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist aber nicht „Lüge“!)
Das ist immer dann schwierig, wenn man sich selbst auf dünnem Eis bewegt. Ich habe viele Dinge, die Sie eben geschildert haben, nicht nachprüfen können. Die Leistungsbilanz unserer Großen Koalition, die ich mitgetragen habe - so lange bin ich doch schon dabei - bezüglich der Frage, wie viel Schulden wir am Ende gemacht haben, ist im besten Falle verkürzt von Ihnen dargestellt worden.
Die vier Milliarden Euro Schulden stimmen. Was haben wir zusätzlich ausgegeben? Zusätzlich haben wir den gesamten Brotkorb von zehn Milliarden ausgegeben, den die Ampelkoalition unter Klaus Wedemeier vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hat.
Ich finde, Kritik muss einen wahren Kern haben. An dieser Stelle hatte Sie den nicht, Kollege Röwekamp.
Ich habe mir den von Ihnen zitierten englischen Nobelpreisträger nicht merken können. Wenn man sich mit Engländern befasst, findet man immer alles.
Anthony Eden, ein durchaus erfolgreicher englischer Premierminister, hat einmal, nach einer Haushaltsdebatte tief frustriert, im Unterhaus gesagt, jeder erwarte vom Staat Sparsamkeit im Allgemeinen und Freigiebigkeit im Besonderen. Ich glaube, dass Sie eine sehr enge
Geistesverwandtschaft zu Anthony Eden haben, denn genau das haben Sie in Ihrer Rede dargestellt: Sparsamkeit im Allgemeinen und Freigiebigkeit im Besonderen. Die Kunst der Politik besteht darin, beides in Einklang zu bringen.
Ich möchte noch über zwei andere Dinge reden. Ich möchte darüber reden, wo wir uns eigentlich befinden. Im Jahr 2010, also vor beinahe acht Jahren, haben wir die Konsolidierungsvereinbarung mit dem Bund geschlossen. Es ging um eine Schuldenbremse. Warum haben wir das eigentlich gemacht? Wir haben das gemacht, weil wir damals jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro durch Schulden finanzierten. Jedem war klar: Das geht nur noch begrenzt so weiter, weil das nicht nur die Handlungsfähigkeit dieses Staates auf null reduziert, sondern letztlich dazu führt, dass unser Gemeinwesen als selbstständiges abgeschafft wird - darüber könnte man reden -, vor allen Dingen aber als handlungsfähiges abgeschafft wird. Deshalb war es völlig richtig, dass wir diese Schuldenbremse eingeführt beziehungsweise die Konsolidierungsvereinbarung getroffen haben.
Ich komme noch einmal auf Klaus Wedemeier zurück. Wir alle wussten und das Bundesverfassungsgericht hat uns sogar bestätigt, dass wir ohne eigenes Verschulden in die Situation geraten sind, unser Gemeinwesen nicht auskömmlich finanzieren zu können. Stichwort Strukturwandel. Wir alle wussten, dass die Problemlagen in diesem Stadtstaat so groß sind, dass man sie über eine reine Kreditaufnahme nicht mehr in den Griff bekommen konnte. Am Ende stand diese Zahl von 1,2 Milliarden Euro jedes Jahr. Das war für uns alle - -. Nein, nicht für alle. Ihr wart damals noch nicht dabei, aber ich glaube, ihr habt es nicht gut gefunden.
Wir haben gesagt: So geht es nicht weiter; die Schuldenbremse muss gezogen werden. Ich gebe zu, dass ich mit der Form der Schuldenbremse, wie sie in Deutschland praktiziert wird, nach wie vor nicht glücklich bin, weil sie einen Konstruktionsfehler bei langfristigen Investitionen hat.
Deshalb hätte ich mir ein anderes Modell gewünscht. Aber klar ist, dass wir diese Bremse ziehen mussten.
viele mir, als diese Konsolidierungsvereinbarung von Karoline Linnert unterschrieben worden ist, gesagt haben: 1,2 Milliarden Euro wollt ihr in zehn Jahren auf null reduzieren? Das schafft ihr doch nicht! Das ist überhaupt nicht vorstellbar. Das braucht ihr gar nicht erst zu versuchen. Nach zwei, vielleicht drei Jahren müsst ihr das Ziel aufgeben.
Nicht am Ende des Konsolidierungszeitraums, aber nach mittlerweile acht Jahren stellen wir fest: Wir haben acht Jahre lang die Bedingungen des Konsolidierungspfades eingehalten, und zwar Jahr für Jahr.
Dieser Haushalt wird die Bergetappe des Konsolidierungspfades sein. Nun muss die letzte Lücke geschlossen werden. Ich gestehe freimütig, dass das nicht nur die brillante Haushaltspolitik irgendeiner Koalition gewesen ist. Das wissen wir alle. Vor allen Dingen sind es auch die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten gewesen, und natürlich ist es der niedrige Zins gewesen. Aber es ist eben auch das Commitment dieser Koalition gewesen, uns zu einer konsolidierenden Haushaltspolitik zu verpflichten, und dieses haben wir durchgehalten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Anschlussperspektive 2020 nicht in der Form bekommen hätten, wie wir sie jetzt bekommen haben, wenn wir diese Haushaltspolitik nicht gemacht hätten. Ich sage als Teil dieser rotgrünen Koalition: Ich bin stolz auf das, was wir in den letzten acht Jahren erreicht haben. Ich bin stolz darauf, dass Jens Böhrnsen, Carsten Sieling, Karoline Linnert und viele andere, die dabei gewesen sind, in Verhandlungen mit dem Bund erreicht haben, dass wir eine Perspektive für dieses Land haben und dass wir ab dem Jahr 2020 487 Millionen Euro mehr einstellen können. Ich weiß nicht, ob es in einer anderen Konstellation so einfach zu erreichen gewesen wäre.
Ich bin auch stolz darauf, dass diese Koalition unter der Last, die diese Entscheidungen haushaltstechnisch bedeutet haben, nicht gebrochen ist, sondern sich immer wieder darauf fokussiert hat, diese Konsolidierungsanstrengungen zu unternehmen.
Ich zitiere Herbert Wehner gern, weil er eine vergleichbare Funktion hatte wie ich, aber er hat an dieser Stelle auch einfach recht. Er hat gesagt: „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.“ Das Notwendige möglich
zu machen, ist manchmal total grau. Es ist manchmal auch total kleinteilig. Das ist ein Ringen um Kompromisse in Bereichen, bei denen man sagt: Scheiße, warum tue ich mir das eigentlich an? Das ist ein unglaublich mühseliger Prozess.
Ja, Kollege Röwekamp, es ist much more sexy, hier frei zu assoziieren, was man mit Geld alles machen kann. Es ist auch much more sexy darzustellen, was hier wünschenswert oder was denkbar wäre. Entscheidend ist aber doch etwas anderes: Wir müssen im Kleinen verantwortungsvoll zwischen dem, was wir haben, dem, was nötig ist, und dem, was wir wollen, abwägen. Das ist ein mühseliger Prozess. Dem hat sich dieser Senat unterzogen.
Jetzt komme ich zu dem, was hier vorliegt. Ja, jeder wird sagen - das wird in der weiteren Debatte auch deutlich werden -: An dieser Stelle würde ich 5 Millionen Euro mehr, 10 Millionen Euro mehr oder 15 Millionen Euro mehr ansetzen, und an anderer Stelle würde ich ein bisschen weniger einnehmen wollen. Das ist das Recht der Opposition. Konkret werden wird es bei den Haushaltsanträgen. In den letzten Jahren habe ich nur eine Fraktion erlebt, die Haushaltsanträge gestellt hat. Die anderen sind aufgefordert, das beim nächsten Mal auch zu tun, damit wir über konkrete politische Alternativen reden können. Herr Kollege Röwekamp, mich würde es freuen.
(Abg. Senkal [SPD]: Da wird nichts kommen! - Abg. Bücking [SPD]: Arbeit! Arbeit! - Abg. Rö- wekamp [CDU]: Das lehnt ihr sowieso wieder alles ab! - Zurufe SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen)
Kollege Röwekamp, es muss doch möglich sein, dass Sie jenseits der wohlfeilen Rede hier in der Bütt konkret benennen, wofür Sie Geld ausgeben und wodurch sie dies finanzieren möchten. Das wäre ein Konzept, über das die Bürger am Ende abstimmen könnten.