Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden auch dieses Mal den Erwartungen gerecht. Wir werden uns im Detail mit dem Haushalt beschäftigen. Wir werden Ihnen Vorschläge machen, an welcher Stelle wir etwas anders machen und wo wir mehr oder weniger ansetzen würden. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir in dieser Debatte das eine oder andere vielleicht doch noch umsteuern können.

Ich bin der Meinung, dass eines in Zukunft nicht mehr geht. Man darf in diesem Saal nicht mehr sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Ich finde es besser, jetzt einmal zwei Schritte vorwärts zu machen, statt immer nur zu behaupten, wir seien auf einem guten Weg. Ob wir in Richtung Armutsbekämpfung und Integration zwei Schritte vorwärts machen, entscheidet sich in den nächsten zwei Jahren und nicht erst 2020. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Anhaltender Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns das Ganze auch angeschaut. Ich sage einmal so: Unter Berücksichtigung unserer Rahmenbedingungen ist der Haushalt in Summe gar nicht schlecht. Wir haben aber natürlich auch Kritikpunkte, die wir hier gern darlegen möchten.

Sie haben auch erkannt, dass der Senat das Glück hat, in einer Zeit von Niedrigzinsen und Rekordsteuereinnahmen zu regieren. Seit 2010 sind die Steuereinnahmen wahrlich explodiert. Für die Jahre 2018 und 2019 wird für die Stadt und das Land Bremen mit 269 Millionen Euro mehr Einnahmen gerechnet als ursprünglich erwartet. Damit haben Sie das erste Mal weit über vier Milliarden Euro zur Verfügung.

Umso erstaunter bin ich und umso trauriger macht mich, was Sie jetzt damit machen und wie Sie reagieren. Sie reagieren darauf mit der Idee von Steuererhöhungen. Das ergibt für uns überhaupt keinen Sinn und ist viel zu kurz gedacht.

(Beifall FDP)

Sie haben erst 2016 und 2017 Steuern erhöht, nämlich die Grundsteuer und die Hundesteuer. Damit haben Sie gerade den einfachen Mann schon stark belastet. Bremen hat viele Probleme, aber mit Sicherheit kein Einnahmenproblem. Es ist wieder einmal nicht genug. In der Stadt soll jetzt noch die Gewerbesteuer steigen, und im Land wird die Citytax auf ein bürokratisches System mit höherer Belastung umgestellt.

Sie können sich vorstellen, die Erhöhung der Gewerbesteuer ärgert mich natürlich am meisten. Sie zeigt wieder einmal, dass Sie nicht langfristig denken. Diese kurzfristigen Mehreinnahmen sorgen dafür, dass Sie scheinbar gierig werden. Wissen Sie, was passieren wird? Die Firmen werden sich bewusst und mit Freude für Niedersachsen entscheiden. Dann wird hier hinterher wieder herumgeheult und die Steuerflucht beklagt, weil alle nach Niedersachsen ziehen. Das ist dann, ehrlich gesagt, auch kein Wunder.

(Beifall FDP)

Ich mag mir nicht vorstellen, wie Firmen reagieren werden, die jetzt schon - eigentlich glücklich - am Standort angesiedelt sind. Schon jetzt rufen Bürgermeister aus Achim und Oyten bei den Firmen an und werben für ihren Standort. Daran kann sich unser Senator Günthner ein Vorbild nehmen. Wenn man ehrlich ist, ist das echte Wirtschaftsförderung. Stattdessen läuten Sie mit Ihrer Politik ein Standortsterben ein. Ich bin wütend, wenn ich sehe, wie Sie Bremen mit System gegen die Wand fahren.

Auf der Aufgabenseite findet sich mit 5,6 Milliarden Euro ebenfalls ein Rekord. Es ist auch ein Rekord an Mutlosigkeit in der Ausgabenkritik. Diese findet nämlich, wie sonst auch, nicht wirklich statt. Ich habe mir noch einmal meine Rede vom Mai 2016 angeschaut. Einiges davon ist heute sicherlich nicht mehr aktuell. Das gilt beispielsweise für die Herausforderungen durch Flüchtlinge. Diesen ist Anja Stahmann mit ihrem Team wirklich vorbildlich begegnet. Wir können nachträglich noch einmal danke dafür sagen. Das habt ihr super gemacht! Dort steht auf dem Zettel, was es jetzt noch bedarf, um Flüchtlinge zu integrieren. Das steht dort an richtiger Stelle und ist dort gut aufgehoben.

(Beifall FDP)

Zu den anderen Bereichen können wir leider vieles wiederholen. Herr Bürgermeister Sieling ist für uns nach wie vor leider eher das Phan

Landtag

3764 49. Sitzung/20.09.17

tom von Bremen, denn keiner weiß so richtig, was er politisch macht und wofür er steht.

(Beifall FDP, CDU)

Im Viertel werden nach wie vor jedermann unaufgefordert Drogen angeboten. Die Unternehmen im Land Bremen werden von RotGrün nach wie vor als die Melkkühe angesehen, die man nicht nur mit Steuern überhäufen kann, sondern denen man auch bürokratische Hürden in den Weg legt. Nach wie vor machen Sie rot-grüne Wirtschaftspolitik nur für Konzerne, weil es mit großen Einheiten und Gewerkschaften einfacher ist als mit den vielen Kleinen. Ich glaube, Sie haben sich noch nie ein echtes Bild von unserer Unternehmenslandschaft gemacht. Bremen zeichnet sich durch viele kleine und mittelständische Unternehmen, durch Handel und Handwerk und durch sehr viele Beschäftigte gerade in der Logistikbranche aus.

(Beifall FDP)

Die Infrastruktur konzentriert sich in Bremen gefühlt auf Fahrradpremiumrouten, während der wirtschaftlich relevante Verkehr wie Schwertransporte und Autobahnen ignoriert und manchmal sogar ausgebremst wird. Straßen und Brücken müssen zuerst verfallen, bevor gehandelt wird. Vieles ist also gleich geblieben.

Ich sehe im Entwurf des Senats aber auch echte Verbesserungen, zum Beispiel das Mehr für die Sanierung von Hochschulen und für Hochschulneubauten. Das ist wirklich toll. Das trifft auch für die Schulbildung zu, denn diese bekommt endlich einen höheren finanziellen Stellenwert. Ich glaube, das ist dringend nötig und der richtige Schritt.

(Beifall FDP)

Das ist wirklich ein positives Zeichen. Es zeigt, dass es sich immer wieder lohnt, über Bildung in Bremen und im Land Bremen zu diskutieren. Es ist natürlich richtig, Neubauten anzugehen, den Ganztagsausbau voranzutreiben und neue Referendarstellen zu schaffen. Das ist alles toll. Auch das Engagement von Frau Bogedan zur Bundestagswahl fanden wir sehr positiv. Das möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal loben. Das, was hier rund um das Thema Speed-Dating und Podiumsdiskussionen geleistet wurde, hat dazu geführt, dass sich viele Schülerinnen und Schüler ein echtes Bild von der Parteienlandschaft machen konnten. Das ist sehr gut angekommen. Das war gut.

(Beifall FDP)

Trotz allem fehlen mir in dem Entwurf in Bezug auf Bildung echte Veränderungen und auch echte Anstrengungen, um die nötigen Veränderungen anzugehen. Ich erkläre das gern. 90 Prozent des Budgets und der Mehrausgaben fließen in Beton und Ausbau. 90 Prozent! In den letzten Jahren wurden Kinder zu 100 Prozent beschult. Heute haben wir mehr Schüler. Damit brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer und natürlich auch mehr Gebäude. Das kostet entsprechend mehr. Deshalb sieht das für mich nur wie ein Ausgleich dessen, was mehr vorhanden ist, aber nicht wie ein Mehr an Schulqualität aus.

(Beifall FDP)

Ich sehe beispielsweise immer noch keinen Plan dafür, wie der Sanierungsstau von fast 700 Millionen Euro an den Schulen abgebaut werden soll. Es bleibt kein Geld mehr, um in Schulqualität zu investieren. Dabei wäre das nach dem dauerhaft letzten Platz bei den PISA-Ergebnissen der letzten Jahre wichtiger denn je.

Ich sehe auch kein echtes Programm dafür, wie die Digitalisierung in den Schulen ankommen soll. Einem Senat, dem es noch nicht einmal gelingt, die analogen Tafeln in den Schulen in einem ordentlichen Zustand zu halten, dem traue ich es wirklich nicht zu, die Kreidezeit im Klassenzimmer zu beenden.

Wir haben keinen Unterricht für Medienkompetenz. Wir haben laut Ihrem Plan ganze zwei Lehrer pro Schule, die sich damit in Zukunft auskennen sollen. Das ist doch ein Witz und reicht im Leben nicht aus. Wir brauchen eher mindestens zwei Lehrkräfte pro Klasse, die sich damit auskennen.

(Beifall FDP)

Wir Freien Demokraten haben einen einfachen Vorschlag dazu. Wir schlagen ein Innovationsbudget von 10 000 Euro je Klasse vor. Damit haben Lehrerinnen und Lehrer die Chance, die Schulen in unser Zeitalter zu holen. Sie können autark über die Summe verfügen und den Betrag unbürokratisch abrufen, um selbst Schwerpunkte zu setzen. Damit können wir die Digitalisierung mit vernünftiger Hard- und Software in die Schulen holen, denn die Bildung unserer Kinder in Bezug auf Zukunftsthemen wie Robotik und 3-D-Drucker darf unseres Erachtens nicht am Budget scheitern.

(Beifall FDP)

Landtag

3765 49. Sitzung/20.09.17

Das Kernproblem des bremischen Bildungssystems werden wir aber vermutlich nicht nur mit Geld ändern können, denn die Qualität der Bildung hat auch etwas mit dem Anspruch an Quantität und Qualität zu tun. Rot-Grün muss endlich erkennen, dass die Politik des einfachen Abiturs für alle gescheitert ist. Es ist an der Zeit, die Bildungsstandards, die Inhalte, an jene Länder anzupassen, die bei PISA und den anderen Tests erfolgreicher sind als wir.

(Beifall FDP)

In Bremen fehlt es immer noch an ausbildungsreifen Jugendlichen. Es muss Sie doch tangieren, wenn Sie hören, dass zwei Drittel der hiesigen Auszubildenden aus Niedersachsen kommen. Stattdessen greifen Sie Unternehmen an. Angeblich stehen nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung. Das ist aber nicht wahr. Echte Selbstreflexion und Selbstkritik wären endlich angebracht. Es liegt nicht an den fehlenden Plätzen, sondern an der mangelnden Ausbildungsfähigkeit unserer Jugendlichen in Bremen.

Wir Freien Demokraten fordern daher eine Ausbildungsreifegarantie für unsere Schülerinnen und Schüler. Ein Unternehmen, das einen Schüler mit dem Abschluss einer Bremer Schule einstellt, muss die Garantie haben, dass dieser Schüler ausbildungsfähig ist.

(Beifall FDP)

So wird ein Schuh daraus. So wird Bildungspolitik in unseren Augen messbar. Unsere Wirtschaft ist auf Fachkräfte von morgen angewiesen. Der Erfolg von morgen steckt in den Kinderschuhen von heute.

(Beifall FDP)

Wenn ich sehe, dass der Topf für Sozialleistungen am größten ist und Sie im Gegenzug nichts in die Weiterentwicklung von Bildung investieren, ist das ungerecht gegenüber unseren Kindern. Damit versündigt man sich heute an der Zukunft unserer Kinder, denn Bildung ist die beste Prävention gegen Armut. Ich glaube, darin sind wir uns einig.

(Beifall FDP)

So sehr die Wirtschaft auf die Fachkräfte von morgen angewiesen ist, so sehr ist die Wirtschaft auch auf eine vernünftige und faire Wirtschaftspolitik angewiesen. Nachdem der Senat an seiner bürokratischen Symbolpolitik wie zum Beispiel dem Landesmindestlohn festgehalten hat, habe ich nicht ernsthaft mit einer Entlastung für die Wirtschaft in diesem

Haushalt gerechnet. Ich habe aber immerhin auf ein paar wichtige Investitionen gehofft. Ein paar sind zwar eingetreten, es sind aber eben leider doch nicht viele, die einen großen Wurf bedeuten. Die Zinsausgaben sind immer noch höher als die Investitionsausgaben. Das ist schade für Bremen.

Unter den Investitionen, die der Senat in seiner eigenen Pressemitteilung besonders herausstellt, sind nur das Kreuzfahrtterminal in Höhe von circa zwölf Millionen Euro und die Erschließung der Luneplate als Gewerbegebiet in Höhe von sechs Millionen Euro als wirtschaftsnahe Investitionen besonders erwähnenswert. Das sind ganz klar richtige und auch wichtige Investitionen für Bremerhaven. Ansonsten setzt sich die mutlose Wirtschaftspolitik von Senator Günthner leider fort.

(Beifall FDP)

Besonders für Bremerhaven ist eine florierende Wirtschaft entscheidend, aber allein der Sanierungsstau des Hafens beträgt 243 Millionen Euro. Das ist unfassbar, denn er ist das Fundament Tausender Arbeitsplätze und des attraktiven Standorts Bremerhaven und Bremen.