Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Besonders für Bremerhaven ist eine florierende Wirtschaft entscheidend, aber allein der Sanierungsstau des Hafens beträgt 243 Millionen Euro. Das ist unfassbar, denn er ist das Fundament Tausender Arbeitsplätze und des attraktiven Standorts Bremerhaven und Bremen.

In diesem Zusammenhang ist die Erhöhung der Gewerbesteuer die schlechteste wirtschaftspolitische Maßnahme. Ganz ehrlich, ich verstehe das nicht. Das ist ein Zeichen mangelnden Respekts gegenüber der Leistung der vielen Unternehmen und ihrer Beschäftigten in Bremen. Wir lehnen die Erhöhung der Gewerbesteuer ganz entschieden ab.

(Beifall FDP)

Um mehr Unternehmen nach Bremen zu holen und Geld für Investitionen bei den Unternehmen freizusetzen, ist angesichts der Rekordeinnahmen eigentlich das Gegenteil angesagt. Die Gewerbesteuer ist zu senken und nicht zu erhöhen. So stärken wir die Unternehmen vor Ort und werden als Standort auch für auswärtige Unternehmen attraktiver. Dann haben die Umlandgemeinden vielleicht nicht mehr die Chance, dass man sich für den anderen Standort entscheidet. Manchmal wünschte ich mir, dieser Senat würde besser gar keine Wirtschaftspolitik machen. Das wäre angesichts dieser Maßnahmen die bessere Wirtschaftspolitik.

(Beifall FDP)

Die Verkehrssituation ist für ein kleines Land wie Bremen katastrophal. Nicht im Stau steht

Landtag

3766 49. Sitzung/20.09.17

nur jemand, der mit dem Fahrrad unterwegs ist.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist eine gute Idee!)

Mit einer vorbildlich geplanten Standortpolitik hat das wenig zu tun. Als es um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ging, hat unser Bürgermeister Sieling zugesagt, dass ein Großteil in Investitionen und Tilgung gehen wird. Ich sehe in diesem Haushaltsplan leider noch nicht viel davon. Ich hätte mir gewünscht, dass man das schon heute und nicht erst in ein paar Jahren umsetzt. Für mich sieht dieser Haushaltsentwurf aus wie ein Überstehen der folgenden zwei Jahre, bis die Karten endlich neu gemischt werden.

Es freut mich, dass unser Bürgermeister jetzt die Digitalisierung zum Schwerpunktthema gemacht hat. Das begrüße ich grundsätzlich sehr.

(Beifall FDP)

20 Millionen Euro pro Jahr sind gutes Geld, um zumindest einen Anfang zu gestalten. Wir Freien Demokraten stellen uns unter der Digitalisierung in der Verwaltung mehr Bürgerservice vor. Wir stellen uns eine Vereinfachung der Verwaltungsarbeit etwa durch das Eliminieren von unnötigen Prozessen wie der Doppeleingabe von Daten vor. Vielleicht kann man über die Digitalisierung auch Personal in der Verwaltung einsparen beziehungsweise dieses Personal dann für andere Dinge einsetzen, weil Prozesse effizienter werden. Das wäre doch toll. Dafür kann man das Geld sehr gut in die Hand nehmen.

Es wundert mich aber, dass hier scheinbar eine falsche Vorstellung von Digitalisierung vorherrscht. Wie kommt man zu der Erkenntnis, dass man dafür noch mehr Stellen in der Verwaltung braucht? Wir sollten lieber Prozesse optimieren, digitalisieren und frei gewordene Stellen anderswo, zum Beispiel in der Bildung, einsetzen.

(Abg. Tsardilidis [SPD] Das macht niemand? - Abg. Crueger [SPD]: Er kennt sich halt mit Organisationsentwicklung aus!)

Wer die Digitalisierung in der Verwaltung vorantreiben will, indem er mehr Verwaltungsmitarbeiter einstellt, hat eine andere Vorstellung. Ich habe das nicht so ganz verstanden.

Ich hätte mir viel mehr gewünscht, dass der Senat das Gegenteil macht, nämlich das Geld in gute Soft- und Hardware investiert, um da

mit eine moderne, digitale und vernünftige Verwaltung zu schaffen. Das hätte man mit 20 Millionen Euro sehr gut tun können.

(Beifall FDP)

So, wie der Senat das Thema angeht, werden wir gefühlt noch 2025 wegen jedem Kram zum Amt rennen müssen, und die Schlangen vor den Servicecentern werden nicht kürzer. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man fast darüber lachen.

Ich komme zur inneren Sicherheit. Wir Freien Demokraten haben uns für die Zielzahl von 2 600 Polizisten eingesetzt. Diese wurde auch durchgesetzt. Das freut uns sehr. Wir haben in unserem Papier zur Innenstadt einen Ordnungsdienst ins Gespräch gebracht. Das wird alles aufgegriffen. Das ist toll. Aber - das ist ein ganz großes Aber, weil es schade und falsch ist - in Bremerhaven hat sich nichts geändert. In Bremerhaven haben wir bis heute nicht mehr Polizisten und Polizistinnen.

(Beifall FDP)

Ich bin mir beim Thema der Sicherheit nicht sicher, ob der Senat mit der Video- und Telekommunikationsüberwachung nicht die falschen Schwerpunkte setzt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Maßnahmen nur begrenzt wirksam sind. Wir müssen stattdessen endlich in die Situation kommen, im Land Bremen ausreichend und gut ausgestattete Polizistinnen und Polizisten zu haben, die Verbrechen tatsächlich verhindern und aufklären. Wir brauchen eine bessere Ausstattung von Polizei und Feuerwehr statt mehr Überwachung. 500 000 Euro sind für uns nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall FDP)

Denn Fakt ist, dass Menschen und nicht Kameras Verbrechen verhindern. Deshalb sollten wir die Menschen, die für uns sorgen und uns schützen, mehr unterstützen.

Für uns Freie Demokraten steht fest, dass der Senat wieder einmal eine riesige Chance verpasst hat. Es liegt jetzt an uns Parlamentariern, hier Ideen und unsere Änderungsanträge einzubringen, damit klar wird, wie wir uns das Ganze vorstellen. Es liegt aber auch an den Bremerinnen und Bremern, angesichts dieser zum Teil leider rückwärtsgewandten Politik, die uns irgendwann auf die Füße fallen wird, konsequent zu handeln und sich anders zu entscheiden. Ich glaube, unsere Bremerinnen und Bremer merken, was sich hier abspielt. Vielleicht quittieren sie dieses Handeln im Jahr

Landtag

3767 49. Sitzung/20.09.17

2019, und Bremen bekommt eine neue Regierung, die dann möglicherweise lieber jamaikanische Klänge hört. - Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall FDP - Abg. Tschöpe [SPD]: Viel Spaß! - Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das gönne ich euch! - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war eine ziemlich plumpe Anmache, wenn ich mir diese Bemerkung er- lauben darf!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Leidreiter.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Besucher! Zunächst möchte ich der Verwaltung meinen herzlichen Dank für die zeitnahe Aufstellung des Haushalts aussprechen. Es ist zwar kein Vertreter mehr anwesend, aber vielleicht übermittelt man ihr das.

Es gilt weiterhin, den Sanierungspfad bis zum Jahr 2020 einzuhalten. Ohne Einhaltung des Konsolidierungspfades würde Bremen die Konsolidierungshilfen in Höhe von 300 Millionen Euro jährlich verlieren. Unterstützung bekam und bekommt der Senat durch positive exogene Rahmenbedingungen wie hohe Steuereinnahmen und niedrige Zinsen. Dabei handelt es sich um Sonderfaktoren, die nicht ewig währen. Kommt es zu einem Rückgang der Konjunktur in Deutschland, weil sich die Weltwirtschaft abschwächt oder die EZB die Zinsen anhebt, wird sich die Einnahmensituation der öffentlichen Haushalte wieder verschlechtern.

Die Fortführung des Sanierungspfades und der Schuldenabbau sind für die Bürger in Wut nicht verhandelbar.

(Beifall BIW)

Dies muss unbedingt auch für die Zeit nach 2020 gelten, obwohl Bremen als Ergebnis des im Oktober vergangenen Jahres gefundenen Kompromisses zum Bund-Länder-Finanzausgleich dann 487 Millionen Euro jährlich vom Bund bekommt. Sparanstrengungen und strenge Haushaltsdisziplin sind beizubehalten. Wir müssen uns vor Augen führen, dass die eigene Steuereinnahmen circa 3 Milliarden Euro im Jahr betragen, dass Bremen aber jährlich 5,4 Milliarden Euro ausgibt. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben kommt durch Bund-Länder-Finanzausgleich und Länderergänzungsabgaben vom Bund. Das ist kein Ruhmesblatt.

(Beifall BIW)

Das Land Bremen muss dringend seine Schulden in Höhe von 22 Milliarden Euro abbauen. Andernfalls drohen hohe zusätzliche Ausgaben, wenn die historisch niedrigen Kapitalmarktzinsen wieder anziehen und die Kreditaufnahme für den Staat entsprechend teurer wird.

Es reicht nicht aus, Frau Bürgermeisterin Linnert, die Zinsen mit langfristigen Zinssicherungsgeschäften zu sichern, weil diese irgendwann auslaufen und die Zinsen dann anziehen. Irgendwann kommen die höheren Zinsen. Wenn wir es bis dahin nicht geschafft haben, die Schulden zurückzuzahlen, haben wir ein echtes Problem. Wir verschieben das Problem vielleicht um 30 oder 50 Jahre, aber wenn wir die Schulden nicht tilgen, wird das Problem irgendwann auftauchen. Also muss die aktuell günstige Phase genutzt werden, um Altschulden in größerem Umfang als vorgesehen zu tilgen. Der dafür bislang vorgesehene Betrag von 80 Millionen Euro sollte daher erhöht werden.

Positiv ist anzumerken, dass wir diesmal keine haushaltslose Zeit haben. Die letzte haushaltslose Zeit hat uns in einigen Bereichen sehr behindert beziehungsweise auch geschädigt.

Die Einnahmen unseres Bundeslandes steigen stetig. Trotzdem reichen diese nicht für den immer größeren Geldbedarf des Staates aus. Allerdings liegt das Problem nicht auf der Einnahmenseite, sondern vor allem auf der Ausgabenseite. Aus diesem Grund brauchen wir keine für Unternehmen schädliche Gewerbesteuererhöhung. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel für Einzelunternehmen nur 380 Prozent des Hebesatzes auf die Einkommensteuer anrechenbar sind. Das heißt, die Erhöhung des Hebesatzes um zehn Prozentpunkte macht sich monetär gerade für Einzelunternehmen in voller Höhe bemerkbar.

Vorhin wurde von Bremen als wachsender Stadt gesprochen. Daraus ergibt sich die Frage, wer die neuen Bürger und wer die neuen Arbeitgeber sind. Die Erkenntnis hieraus ist nicht neu. Es geht um den Zulauf von armutsbedrohten Bürgern aus verschiedenen anderen Ländern und, dadurch bedingt, um die Förderung der sogenannten Sozialindustrie. Bremen wächst unter dem Strich nur wegen des Zuzugs von Flüchtlingen und EU-Bürgern, darunter vielen Armutsmigranten aus Osteuropa, speziell Rumänen und Bulgaren.

Ich komme zu einer kurzen Abhandlung über die Flüchtlinge. Das Land Bremen hat 2016 laut Sozialressort genau 3 185 Asylbewerber

Landtag

3768 49. Sitzung/20.09.17

aufgenommen. 2015 waren es 10 274, im Jahr 2014 genau 2 233 Menschen. Im Jahr 2015 waren unter den Asylsuchenden rund 2 700 unbegleitete minderjährige Ausländer, die besonders hohe Kosten verursachen. Laut Senatorin Stahmann betragen sie im Durchschnitt pro Kopf 3 750 Euro monatlich oder 45 000 Euro im Jahr. Das ist auffallend niedrig, denn die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat monatliche Durchschnittskosten von 5 250 Euro beziehungsweise 63 000 Euro jährlich errechnet.

Dagegen verliert Bremen Einwohner in der Altersgruppe bis 30 Jahre sowie bei der Gruppe der höher Qualifizierten. Während also eher gut situierte Steuerzahler und Konsumenten Bremen auch wegen des unzureichenden Wohnungsangebots verlassen, rücken Sozialtransferempfänger nach, die staatlich alimentiert werden müssen. Hieraus ergeben sich dann die schlechten Nachrichten aus dem Sozialressort. Die geplanten Ausgaben liegen im Doppelhaushalt 2018/2019 immer noch weit über dem Wert von 2015, also vor der Migrationskrise. Für die monetäre Entwicklung der Zukunft des Sozialressorts ist es wichtig, wie die Integration der Migranten vorangeht.

Daran knüpft sich die Frage, wie viel Prozent der Migranten im ersten Arbeitsmarkt integriert sind. Ich kann diese Frage momentan nicht beantworten. Es geht aber nicht nur um die Integration von anerkannten Asylbewerbern und Flüchtlingen, sondern auch und gerade um die Rückführung von Migranten, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die deshalb kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Auch diese Personen müssen vom Sozialstaat versorgt werden und belasten daher den Etat.

In puncto Rückführung bildet Bremen einmal mehr das Schlusslicht unter den Bundesländern. Im Jahr 2016 reisten knapp 600 abgelehnte Asylbewerber nach Beratung freiwillig aus Bremen zurück in ihre Heimatländer. 72 wurden abgeschoben. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren ein hoher Wert, als es jeweils etwa zehn Menschen waren.

Ende 2016 lebten in Bremen 3 007 geduldete Ausländer. Das ist auf die Gesamtbevölkerung bezogen der mit Abstand höchste Wert aller Bundesländer in Deutschland.