Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 19/1415 auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP Kenntnis.
Sportlehrerinnen, Sportlehrer und Sportunterricht an Schulen im Land Bremen - Sachstand und Zukunft Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. Juni 2017 (Drucksache 19/1103)
Gemäß unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage mündlich zu wiederholen. - Sie schütteln schon den Kopf. Das heißt, Sie möchten davon keinen Gebrauch machen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der Vergangenheit häufig über die Probleme im bremischen Bildungswesen gesprochen. Wem das bisher zu abstrakt war, dem kann nun mit unserer Großen Anfrage zur Situation des Schulsports geholfen werden. Man könnte sagen, wie in einem Brennglas kann man hier die Probleme sehr konkret besichtigen: Qualitätsdefizite, auch durch fachfremd erteilten Unterricht, fehlender Nachwuchs in der Lehrerschaft, Personalpolitik ohne die notwendige Vorausschau, eine fast auf dem Kopf stehende Altersstruktur, Flickschusterei durch angeblich so erfolgreiche Weiterbildung und Seiteneinstiege - beispielhaft schwieriger könnte eine Situationsbeschreibung bremischer Bildung und des zögerlichen Umgangs damit nicht ausfallen.
Die wichtigsten Fakten in Kürze: Sport wird fast zu einem Viertel fachfremd unterrichtet, Tendenz steigend, mit allen Folgen für die Unterrichtsqualität, die wir hier so häufig diskutieren. Spitzenreiter sind übrigens gerade die Schulen der Jüngsten, also die Grundschulen, mit einem Anteil deutlich oberhalb von 50 Prozent, verursacht durch fehlenden Nachwuchs.
Es besteht auch kaum Hoffnung auf Besserung. Seit 2012 haben in Bremen und Bremerhaven 293 Sportlehrerinnen und Sportlehrer die Schulen verlassen, nur 228 konnten in diesem Zeitraum gewonnen werden. Trotz steigender Schülerzahlen haben wir also in diesem Fach seit 2012 65 Lehrkräfte verloren, und das obwohl sich der Trend eher noch verschlechtert, wie ein Blick auf die Altersstruktur zeigt. Gerade einmal 17 Sportlehrerinnen und Sportlehrer sind unter 30 Jahre alt - übrigens keiner und keine einzige in Bremerhaven -, aber 275 Sportlehrerinnen und Sportlehrer sind über 50 Jahre alt. Die Zahl derer, die sich zur Ruhe setzen, wird also noch steigen. Viel mehr muss man zum Desaster und zur katastrophalen Personalpolitik mit mangelnder Vorausschau in diesem Bundesland eigentlich nicht sagen.
Was tun Sie, oder was tun Sie besser gesagt nicht, um diesem Trend entgegenzuwirken? Im Jahr 2012 haben 68 Lehrerinnen und Lehrer ihr Referendariat absolviert. 2016, im letzten Jahr, das wir insgesamt betrachten können, waren es ganze 16 Lehrerinnen und Lehrer. Trotzdem bekennen Sie sich im Prosateil zur Wichtigkeit des Sports und schreiben treuherzig, die dritte Sportstunde solle an den Oberschulen und Gymnasien, an denen ausreichende
Sie sind jetzt schon weit davon entfernt, die Unterrichtsversorgung im Fach Sport quantitativ und qualitativ sicherzustellen. Hier von der dritten Sportstunde zu sprechen, bedeutet schlicht, Sand in die Augen der Öffentlichkeit zu streuen.
Das ist eine wirklich deprimierende Situation, und das obwohl erstens sehr zu Recht darauf hingewiesen wird, wie wichtig Sport für die körperliche und auch geistige Entwicklung ist - dies ist übrigens nicht nur eine Gesundheitsfrage im engeren Sinne, sondern, wie wir gerade jüngst haben lesen können, auch eine gesellschaftliche Gerechtigkeitsfrage -, obwohl zweitens offensichtlich erkannt ist, dass ein so handlungsorientiertes Fach wie Sport gerade in Zeiten, in denen Stichworte wie Inklusion und Integration eine so wichtige Rolle spielen, von noch einmal höherer Bedeutung ist - weil es eben nicht in erster Linie auf Vorkenntnisse zum Beispiel in der Sprache ankommt und es geradezu zum gemeinsamen Tun einlädt -, obwohl die Sportvereine drittens so dringend auf Unterstützung bei der Förderung der Kinder, übrigens im Breiten- wie im Spitzensport, angewiesen sind, und obwohl viertens die Ganztagsschule gerade in bewegungsintensiven Bereichen eigentlich ganz andere Möglichkeit eröffnet und nahelegt. Ihre Antwort beschränkt sich dagegen auf das Setzen auf Seiteneinstiege und Fortbildungsangebote und vage Andeutungen, was die eigenen Ausbildungskapazitäten anbelangt. Sie verweisen auf den Wissenschaftsplan 2025, aber so lange können unsere Kinder nicht warten.
Dabei wissen Sie es besser. In einer Vorlage zur Personalentwicklung schrieben Sie jüngst, der einzig erfolgversprechende Weg liege in der Nachwuchsgewinnung bei dem im eigenen Land ausgebildeten Personal. Wer nachhaltig eine Verbesserung erreichen will, darf nicht nur auf Sporthallen und ihre Sanierung setzen, er muss auch dafür sorgen, dass sie am Ende ordentlich und fachgerecht bespielt werden, und zwar durch fachgerecht qualifizierte Pädagogen.
Für mich ist die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern - hier im besonderen Fall der Sportlehrer - ein Feld, in dem die Möglichkeiten der gemeinsamen Ausbildung mit Niedersachsen noch nicht
ausgereizt sind, ein Feld, in dem die Kleinstaaterei im Bildungswesen vielleicht einmal hintangestellt werden kann. Es kann doch nicht einen so großen Unterschied ausmachen, ob ein Kind nun in Lilienthal oder in Borgfeld im Fach Sport unterrichtet wird.
Die Fragen sind aufgeworfen, die Antworten sind leider dürftig und vage, wenig zukunftsorientiert, aber wir werden daran arbeiten. - Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So richtig die Anfrage ist, war ich trotzdem ein bisschen baff, dass sie ausgerechnet von der CDU kommt, denn in der Großen Koalition hat die CDU 2005/06 im Hochschulentwicklungsplan die Sportausbildung an der Universität Bremen mit abgeschafft.
Die CDU fragt hier im Grunde also ihr eigenes Ergebnis beziehungsweise das Ergebnis ihrer eigenen mit der SPD betriebenen Politik ab, und dieses ist im Befund so desaströs, wie Sie das gerade geschildert haben, lieber Herr Kollege Dr. vom Bruch. Man hat im Grunde eine Situation geschaffen, in der man entweder Seiteneinstiege und Fortbildungen querfinanzieren muss oder den Studiengang - den wiederaufzulegen wir auch immer wieder gefordert haben - wiederaufnimmt, sodass man die Infrastruktur, die man einmal abgeschafft hat, praktisch wieder neu aufbauen muss.
Dass das wichtig ist, ist relativ unbestritten, weil Sport ein wichtiges Schulfach ist. Die motorische Entwicklung ist Voraussetzung für die kognitiven Fähigkeiten, und nur im Wechsel mit Bewegungsphasen gelingt es Kindern, sich länger zu konzentrieren. Es findet soziales Lernen statt, und die Inklusion von Förderkindern und Geflüchteten gelingt im Sportunterricht besonders gut. Eine geringe Achtung von Sport als Nebenfach rächt sich also.
Insgesamt zeigen die Antworten des Senats ein fatales Bild. Die Abwicklung der Sportausbildung an der Universität schlägt voll durch. Es gelingt bei Weitem nicht mehr, alle pensionierten Sportlehr
kräfte durch junge Kolleginnen und Kollegen zu ersetzen. Die Altersstruktur in der Stadt Bremen deutet auf eine zunehmende Überalterung hin. In Bremerhaven ist diese jetzt schon erkennbar. Die Situation in Bremerhaven ist jetzt schon viel schlechter als in der Stadtgemeinde Bremen. Es gibt dort keine einzige Sportlehrerin und keinen einzigen Sportlehrer unter 30 Jahren mehr. Die Kohorte der Sportlehrerinnen und Sportlehrer über 50 Jahre ist in Bremerhaven dafür deutlich größer als in Bremen. Das heißt, wenn diese Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand gehen, hat Bremerhaven ein echtes Problem. In Bremen liegt der Altersschwerpunkt noch um die 40 Jahre, es lassen sich außerdem noch vereinzelt junge Kolleginnen und Kollegen finden, aber auch hier zeichnen sich die Probleme für die Zukunft deutlich ab.
In der Konsequenz - das hat Herr Kollege Dr. vom Bruch schon erläutert - muss in beiden Stadtgemeinden immer mehr fachfremd unterrichtet werden. Richtig ist, dass die Grundschulen besonders betroffen sind. An der Grundschule hat es immer die Tradition gegeben, dass Unterricht auch fachfremd unterrichtet wird. Es geht aber immer um den Mix von Fachlichkeit und fachdidaktischem Input einerseits und fachfremdem Unterrichten andererseits. Dieser Mix ist nicht mehr gewährleistet, und das nicht nur an den Grundschulen. Auch an den weiterführenden Schulen, an denen das eigentlich überhaupt nicht geschehen soll, werden inzwischen 10 Prozent des Unterrichts fachfremd unterrichtet, dies sogar in der Sekundarstufe II. Das ist insofern bedenklich, als es in den letzten Jahren Änderungen gab, was das Abitur angeht, und Sport zwingend in die Abiturnote eingebracht werden muss. Deswegen ist es fahrlässig, wenn die Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II nicht von Fachkräften unterrichtet werden.
Ich will noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Dass die Quote von fachfremd erteiltem Unterricht an Oberschulen und Gymnasien nicht noch viel größer ist - so wie es der tatsächliche Lehrer- oder Fachpersonalmangel eigentlich nahelegen würde , liegt daran, dass schlicht die Sporthallen nicht vorhanden sind und wegen fehlender Hallenkapazitäten die dritte Sportunterrichtsstunde ohnehin schon nicht mehr erteilt wird. So rettet im Grunde die schlechte Raumsituation in Bremens Schulen den Senat vor noch schlechteren Quoten bei fachfremd erteiltem Unterricht. Das bereinigt zwar die hausinterne Statistik, aber ausbaden müssen es die Ju
gendlichen in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II beider Stadtgemeinden. Ich finde, das geht gar nicht!
Bremen bemüht sich um neue Sportlehrkräfte, indem man Sport zum Mangelfach erklärt hat, Diplomsportlehrerinnen und -lehrer ohne zweites Fach in den Schuldienst aufnehmen möchte und eine Weiterbildung für Sport am Landesinstitut für Schule anbietet. Diese Maßnahmen sind alle richtig und müssen fortgeführt werden. Sie reichen aber nicht aus, um die Unterversorgung mit Fachkräften für Sport auszugleichen. Ich habe eingangs schon erwähnt, dass es nur eine einzige richtige Antwort auf das Problem gibt: Bremen muss seine Sportlehrer und Sportlehrerinnen wieder selbst ausbilden.
Danke, Herr Fecker! - Die Fehlentscheidung von SPD und CDU, das Fach Sport an der Uni Bremen abzuwickeln, muss korrigiert werden, und zwar zügig. Das sollte nicht erst im Wissenschaftsplan 2025 geprüft werden, denn das ist sehr unverbindlich. Selbst bei positiver Prüfung und bei Wiedereinrichtung des Studiengangs dürfte vor 2030 keine einzige Lehrkraft die Bremer Uni verlassen, die an Bremens oder Bremerhavens Schulen Sport unterrichten könnte. Das ist zu langsam.
Wir haben deswegen in den Haushaltsberatungen, zuletzt im Dezember letzten Jahres, immer den Antrag gestellt, die Mittel für die Universität zu erhöhen - das würde ja den Globalhaushalt der Universität betreffen -, damit dieser Studiengang wieder eingerichtet wird. Es ist schade, dass das nie in die Planung aufgenommen worden ist.
Mit der Ablehnung dieses Haushaltsantrags hat die Koalition eine Chance verpasst, vor 2030 oder 2035 Abhilfe zu schaffen. Dann haben wir in Bremen überhaupt keine selbst ausgebildeten Sportlehrkräfte mehr an den Schulen. - Vielen Dank!
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Sportlehrerinnen, Sportlehrer und Sportunterricht an Schulen im Land Bremen - Sachstand und Zukunft“, so lautet die Überschrift dieser Großen Anfrage der CDU-Fraktion. Der Sachstand wird in der Antwort ausführlich vom Ressort dargestellt, gleichwohl kann er uns keinesfalls zufriedenstellen. Zur Zukunft werde ich gleich noch etwas mehr sagen. Zunächst zwei grundsätzliche Anmerkungen.
Erste Anmerkung: Sportunterricht ist durch keine anderes Fach zu ersetzen. Sportunterricht hat eine deutlich über die motorische Entwicklung der Kinder hinausgehende Funktion. Somit kommt dem Sportunterricht an Schulen eine besondere Bedeutung zu. Das heißt, es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit Sportunterricht auch so stattfindet, wie es in der Stundentafel angegeben ist.
Zweite Anmerkung: Ende 2006, Anfang 2007 ist gegen viele Widerstände der Entschluss gefasst worden, den Sportstudiengang und im Übrigen auch den Studiengang Sonderpädagogik zu schließen. Vielen Dank, Frau Vogt, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass das ein Beschluss der Großen Koalition gewesen ist. Diese Entscheidung ist zumindest aus heutiger Sicht falsch gewesen.
Das muss man so deutlich sagen. Es war auch damals schon aus Sicht vieler nicht richtig, diesen Studiengang zu schließen,