Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Wie ist die Realität? Aus den Antworten wird deutlich, dass das Verhalten von Vorgesetzten einen großen Einfluss auf die Arbeitsergebnisse und die Arbeitszufriedenheit aufweist, eigentlich eine Binsenweisheit, meine Damen und Herren, aber aus meiner fast zehnjährigen Tätigkeit als Personalratsvorsitzender kann ich Ihnen bestätigen, dass der Spruch „Der Fisch stinkt vom Kopf her!“ häufig auch der Grund für Personalprobleme im öffentlichen Dienst ist. Hier ist Vorbeugung angesagt, denn im Nachhinein ist in diesen Fällen nur selten noch etwas zu reparieren, und wenn, dann nur mit großem Aufwand. Ich möchte hier das Beispiel des Stadtamtes nennen.

Vorbeugung beginnt zunächst mit einem nachvollziehbaren, auf sachlichen Kriterien beruhenden Auswahlverfahren der Vorgesetzten, setzt sich fort mit einem vernünftigen kooperativen Führungsstil und regelmäßigen Mitarbeitergesprächen – das klang hier schon an –, auch im Übrigen zu Veränderungsprozessen in der Organisation. Zu diesem Punkt hat nur ein Drittel aller Befragten gesagt, dass sie bisher daran beteiligt worden sind, also zwei Drittel wurden an Organisationsveränderungen, die sie aber selbst betreffen, gar nicht beteiligt.

Meine Damen und Herren, dieses fehlende Verständnis und die mangelnde Anerkennung durch die Politik und in der Öffentlichkeit – das ist hier schon angesprochen worden – wird von vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst als wichtiger Faktor für die Arbeitszufriedenheit in der Befragung genannt. Auch wir als Politiker müssen uns also immer wieder fragen, ob unsere politischen Beschlüsse sowie Bewertungen bestimmter Vorgänge im öffentlichen Dienst sachlich gerechtfertigt und nachvollziehbar sind, insbesondere auch deshalb, weil wir als Gesetzgebungsorgan und Verantwortliche für die Haushaltsaufstellung erhebliche Einflüsse auf die Verwaltung nehmen und damit auch Verantwortung für Missstände übernehmen sollten oder müssen. Machen wir das auch immer? Ich habe da an der einen oder anderen Stelle so meine Zweifel!

Meine Damen und Herren, diese politische Verantwortung spiegelt sich in Organisations- und natürlich auch in Besoldungsbeschlüssen und Aufstiegschancen wider. Knapp die Hälfte der Beschäftigten gab bei der Befragung an, dass der öffentliche Dienst für junge Menschen nicht besonders attraktiv ist. Das liegt nicht nur an der vielleicht im Vergleich zur Privatwirtschaft geringeren Besoldung, sondern häufig auch in der schwergängigen Struktur. Dabei wissen wir alle – Sie haben darauf hingewiesen, Frau Böschen –, dass in Zukunft der Wettkampf um die gut ausgebildeten Menschen, um die jüngeren Menschen vor allem, in allen Berufen stark ausgeprägt sein wird. Das Thema haben wir auch gerade im vorherigen Tagesordnungspunkt behandelt.

Es reicht nicht, nur darauf zu bauen, dass der öffentliche Dienst einen sicheren Arbeitsplatz bietet, sondern erforderlich sind im Interesse eines funktionierenden Gemeinwesens auch die Arbeitszufriedenheit und eine angemessene Bezahlung sowie eine attraktive Struktur des öffentlichen Dienstes. Die Erkenntnisse aus dieser Befragung können dafür wichtige Hinweise liefern. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Prof. Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon viel richtig Analysierendes zu den Antworten gesagt worden. Deswegen werde ich mich in dieser Rede auch darauf beschränken, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Zum einen besteht tatsächlich eine große Zufriedenheit mit der Arbeit im öffentlichen Dienst. Das ist gut so, und an den Punkten, wo es noch nicht so ist, müssen wir noch dringend arbeiten. Wir haben ein Problem in der Führungsstruktur, das wurde auch schon mehrfach erwähnt.

Jetzt kommen Jahresgespräche. Ich kann Ihnen erzählen, ich war in der Zeit von 2003 bis 2007 an einer öffentlichen Hochschule in den Niederlanden beschäftigt, da gab es schon Jahresgespräche. Das ist jetzt 15 Jahre her.

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Die gibt es hier aber auch schon länger!)

Es gibt sie hier auch schon länger, aber noch nicht verpflichtend, Herr Hinners! Insofern ist das ein

Punkt, der jetzt endlich angegangen wird und genau dieses Problem der fehlenden Wertschätzung und des fehlenden Austausches von führender Person und Mitarbeiter betrifft. Wir haben die Hoffnung, dass das zu einer Verbesserung beiträgt.

(Beifall FDP)

Wir müssen für junge Menschen attraktiver werden, damit wir auch Nachwuchs im öffentlichen Dienst gewährleisten können. Viele junge Menschen wünschen sich mehr Flexibilität, was Arbeitszeit und Arbeitsort angeht. Einige Maßnahmen sind bereits umgesetzt, aber auch da müssen wir sehen, was wir tun können, wo wir noch ansetzen können. Vielleicht muss man einmal darüber nachdenken, ob man Arbeit immer in Zeit messen muss oder in Aufgabenerfüllung messen kann und wie und wo man das machen kann. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, die in der Wirtschaft umgesetzt worden sind. Vielleicht ist das auch eine Möglichkeit für den öffentlichen Dienst, zukünftig attraktiv für junge Menschen zu sein.

Insgesamt müssen wir auf der anderen Seite darauf achten, dass wir die Menschen nicht überbelasten, gerade im schulischen Dienst. Da ist bekannt, dass der Personalmangel zu einer weiteren Verschärfung führt und es gleichzeitig unattraktiv wird, im Bereich der Schulen weiteres Personal zu gewinnen. Auch das ist ein Punkt, an dem wir unbedingt in dem Fall Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch anderes Personal an den Schulen entlasten müssen, um dort attraktiver zu werden. Das sind Maßnahmen, die wir angehen müssen. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Lühr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die differenzierten, durchaus kritischen – darauf stellen wir uns aber ein – und wertschätzenden Aussagen über den öffentlichen Dienst in Bremen!

Herr Hinners hatte Herrn Prof. Dr. Hilz vorhin schon geantwortet,

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Ich wusste ja, was er sagen wollte!)

das Jahresgespräch wurde schon eingeführt, das war genau vor 17 Jahren, ich war Abteilungsleiter bei Herrn Perschau und als Projektbeauftragter damit beschäftigt. Wir haben es seitdem präzisiert.

Wir haben es jetzt nur noch einmal besonders herausgehoben und aus den gemachten Erfahrungen auch die Anforderungen geschärft. Sie sind also in eine gute öffentliche Umgebung gekommen, wenn Sie aus dem öffentlichen Dienst von Niedersachsen nach Bremen gewechselt sind.

(Abgeordnete Frau Böschen [SPD]: Niederlande! – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Aus den Nieder- landen war das!)

Aus den Niederlanden, das ist noch besser!

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Das war sowieso eine schöne Zeit!)

Das habe ich eben nicht so schnell gehört, Entschuldigung!

Wir haben im bremischen öffentlichen Dienst mit 25 000 Beschäftigten, wenn man die ergänzenden Bereiche zur Kernverwaltung hinzuzählt, in 500 verschiedenen Berufen – vom Arzt bis zum Zerspanungsmechaniker, der in der Werkstatt der Universität arbeitet – viele verschiedene Aufgabenstellungen. Wir stellen ungefähr 5 000 Produkte her; wenn man sich den Produktgruppenhaushalt einmal differenziert anschaut, findet man das heraus. Das ist ein veritabler Konzern mit sehr arbeitsteiliger Aufgabenwahrnehmung und entsprechenden Steuerungsanforderungen.

Die Außenwahrnehmung des öffentlichen Dienstes – das ist hier auch bereits gesagt worden – ist leider immer noch nicht wertschätzend:

Wer gestern Abend noch den Rest des Fußballspiels sehen konnte, hat auch Béla Réthy gehört: „Bayern schaltet auf Verwaltungsmodus.“ Ich habe ihm gleich eine E-Mail geschrieben und ihn gefragt, ob er es immer noch nicht begriffen hat. Ich schreibe jedes Mal, wenn er das Wort wieder benutzt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Eine große Bremer Tageszeitung hat am Samstag einen Leitartikel zur Berufsausbildung auf den Karriereseiten veröffentlicht. Darin stand „Handwerk, Dienstleistungen oder Amtsstube – wo gehen wir hin?“ Das zeigt auch, dass ein bestimmtes Grundverständnis gegenüber dem öffentlichen Dienst in der Außenwahrnehmung vorhanden ist, nämlich ruhige Kugel schieben, Fortbewegung im Schneckentempo, gemütliche Umgebung, etwas langweilig und ein bisschen muffig.

Die Selbstwahrnehmung der Beschäftigten ist aber ganz anders, das hat diese Studie jetzt gezeigt. Ich empfehle einmal, das ganze Paket zu lesen. Man muss es nicht wie einen Krimi von vorn bis hinten durchlesen, aber einzelne, differenziertere Aussagenblöcke sollte man sich vornehmen. Dann wird es ganz deutlich, wie diese Selbstwahrnehmung ist. Sowohl die Attraktivität, die Gemeinwohlorientierung und die gute Qualifizierung als auch zum Teil die fehlende Wertschätzung, die verbesserungsbedürftige Führung und das Veränderungsmanagement werden dort benannt, in positiver, aber auch kritischer Hinsicht.

Was hat der Senat jetzt daraus gelernt? Herr Hinners hatte mich noch einmal persönlich angesprochen, ich nehme das auch gern als Auftrag mit: Wir haben einen moderierten Prozess der Aufbereitung mit Personalräten, Gewerkschaften, Führungskräften und Beschäftigten eingeleitet und setzen die Ergebnisse dann auch konsequent um, sodass es nicht nur ein schönes Paket ist, das man bekommt, man trifft sich einmal, geht dann wieder auseinander, und dann ist der Prozess zu Ende. Wir versuchen, es zielgerichtet in einem Maßnahmenkatalog umzusetzen, den wir Ihnen auch gern hier im Parlament oder im Haushalts- und Finanzausschuss vorstellen.

Die Polizei hat dazu auch in Bezug zu den Ergebnissen einen eigenen Prozess eingeleitet und arbeitet dabei eng mit uns zusammen. Wir haben uns jetzt nicht auf den Prozess festgelegt und proklamieren, wir warten noch zwei Jahre ab, bis der Prozess am Ende ist, und vorher machen wir nichts. Ich will Ihnen nun keinen Katalog vortragen, aber vielleicht erlauben Sie mir, vier kleine Beispiele zu nennen.

Erstens! Wir haben aus den Verstärkungsmitteln für den Bürgerservice endlich die Stellen im ehemaligen Stadtamt und den „Folgeämtern“ so orientiert, dass es nunmehr feste Stellen sind. Das hat einen erheblichen Motivationsschub gegeben. Wir hatten vorher zwar Stellen mit unbefristeter Beschäftigung, aber befristeter Zuweisung für Flüchtlingsaufgaben und für Zusatzaufgaben. Das haben wir bereinigt, und wir haben jetzt im Grunde genommen 150 neue Planstellen geschaffen. Das hat einen erheblichen Ruck durch die Belegschaft bewirkt, eine viel höhere Arbeitszufriedenheit, einen Status, der auch zum Verbleiben auffordert und nicht immer in der Orientierung endet, wo man sich eine andere Stelle im öffentlichen Dienst sucht.

Zweitens! Es stand leider noch nirgends in der Zeitung, wir haben alle 20 großen Ämter, die bürgernahe Dienstleistungen erbringen, in einer sogenannten „Amtsleitungskonferenz Bürgerservice“ zusammengefasst. Der Senat hat mich gebeten, die Konferenz zu moderieren und zu leiten. Dort besprechen wir von der Bibliothek bis zum Gesundheitsamt und allen Beteiligten, dem Amtsgericht und so weiter, wie wir eigentlich unsere Leistungsprozesse verbessern können. Das hat dazu geführt, dass sich zum Beispiel bei der Frage, wie wir ein elektronisches Terminsystem aufbauen können, alle geeinigt haben. Wer macht das zuerst, welche Führungskräfte unterstützen die Führungskräfte im nächsten Amt, wie arbeiten die Personalräte zusammen. Wir müssen nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Wir treffen uns jeden Monat mit gleichbleibender Beteiligung, das ist eine sehr beliebte Austauschbörse, die dort geschaffen worden ist.

Drittens! Wir versuchen natürlich auch, den Anforderungen der Digitalisierung in der Arbeitswelt zu genügen, und alle wissen – das ist, glaube ich, der Standardkanon –, Arbeit 4.0 ist mehr als eine neue Version des Betriebssystems des öffentlichen Dienstes, sondern eine Herausforderung. Wir beteiligen uns an einem bundesweiten Forschungsprojekt, in dem sich sieben Verwaltungen untereinander messen, wo es um die Auswirkungen der Digitalisierung auf Führung und berufliche Qualifizierung geht. Dabei sind zum Beispiel auch die Freie und Hansestadt Hamburg, das Statistische Bundesamt, die Stadt Hannover und zwei süddeutsche Städte, weil allen inzwischen klar ist, dass die WhatsApp-Gruppe im Referat nicht ausreicht, um die Probleme zu bewältigen, sondern da müssen wir der Digitalisierung gerecht werden und dabei Arbeit und Leben 4.0 eben nicht an schneller, besser, herausfordernder bei Tag und Nacht orientieren, sondern ein genaues Maß finden, wie die Produktivität sich kompatibel mit der Lebensqualität gestalten lässt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hamann?

Ja, gern!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Entschuldigung zum Feierabend, aber habe ich das eben richtig gehört, Sie arbeiten in der bremischen Verwaltung mit WhatsApp-Gruppen, um Termine oder so etwas abzusprechen?

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Offiziell nicht! – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Sie müssen die Frage nicht beantworten, Herr Staatsrat!)

Ich kann das beantworten. Wenn Sie genau zugehört haben, Herr Abgeordneter,

(Abgeordneter Hamann [SPD]: Falls, nicht wenn!)

eine WhatsApp-Gruppe als Veränderung reicht eben nicht aus. Es gibt durchaus Leute, die sich mit WhatsApp verständigen. Ich wollte das auch nicht propagieren, sondern ich glaube, dass wir, um eine Entgrenzung zu verhindern und neue Modelle der Kooperation zu gestalten, uns nicht auf WhatsApp reduzieren dürfen. Das ist der Punkt, aber wir können uns darüber gern auch bilateral austauschen, oder wenn Sie eine Anfrage stellten, würden wir das auch differenzierter beantworten. Ich bin hier etwas unter Druck, da ich in fünf Minuten fertig sein soll und die Tagesordnung auch in die Schlussrunde geht.

(Abgeordneter Hamann [SPD]: Ich nehme das ein- mal als ein Nein mit!)

Wir werden in Kürze ein neues Karriere- und Informationsportal für Menschen aufbauen, die sich für Ausbildung und Beschäftigung im öffentlichen Dienst interessieren oder sich an den neuen Mobilitätschancen im öffentlichen Dienst orientieren und wechseln wollen. Darin wird die Dachmarke Arbeitgeber öffentlicher Sektor, was auch in der Befragung eingefordert worden ist, dann auch gespiegelt. Das Portal ist natürlich digital nutzbar. Es gibt ja bekannte Beispiele, Essen, Dortmund, das Land Bayern und so weiter sind da Vorreiter. Wir werden das aber jetzt unter Einbeziehung der Erfahrungen in den Ländern und Großstädten machen.

Viertens! Die Frage, wie ein Veränderungsprozess organisiert ist, ist immer eine zentrale Frage. Die Befragung hat auch ergeben, dass die Zufriedenheit nicht ausgeprägt ist. Wir haben erst einmal institutionell sofort die Konsequenz daraus gezogen, dass wir ein sogenanntes „Büro für Veränderungsmanagement“ geschaffen haben. Dieses Büro unterstützt vor Ort Veränderungsprozesse und hilft nicht nur, eine Ausschreibung für Unternehmensberatungen zu machen, sondern wir stellen auch Projektleitungen für bestimmte Aufgaben befristet zur Verfügung, um den Koordinationsprozess zu gestalten. Unter dem Motto „Besser verändern!“

wird vom Coaching über Workshops und Projektmanagementschulungen alles angeboten, um den Prozess auch in Gang zu bringen und versuchen zu differenzieren, um die jeweiligen Bedürfnisse, die im öffentlichen Dienst durchaus unterschiedlich sein können, weil man nicht vom Finanzamt in das Amt für Soziale Dienste und dann in das Krankenhaus „übertragen“ kann, um es überall nach einem starren, einheitlichen System zu machen. Das versuchen wir aufzunehmen.

Das waren die vier kleinen Beispiele.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Der öffentliche Dienst wird weiterhin im Fokus von Veränderungen stehen. Das wissen auch die Beschäftigten. Wir werden, was die Dienstleistungsqualität angeht, die Bewältigung neuer Aufgaben, die Digitalisierung und viele andere Herausforderungen haben. Die Bereitschaft zur Veränderung im öffentlichen Dienst ist durchaus vorhanden, das hat auch die Studie gezeigt. Wir müssen jetzt nur sehen, wie wir den Weg finden. Da haben die Führungskräfte künftig eine große Verantwortung, das versuchen wir auch, in Führungskräfteschulungen zu vermitteln.