Apropos Kohle, eine Hauptforderung der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung ist der schnelle Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2030. Die sogenannte Kohlekommission der Bundesregierung hat bekanntlich im Januar beschlossen, das letzte Braunkohlekraftwerk erst im Jahr 2038 abzuschaffen. Den Schülerdemonstrationen geht das zu langsam. Wissen die jugendlichen Aktivisten aber eigentlich, dass rund die Hälfte der weltweit genutzten Kohle in China verbrannt wird, wo zurzeit jede Woche zwei neue Kohlekraftwerke an das Netz gehen?
Ist Ihnen bekannt, dass die Türkei, eines der Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum weltweit, die Kohleverstromung nicht etwa beendet, sondern im Gegenteil weiteren Braunkohletagebau aufschließen will, um ihren Energiebedarf zu decken? Ist Ihnen des Weiteren bekannt, dass in Südafrika, wo 90 Prozent des Stroms aus Kohle erzeugt werden, der Bau neuer Kohlekraftwerke geplant wird, die nach ihrer Fertigstellung zu den größten der Erde gehören werden?
Lieber Kollege, aber die Erde ist komplex zu betrachten. Insgesamt sind aktuell 1 380 Kohlekraftwerke mit zusammen 672 Gigabyte in Planung, meine Damen und Herren!
(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Und deshalb sollen wir den Kopf in den Sand stecken?)
Übrigens könnte die Kohledebatte in Deutschland sehr viel entspannter geführt werden, wenn die Kanzlerin Frau Merkel 2011 nicht auf die Idee gekommen wäre, in Reaktion auf die Havarie eines Atommeilers im japanischen Fukushima Hals über Kopf aus der Kernenergie auszusteigen. Würde Deutschland heute noch genauso viel Atomstrom produzieren wie im Jahre 2000, bräuchte man die Hälfte aller hierzulande laufenden Braunkohlekraftwerke nämlich nicht mehr. Sogar die Ikone der neuen Klimabewegung Greta Thunberg hat unlängst auf die vom Weltklimarat vertretene Position aufmerksam gemacht, dass die Kernkraft Teil einer CO2-freien Energielösung sein kann, wenn Länder keinen Zugang zu erneuerbaren Energien haben.
Die Regierungen vieler Staaten sehen das genauso. 446 Atommeiler sind weltweit in Betrieb, weitere 150 Atommeiler werden gebaut oder geplant.
Doch in Deutschland will man nach dem Atom- auch den Kohleausstieg. Woher soll dann der Strom kommen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht?
Technologien, die es ermöglichen würden, elektrische Energie aus regenerativen Quellen in großem Umfang und zu vertretbaren Kosten zu speichern, fehlen, Herr Kollege!
Wie will man hierzulande also in Zukunft die durchgängige wetterunabhängige Versorgung von Wirtschaft und Privathaushalten zu bezahlbaren Preisen sicherstellen? Der Strom aus französischen Atomkraftwerken oder aus polnischen Kohlekraftwerken? Ist den jungen Klimaaktivisten, die hier
zulande für den raschen Ausstieg aus der Kohle demonstrieren, diese Problematik eigentlich bekannt? In ihrer Antragsbegründung weisen Bündnis 90/Die Grünen auf das Klimaübereinkommen von Paris aus dem Jahre 2015 hin, in dem die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad vereinbart wird. Angestrebt wird die Marke von 1,5 Grad. Weil aber die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Vorgaben, den CO2Ausstoß bis zum Jahr 2020 mit 40 Prozent gegenüber den Werten des Jahres 1990 zu senken, verfehlt, ist dieses Ziel ebenfalls in Gefahr. Das ist mit Verlaub Unsinn, weil Deutschland, wie gerade ausgeführt, nur 2 Prozent zu den weltweiten Emissionen beiträgt. Sollte das anvisierte 1,5-Grad-Ziel am Ende tatsächlich nicht erreicht werden, dann liegt das in erster Linie an den Konstruktionsfehlern des Klimaabkommens selbst.
Einmal abgesehen davon, dass die Vereinbarung gegenüber säumigen Unterzeichnerstaaten nicht durchgesetzt werden kann, de facto also unverbindlich ist, muss der größte CO2-Produzent der Welt, nämlich China, laut Abkommen bis 2030 überhaupt keine Kohlenstoffdioxide einsparen. Im Gegenteil wird das Reich der Mitte seinen Ausstoß in den nächsten Jahren weiter steigern und erst 2030 seinen Peak erreichen. Das war übrigens ein wesentlicher Grund für US-Präsident Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Wie vor diesem Hintergrund die Forderung des jüngsten IPCC-Berichts umgesetzt werden soll, die weltweiten CO2-Emissionen schon bis 2030 um mindestens 45 bis 50 Prozent zu verringern, bleibt deswegen sehr rätselhaft.
Machen wir uns nichts vor, das 1,5-Grad-Ziel ist realistisch nicht mehr zu erreichen, auch wenn Bündnis 90/Die Grünen der Öffentlichkeit aus wahltaktischen Gründen etwas anderes weismachen wollen. Denn dazu müssten – und jetzt passen Sie auf – bis zum Jahr 2050 – weltweit! – 900 Milliarden US-Dollar jährlich in die CO2-Optimierung des Energiesystems investiert werden. Andere Studien halten sogar den doppelten Betrag für erforderlich, also 1,8 Billionen. Zusätzlich müssten jedes Jahr 700 bis 1 000 Milliarden Dollar in Energiesparmaßnahmen fließen.
Für Deutschland bedeutet dies, dass sich die Kosten der Energiewende von heute 34 Milliarden Euro im Jahr verdoppeln bis verfünffachen müssten. Das kann und will niemand bezahlen, die Verbraucher nicht und auch nicht die Wirtschaft, die schon heute unter den europaweiten Strompreisen zu leiden haben.
Die Folgen für den Standort Deutschland wären desaströs. Aus dem UN-Report ergibt sich außerdem, dass weltweit bis zu acht Millionen Quadratkilometer Weide und Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen umgewidmet werden müssten. Um CO2 zu bilden, wären neue Wälder auf einer Fläche in der Größe der USA erforderlich. Dass diese Klimaschutzvorhaben mit dem Ziel kollidieren, die weltweiten Nahrungsmittelproduktionen zu steigern, den Hunger zu bekämpfen und die Lebensmittelpreise möglichst niedrig zu halten, liegt auf der Hand.
Ein wichtiger Faktor, der in der Klimadebatte nur selten thematisiert wird, ist das Bevölkerungswachstum, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Laut UNO-Prognose werden im Jahr 2050 rund 9,8 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Zur Jahrhundertwende sollen es sogar 11,2 Milliarden sein. Dass eine wachsende Bevölkerung, die noch dazu einen steigenden Lebensstandard anstrebt, mehr Emissionen verursacht, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Wer also die CO2-Emissionen als den entscheidenden Grund für die globale Erderwärmung ansieht, der muss sich auch dem ungebremsten Bevölkerungszuwachs zuwenden und Maßnahmen zur Geburtenkontrolle fördern. Außerdem tragen die steigenden Lebenserwartungen, die Urbanisierung sowie kleinere Haushaltsgrößen dazu bei, den Kohlenstoffausstoß signifikant zu steigern. Diese globalen Trends lassen sich nicht einfach umkehren. Anstatt an irrationalen Temperaturzielen festzuhalten, sollten die begrenzten Ressourcen vorrangig darauf verwendet werden, Menschen und Umwelt an die Folgen der unvermeidbaren Klimaänderung anzupassen, die wir seit Jahrtausenden nebenbei haben.
Wer darüber hinaus die CO2-Emissionen senken will, der muss das in der Region der Welt tun, in der der Ausstoß dieses Gases besonders hoch ist, weil dort der Mitteleinsatz am effizientesten ist. Für Europa gilt das nicht. Experten haben errechnet, dass
jeder Euro, der in der EU für Klimaschutz eingesetzt wird, gerade einmal drei Cent an Klimafolgekosten einspart. Was Deutschland bis 2050 unter größten Anstrengungen an CO2 vermeiden kann, emittiert China binnen weniger Monate. Dafür nehmen wir explodierende Energiepreise durch die Subventionierung teurer Ökostromtechniken, steigende Mieten für die energetischen Gebäudesanierungen und den Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze in der Automobilindustrie durch den Umstieg auf Elektrofahrzeuge in Kauf. Außerdem sollten wir uns in der politischen Diskussion sehr viel ernsthafter mit der Möglichkeit des Geo-Engineering befassen.
Ich komme zum Schluss! Wir werden in Zukunft viele gut ausgebildete Menschen brauchen, um in der Lage zu sein, die Herausforderungen der Menschheit zu meistern und das Leben auf unserem Planeten zu sichern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Remkes, ich habe nicht so viel Redezeit, wie Sie gerade hatten, was ein bisschen schade ist, weil man eigentlich vieles von dem,
nein, wir arbeiten ja auch noch zu anderen Themen – was Sie gerade gesagt haben, einmal der Reihe nach ganz genau auseinandernehmen müsste. Aber ich verlasse mich darauf, gleich haben wir ja noch die Rede des Kollegen Herrn Janßen, dass wir vielleicht arbeitsteilig etwas schaffen können. Was Sie hier gerade in Ihrer Redezeit gesagt haben, ist nicht nur der beste Beleg dafür, dass es noch mehr Streiks an noch mehr Freitagen geben muss, sondern das ist, in einigen Bereichen, auch weit im Bereich des Postfaktischen gewesen. Da muss man wirklich ganz vorsichtig sein, was hier im Parlament gesprochen wird.
Ich möchte die Debatte nur noch mit einigen wenigen Fakten erhellen. Es gibt eine Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Diese Studie hat einmal untersucht, wie der Stand in der Wissenschaft bezüglich des Klimawandels ist und wie der Stand in den populären Medien, Tageszeitungen und so weiter ist. Da hat man eine ganz interessante Korrelation festgestellt. Man hat nämlich festgestellt, dass in dem Maße, in dem in der Wissenschaft eine immer größere Übereinkunft entstanden ist, dass der Klimawandel anthropogen ist und dass die Ursachen für den Klimawandel die CO2-Produktion, die Treibhausgase et cetera sind, in den populären Medien immer mehr Zweifel am Klimawandel gesät worden sind. Sie können sich das genau ansehen, sich wissenschaftliche Dokumente nehmen, sich Zeitungen dagegen legen: In der Wissenschaft gibt es immer weniger Zweifel am Klimawandel. Zu mittlerweile, sagen wir einmal, 97 Prozent ist sich die gesamte globale Wissenschaft einig und in den populären Medien kommen im gleichen Verhältnis dazu immer mehr Zweifel. Da kann sich ein Soziologe überlegen, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Ich glaube, vor dieser Situation befinden wir uns, und ich glaube auch, das ist ein Grund für Fridays for Future. Weshalb machen solche Demonstrationen Sinn? Weil es darum geht, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Klimawandel eine Aufgabe ist, aus der man sich nicht herausreden kann, und der einfachste Weg, sich herauszureden, ist: Wir sind dafür ja gar nicht zuständig, das macht die Sonne oder wer auch immer. Oder so, wie Sie das gerade gesagt haben, Herr Remkes: Die Probleme entstehen auf anderen Kontinenten, hier in Europa ist doch alles gut, wir müssen eigentlich gar nichts machen.
Das ist die beste Form des Herausredens aus diesem Problem und das ist die große politische Herausforderung: Wir dürfen es uns selbst nicht und keiner politischen Kraft in diesem Land durchgehen lassen, dass man sich aus dem Klimawandel als Aufgabe, die es anzugehen gilt, herausredet.
Sie haben auch einiges über China gesagt. Sie haben auch etwas darüber gesagt, dass Bremen und die Bundesrepublik Deutschland als Automobilstandort nicht geschwächt werden dürfen.
Da muss man ja nur einmal die Zeitung aufschlagen. In der Zeitung liest man: Bis zum Jahr 2025 möchte China ein Fünftel sämtlicher dort verkauften Fahrzeuge auf E-Mobilität umgerüstet haben. Da wir ungefähr wissen, wie Wirtschaft in China funktioniert: In der Regel erreichen die ihre Vorgaben auch oder sie übererfüllen diese sogar. Wir können also davon ausgehen, wenn wir es in Europa, insbesondere in Deutschland, nicht schaffen – und das ist dann eine Aufgabe für die Wirtschaft, aber wir machen natürlich auch Wirtschaftspolitik, also ist die Politik auch nicht ganz aus der Nummer heraus –, im Bereich der E-Mobilität, der Wasserstoff-Mobilität relativ schnell aufzuschließen oder überhaupt erst einmal die Produktionskapazitäten zu bilden, wie sie in China längst vorhanden sind, dann wird es uns irgendwann passieren, dass wir sowohl, was die Produktion betrifft – und da ist Bremen ja ein starker Standort –, als auch, was die Verschiffung angeht – und da ist Bremerhaven ein starker Standort –, ein Problem bekommen, weil die Chinesen unsere Autos gar nicht mehr haben wollen. Dann wird China, als Treiber für E-Mobilität, diese ziemlich sicher auch auf anderen Kontinenten umsetzen, auch vor dem Hintergrund chinesischer Außenhandelspolitik, aber auch weil diese Technologie dann der neueste Entwicklungsstand ist, wenn sie einmal den hinreichenden Status erreicht hat, funktioniert und effizient ist.
Dann kann man zehnmal sagen: Ach ja, wir haben hier einmal unseren Verbrennungsmotor erfunden und das war damals schön. Das interessiert dann leider niemanden mehr. Also ist auch das eine Aufgabe und China ist uns da zu weit voraus, als dass wir hier die Nase über das rümpfen dürften, was in China passiert.
Noch einmal zur Jugendbeteiligung, die, glaube ich, auch ein wichtiger Aspekt in dieser ganzen Debatte ist. Wir sind ja wahrscheinlich alle oder fast alle als Schüler auch einmal streiken gegangen. Erstens: Ja, ein Streik muss dort stattfinden, wo es weh tut. Nachts zu streiken, damit man den Verkehr nicht aufhält, wäre natürlich die pragmatischste Lösung in dem Sinne, dass es dann niemand mitbekommt und dass sich niemand ärgern muss. Aber so funktioniert es nicht.
An Freitagen zu streiken ist also eine vernünftige Sache und ich glaube, dass jeder, der dort streikt, weiß, dass das vielleicht im Klassenbuch notiert wird. Wie man das dann in der politischen Diskus
sion kommentiert, das ist letztlich eine Sache zwischen den Schülern und ihren Lehrern. Ich glaube aber, wenn dann populäre Politiker mancher hier im Haus vertretenen Parteien sagen, sie würden ihren Kindern dafür niemals eine Entschuldigung ausstellen und sie würden ihnen auch nicht den Nachhilfeunterricht bezahlen, wenn ihnen Unterrichtsstunden entgangen sind, so wie das die Bundesvorsitzende der CDU getan hat, dann ist das, wenn man junge Leute für Politik begeistern will, eher die falsche Botschaft.
Man kann ihnen sagen: Macht das, tragt die Konsequenzen, aber in der Sache habt ihr Recht. Ganz ehrlich, wenn ich Kinder hätte und die das tun würden, dann würde ich das gut finden und dann würde ich mir keine Gedanken darüber machen, ob ich ihnen nun Geld dafür zahle, dass sie ihre Nachhilfe nehmen können. Wir müssen da, glaube ich, ganz genau aufpassen, dass wir niemanden verprellen und dass wir keine falschen Signale setzen, in dem Sinne: Was wollt ihr eigentlich?
Um meinem Nachredner in der nächsten Debatte nicht zu viel Redezeit zu nehmen, ganz kurz noch: Es hat auch viel mit Lebensstilen zu tun, an denen wir arbeiten müssen. Da ist jeder Einzelne gefordert, das kann man sich jeden Tag selbst noch einmal auf den Zettel schreiben.
Es hat aber auch viel damit zu tun, wie wir Technologie weiterentwickeln. Für uns als Bremer wird es die Herausforderung sein, nicht nur im Bereich Automobile, sondern insgesamt technologisch voranzugehen und wirtschaftspolitisch mit Wirtschaftsförderung et cetera Impulse zu setzen, damit sich unsere Industrie mit jungen Start-ups die Kompetenz holt, die man braucht, um energieeffizienter zu werden. Das ist ein Weg, den wir alle gehen müssen.
Wir haben leider noch nicht die Lösung, sonst wäre unsere Klimabilanz besser, als sie ist, aber wir müssen sie auf jeden Fall finden. – Ich bedanke mich!