Dass sich diese Regierung zur Geisel einer knappen Mehrheit der grünen Mitgliederversammlung gemacht hat, ist ein Armutszeugnis für die Demokratie in unserem Land!
(Beifall CDU, ALFA – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das ist eben Demokratie! Das ist der Unterschied!)
Umso mehr habe ich Respekt vor dem Wortbeitrag des Kollegen Bodo Ramelow, der als Mitglied der LINKEN einer rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen vorsteht. Er war nicht zu feige, im Bundesrat das Wort zu ergreifen. Er hat sich nicht für das geschämt, was er da zu erklären hatte. Er hat mit offenem Visier im Bundesrat seine Auffassung erklärt, und er hat darauf hingewiesen, dass er bereits beim Flüchtlingsgipfel selbst eine Protokollnotiz abgegeben hatte, übrigens anders als unser Bürgermeister. Der Kollege Ramelow sagte:
„Wie immer ist eine Abstimmung eine Abwägung. Ich respektiere alle, die heute mit Ja stimmen, und sage Ihnen, Thüringen wird dieses wie alle anderen Gesetze zu 100 Prozent umsetzen.“ Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, und genau das erwarte ich von unserer Regierung auch! Nachdem Sie schon im Bundesrat nicht zugestimmt haben, erwarte ich von Ihnen heute die Erklärung, dass Sie das, was dort mit überwältigender Mehrheit beschlossen worden ist, auch im Lande Bremen so umsetzen, wie es beschlossen worden ist, wie es alle Länder machen, dass Sie keinen Bremer Sonderweg gehen, sich nicht weiter von der Solidarität mit den anderen Ländern und der Bundesregierung verabschieden, sondern dass Sie sich in diesem Land an Recht und Gesetz halten und auch bei der Lösung der Flüchtlingskrise Ihren eigenen Beitrag leisten! Das ist die Erwartung der CDUBürgerschaftsfraktion!
Was bedeutet das im Einzelnen? Verabredet und im Gesetz festgeschrieben ist, dass es in allen Ländern Deutschlands getrennte Erstaufnahmeeinrichtungen geben soll für die Menschen, die voraussichtlich auf Dauer eine Bleibeperspektive in Deutschland haben, die also begründet mit Flucht- oder Asylgründen in Deutschland Zuflucht suchen, und diejenigen, denen diese Perspektive in Deutschland nicht geboten werden kann, insbesondere weil sie aus sicheren Herkunftsländern oder eben aus Ländern kommen, bei denen klar ist, dass dort eine entsprechende Verfolgung nur aufgrund der Ethnie oder des Geschlechts oder aus politischen Gründen eben nicht stattfindet. Ich erwarte ein Bekenntnis dieser Regierung, dass es diese getrennten Erstaufnahmeeinrichtungen in Bremen wie in 15 anderen Bundesländern auch geben wird, meine sehr verehrten Damen und Herren, daran werden wir sie messen!
Zum Kompromiss gehört auch, dass eine schnellere Umsetzung der Ausreisepflicht für diejenigen Asylbewerber und Flüchtlinge gilt, die voraussichtlich keine Bleibeperspektive nach Abschluss eines rechtskräftigen Verfahrens haben. Auch dort empfehle ich einmal nachzulesen, was sozialdemokratische und
grüne Ministerpräsidenten sowie rot-grüne Regierungen sagen. Sie sagen nämlich genau das, was die CDU hier schon seit Monaten auch im Parlament vertritt:
Wir müssen in Anbetracht der Höhe des Zustroms von Flüchtlingen unsere Hilfe auf diejenigen konzentrieren, die begründet aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention oder unseres Grundrechts auf Asyl hier um Zuflucht und um Hilfe bitten. Wenn wir denen aber helfen wollen, bedeutet das genauso auch im Interesse derjenigen, die keine Perspektive in Deutschland haben, denen schnell zu sagen, wir haben für euch keine Perspektive in Deutschland, und das bedeutet eben auch, wenn ihr freiwillig nicht ausreist, dann werdet ihr eben in eurer Heimatländer zurückgeführt, und ihr bekommt auch weiter keine Leistung in Deutschland! Das ist Gesetz, meine Damen und Herren, und ich erwarte, dass auch das in Bremen umgesetzt wird! Wir müssen die Anstrengungen zur Rückführung beschleunigen und verstärken.
Es ist auch vereinbart worden, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – und darauf hat Bremen sehr gedrängt – in Deutschland gerechter verteilt werden. Ich erwarte, dass der Senat auch dies entsprechend zur Umsetzung bringt! Wir in Bremen haben mit rund 2 500 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine große Last zu tragen. Ich kann verstehen, dass diese Jugendlichen nicht nach Jena, nicht nach Rostock und vielleicht auch nicht nach Emden wollen, sondern sich auf die Großstädte konzentrieren. Wir können diese Last mit diesen Flüchtlingen aber auch nur gemeinsam schultern, meine Damen und Herren.
Kurzum, wenn Bremen sich schon aus der Solidarität mit den anderen Ländern verabschiedet hat, wenn es nicht mal unsere Bundesratsmitglieder und Bürgermeister nötig haben, den Kollegen im Bundesrat und der Öffentlichkeit zu erklären, warum sie sich dieser gesamtgesellschaftlichen Lösung verweigern, dann ist meine herzliche Bitte und mein Appell: Setzen Sie wenigstens das in Bremen um, was die anderen für sie verhandelt haben, meine Damen und Herren! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, wenn Sie wirklich glauben, der verantwortungsvolle Umgang mit der aktuellen Flüchtlingssituation würde sich vor allem daran bemessen, ob man sich im Bundesrat zu Wort meldet, dann sind Sie es, der den Ernst der Lage nicht erkannt hat!
(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Röwekamp (CDU]: Was ist das denn da? Ein Kasperletheater, oder was ist das?)
Ich verstehe auch gar nicht, wie Sie darauf kommen, Bremen würde das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz nicht umsetzen wollen. Ja, es stimmt, wir Bremer Grüne haben dieses Gesetz abgelehnt, und das übrigens völlig zu Recht,
weil es nämlich die größte Asylrechtsverschärfung der letzten 20 Jahre darstellt und vor allem in der aktuellen Situation überhaupt nicht weiterhilft.
Aber wir haben auch nie einen Zweifel daran gelassen, dass alles, was den Ländern und Kommunen in diesem Gesetz zwingend vorgegeben ist, auch in Bremen umgesetzt wird. Das ist für uns uns selbstverständlich, das ist schlicht unsere verfassungsrechtliche Pflicht, und die nehmen wir sehr ernst.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sind doch die ewigen Rekordmeister im Verfassungsbruch. Es gibt keine andere Partei, der die Verfassungsrichter auch nur annähernd so oft bescheinigen mussten, ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen zu haben.
Von daher haben wir es überhaupt nicht nötig, uns von Ihnen verfassungsrechtliche Lektionen erteilen zu lassen,
zumal Sie ja jetzt in der Flüchtlingsdiskussion schon wieder fleißig dabei sind, sich verfassungswidrige Gesetze auszudenken. Ihr Bundesinnenminister will den Familiennachzug von Bürgerkriegsflüchtlingen nahezu unmöglich machen, und die meisten in Ihrer Partei klatschen dafür Applaus.
Genau, Frau Vogt! Wie wäre es denn, wenn Sie einmal einen Blick in Artikel 6 Grundgesetz werfen und schauen, was dort zum Schutz von Ehe und Familie steht? Wollen Sie wirklich, dass sich massenhaft verzweifelte Mütter mit ihren Kindern auf die lebensge
fährlichen Flüchtlingsrouten machen, um dem Ehemann und Vater nach Deutschland zu folgen? Ihnen muss doch klar sein, dass das für viele Mütter und Kinder den Tod bedeuten würde. Es hat lange gedauert, bis die meisten von Ihnen verstanden haben, dass das Recht auf Schutz von Ehe und Familie nicht nur für Heterosexuelle gilt. Nehmen Sie nun bitte auch zur Kenntnis, dass dieses Recht für alle Menschen gilt, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, auch für jene ohne deutsche Staatsangehörigkeit!
Doch nun zu Ihrem Antrag! Ich frage mich ja, ob sie, bevor sie den Antrag geschrieben haben, überhaupt einmal die Regelungen des Asylpakets gelesen haben, das da im Oktober in Berlin beschlossen wurde. Wenn Sie das Gesetz gelesen haben, haben Sie es jedenfalls nicht verstanden.
Es geht schon los beim Buchstaben A Ihrer Berichtsbitten, da schreiben Sie, Asylbewerber sollen verpflichtet werden, bis zu sechs Monate, solche aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss des Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben. Der Teil mit den sicheren Herkunftsstaaten stimmt, aber der Rest ist nun wirklich Kokolores, Herr Röwekamp. Schauen Sie doch einmal nach, was in Paragraf 47 Asylgesetz in Wirklichkeit steht! Da steht, Asylbewerber sollen bis zu sechs Wochen – nicht Monate, sondern sechs Wochen! – verpflichtet werden, in der Aufnahmeeinrichtung zu bleiben. Lediglich die mögliche Aufnahmehöchstdauer ist von drei auf sechs Monate heraufgesetzt worden. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir in Bremen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen müssen. Unser Ziel ist natürlich weiterhin, die Flüchtlinge so schnell wie möglich in normale Wohnungen zu vermitteln.
Dann behaupten Sie, Herr Röwekamp, Asylbewerber aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten müssten in eigenständigen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Würden Sie mir bitte sagen, wo man das im Gesetz nachlesen kann? Sie bringen hier schlicht das im Oktober beschlossene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz mit dem Beschluss durcheinander, den die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD am 5. November getroffen haben, und nur weil Frau Merkel, Herr Seehofer und Herr Gabriel so eine Vereinbarung treffen, erwächst daraus noch keine Gesetzeskraft!
Wir Grüne lehnen solche gesonderten Lager für Roma und andere Balkanflüchtlinge jedenfalls ganz entschieden ab.
Was die Situation von Roma-Flüchtlingen aus dem Kosovo angeht, hat dieses Hohe Haus vor fünf Jahren beschlossen, dass Rückführungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten langfristig zurückgestellt werden sollen. Wir Grüne stehen nach wie vor zu diesem Beschluss.
Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz führt aber leider dazu, dass wir dies für einen kleinen Teil der Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo wohl nicht mehr umsetzen können, und zwar für jene, die erst nach dem 1. September dieses Jahres ihren Asylantrag gestellt haben und deren Antrag dann später abgelehnt werden wird. Diese Flüchtlinge dürfen die Erstaufnahmeeinrichtung nämlich bis zum Abschluss des Verfahrens in der Tat nicht mehr verlassen, sie dürfen an keinen Sprach- und Integrationskursen teilnehmen und unterliegen einem völligen Beschäftigungsverbot. Wir lehnen diese Regelungen zwar politisch ab, aber es ist doch klar, dass die hiervon Betroffenen nach Ablehnung ihres Asylantrags in ihre Heimat werden zurückkehren müssen. Das sagen wir nicht gern, aber daran führt in der Tat kein Weg vorbei.
Für all jene Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo, die schon länger hier in Bremen mit unsicherem Aufenthaltsstatus leben, ändert sich durch das Gesetzespaket aber nichts. Auch das muss man einmal deutlich sagen. Wir Grüne sehen daher keinen Anlass, für diese Flüchtlinge von dem abzuweichen, was die Bürgerschaft 2010 beschlossen hat. Denn die Analyse aus dem damaligen Beschluss ist auch heute noch richtig. Die Roma erwarten im Kosovo Diskriminierungen, Ausgrenzungen, große Armut und Gewalt. Daran ändert auch die Einstufung des Kosovo als angeblich sicheres Herkunftsland nichts.
Zurück zu Ihrem Antrag! Unter Buchstabe b. behaupten Sie, Bestandteil des Gesetzespakets sei, dass die „bestehende Ausreisepflicht... konsequent durchgesetzt“ werden müsse. Welche Gesetzesregelung Sie nun damit genau meinen, ist für mich auch unklar. Die Regelungen zur Duldung aus humanitären Gründen sind jedenfalls unverändert geblieben. Auch Passlosigkeit oder Krankheit stellen natürlich weiterhin Abschiebehindernisse dar.
Dass es trotzdem auch in Bremen deutlich mehr Abschiebungen als bisher geben wird, liegt nicht an irgendwelchen neuen Gesetzen, sondern daran, dass es die Außenstelle Bremen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vermutlich schaffen wird, zunehmend mehr rechtskräftige Negativbescheide zu produzieren. Dennoch gilt: Wir wollen vor allem auf freiwillige Ausreisen setzen, und wir wollen weiterhin Abschiebehaft vermeiden!
Dann schreiben Sie in Ihrem Antrag noch: „Von Wintererlassen für bestimmte Flüchtlingsgruppen ist nach dem Vorbild anderer Bundesländer abzusehen.“ Auch hier sagen Sie doch bitte, welcher Vorschrift des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, über das Ihr Antrag doch angeblich redet, Sie das entnommen haben. Nichts dergleichen steht darin!
Wie auch immer, wir hatten schon in den letzten Jahren in Bremen keinen generellen Winterabschiebestopp mehr. Was wir aber getan haben und auch weiterhin tun wollen: Wir achten im Einzelfall sehr genau darauf, niemanden bei Eiseskälte in die Obdachlosigkeit abzuschieben. Wollen Sie diese Praxis wirklich ändern und Menschen künftig in den Kältetod schicken? Ich denke, das wollen auch Sie nicht. Dann weiß ich allerdings nicht, was dieser Punkt in Ihrem Antrag zu suchen hat.
(Abg. Bensch [CDU]: Wir reden darüber, was Ihr ei- gener grüner Ministerpräsident mitträgt! – Unruhe)