Protokoll der Sitzung vom 25.11.2015

Sie sprechen davon, Sie wollten alle Spielräume ausnutzen, um die Menschen so lange wie möglich – egal, welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie haben – in Deutschland zu behalten. Sie tun auch diesen Menschen keinen Gefallen, sehr geehrter Herr Zicht! Was nutzt es ihnen denn, wenn sie keinen Zugang zu Bildung, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, keinen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung haben, wenn sie nur monatlich geduldet werden,

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)

weil sie von Anfang an keine Bleiberechtsperspektive in Deutschland hatten? Ich finde es ehrlicher – wie übrigens die Mehrheit derjenigen, die den Kompromiss getragen haben –, den Menschen früh und rechtzeitig zu sagen: Ihr werdet wahrscheinlich auf Dauer in Deutschland keine Perspektive haben. Das ist die ehrliche Antwort, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, ALFA)

Ich verwahre mich auch gegen den Vorwurf, die CDU sei gemeinsam mit der SPD für Sonderlager für Sinti und Roma. Darf ich für Sie mitsprechen, Herr Kollege Tschöpe? Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen! Wir wissen aber doch, dass, seitdem wir die Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen haben, aus diesen Ländern kaum noch Menschen zu uns kommen. Da kann man doch nicht sagen, das, was da beraten worden ist, zeigt keine Wirkung. Nein, die ersten Wirkungen setzen schon

ein! Wir haben kaum noch Flüchtlinge aus den Westbalkanländern, und ich sage ganz ehrlich: Das ist gut so, denn für diese gibt es Anerkennungsquoten von 0,1 bis 0,01 Prozent. Sie hatten in Deutschland keine Bleiberechtsperspektive. Was nützt es den Menschen, wenn sie hierherkommen und nach einem fruchtlosen, gescheiterten Asylverfahren wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt werden müssen? Wem ist denn da mit dem Ansatz der Grünen, alle sollten geduldet in Deutschland bleiben, geholfen? Der Gesellschaft nicht, aber auch diesen Menschen nicht, Herr Zicht! Das sage ich in aller Deutlichkeit!

(Beifall CDU, SPD, ALFA)

Eine letzte Bemerkung noch, weil Sie immer den Eindruck vermitteln, dass die CDU oder meinetwegen auch Herr Gabriel in Berlin verabredet hätten, jetzt Sonderregelungen für die ethnischen Minderheiten der Sinti und Roma zu beschließen: Ich weise das mit aller Entschiedenheit zurück! Es steht nirgendwo im Gesetz – Sie sind ja sehr auf das Gesetz fixiert gewesen –, dass Menschen aus Serbien, aus Montenegro oder aus Albanien keine Zuflucht in Deutschland bekommen. Sie werden genauso behandelt wie andere Flüchtlinge, wenn sie sich auf Asyl berufen. Sie werden genauso individuell geprüft wie andere Menschen, die zu uns kommen oder versuchen, nach der Genfer Flüchtlingskonvention bei uns Unterschlupf zu finden, aber sie bekommen eben keine Sonderrolle, Herr Zicht, sondern sie werden genauso behandelt wie Menschen aus anderen sicheren Herkunftsländern auch.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Sie haben ein verkürztes Verfahren!)

Das ist aus meiner Sicht keine Diskriminierung von ethnischen Minderheiten. Im Gegenteil! Wir haben, was Sie verschwiegen haben, auch verabredet – Sie haben sich dabei übrigens auch enthalten –, dass wir 20 000 Menschen aus den Westbalkanländern den legalen, dauerhaften Zugang nach Deutschland ermöglichen wollen. Da kann man doch nicht sagen, dass sich diese Koalition in Berlin gegen die ethnischen Minderheiten im Westbalkan ausspricht. Nein, wir haben den Menschen humanitäre und gerechte und dauerhafte Lösungen angeboten!

(Beifall ALFA)

Das, was Sie sagen, verhetzt die Menschen und leistet keinen Beitrag! – Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD, ALFA)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich gar nicht noch einmal melden, aber auf Herrn Röwekamp möchte ich doch gern erwidern. Er hat mit seinen Äußerungen wieder eine Scheinlösung präsentiert, schürt Ressentiments und entlarvt das, worum es der CDU eigentlich geht.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Wenn hier behauptet wird, es sei nur dann ausreichend Schutz und Hilfe zu gewährleisten, wenn wir uns auf eine bestimmte Gruppe konzentrierten, und wenn Herr Röwekamp dann auch noch von ausrechnen spricht, suggeriert das, es gebe eine bestimmte Anzahl von Menschen, die wir aufnehmen könnten, und mehr eben nicht. So ist das nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Asylrecht ist keine Frage von Zahlen, Asylrecht ist auch keine Frage von Obergrenzen.

(Abg. Zenner [FDP]: So ist das!)

Asylrecht ist ein individuelles Recht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wir werden weiterhin ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten. Das dauert so lange, wie rechtsstaatliche Verfahren eben dauern.

Ich spreche mich an manchen Stellen für Bürokratie aus, weil ich glaube, dass das an manchen Stellen hilfreich ist, um Menschenrechte zu sichern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Bis dieses Verfahren abgeschlossen ist, werden wir individuellen Schutz gewährleisten und nicht unterteilen!

Noch ein Wort – ich habe es vorhin schon gesagt – zu den sogenannten Grenzen der Belastbarkeit! Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Flüchtlingsströme weltweit und angesichts der Situation in den Flüchtlingscamps an den syrischen Grenzen und auf dem afrikanischen Kontinent ist es ein Armutszeugnis zu behaupten, unsere Gesellschaft und die bremische Gesellschaft könne etwas nicht mehr verkraften.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Natürlich ist das anstrengend. Natürlich werden wir etwas dafür tun müssen. Natürlich wird sich dafür die Gesellschaft verändern müssen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wir zu einer gelingenden Integration kommen, damit wir die Chancen der wachsenden Stadt nutzen können, müssen wir offen genau darüber reden und dürfen nicht so tun, wie die CDU es hier gerade tut, als gebe es eine bestimmte Men

ge an Leuten, die Schutz verdienen, und andere nicht! – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sonntags hat mein Vater zu Hause immer auf uns Kinder aufgepasst. Das hieß, wir sind mitgegangen, denn sonntags ging mein Vater Skat spielen, und wir haben zugeschaut. Das heißt, ich kenne Stammtische aus nächster Nähe. Ich weiß, was ein Stammtisch ist. Ich habe hier eben verdammt viele Stammtischparolen gehört!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Zwischendurch wurde zugerufen: Sind wir hier in der Kasperbude? Da habe ich mich eben gefragt, Entschuldigung: Hat das nun der Kasper gefragt, der Seppel oder das Krokodil?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich fand, es war schon ein bisschen ein verbaler Bieterwettbewerb, Thomas Röwekamp. Es geht schließlich um eine ganz ernsthafte Sache.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Es geht um das Grundrecht auf Asyl und ob dieses Grundrecht ausgehöhlt werden darf.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Darum geht es nicht!)

Darum geht es in der Debatte auch! Soll das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt werden? Da haben sich die Grünen klar positioniert. Ich finde, man darf einer demokratischen Partei und Fraktion nicht zum Vorwurf machen, dass man dazu eine klare Haltung eingenommen hat.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Röwekamp [CDU]: Alle haben sich dazu klar positioniert!)

Der Vorwurf, diese Regierung würde Gesetze nicht umsetzen! Das ist schlichtweg hanebüchen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das sind nur rüde Stamm- tischparolen, die Sie hier verbreiten! Das ist so stumpf!)

Herr Röwekamp, als Innensenator haben Sie sich nicht als barmherziger Innensenator gezeigt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: Beim Skat haben Sie or- dentlich etwas gelernt! Stammtischparolen haben Sie drauf!)

Es geht hier darum, dass in diesem Jahr 13 500 Menschen nach Bremen kommen. Diese Menschen sind auf der Flucht. Sie haben es verdient, dass in ordentlichen Einzelverfahren ihre Anträge geprüft werden und sie einen rechtsmittelfähigen Bescheid erhalten, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Das heißt, das Grundrecht auf Asyl bedeutet nicht, dass wir uns dadurch auszeichnen, Menschen besonders schlecht zu behandeln, die vor Vergewaltigung, Folter, Mord und Terror geflohen sind. Die meisten Menschen – und das wissen Sie auch, Herr Röwekamp, und das nehme ich Ihnen übel – fliehen vor diesen unmenschlichen Bedingungen in ihren Heimatländern.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Zuruf Abg. Röwekamp [CDU])

Ein Mitarbeiter meines Hauses kam heute Morgen aus dem Urlaub zurück – ich erzähle jetzt noch einmal eine Geschichte aus dem Leben –,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Aber nicht zu viele Ge- schichten!)

„Herr Kollege, Sie sehen gut erholt aus!“ Er antwortete: „Ja, ich war in Asien!“ Die Senatorin: „Es freut mich, dass Sie sich gut erholt haben!“ Der Kollege: „Frau Stahmann, Sie glauben nicht, auf was man in Asien angesprochen wird, nämlich auf die Flüchtlingspolitik. Auf beeindruckende Politikerinnen und Politiker, auf Frau Merkel wird man in Thailand auf der Straße angesprochen.“

(Abg. Röwekamp [CDU]: Vielleicht auch einmal zur Sache!)

Ich erinnere mich, während der letzten Debatte, als ich hier als Grüne die Kanzlerin gelobt und gesagt habe, dass sie sich durch eine menschliche Flüchtlingspolitik auszeichne, da war es Ihre Fraktion, Herr Röwekamp, die ihrer Kanzlerin keinen Beifall gezollt hat.