Protokoll der Sitzung vom 23.02.2022

Unabhängig davon darf nach Auffassung des Senats das Schicksal anderer schutzbedürftiger Af

ghaninnen und Afghanen aber nicht aus dem Fokus geraten. Ein neues Aufnahmeprogramm des Bundes, mit dem alle Bundesländer anteilig in die Pflicht genommen werden, muss sich daher unmittelbar an die aktuelle Aufnahmeaktion anschließen und in einem unbürokratischen Verfahren schnelle Einreisen ermöglichen.

Bremen wäre angesichts der prekären Lage auch bereit, zusätzlich weitere gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen und setzt sich überdies dafür ein, dass die Zahl der insgesamt aufzunehmenden Personen auch durch entsprechende Erklärungen anderer Kommunen erhöht werden kann. Der Senator für Inneres wird sich dazu mit dem Bundesinnenministerium über Umsetzungsmöglichkeiten abstimmen.

Zu den Fragen 2 und 3: Es ist bekannt, dass zum Beispiel Homosexualität in Afghanistan gesellschaftlich geächtet und sanktioniert wird. Mit der Machtübernahme der Taliban dürfte sich die Situation für die Betroffenen verschärft haben. Weitergehende Erkenntnisse zur aktuellen Lage liegen dem Senat nicht vor.

Der Senat wird sich dafür einsetzen, dass bei der Entwicklung einer zukünftigen Aufnahmestrategie des Bundes und der Länder diese Personengruppe als eine der besonders gefährdeten Gruppen ausdrückliche Berücksichtigung findet. Nach Auffassung des Senats muss dabei auch die Aufnahme von Lebenspartnerinnen und -partnern einbezogen werden. – So weit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Kann ich davon ausgehen, dass Sie an geeigneter Stelle informieren, sobald mehr über das neue Aufnahmeprogramm bekannt sein wird?

Selbstverständlich!

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. – Ich bedanke mich für die Beantwortung.

Mit der Beantwortung dieser Anfrage ist die Fragestunde beendet.

(Die vom Senat schriftlich beantworteten Anfragen der Fragestunde finden Sie im Anhang zum Plenar- protokoll ab Seite Fehler! Textmarke nicht definiert..)

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung für eine Pause bis 14:45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13:13 Uhr)

Präsident Frank Imhoff eröffnet die unterbrochene Sitzung wieder um 14:45 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist hiermit wiedereröffnet. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir aus aktuellen Gründen heute Abend ab 19 Uhr die Bürgerschaft als Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine in den ukrainischen Farben anstrahlen werden.

(Beifall)

Einführung eines Bremer-Bühnen-Budgets für Live-Spielstätten und Musikklubs Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, DIE LINKE, der CDU und der FDP vom 24. Februar 2022 (Neufassung der Drucksache 20/1350 vom 16. Februar 2022) (Drucksache 20/1372)

Dazu als Vertreterin des Senats Senatorin Kristina Vogt.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Kai-Lena Wargalla.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleg:innen! Dieser Antrag liegt mir wirklich am Herzen, aber ich muss ehrlich sagen, und das geht heute wahrscheinlich vielen so, dass ich mich ziemlich fehl am Platze fühle. Es ist so skurril, hier heute über das Bremer-Bühnen-Budget zu reden, während Putin einen Krieg startet! Gegen die Ukraine und gegen die Demokratie! Einen Krieg, dessen Dimension und Auswirkungen auf die Menschen in der Ukraine und auf Europa wir überhaupt noch nicht fassen und vorausahnen können. Mit dem wir aber umgehen müssen und wissen, wir müssen den Menschen Hilfe leisten. Was für ein schrecklicher, schrecklicher Tag!

Zu unserer Verantwortung gehört aber auch das, dass wir uns trotzdem weiter um die Menschen in Bremen kümmern und das mag ich gern tun. – Livemusik. Livemusik ist für viele Menschen in Bremen und Bremerhaven ein enorm wichtiger, elementarer Bestandteil ihres persönlichen, kulturellen Erlebens. Es ist immer etwas Besonderes, die eigene Lieblingsband live auf der Bühne zu erleben, neue Künstler:innen in der Kneipe um die Ecke zu entdecken, die Nächte im Klub durchzutanzen, Musik nicht nur zu hören, sondern zu spüren und das in dem Moment mit anderen Menschen teilen zu können.

Genauso elementar ist es für die Künstler:innen, Bands, DJs selbst, die Möglichkeit zu haben, ein Konzert zu spielen und auftreten zu können. Möglich gemacht wird das alles, dieses Erleben und Erschaffen von diesen live erlebbaren Momenten von Kultur und Musik, von Veranstalter:innen, Spielstätten, Klubs und Kneipen aus ebenso großer Liebe zur Musik.

Diese Liebe braucht es auch, denn gerade bei den kleinen und mittleren Spielstätten und Locations fallen für das Veranstalten von Livemusik teilweise hohe Kosten an, denen vergleichsweise geringe Einnahmen gegenüberstehen. Es braucht üblicherweise eine Anlage, ein Mischpult, Techniker:innen, Gage für die Band oder Musiker:innen, die Anreise muss bezahlt werden, die Verpflegung, die GEMA-Gebühren und dann ist man schnell, auch schon bei einer kleinen Veranstaltung, bei einem vierstelligen Betrag.

Das kann man nicht immer über Tickets einspielen und manchmal gibt es auch gar keine Tickets zu kaufen, dann wird das auf Spendenbasis gemacht. So müssen immer noch viele Livekonzerte über den Getränkeverkauf finanziert werden – und auch das klappt nicht immer. Manchmal ist es für bestimmte Auftritte bei jungen oder noch unbekannten Künstler:innen auch ein Minusgeschäft, das die Veranstalter:innen machen, eben aus Liebe zur Musik und aus Leidenschaft dazu, neue Talente zu fördern. Genau da soll das Bremer-Bühnen-Budget ansetzen, nämlich als strukturelle Förderung, als Förderung, die dezidiert das regelmäßige Veranstalten von Livemusik unterstützen soll, die die Arbeit und Leidenschaft anerkennt, die damit verbunden ist und die Akteur:innen und Spielstätten dabei unter die Arme greift.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Orientieren soll sich dieses Bremer-BühnenBudget zum Beispiel am Hamburger Live Concert Account. Das wird dann ungefähr so funktionieren: Es gibt einen Topf mit Geld, den füllen wir mit 150 000 Euro und dann können Musikspielstätten möglichst unbürokratisch einen Antrag stellen. Den Antrag stellen sie auf der Grundlage dessen, was sie bis dahin, im Jahr davor sozusagen, konkret veranstaltet haben, also auf Basis der Konzerte, Gigs, Shows, Veranstaltungen, die sie wirklich konkret umgesetzt haben. Dafür bekommen sie dann finanzielle Unterstützung, um diese Struktur zu stärken, fortschreiben und weitermachen zu können. Das kommt am Ende allen zugute, die Livemusik lieben, schaffen und erleben wollen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich möchte kurz einen etwas größeren Kontext beschreiben, weil für uns das Bremer-Bühnen-Budget nicht isoliert existiert. Für uns gehört es eingebettet in eine Strategie der Förderung von Klubkultur, Popularkultur im weitesten Sinne, die wir in dieser Legislaturperiode vorantreiben möchten. Dazu gehört so etwas wie das Popbüro, das in den Startlöchern steht. Wir haben zum allerersten Mal eine Klubförderung im Kulturressort etabliert. Wir haben einen sehr guten Beschluss gefasst, dass Klubs jetzt auch als Kulturorte anerkannt werden. Wir haben einen Schallschutzfonds in der Pipeline, sozusagen. Wir möchten Spielstätten mit dem Agent of Change-Prinzip vor Verdrängung schützen. Wir möchten die Ansiedlung ermöglichen und so weiter und so fort.

Was ich zeigen möchte ist, das Bremer-BühnenBudget ist quasi so etwas wie ein Puzzleteil in der Gesamtstrategie. Es passt sich ein in das Vorhaben, die ganze Sparte der Klubkultur, Spielstätten, Popularmusik, Livemusik, Nachtkultur in Bremen und Bremerhaven sowohl wirtschafts- als auch kulturpolitisch als relevante Handlungsfelder deutlich zu machen und aufzuwerten – konkret, die Akteur:innen da zu unterstützen, wo Bedarf ist und damit das Land Bremen als Kulturstandort signifikant und langfristig zu stärken.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich bin schon über der Zeit. Noch zwei ganz kurze Punkte zum Schluss: Mir ist noch wichtig zu sagen, dass wir uns eine schnelle Umsetzung wünschen, deswegen debattieren wir diesen Antrag hier im Februar, denn die Spielstätten dürfen bald wieder öffnen und können voraussichtlich – –. Man kann

das nicht so richtig vorhersehen, aber aus den Erfahrungen der letzten zwei Pandemiejahre dürfte es möglich sein, dass Spielstätten mindestens im Frühjahr und im Sommer unter sicheren Bedingungen veranstalten können und ich finde, das sollten wir dann auch dringend mit dem Bremer-BühnenBudget unterstützen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als letzter Punkt, ganz, ganz schnell, ich freue mich wirklich sehr, dass dieser Antrag von allen demokratischen Fraktionen unterstützt wird. Dass wir ihn heute gemeinsam einbringen, das ist mitnichten selbstverständlich. Vielen, vielen Dank dafür an alle Beteiligten! Ich finde, das ist ein hervorragendes, richtig starkes Signal aus diesem Parlament an die Akteur:innen und Spielstätten. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Miriam Strunge.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ich möchte Sie heute auf eine Zeitreise mitnehmen: Vor langer, langer Zeit passierte es des Öfteren, dass nachts in der Dunkelheit viele Menschen Schlange standen, um Einlass durch die begehrte Tür zu bekommen. Waren sie dann endlich drinnen, wurden sie an einen einzigartigen Ort aus Licht und Dunkelheit mit einem einzigartigen Geruch aus einer Mischung von Bier und Schweiß entführt und sie tanzten frei und unbeschwert, hüpften und sangen oder standen etwas abseits und spürten einfach, wie die Musik nicht nur ihre Ohren in den Bann zog, sondern der ganze Körper von der Musik durchströmt wurde und sie den Sound förmlich spüren konnten. Vorne auf der Bühne standen viele Leute, die alles dafür gaben, dass dies ein unvergesslicher Abend werden würde. Sie waren auf einem guten Konzert.

Vielleicht erinnern Sie sich gerade selbst an Ihr letztes Livekonzert. Glücklicherweise mussten wir während der Pandemie nicht komplett auf Konzerte verzichten. Es gab in der Pandemie zum Beispiel im Rahmen des „Club 100“ kreative Konzertformate, wenn auch leider manchmal ohne Publikum. Trotz der Konzerte im vergangenen Sommer, die unter freiem Himmel stattfinden konnten, liegt

der unbeschwerte Konzertgenuss für viele Menschen schon lange zurück.

Weil wir inständig darauf hoffen, dass bald wieder die Zeit kommt, in der Livekonzerte Teil unseres Alltags sein werden, machen wir uns jetzt auf den Weg, die Bremer Klubs und Livemusikspielstätten zu unterstützen.

Mit dem Bremer-Bühnen-Budget wollen wir ein Instrument auf den Weg bringen, das die Livemusik in Bremen strukturell fördert. Wir wollen damit Anreize für Klubs, Kneipen, Livemusikspielstätten setzen, mehr Konzerte zu veranstalten und wollen damit auch unsere Anerkennung ausdrücken, dass Livekonzerte ein wichtiger Beitrag zur kulturellen Entwicklung sind.

(Beifall DIE LINKE)

Gerade kleinere Konzerte finden meistens aus idealistischen Gründen und nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen statt. Genau diese Motivation wollen wir auch finanziell unterstützen. Kleine Konzerte machen viel Arbeit, da Musiker:innen gesucht werden müssen, die technische Infrastruktur gestellt werden muss, Reise- und Übernachtungskosten und auch Honorare für mehrere Personen finanziert werden müssen. Gerade wenn die Band noch nicht so bekannt ist und der Laden vielleicht an dem Abend nicht so voll wird, ist das nicht unbedingt wirtschaftlich, aber genau diese kleinen Konzerte brauchen wir, wenn wir Nachwuchsbands eine Bühne geben wollen, wenn wir wollen, dass Konzerte auch abseits des Mainstreams stattfinden oder wir Künstler:innen eine Bühne geben wollen, die vielleicht in Deutschland noch nicht so bekannt sind.

Mit dem Bremer-Bühnen-Budget erhalten die Clubs rückwirkend eine strukturelle Förderung. Vereinfacht lässt sich sagen, je mehr Livekonzerte ein Klub ermöglicht hat, desto mehr Strukturförderungen gibt es für das kommende Jahr.

In Hamburg ist dieses Förderinstrument seit über zehn Jahren erfolgreich erprobt. Deshalb wollen wir an dieser Stelle von Hamburg lernen, aber trotzdem einen Bremer Weg gehen. So werden bei der Höhe der Förderung nicht nur Konzerte berücksichtigt, auf die GEMA-Gebühren entfallen sind, sondern wir wollen bei der Höhe der strukturellen Förderung auch GEMA-freie Konzerte berücksichtigen.

Coronabedingt brauchen wir jetzt etwas mehr Flexibilität, was die Fördervoraussetzungen angeht. Denn die Förderkriterien, die im Antrag formuliert sind, die gehen von einem ganz normalen Jahr aus. Von einem Jahr ohne Schließungen oder ohne fehlende Planbarkeit, aber da habe ich vollstes Vertrauen in die Verwaltung, dass sie die Coronasituationen der Klubs berücksichtigen wird.

Schön fände ich es auch, wenn Klubs eine besondere Förderung für einen Auftritt von Nachwuchsbands oder weiblichen Musikerinnen erhalten könnten, aber ich glaube, da müssen wir genau schauen, ob man diese Überlegungen in Zukunft im Bremer-Bühnen-Budget oder in anderen Förderstrukturen berücksichtigt.