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Digitale Angebote der Polizei erweitern – Onlinewache ausbauen! Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Januar 2022 (Drucksache 20/1313)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die große Freude, Ihnen heute
unseren Antrag zum Ausbau der Onlinewache vorzustellen. Wir sind als SPD-Fraktion vor geraumer Zeit auf einer Klausurtagung gewesen, und das Ergebnis war die Idee der 10-Minuten-Stadt.
Natürlich wollen wir im Bereich Inneres nicht, dass die Polizei oder die Feuerwehr 10 Minuten oder länger zum Einsatzort benötigen, aber die Idee einer 10-Minuten-Stadt kann auch in der digitalen Welt Anklang finden. Auch im digitalen Raum wissen wir und sind mitunter froh, wenn eine gewisse Sache nicht länger als 10 Minuten dauert.
Kolleginnen und Kollegen, unsere Polizei in Bremen und Bremerhaven ist bürgernah, hoch angesehen und erfolgreich. Ich habe es hier bereits an der einen oder anderen Stelle gesagt: Wir als Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker wären froh, wenn wir in den regelmäßigen Umfragen zur Beliebtheit und dem Vertrauen in Berufe das Ergebnis bekommen würden, das die Kolleginnen und Kollegen der Polizei erhalten. Trotzdem sind wir, so weh es tut, natürlich nicht perfekt aufgestellt. Man kann beim Thema Onlinewache sicherlich behaupten, dass wir stark verbesserungsfähig sind, und damit meine ich sowohl den Umfang als auch den Auftritt. Da ist Luft nach oben, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir jetzt handeln müssen.
Heute Vormittag haben wir von der Pflicht zum Klimaschutz gehört, und ich glaube, wir haben ebenso eine Pflicht zur Digitalisierung, und da wollen wir heute ansetzen. Die Möglichkeit, über ein Internetangebot der Polizei Strafanzeige zu erstatten, besteht mittlerweile in jedem Bundesland. Allerdings unterscheiden sich die Onlinewachen in den Bundesländern zum Teil in der Benutzerfreundlichkeit und dem Umfang der anzeigebaren Delikte noch erheblich.
Die Polizeien im Land Bremen haben das Angebot bisher bewusst, wie einige andere Bundesländer auch, auf die Erstattung von Anzeigen von Delikten wie Fahrraddiebstahl und/oder Sachbeschädigung begrenzt. Diese Anzeigen ziehen nämlich in der Regel keine umfangreichen Ermittlungen nach sich, sondern dienen vor allem der Geltendmachung bei Versicherungsansprüchen.
heimischen Sofa, eine Anzeige zu erstatten. Damit kann in vielen Fällen der erste Weg zum Polizeirevier entfallen. Mit der Diskussion in den Stadt- und Ortsteilen zur Zentralisierung von Polizeirevieren im Hinterkopf passt diese Strategie zusammen: Wir wollen mehr Polizistinnen und Polizisten auf den Straßen und nicht nachts auf den Revieren. Natürlich kommt es bei einer Anzeige immer, jedes Mal, auf den konkreten Sachverhalt an. Sofern dieser eine gewisse Komplexität aufweist oder als emotional belastend empfunden wird, bietet sich schon im ersten Schritt der Gang zum Polizeirevier an.
Kolleginnen und Kollegen, wir wissen um die beschämende Tatsache, dass es insbesondere für Opfer von sexueller Gewalt mitunter schwierig ist, den Weg zur Polizeiwache zu gehen. Vielleicht, ganz vielleicht, können wir hier durch ein niedrigschwelliges Onlineangebot eine Handreiche zur Strafanzeige schaffen.
Ich sage ganz bewusst: Wenn sich nur ein Opfer mehr zu einer Anzeige entschließt, weil es auch online möglich war, eine Anzeige aufzugeben, dann lohnt sich die Investition, dann lohnt sich der Aufwand.
Wir können die Onlinestrafanzeige dann auch so nutzen, dass in solchen Fällen speziell geschulte Polizistinnen und Polizisten die Kontaktaufnahme übernehmen. Sie und ich, wir kennen auch bei unseren Polizeien die seltenen suboptimalen Berichte im Umgang mit Opfern. Wir sind der Überzeugung, dass es zu einer bürgernahen Polizei gehört, Bürgerinnen und Bürgern verschiedene Kommunikationswege anzubieten und es grundsätzlich ihnen zu überlassen, auf welche Weise sie mit der Polizei in Kontakt treten wollen. Daher sollte die Onlinewache die Möglichkeit geben, Straftaten jeglicher Art anzeigen zu können.
Gleichzeitig kann die Onlinewache auch eingesetzt werden, um sachdienliche Hinweise oder andere Mitteilungen von Bürgerinnen und Bürgern zu erhalten, auch Lob auszusprechen oder allgemeine Nachfragen ohne konkreten Bezug zu Straftaten zu stellen.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Bevor wir mit der Onlinewache hoffentlich so richtig durchstarten, würde ich mich als bekennender Twitternutzer sehr freuen, wenn der häufigste Tweet der Polizei
Bremen nicht immer wiederkehrend darauf hinweisen würde, dass die Onlinewache aus verschiedenen Gründen –
ich komme zum Schluss – derzeit leider nicht erreichbar ist. Auch die beste Onlinewache muss online erreichbar sein, sonst bringt sie nicht viel.
Das ist richtig. Ich bitte Sie um die Unterstützung unseres Antrages. Wir können und wir müssen hier aktiv werden. – In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorletzte Woche schrieb ich, weil ich nicht in Bremen war, an hassanzeigen@polizei.bremen.de eine E-Mail, um Anzeige zu erstatten. Jemand hatte mein Porträt ins Netz gestellt und jede Menge Beleidigungen daruntergeschrieben. Irgendwann stand unter meinem Porträt auch die Fratze einer SS-Kuh. Da habe ich gedacht, jetzt ist es gut, und habe zum ersten Mal in meinem Leben, von einer Autodiebstahlanzeige abgesehen, proaktiv Anzeige erstattet, und zwar per E-Mail.
Ich hatte keine Ahnung, um was es sich handelt, ob der Tatbestand jetzt Hassrufmord, Beleidigung, Verleumdung oder sogar Hetze ist, aber ich habe es gemacht, und innerhalb von wenigen Stunden einen Rückruf vom LKA bekommen. Das Formular für die Strafanzeige ist mir gestern zugesandt worden. Ein bisschen telefonischer Dialog und Handarbeit sind also erhalten geblieben, und das war meine Onlineerfahrung der vorletzten Woche mit der Polizei Bremen.
Heute geht es um Onlinewachen, auch Internetwachen, elektronisches Polizeirevier oder E-Revier genannt. Es geht um virtuelle Polizeidienststellen und Onlineportale der Polizei. Auf Onlinewachen können Bürger bestimmte Eingaben online erledigen. Ursprünglich sind diese Dienste geschaffen worden, um die Zugänglichkeit für alte oder beein
trächtigte oder kranke Menschen zu erleichtern oder auch in Pandemiezeiten eine Erleichterung für alle zu schaffen. Ohne Zweifel wird moderne Polizeiarbeit durch Digitalisierung entscheidend erleichtert, und allen Bremer Bürgerinnen und Bürgern wird damit die zeitgemäße Kontaktaufnahme mit der Polizei ermöglicht.
In der Vorbereitung für heute habe ich ein bisschen auf Wikipedia gegoogelt und zum Begriff Onlinewache folgenden Satz gefunden: „In Deutschland haben fast alle 16 Bundesländer ein entsprechendes Portal eingerichtet. Es gibt jedoch kein einheitliches Formular. Das Bundesland Bremen hat kein entsprechendes Angebot, sondern bietet nur eine telefonische Anzeigenaufnahme an.“ Dieser Eintrag stand da zwar noch, ist aber zum Glück mittlerweile nicht mehr aktuell, das habe ich natürlich auch überprüft. Bürgerinnen und Bürger in Bremen können eine Online-Strafanzeige erstatten und nutzen das auch gern, jedenfalls für kleinere Anzeigen, wie gestohlene Räder, wir haben es gehört, nur für ganz bestimmte begrenzte Strafanzeigen.
Von hier ausgehend geht der Antrag der Koalition einen Schritt weiter und fordert eine weitere Anpassung an den Standard, den viele andere Bundesländer mittlerweile in Bezug auf eine Onlinewache geschaffen haben. Es soll keine Rolle spielen, ob das Profil gehackt wurde, das Auto geklaut oder die Warenbestellung nicht geliefert worden ist. Bremer Bürgerinnen und Bürger sollen jetzt rund um die Uhr von zu Hause und unterwegs einfach über das Internet Anzeige erstatten können, auch sachdienliche Hinweise – wir haben es gehört – bei Fahndungen übermitteln oder auch Lob und Beschwerde loswerden können.
Es wird Sie wahrscheinlich nicht erstaunen, dass wir als Freie Demokraten, als digitalaffine Partei, die auch im innenpolitischen Bereich bereits viele Initiativen in Richtung Digitalisierung auf den Weg gebracht hat, das Anliegen unterstützen, wenn wir uns natürlich auch fragen, lieber Senat: Warum machen Sie es denn nicht einfach? Sie regieren doch.
Wie dem auch sei, wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern heutzutage mehrere Kommunikationswege anbieten, wenn wir für eine bürgernahe und zukunftsorientierte Polizei stehen und für alle erreichbar sein wollen. Dabei ist klar, dass die Onlinewache immer ein ergänzendes Angebot sein muss. Wir wollen den direkten Kontakt mit der Polizei nicht ersetzen, denn es gibt oft noch Nachfra
gen, und der direkte Kontakt ist auch für ein vertrauensvolles Miteinander wichtig. Das haben auch die Bremer und Bremerinnen in der Pandemiezeit deutlich gemacht: Dass ihnen das Mühe gemacht hat, als die Zeiten der Polizeireviere eingeschränkt oder diese ganz geschlossen waren. Insofern, das bleibt wichtig.
Was auch klar sein muss: Die Onlinewache ist natürlich nicht für Notfälle gedacht. Da bleibt immer die 110 die entscheidende Nummer, denn nur da sind wir sicher, dass direkt reagiert wird. Die über die Onlinewache aufgegebenen Anzeigen und Hinweise landen nicht sofort auf dem Schreibtisch der zuständigen Beamten, die gehen zunächst beim Lage- und Dauerdienst des LKA ein und werden erst in einem zweiten Schritt in die Dienststellen verteilt. Wenn es schnell gehen muss, weil der Fall dringend ist,
bleibt die 110 die erste Wahl. Dennoch, wir unterstützen den Ausbau digitaler Angebote dieser Onlinewachen bei der Polizei Bremen sehr gern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Auf der Seite der Onlinewache der Polizei Bremen haben wir alle schon heute die Möglichkeit, eine Handvoll Straftatbestände zur Anzeige zu bringen. Fahrraddiebstahl, Sachbeschädigung, Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen und Dokumentendiebstahl sind dort in einem ersten Schritt bereits heute online zur Anzeige zu bringen. Das finden wir gut, aber als Koalition wollen wir noch einen Schritt weitergehen, und dazu legen wir Ihnen heute diesen Antrag zum Ausbau der Onlinewache vor. Warum? Ich möchte Ihnen dafür drei Hauptargumente nennen:
Eine Onlinewache ist eine sinnvolle Ergänzung – aber kein Ersatz – für die Möglichkeit, neben der persönlichen Anzeigeerstattung auf einer Wache auch digital Anzeigen erstatten zu können. Eine Digitalisierung der Anzeigen ist zeitgemäß und senkt die Hürden für Bürger:innen. Ich muss nicht mehr den Weg zur zentralen Anzeigenaufnahme in einem der Polizeireviere suchen, die im Moment
unter Coronabedingungen in Vegesack, der Innenstadt und in Schwachhausen möglich ist, sondern kann gemütlich oder unterwegs digital Anzeige erstatten. Das ist nicht nur für Menschen, die vielleicht in Oslebshausen oder Huchting wohnen eine größere Erleichterung als für Menschen in Innenstadtbereichen, sondern auch für jene Menschen, die geh- oder insgesamt mobilitätseingeschränkt sind. Ein paralleles Angebot zu schaffen, das auf diese Weise Unterstützung liefert, finden wir daher richtig.
Wir machen uns nichts vor, es geht bei der Erstattung einer Anzeige nicht nur darum, dass ein Fahrtweg ein Hinderungsgrund oder eine Hürde sein kann, die es zu nehmen gilt. Wir wissen, dass sich in der Regel emphatische Beamtinnen und Beamten Zeit nehmen, Anzeigen aufzunehmen, Rückfragen zu stellen und nach Möglichkeiten suchen, das Anliegen im Rahmen der Anzeigenaufnahme umzusetzen. Wir wissen aber auch, dass es nicht allen Menschen gleich gut gelingt, ihr Anliegen, möglicherweise auch emotional aufgebracht, so vorzubringen, dass es zielgerichtet aufgenommen werden kann und erhalten auch immer wieder Berichte, wonach Betroffene äußern, dass aufnehmende Polizisten das Anliegen aus Zeitmangel oder in Einzelfällen auch aufgrund mangelnder Empathie nicht ausreichend ernst nehmen.
Das wird uns häufiger von Menschen beschrieben, die als migrantisch wahrgenommen werden, mein Kollege hat das auch im Hinblick auf Sexualdelikte genannt. Auch da wissen wir von existierenden Hürden, die nicht nur in dem Agieren einzelner Beamtinnen und Beamten begründet sind, sondern auch darin, dass dies mit Scham verbunden ist. Auch, wenn der gesamte Vorgang von einer Anzeige bis zum Abschluss des Verfahrens nicht ausschließlich über ein Onlineformular geregelt werden kann, bietet diese Digitalisierung bestimmt Chancen um Kapazitäten, Zeit, Kosten und Wegstrecken zu sparen.
Es ist mit Sicherheit leichter, ein Onlineformular auszuwerten, indem bereits gezielt einige Angaben wie persönliche Daten, Sachverhaltsbeschreibungen angelegt sind und dann mit gezielten Nachfragen in den direkten Kontakt zu treten. Wir müssen uns aber auch vor Augen führen, dass die Ausweitung dieses Onlineangebotes mit Sicherheit nicht in allen Deliktbereichen gleich leicht ist. Ob ich eine Anzeige wegen Beleidigung, die möglicherweise digital gut erfassbar und dokumentierbar ist, auswerten und einstellen kann, oder ob ich eine Anzeige wegen eines sexualisierten Übergriffes
zur Anzeige bringe, das sind mit Sicherheit zwei sehr unterschiedliche Vorgänge, die in der entsprechenden Bearbeitung und Aufarbeitung von den Polizistinnen und Polizisten ausgewertet werden müssen, die diese Anzeige digital auf dem Tisch haben.
Ich bin mir sicher, dass wir hier noch einiges an Überlegung hineinstecken müssen, um die digitalen Formate so zu aktualisieren, dass sie leicht in der Eingabe sind und auf besondere Situationen im Rahmen der Anzeigeaufnahme Rücksicht nehmen. Klar ist, dass eine Anzeige nicht durch das einmalige Ausfüllen eines Onlineformates abgeschlossen werden kann. Es kommt in der Regel zu weiterem Schriftverkehr zwischen Polizei und der anzeigenden Person, und es bleibt gesichert, dass auf einer Wache eine Anzeige ohne Nutzung digitaler Formate möglich sein wird.