Wenn dies so sein wird, wie es die Regierung wünscht, dann haben wir ab dem Schuljahr 2005/06 folgende Situation: eine in der Mittelstufe durch Wochenstundenmehrung erkaufte gymnasiale Bildung im Turbotempo mit allem, was eine solche Wochenstundenausweitung für Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler bedeutet, auf der anderen Seite andere Schulformen, die zu diesem Mittelstufenschwergewicht Gymnasium nicht mehr kompatibel sind. Wir möchten aber auch gewährleistet wissen, dass der Weg vom Gymnasium zurück auf eine andere Schulform, z. B. in die Realschule, möglich ist, dass keine allzu großen Brüche erfolgen.
Mit unserer Kritik stehen wir übrigens nicht alleine.Auch die Lehrerverbände warnen vor Schnellschüssen. Eines ist aber wesentlich:Wir wollen wie fast alle Fraktionen im Landtag, dass die Schülerinnen und Schüler jünger an Lebensjahren das Gymnasium verlassen als bisher. Hierzu ist es aber auch erforderlich, sich einmal den Einstieg in die Schullaufbahn eines jeden Schülers zu betrachten. Wenn der durchschnittliche Schüler erst mit 6,7 Lebensjahren eingeschult wird, dann ist dies einfach zu spät. Um hier Abhilfe zu schaffen, fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die verbindliche Vorschule ab dem fünften Lebensjahr und die flexible Schuleingangsstufe, die regelmäßig zwei Schuljahre, bei guten Schülern nur ein Jahr und bei schwächeren Schülern auch drei Jahre dauern kann.
Das heißt,die guten Schülerinnen und Schüler können bereits mit knapp sieben Lebensjahren in der 3. Klasse sein. Auch damit wäre erreicht, dass die Schülerinnen und Schüler jünger an Lebensjahren als bei unserem derzeitigen System das Gymnasium verlassen können – dies zu den Veränderungsmöglichkeiten zu Beginn der Schullaufbahn eines jeden Schülers.
Wir sind der Auffassung, dass eine solche grundlegende Änderung in unserem Schulsystem einer gewissenhaften Vorbereitung bedarf. Dies braucht eine gewisse Zeit. Um nicht, wie dargelegt, die Massierung von Wochenstunden in der Sekundarstufe I und die fehlende Durchlässigkeit zu den anderen Schulformen zu beklagen, schlagen wir quasi als Sofortmaßnahme vor, analog der Regelung in Rheinland-Pfalz die gymnasiale Oberstufe so zu fahren, dass die Schüler mit dem Abitur nach den Osterferien fertig sind. Damit wäre der Einstieg zum Sommersemester des gleichen Jahres bzw. für die, die Wehrdienst, Zivildienst oder andere freiwillige Dienste leisten, des Folgejahres möglich. Technisch könnte dies zum einen durch die Verdichtung des Kurshalbjahrs 13/2 und des Beginns der Qualifikationsphase im Halbjahr 11/2 erfolgen.
Wie gesagt, außerhalb Hessens wird dies praktiziert. Das könnte ohne Probleme auf unser Schulsystem übertragen werden. Dies könnte rasch erfolgen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den Ausführungen der Kollegin Hinz einige wenige Ausführungen machen. Es ist schon erstaunlich, dass sich ausgerechnet die GRÜNEN plötzlich Sorgen um die Qualität des hessischen Schulwesens machen, nachdem sie jahrelang dazu beigetragen haben, den Ruf des hessischen Abiturs in Deutschland zu ruinieren. Das war ein Ergebnis rot-grüner Politik.
Liebe Frau Hinz,Sie haben uns zweitens vorgeworfen,wir wollten den Schülern zumuten, in kürzerer Zeit mehr zu lernen. Ich erinnere Sie einmal an Ihre eigene Vergangenheit. Was haben Sie gemacht? Wer hat die Stundentafel für die Grundschule im Fach Freies Arbeiten um zwei Stunden pro Woche gekürzt,ohne dass an den Lehrplänen irgendetwas geändert worden wäre? Das heißt, Sie haben exakt das gemacht, was Sie uns heute vorwerfen. Sie haben die Stundentafel gekürzt, aber die Lehrpläne nicht verändert. Sie haben damit den Grundschülern in der Tat mehr Lerndruck zugemutet. Auch das war ein Ergebnis Ihrer Politik.
Ich erinnere an die Kürzung der Stundentafeln in den Fächern Physik und Chemie um 25 %. Haben Sie die Lehrpläne verändert? Das haben Sie nicht getan. Ich denke, Sie sollten ein bisschen mehr bei der Wahrheit bleiben und sich vor allen Dingen überlegen, was Sie in der Vergangenheit selbst gemacht haben.
Ich komme jetzt zum Thema Durchlässigkeit. Das Schulsystem war schon immer durchlässig, und es wird auch in Zukunft eine Durchlässigkeit geben. Die Durchlässigkeit war noch nie so groß wie heute.
Sie können heutzutage, wann immer Sie sich entwickeln, alle schulischen Abschlüsse erreichen, gegebenenfalls zeitverzögert als Erwachsene mit Hilfe des Hessenkollegs. Erzählen Sie also nichts vom Pferd. Die Durchlässigkeit war und ist gegeben. Dies wird auch so bleiben. Im Übrigen haben wir die Durchlässigkeit sogar erhöht,indem wir beispielsweise die Stundentafel für die Hauptschule aufgestockt haben. Dadurch ist das Wechseln von der Hauptschule auf die Realschule leichter geworden, als es vorher der Fall war.
Ich möchte kurz zu dem Antrag zurückkommen.Verehrte Kollegen von der SPD, wir setzen in Hessen das um, was die SPD auf ihrem Bundesparteitag 1997 beschlossen hat, nämlich eine zwölfjährige Schulzeit bis zum Abitur. Wir setzen das um, Frau Kollegin Hinz, was Ihre ehemalige Bundesvorstandssprecherin Röstel im August 1997 in der „FAZ“ erklärt hat. Sie hat damals erklärt, die GRÜNEN
seien dafür, dass zwölf Jahre Schule bis zur Abiturprüfung reichen. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Genau das machen wir. Fakt ist – das hat Frau Henzler schon gesagt –: Frankreich, Spanien, Belgien, Dänemark und andere Bundesländer haben eine Schulzeit von zwölf Jahren. Mir ist nicht bekannt, dass die Ergebnisse der Schüler dieser Länder in den Abschlussprüfungen signifikant schlechter wären.
(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben aber längere gemeinsame Schulzeiten! Die haben Ganztagsschulen! Das ist ein völlig anderes System!)
Auch wenn Sie einen schönen Sopran haben, Frau Kollegin, mithilfe des Mikrofons bin ich trotzdem lauter.
Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, mit der untermauert werden könnte, dass die Schüler, die nach zwölf Jahren in die Abiturprüfung gehen, signifikant schlechtere Ergebnisse erzielten als die, die 13 Jahre lang zur Schule gegangen sind.
Fakt ist,dass das Einschulungsalter von 6,8 Jahren zu hoch ist. Aber: Sie reden, wir handeln. Wir haben gesagt, wir machen Vorlaufkurse in Deutsch, flexibilisieren die Einschulung,richten Eingangsstufen ein und ermöglichen das Überspringen von Klassen. Letzteres gab es auch früher schon. Das gebe ich zu. Das heißt im Klartext: mehr Praxisanteile in der Ausbildung.
Wir versuchen – insgesamt gesehen – die Verweildauer der Schüler an den Schulen zu verkürzen. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass 30 % der Studenten ihr Studium – im Schnitt im achten Semester – abbrechen. Auch das ist ein Thema, über das wir reden müssen.
Wir stellen fest, dass das durchschnittliche Berufseinstiegsalter bei 28 bis 30 Jahren liegt. Das ist natürlich zu hoch. Das ist völlig unstreitig. Wir sagen auch nicht, dass allein mit dieser Maßnahme das Problem gelöst werden kann.Aber sie ist ein Beitrag dazu,das Gesamtproblem zu lösen.
Die SPD schlägt vor – sie bleibt damit in ihrer Tradition der Unterrichtskürzung –, die zweite Hälfte des 13. Schuljahres zu kappen, und schon sei das Problem gelöst. Sie bieten für diese Kappung keine Kompensation an.Ich will bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen: Unter Ihrer Regierungsverantwortung haben die Schüler in Hessen das Abitur nach elfeinhalb Schuljahren gemacht. Sie waren zwar 13 Jahre lang in der Schule, aber durch die Kürzungen der Stundentafeln und den Unterrichtsausfall haben die Schülerinnen und Schüler de facto nach 11,5 Jahren ihre Abiturprüfung gemacht. Ich habe noch nie gehört, dass Sie diesbezüglich über Qualitätsprobleme berichtet haben. Das heißt, wir haben die Schulzeit erstmals auf 13 Jahre verlängert. 13 Jahre stehen drauf, und 13 Jahre sind drin. Das war das Ergebnis der Bildungspolitik von CDU und FDP. Wir haben also erst einmal die Grundlagen geschaffen. Deshalb werden wir Ihrem Antrag auf Unterrichtskürzung um ein halbes Jahr in der Klasse 13 logischerweise nicht zustimmen.
Wenn wir schon bei der Vergangenheitsbewältigung sind, komme ich auf eine Äußerung des Kollegen Holzapfel vom 14. Oktober 1991 zurück. Damals haben wir schon einmal über dieses Thema gesprochen. Ich gebe zu, dass wir über eine Optimierung der zweiten Hälfte des
13. Schuljahres in der Tat sprechen müssen. Herr Holzapfel hat damals erklärt, man müsse jetzt über die Gestaltung des zweiten Abi-Halbjahres reden, und zwar im Sinne einer Straffung.Das ist richtig.Aber:Sie hatten acht Jahre lang Zeit, das umzusetzen. Warum haben Sie es nicht gemacht? Das ist doch immer wieder das Ergebnis Ihrer Politik. Sie reden darüber, aber Sie setzen es nicht um. Das ist der Unterschied zu der CDU/FDP-geführten Landesregierung der letzten Legislaturperiode und zu der amtierenden Landesregierung.
Sie haben uns vorgeworfen,das sei ein Sparmodell.Das ist schlicht falsch.Wir haben die Stundentafel für die Grundschule erhöht, und wir werden sie weiter erhöhen.Wir haben sie von 90 auf 92 Stunden erhöht, und wir werden sie am Ende auf 98 Stunden erhöht haben. Die anderen Stunden werden auf die Schuljahre in der Mittelstufe verteilt. Dies ist ein Qualitätssteigerungsprogramm für Hauptund Realschulen, denn die Haupt- und Realschüler profitieren davon, dass sie in der Grundschule insgesamt mehr Unterricht bekommen, als es jetzt der Fall ist. Das sollte man bei der Gelegenheit einmal sehr deutlich sagen.Es ist also ein Qualitätsprogramm auch für die Haupt- und Realschulen.
Ich denke, dass Ihre Kritik, insgesamt gesehen, unglaubwürdig ist. Ich weiß nicht, was die Sozialdemokraten eigentlich wollen. In Ihrem Antrag vom 27. Mai beklagen Sie, dass die Schüler – Herr Kollege Reuter, Sie haben es eben noch einmal wiederholt – 35 Stunden und mehr pro Woche Unterricht hätten. Am gleichen Tag ist ein Interview mit der Kollegin Habermann in der „FAZ“ erschienen, in der diese erklärt, die SPD wolle die Ganztagsschulen ganz stark fördern, an denen der Unterricht bis in den Nachmittag hinein verbindlich ist.Auf der einen Seite beklagen Sie das, und auf der anderen Seite fordern Sie es. Was wollen Sie eigentlich? Darüber müssten Sie sich erst einmal klar werden. Dann reden wir über Ihre Vorstellungen.
Ich sage an dieser Stelle: Wir sind in Hessen mit der Politik, die wir fahren, auf einem hervorragenden Weg. Das wollen wir fortsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit einem Zitat beginnen:
Zu oft wird Bildungsreform bei uns noch als bloße Verlängerung der Ausbildungsdauer verstanden. Chancengleichheit fördern wir jedoch nicht durch eine immer längere Ausbildung für wenige, sondern durch eine möglichst gute Ausbildung für alle, einschließlich der Förderung der besonders Begabten. Die Verkürzung der Jahre in der Oberstufe der Schule, also eine Schulzeit von insgesamt zwölf Jahren, erscheint der Bundesregierung vernünftig und notwendig.
Ich finde, der Mann hat Recht. Er hat umso mehr Recht, als wir sehen, dass in der Tat nicht nur in Europa, sondern auch in vielen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nicht nur die Diskussion um die Schulzeitverkürzung vorangetrieben, sondern diese Verkürzung auch durchgeführt wird. Vor diesem Hintergrund mutet der eine oder andere Antrag, den wir heute Abend behandeln, relativ merkwürdig an.
Da fängt im Grunde die SPD an, einen Antrag zu stellen, wir sollten Pläne zurücknehmen. Meine Damen und Herren,was glauben Sie denn,wofür wir gewählt worden sind, um Pläne zurückzunehmen, um Versprechen zurückzunehmen, die wir im Wahlprogramm wie auch im Regierungsprogramm gemacht haben?
Nein, wir sind dazu gewählt und beauftragt und hier vereidigt, diese Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen, und zwar möglichst zeitnah.
Da schreiben Sie zum Zweiten in Ihren Antrag hinein, wir sollten das Rheinland-Pfälzer Modell wählen und hier in Hessen einführen. Herr Dr. Reuter, Sie könnten mir vielleicht von diesem Pult aus oder irgendwann einmal in einer Nachhilfestunde erklären, welches andere Land in dieser Republik sich eigentlich das Rheinland-Pfälzer Modell abgeschaut und eingeführt hätte. Das hat kein Land getan, und zwar aus den Gründen, die hier schon genannt worden sind.
Damit ansonsten würden wir für die Abiturienten nicht mehr das ZVS-Verfahren des laufenden Jahres erreichen, die meisten Studienbeginne liegen im Wintersemester. Deswegen hat dieses Modell keine Nachahmer gefunden. Ich finde, man sollte sich auch richtig entscheiden, entweder 12 oder 13 Jahre, und dann auch die entsprechenden Schulen dazu gestalten.Aus diesem Grund kann der SPDAntrag nicht weiterführen. Wenn ich eine Aufforderung zu machen hätte, dann wäre es, den Antrag zurückzuziehen, aber nicht, von Versprechen abzukehren.
Die FDP hat den Antrag gestellt, wir sollten ein Konzept vorlegen und sollten dies auch sehr zügig tun, im Sinne dessen, was wir auch im Wahlprogramm versprochen und zugesagt haben. Selbstverständlich werden wir dies tun. Dies wird auch in einer Schulgesetzänderung münden müssen, d. h. es wird im Rahmen einer Schulgesetzänderung und eines Verordnungsverfahrens eine Konzeption vorzulegen sein. Diese wird nicht nur in einem Konzept im Ausschuss und im Landtag zu beraten sein, sondern auch in Anhörungsverfahren. Dazu sind die Vorbereitungen in vollem Gange, und zwar in einem sehr engen Zeitplan.
Wir werden in diesem Zusammenhang das Gesetz ändern müssen. Wir werden die Verordnung ändern müssen. Wir werden die Stundentafeln und auch die Lehrpläne entsprechend umgestalten müssen. Sie haben durchaus Recht, dass es nicht nur um eine Komprimierung der bisherigen Stundentafeln und Lehrpläne im jetzigen Stand gehen muss, sondern auch um eine pädagogische Gestaltung neuer Lehrpläne. Das wird alles in einem sehr engen Zeitplan vollzogen. Wir haben uns auch vorgenommen, dies in einem klaren Ablauf einzuführen.