Protokoll der Sitzung vom 16.05.2006

Hier wird das Ansehen von Schulen, Lehrern und Elternbeiräten, die sich alle um eine gute Schule bemühen, wegen billiger Schlagzeilen und billiger Begriffe in den Dreck gezogen.

Wir haben in gemeinsamer Regierungsverantwortung viel getan.Wir haben zusätzlich 3.000 Lehrkräfte eingestellt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und das setzen wir fort!)

Das ist völlig richtig.Wenn man heute in die Schulen geht, sagen einem alle immer noch, die Versorgung mit Lehrern ist so gut wie noch nie. Sie haben die Lehrer, die ihren Unterricht laut Stundenplan abdecken sollen.

Wir haben damals auch eine Lehrer-Feuerwehr eingerichtet,und wir haben die Mittel aufgestockt.Mittlerweile stehen für Vertretungsverträge 42 Millionen c zur Verfügung. Das ist eine Riesensumme. Nur muss man sie endlich einsetzen und das Konzept vernünftig umsetzen.

Bei dem Konzept fehlte einfach der Mut, den Schulen die Freiheit zu geben, selbst und eigenverantwortlich für die verlässliche Schulzeit zu sorgen. Es wurde eine schöne Broschüre gedruckt – es ist übrigens eine Handreichung und nicht einmal eine Verordnung –, in der vorgeschrieben wird,wann und in welcher Höhe Honorarverträge abzuschließen sind, ab wann es in welcher Höhe Arbeitsverträge gibt und wie genau alle Arbeits- und Vertretungszeiten zu dokumentieren sind. Das Ganze nennt sich dann Heranbildung einer neuen Lernkultur. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das erinnert mich an die Pflegeversicherung. Da wurde nämlich auch so viel dokumentiert, dass vor lauter Dokumentation bald keine Zeit mehr für die Pflege war.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Mit der „Unterrichtsgarantie plus“ um jeden Preis weckt die CDU überzogene Vorstellungen bei Eltern, setzt die Schulen unnötig unter Druck und verärgert das Lehrpersonal. Auch die heute vorliegende Gesetzesänderung ist nur ein Herumdoktern an einer misslungenen Operation. Personalvertretungsrechte sind ein sehr sensibles Instrument. Es ist mit Sicherheit kein Lieblingskind der FDP – das sage ich ganz klar –;

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

aber berechtigte Einwände, auch wenn sie einem nicht passen, muss man ernst nehmen und kann man nicht einfach aushebeln.

Jetzt soll im Schulgesetz mit einem neuen § 15a unter dem Vorsatz, damit die Rechtsgrundlage für selbstständig handelnde Schulen zu schaffen, das Verfahren im Vertretungsfall geregelt werden.

Bei der Erstellung der Poollisten mit Vertretungskräften sollen Personalvermittlungsfirmen berücksichtigt werden können. Meine Damen und Herren, Personalvermittlungsfirmen arbeiten nicht für Gotteslohn, sondern sie arbeiten für Geld.Das heißt,sie wollen an jeder Vermittlung mitverdienen. Das ist Geld, das den Schulen letztendlich verloren geht. Es kommt nämlich nicht in den Schulen an.

(Beifall bei der FDP)

Die Personalräte haben nur über die Aufnahme der Personen in die Liste mitzubestimmen, nicht bei den einzelnen Einsätzen. Verweigert der Personalrat die Zustimmung – das wird wahrscheinlich der Fall sein –, muss die Schulleitung binnen fünf Tagen das HKM unterrichten. Dann wird eilends eine Einigungsstelle einberufen. Diese muss innerhalb von zehn Tagen eine Empfehlung abgeben, und der Ministerin obliegt die Letztentscheidung.

Welch ein Umstand bei der Einstellung und welch ein Umstand bei der Umsetzung! Dabei wäre das alles so einfach. Nehmen Sie das Konzept der FDP für eine garantierte Schulzeit mit Bildungsangeboten, und wir bräuch

ten diese Gesetzesänderung nicht. Wir könnten alles sehr viel schneller umsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt bereits Schulen, die ihre Vertretungen selbst regeln. Es gibt Schulen, die ein Konzept haben, dass Lehrer vertreten oder Schulstunden an den Rand gelegt werden. Diese Schulen muss man loben.Diesen Schulen muss man helfen,das weiter umsetzen zu können.Für diejenigen,die das bisher noch nicht machen, muss man einen Anreiz schaffen, damit sie es zukünftig machen.

Unser Konzept enthält folgende Eckpunkte – es bleibt dabei –: 1.000 c pro Lehrerstelle, wobei ich hoffe, dass die unterrichtswirksamen BAT-Kräfte und nicht nur die Beamtenstellen eingerechnet sind.Es gibt mittlerweile Schulen, die einen sehr hohen Anteil an BAT-Lehrkräften haben. 1.000 c pro unterrichtswirksame Stelle gehen an die Schule. Die Schule muss im Gegenzug garantieren, dass die Kinder so lange in der Schule sind, wie es auf dem Stundenplan vorgegeben wird. Etwas anderes muss die Schule nach außen hin nicht vertreten. Dann muss sie zusehen – das ist die Zusicherung an die Eltern –,dass sie die Kinder in der Schule mit Unterricht oder sinnvollem Bildungsangebot beschäftigt.

Diese Mittel können die Schulen zur freien Entscheidung entweder für Honorarverträge für Vertretungspersonal nehmen – bei Honorarverträgen brauchen sie nicht die Zustimmung des Personalrats –, oder aber sie können diese Verträge für fest angestelltes Personal nehmen. Das heißt, die Schule kann das machen, was wir immer fordern. Sie kann Schulassistenten oder Sozialpädagogen einstellen. Wenn sie Menschen genug hat, dann kann sie pädagogische Materialien kaufen, um die Schüler selbst zum Lernen anzuleiten, damit die Schüler sich selbst beschäftigen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein Weg von drei Angeboten, den jede Schule so gehen kann, wie sie das will. Sie kann einen Pool mit Menschen von außen nehmen. Ich sage nach wie vor: Es ist in Ordnung, wenn Menschen von außen an die Schule kommen.Bei Eltern mit Kindern an derselben Schule wäre ich aus Datenschutzgründen vorsichtig, weil das vielleicht nicht so ganz beachtet werden könnte.Auf jeden Fall halte ich es für sehr sinnvoll, wenn andere Menschen an die Schule kommen und sich mit den Kindern befassen.

(Beifall bei der FDP)

Die Schule kann auch – das ist in dem jetzigen Konzept nicht vorgesehen, und dieser Wunsch ist von Schulen an uns herangetragen worden – langfristige Verträge abschließen. Das heißt, sie kann einen Sozialpädagogen für ein Schuljahr anstellen. An manchen Schulen ist es viel Geld. Ein großes Gymnasium in Gelnhausen hat 60 Lehrerstellen. Das heißt, die bekommen 60.000 c Unterstützung. Für 60.000 c kann ich viel machen. Ich kann dann auch jemanden fest anstellen, der mir hilft, den Unterrichtsausfall zu vertreten. Oder aber sie kann pädagogisches Material kaufen, um Kinder sich selbst beschäftigen zu lassen.

Um aber einen Anreiz zu haben, das auch so zu machen und die Kinder nicht nach Hause zu schicken, sondern um die verlässliche Schule zu realisieren, müssen die Schulen das Geld behalten dürfen und auf das nächste Schuljahr – und zwar zweckgebunden – übertragen können. Nur dann, wenn Lehrer wirklich den Anreiz haben, dafür Geld zu bekommen und ihrer Schule etwas Gutes tun zu kön

nen, werden sie dafür sorgen, dass möglichst wenig Unterricht ausfällt und sie möglichst wenig von diesem Geld verbrauchen, das sie bekommen. Das können sie für Weiterbildung einsetzen. Das können sie für pädagogische Maßnahmen einsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Ein gutes Lehrerteam einer Schule, das dafür sorgt, dass möglichst wenig Krankheit stattfindet und dass die Konferenzen so gelegt werden, dass kein Unterricht ausfällt, wird für diese Konzepte belohnt, weil es das Geld behält und damit zur Qualitätssteigerung in dieser Schule beitragen kann.Was unbedingt kommen muss – das hat die Frau Ministerin gestern zugesagt –, sind die Jahresstundentafel und das Jahresarbeitszeitmodell. Meine Damen und Herren,wir sind die einzige Fraktion,die ein wirkliches Rundumkonzept für die verlässliche Schule mit Bildungsangebot vorlegt.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ihr habt viel von uns abgeschrieben! – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Schlecht abgeschrieben!)

Herr Wagner, jetzt kommen Sie wieder mit Ihrem Konzept. Nach dem dritten Tag soll das Staatliche Schulamt eine Vertretung schicken. Sie reden doch immer so groß von der Selbstständigkeit der Schule. Dann geben Sie doch den Schulen das Geld, und sagen Sie den Schulen: Ihr seid selbstständig, seht zu, dass ihr das selbst realisiert.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das steht bei uns drin, Frau Henzler! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das sind die Bürokraten von den GRÜNEN!)

Am dritten Tag muss das Staatliche Schulamt nicht eingreifen. Die Landesregierung wäre jedenfalls sehr gut beraten, wenn sie unser Konzept übernehmen würde. Es ist aus der gemeinsamen Idee geboren. Die Umsetzung, wie wir sie uns vorstellen, ist deutlich einfacher und deutlich ehrlicher gegenüber den Eltern.

(Beifall bei der FDP)

Diese „Unterrichtsgarantie plus“ ist eine Mogelpackung. Sie verärgert die Schulen, und sie verärgert auch die Eltern. Bleiben Sie doch beim Begriff „verlässliche Schule“. Es ist von Ihnen schon öfter genannt worden. Nehmen Sie unseren Begriff „garantierte Schulzeit“. Das ist ein ehrlicher Begriff. Eltern und Schulen wissen, worauf sie sich einlassen können. Das ist vor allen Dingen auch realisierbar. Sie machen ganz deutlich, Ihrer Alleinregierung fehlt es an Pragmatismus. Es fehlt auch an Sensibilität. Um es genau zu sagen: Es fehlt das liberale Korrektiv.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben im Oktober bereits angekündigt, wir werden das Maßband an Ihre „Unterrichtsgarantie plus“ legen. Sie können sicher sein, dass wir das tun werden. Ich befürchte allerdings, Sie werden das Ziel und die Messlatte mit diesem Konzept nicht erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Henzler, vielen Dank. – Als Nächste hat Frau Habermann für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wagner, es ist eigentlich nicht notwendig, sich mit dem Inhalt Ihrer Rede noch einmal zu beschäftigen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Christean Wagner! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Tun Sie mir das auch nicht an!)

Aber ich glaube, Ihre Rede hat eines relativ deutlich gezeigt: Es genügt nicht, in diesem Land Kultusminister gewesen zu sein, um kompetent über die Qualität von Bildung reden zu können.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Satz gilt sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart. Herr Wagner hat den größten Teil seiner Rede damit verbracht, eine Gewerkschaft zu beschimpfen, die die Interessen ihrer Mitglieder – der hessischen Lehrkräfte – vertritt und die das Interesse vertritt, Qualität in der schulischen Bildung zu erhalten und für guten Unterricht zu sorgen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Ich glaube, Sie sollten sich nicht so sehr mit diesen Beschimpfungen beschäftigen, sondern mit der Kritik, die dahinter steht, die breit getragen wird und die zeigt, dass Ihre Entschlossenheit, die Sie an den Tag legen, nichts nützt,weil die Qualität an den hessischen Schulen eine andere ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Kultusministerin könnte selbst aus ihrer Rundreise im Hessenland einen reichhaltigen Erfahrungsschatz vortragen, welche Reaktionen ihre Powerpoint-Vorträge über die Segnungen der „Unterrichtsgarantie plus“ bei den Betroffenen auslösen.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Großer Beifall! – Heiterkeit bei der CDU)

Das Ergebnis ist immer dasselbe: Zweifel an der Durchführbarkeit des Konzeptes und der Realisierung eines geeigneten Personalpools,Angst vor einer spürbaren Qualitätsabsenkung des Unterrichts durch den Einsatz von nicht ausreichend qualifizierten Kräften, Ärger darüber, dass die Personalausstattung weiterhin unzureichend ist und der schwarze Peter dafür zukünftig bei den Schulen abgegeben wird, und Betroffenheit über das Vorhaben, das unausgegorene Projekt auch noch mit einer Einschränkung der Mitbestimmungsrechte durchzuführen.

Der Protest gegen die „Unterrichtsgarantie plus“ – darauf wurde hier mehrfach hingewiesen – ist nämlich nicht von der GEW initiiert, wie Herr Dr.Wagner und auch die Kultusministerin die Öffentlichkeit das glauben machen wollen. Der VBE und auch der Hessische Philologenverband haben sich dieser Kritik angeschlossen. Das wurde bereits zitiert. 87 Schulen im Kreis Groß-Gerau und im MainTaunus-Kreis haben massiv gegen die Einführung der „Unterrichtsgarantie plus“ protestiert – 40 Schulen im Kreis Darmstadt-Dieburg. Ich kann sagen – das gilt vielleicht für alle Fraktionen in diesem Hause –: Tagtäglich kommen neue Briefe und neue Resolutionen von Eltern

vertretern, von Schulen, von Personalräten bei uns an, die alle die gleiche Aussage haben, dass nämlich diese „Unterrichtsgarantie plus“ nicht die Qualität der Schulen erhöht, sondern die Qualität des Unterrichts absenkt und nicht geeignet ist,für mehr und bessere Bildung zu sorgen.