Die Werte wurden diskreditiert, Religion wurde verächtlich gemacht, Ehe und Familie als Keimzelle eines jeden Staates wurden infrage gestellt. Selbst den Begriff „Heimat“ durfte man nicht nennen. Nationalstolz war kein Thema. Patriotismus fängt jetzt langsam wieder an, ein Thema zu werden. Ich bin froh darüber, dass man, wenn man durch die Stadt geht, junge Menschen Fahnen schwingend und freudestrahlend bei der Weltmeisterschaft sieht. Das ist ein gesunder Patriotismus, und der steht uns gut zu Gesicht.
Ich will nur ein Zitat bringen, das mir persönlich gut gefallen hat, weil es in der Sache richtig ist, obwohl ich es in der Diktion nicht ganz teile. Die ehemalige grüne Landtagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen Beate Scheffler hat erklärt:
Wir haben unser Ziel nicht erreicht. Statt der mündigen,sozial engagierten Jugend haben wir nur Spezies hervorgebracht, die egozentrisch, konsumorientiert und gewalttätig sind.
So weit die ehemalige Landtagsabgeordnete aus dem Jahre 1995. Ich sage ausdrücklich: Ich teile das in dieser Diktion nicht, weil es sehr verallgemeinernd dargestellt wird; aber ein Körnchen Wahrheit ist schon daran.
Entkriminalisierung von Drogen: All dies ist nicht hilfreich in dem Bemühen, Grenzen zu ziehen und Rahmen zu setzen.
Meine Damen und Herren, zu zerstörten Elternhäusern sagt Prof. Pfeiffer: massives Versagen bei den Eltern, ethnische Ursachen – Aussage von Prof. Pfeiffer –, fehlende Orientierung, fehlender Halt, Permissivität in der Erziehung versus autoritäre Erziehung.Wir sind von einem Extrem ins andere gefallen. Wir hatten die autoritäre Erziehung. Dann kommt das glatte Gegenteil, und beides ist sicherlich nicht das Nonplusultra. Wir brauchen also den gesunden Mittelweg.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die antiautoritäre Erziehung ist eine der Konsequenzen der Gewalt!)
Wir haben ein Riesenproblem, und das ist das, was mich persönlich sehr umtreibt: Gewalt verherrlichende Videos und Computerspiele und zu viel Medienkonsum. Meine Damen und Herren, wenn ich gelegentlich sehe, was für ein Schund in den Medien zu unmöglichsten Zeiten gezeigt wird, dann bin ich überzeugt, hier müssen wir etwas tun.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Untersuchung des amerikanischen Psychologen Prof.Dave Grossman zi
tieren. Meine Damen und Herren, das können Sie übrigens in der Märzausgabe der „Hessischen Polizeirundschau“ des Jahres 2003 nachlesen. Er hat 1999 ein bemerkenswertes Buch mit der Überschrift geschrieben: „Stop Teaching Our Kids To Kill“. Er hat die Auswirkungen von Medien auf das Verhalten von Kindern untersucht.Es gibt in Amerika etwa 3.500 Studien dazu, in Deutschland vergleichsweise wenige.Alle anderen bis auf 18, die von Medienunternehmen in Auftrag gegeben worden sind, sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Darstellung von medialer Gewalt sehr wohl erhebliche Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern hat: deutliche Nachahmungseffekte, besonders problematisch bei Menschen, die intellektuell nicht in der Lage sind zu begreifen, was Spiel und was Realität ist, so die Aussage von Prof. Grossman.
Es gibt Ärzte, die von posttraumatischen Zuständen bei Kindern aufgrund von Mediengewalt berichten, wie man sie sonst nur bei Kriegsteilnehmern vorfindet. Wenn man bedenkt, dass Jugendliche mit 16 Jahren teilweise mehr Stunden ferngesehen als Unterrichtsstunden genossen haben, dann kann man sich vorstellen, welche Auswirkungen dies auf junge Menschen haben kann.
Meine Damen und Herren, täglich Sex and Crime, Gewalt, Aggression, Erniedrigung von Menschen, Krieg und Horror. Ich füge hinzu: Schund ohne Ende, was wir uns als Erwachsene, als Gesellschaft teilweise von den Medien vorhalten lassen müssen. Dann kommt der Zwischenruf: Die CDU war daran schuld, weil wir die Privaten eingeführt haben.
Das kann man so sehen. Meine Damen und Herren, ob wir das wollen oder nicht: Das ist doch nur eine Frage der Zeit. Wir hätten das auch nicht tun können. Wir wären dann überrollt worden.Wir hätten es heute genauso.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die genau das bestätigen, was ich gerade kurz angesprochen habe. Das heißt im Klartext, wir müssen alles daransetzen, um in dieser Gesellschaft zu einem Konsens zu kommen. Wir müssen zu einer Kultur des Hinschauens statt des Wegschauens kommen.Wir müssen bereit sein,öffentlich darzustellen,dass wir das,was teilweise im Fernsehen oder in den Medien läuft,nicht akzeptieren.
Wir brauchen einen pädagogischen Konsens über Werte und Erziehung. Schließlich geht es um unsere Kinder, um unsere Zukunft.Ich denke,deshalb sollten wir auch in Zukunft gemeinsam daran arbeiten, wie wir das heute tun, und an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen – und dies nicht nur als eine Momentaufnahme begreifen, sondern als den Anfang einer gemeinsamen Zusammenarbeit, die uns auf Dauer beschäftigen muss. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich Sie mit einem Artikel aus der „Offenbach Post“ vom gestrigen Tag konfrontieren. Dort heißt es:
Drei junge Männer haben auf einem Parkplatz im Großraum Offenburg eine junge Frau vergewaltigt, die Tat gefilmt und die Bilder an Freunde verschickt. Wie die Polizei gestern mitteilte, hatte die 17-Jährige mit den Männern im Alter zwischen 16 und 18 Jahren zuvor Alkohol getrunken. Das Mädchen sei derart betrunken gewesen, dass sie sich nicht mehr habe auf den Beinen halten können. In dieser Situation sei sie von den Schülern und Auszubildenden vergewaltigt worden. Ein Vierter habe das Geschehen mitbekommen, aber nichts unternommen. Das Opfer sei liegen gelassen worden. Die mutmaßlichen Täter hätten mit einem Fotohandy die Tat gefilmt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe diese Nachricht vom gestrigen Tag in ihrer Brutalität bewusst an den Anfang meiner Ausführungen gestellt; denn darin kommt zum Ausdruck, dass wir ein reales, ein existentes und nach politischen Handlungen schreiendes Phänomen haben.Wir haben hier ein Phänomen, das Handlungen erfordert, die über das hinausgehen, was zurzeit in unserem gemeinsamen Antrag niedergelegt worden ist.
Ich will aber auch – wie Kollege Irmer – zu Beginn sagen, dass solche Formen brutaler Gewalt, solche Phänomene der Verrohung an unseren Schulen die Ausnahmen sind. Es sind auch die Medien, die gerne über Schlägereien, aber zu wenig über Streitschlichtergruppen an Schulen berichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das anhand einiger persönlicher Beispiele aus meinem Erfahrungshintergrund belegen. Ich betätige mich im Sinne eines Hobbys im Rahmen eines kleinen Vereins als Sozialarbeiter an einigen Darmstädter Schulen. Dort befassen wir uns sehr intensiv mit dem Thema Gewaltprävention. Wir haben an Gymnasien, aber auch an einer Real- und Hauptschule Streitschlichtergruppen eingerichtet,die von Schülern getragen werden.Über Maßnahmen zur Psychomotorik versuchen wir, die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen.Wir haben – auch das ist ein Teil dieses Antrags – ein Zentrum für junge Kriminalitätsopfer unter der Schirmherrschaft der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eingerichtet, in dem wir auch dem Rechnung tragen wollen, dass bei Gewalt Opfer betroffen sind.
An diesen Arbeitszusammenhängen beteiligen sich Lehrer und Schüler, und diese Verbindung von Jugendhilfe auf der einen und Schule auf der anderen Seite ist produktiv.
Ich schildere dies hier auch deshalb so ausführlich, weil ich auf einen wichtigen Lösungsansatz hinweisen möchte. In dem Maße, in dem sich Schule als Teil der Lebenswelt der Schüler begreift, wird sie auch in der Lage sein, die
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die heutige Debatte wird insgesamt – mit einigen kleinen Ausnahmen, beispielsweise zu den Anwürfen gegen die 68er, die von Herrn Irmer auch eher in seiner üblichen Rhetorik vorgetragen wurden – von vorsichtigen und leisen Zwischentönen geprägt sein. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass das Phänomen der Verrohung und Gewalt eher durch mehr Ganztagsangebote an unseren Schulen, eher durch eine Schulpolitik, die davon geprägt ist, Schule als Lernort zu begreifen, eher durch mehr Schulsozialarbeit und durch mehr Menschen, die Gesundheitsvor- und -fürsorge an Schulen machen, geprägt sein wird als durch weniger oder durch einen Abbau dieser Maßnahmen, die an unseren Schulen notwendig sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen Schulen, die die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des einzelnen Kindes in den Fokus ihrer Bemühungen stellen – nicht solche, die nur das System Schule am Funktionieren halten.
Wenn ich das zusammenfasse, dann klingt das eher nach einem Schulsystem, das sich einem längeren gemeinsamen Lernen verpflichtet, wie es die SPD-Fraktion und die Kollegin Habermann wie auch andere immer wieder als das „Haus der Bildung“ beschreiben.
Ein solches System klingt eher weniger nach dem, was wir momentan in den Bemühungen der Landesregierung wahrnehmen. Ich glaube, Selektion und Leistungsdruck, die Orientierung auf Formalqualifikationen und nicht auf soziale Kompetenz fördern ein Klima, das für einen gewaltfreien Umgang eher hinderlich als förderlich ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Aphoristiker Werner Mitsch hat es auf eine kurze Formel gebracht. Er sagt: „Gewalt ist ein Produkt der Kopfnussideologie.“ Aphorismen beschreiben manchmal sehr prägnant und in sehr kurzer Form eine ganze Sittengeschichte.
Damit komme ich zu dem, was in dem im Antrag zitierten Papier des Netzwerkes gegen Gewalt ausgeführt wird. Sie werden in diesen Punkten sehr viel Ähnliches zu dem finden,was Herr Irmer bereits ausgeführt hat,aber ich werde auch auf die Unterschiede hinweisen. Ich zitiere:
Gewaltvorkommnisse an Schulen sind oftmals durch ein äußerst komplexes Ursachen- und Bedingungsgefüge begründet. Dazu gehört, dass Kinder und Jugendliche die Vorbilder, Werte und Normen nicht mehr vorwiegend im Elternhaus finden, sondern vielfach über Medienangebote, Internet und jugendliche Cliquen.Oftmals sind es Prägungen aus praktizierter Gewalt in der Familie, verbunden mit problematischen Verhältnissen wie Arbeitslosigkeit, Elternkonflikten und fehlender menschlicher Wärme. Nach verschiedenen Untersuchungen erhöht sich das Risiko der Entstehung von Jugendgewalt dramatisch, wenn mindestens zwei der folgenden belastenden Faktoren zusammentreffen: Erfahrung innerfamiliärer Gewalt; gravierende soziale Benachteiligung der Familie; schlechte Zukunftschancen des Jugendlichen selbst, insbeson
dere aufgrund niedrigen Bildungsniveaus;Orientierungslosigkeit in der Sozialisation durch fehlende oder unzureichende Erziehungskompetenz der Eltern; zeitlich ausgedehnte Mediennutzung – vor allem dann, wenn die genutzten Medienprodukte gewaltsame Verhaltensweisen zeigen bzw. beinhalten.
Wir sind uns darin einig, dass diese Faktoren eine Rolle spielen, aber offensichtlich sind wir uneins in der Beurteilung des Zusammenspiels dieser Faktoren. Ich halte es für notwendig und wichtig,das zu betonen,wenn wir nach Lösungsvorschlägen suchen.