Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

(Michael Boddenberg (CDU): Logisch!)

Ich finde, die verhalten sich sehr loyal, weil sie Ihnen sagen, was das für ein Unsinn ist, den Sie gerade verzapfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verhalten sich auch sehr loyal gegenüber unseren Kindern und den Eltern, weil sie die Verantwortung dafür übernehmen, den Kindern die bestmögliche Bildung angedeihen zu wollen. Ich glaube, die Schulleiter wären mit ihrer Kritik wahrscheinlich gar nicht an die Öffentlichkeit gegangen, wenn sie in Ihrem Hause einmal auf offene Ohren gestoßen wären.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kritik der Schulleiter hat Ihre Pläne gnadenlos durcheinander gebracht. Frau Ministerin, wissen Sie, Politik braucht Legitimation.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Die Legitimation haben Sie. Sie haben die absolute Mehrheit in diesem Haus.

(Michael Boddenberg (CDU): Hart erarbeitet!)

Aber Politik braucht auch Zustimmung im Lande. Diese Zustimmung haben Sie schon lange nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, Zustimmung kann man nicht erzwingen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich wollte nur einmal daran erinnern, da war etwas!)

Die kann man nur durch Überzeugung gewinnen. Sie überzeugen mit Ihrer Bildungspolitik schon lange niemanden mehr in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Ypsilanti, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Frau Ministerin, nehmen Sie die Kritik ernst, drohen Sie nicht, auch nicht mit der wahrscheinlich massivsten Drohung, nämlich die Abordnung in Ihr Vorzimmer, um auf Beschwerdebriefe zu schreiben, sondern bemühen Sie sich um Überzeugung,um Zustimmung für Ihre Bildungspolitik in diesem Lande.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Michael Boddenberg (CDU): Sozialdemokratische Briefe beantworten!)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Irmer, CDUFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Ypsilanti, Sie haben zu Recht gesagt: Politik braucht Legitimation. – Bei der Gelegenheit will ich in aller Bescheidenheit auf die Kommunalwahl hinweisen. Sie haben die Kommunalwahl zur Testwahl für das Land machen wollen. Das Ergebnis ist bekannt. Von daher kann die Kritik nicht ganz so schlimm sein.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Zweiter Punkt. Dem Staat ist durch Art. 7 Grundgesetz die Verantwortung für das Schulwesen übertragen. Herr Kollege Schmitt, das sollten Sie als Jurist wissen. Das heißt, es gibt eine staatliche Verantwortung für die Bildung. Entsprechend sind auch die Beamtengesetze ausge

staltet. Der Beamte dient nicht einer Person oder einer Partei. Er dient dem Allgemeinwohl. Er erfüllt eine hoheitliche Aufgabe nach Art. 33 Grundgesetz. Er steht deshalb in einem besonderen Treue- und Loyalitätsverhältnis zu dem Arbeitgeber, und zwar unabhängig davon, wer regiert. Er ist unkündbar, frei von Unterdrückung usw. Er hat damit auch kein Streikrecht. Das ist sicherlich richtig.

Auf der anderen Seite wird er durch den Staat lebenslang alimentiert. Das ist in Deutschland insgesamt sicherlich nicht schlecht,wenn man von der Schweiz absieht,am besten alimentiert. Das heißt, dieses besondere Treueverhältnis bedeutet auch, ein Beamter hat eine entsprechende Vorbildfunktion.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber die Meinungsfreiheit gilt? – Zuruf des Abg. Uwe Frankenberger (SPD))

Meine Damen und Herren, es wäre schlimm, wenn Schüler den Eindruck haben sollten, dass das Durchsetzen von Interessen auch durch Rechtsbruch möglich sein könnte. Es wäre schlimm, wenn Schüler den Eindruck bekommen müssten,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gilt die Meinungsfreiheit, oder nicht?)

Pflichtverletzung und Arbeitsverweigerung gegenüber dem Staat seien legitim und gegebenenfalls das geeignete Mittel. Spätestens hier wird deutlich, wie wichtig das Berufsbeamtentum ist, das Sie seit vielen Jahren abschaffen wollen, das Sie nicht abgeschafft haben, obwohl Sie in letzter Konsequenz immer die Möglichkeit gehabt hätten. Aber Sie wissen, warum Sie es nicht gemacht haben. Abgesehen von den pekuniären Aspekten ist der entscheidende Punkt des Berufsbeamtentums: Der Staat muss sich jederzeit auf seine Beamten verlassen können.Genau das tun wir auch. Das müssen wir als Staat auch tun – völlig egal, wie die Regierung aussieht.

Jetzt kommen wir mit der entsprechenden Kürze zu dem aktuellen Fall. Überschrift in der „Frankfurter Rundschau“ vom 17. 06.: „Ministerin Wolff straft Schulleiter ab“. Man könnte meinen: Um Gottes willen, was alles auf die armen Lehrer zukommt, ist ja alles Unfug. – Rein zufällig kommt zwei Tage später ein Antrag der SPD.

(Norbert Schmitt (SPD):Was heißt „zufällig“?)

Man könnte meinen, es gibt vielleicht Zusammenhänge zwischen der SPD-Zeitung und der SPD-Landtagsfraktion.Aber sei es drum.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Meine Damen und Herren, Sie haben dann in markigen Worten erklärt: feudalistisch, absolutistisch, autistisch usw. – Salopp formuliert ist das doch alles Unfug, Affentheater, viel Wind um nichts. Es gibt keinen Brief des Kultusministeriums, keine Verordnung, kein Erlass, nichts. Sie haben aus einem Interview, aus einem Bericht mit Pressesprecher Börge zitiert, der erklärt hat, die Ministerin sei zuversichtlich, dass die Schulen die Pools schaffen. Das sehe ich genauso. Die Entwicklung sei sehr positiv. Die Ministerin setze alles Vertrauen in die Schulleiter. Und wenn nötig, gäbe es eine Hilfestellung des Kultusministeriums.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat doch alles bestätigt!)

Sollten in Einzelfällen keine Pools gebildet werden sollen, dann möge es allerdings ein Gespräch mit dem Schullei

ter, notfalls auch im Schulamt oder im Kultusministerium geben.

Um eines ganz klar zu sagen: Kritik ja – Boykott nein.

(Beifall bei der CDU)

Es kann nicht sein, dass Schulleiter das, was wir politisch wollen, aus parteipolitischen Gründen zu verhindern versuchen.

Ich will Ihnen einen einzigen Fall schildern. Wenn zu mir ein junger Mensch kommt und erklärt, sein Schulleiter, ein sozialdemokratischer Kommunalpolitiker, habe ihm erklärt,er solle sich unterstehen,sich für den Pool „Unterrichtsgarantie plus“ zur Verfügung zu stellen, dann sage ich sehr deutlich: Hier ist der Bogen überspannt. Dies werden wir nicht akzeptieren.Das hat mit Loyalität nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Wir lassen nicht zu,dass Parteipolitik auf dem Rücken der Kinder gemacht wird.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bravo! Dann hören Sie damit auf!)

Wir lassen es nicht zu, dass einige sozialdemokratische Schulleiter – das ist die absolute Minderheit – bewusst versuchen, Unterrichtsausfall zu produzieren.

(Widerspruch bei der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eine Unverschämtheit!)

Es geht um unsere Kinder, eine gute schulische Ausbildung und ihre Zukunft. Diese lassen wir nicht durch einige ideologische Tiefflieger und Kleingeister gefährden.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Was heißt denn „einige“? – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Herr Irmer ist ein ideologisches U-Boot! So tief ist der!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der „Frankfurter Rundschau“ vom 17.06.2006 stand unter der Überschrift „Ministerin Wolff straft Schulleiter ab“ Folgendes:

Das Hessische Kultusministerium will nach Informationen der Frankfurter Rundschau Schulleiter abstrafen, die kritisch zur „Unterrichtsgarantie plus“ stehen. Sie sollen für drei bis sechs Monate an Staatliche Schulämter abgeordnet werden. Das Ministerium bestätigte die Informationen indirekt.

Wie muss es eigentlich um eine Kultusministerin bestellt sein, die auf Strafe statt auf Argumente für ihre Bildungspolitik setzt?