Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Das Zweite. Herr Kollege Lübcke, Sie können den Antrag nicht verstehen. Wir können nachher hinausgehen, dann lese ich ihn Ihnen vor, dann wird er vielleicht verstanden.

Wir wissen sehr wohl, und ich stehe zu der Konstruktion, die im Übrigen nicht in unserer Zeit geschaffen worden ist, sondern zu der Zeit von Rot-Grün, dass die Verbünde konstruiert worden sind und die Verbünde die Verantwortung tragen. Aber nach dem Chaos an Informationen über die Auswirkung der Sparbeschlüsse bin ich der Meinung, der Hessische Landtag hat ein Anrecht darauf, von den Verbünden zu erfahren, wie es tatsächlich vor Ort aussieht. Das ist die Intention unseres Antrags.

(Michael Boddenberg (CDU): Wer hat denn das Chaos gemacht? Wer trägt denn zu dem Chaos bei? Unter anderem auch Sie, Herr Posch!)

Herr Kollege,ich möchte Sie dann bitten,den Beweis für das anzutreten, was Sie eben gerade gesagt haben. Von mir gibt es zu diesen Fragen keine Aussage.Ich möchte die Verbünde hören, weil ich wissen will, welche Auswirkungen die Sparbeschlüsse tatsächlich haben. Bisher habe ich nur ein Chaos an Informationen.

(Beifall bei der FDP)

Das Einzige, was ich weiß: seit letztem Freitag müssen 500 Millionen c eingespart werden. Die „FAZ“ hat das vornehm ein „Handelsgeschäft“ genannt. Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als ein Kuhhandel, bei dem Sie noch nicht wissen, welche Auswirkungen der für das Land Hessen hat.

Es geht um Folgendes, Herr Kollege Lübcke. Diese Landesregierung muss deutlich sagen, welchen Stellenwert der öffentliche Personennahverkehr in diesem Lande hat. Wir als FDP sagen, das gehört dazu, dass der Staat hier eine Aufgabe hat, dass sich dieser Markt nicht ausschließlich in einer Übergangszeit am Markt orientiert.Wir müssen staatliche Mittel hinzufügen, damit die Infrastruktur sowohl im Ballungsgebiet als auch in ländlichen Gebieten tatsächlich erhalten werden kann. Diese Aussage fehlt völlig. Deswegen, Herr Dr. Rhiel, es gibt viele Erklärungen,und in aller Regel sind die nicht sehr klar.Es gibt aber eine dpa-Meldung: „Das Nahverkehrsangebot in Hessen wird sich nach Einschätzung von Verkehrsminister Rhiel trotz geplanter Kürzungen von Bundesmitteln im Jahr 2007 nicht verschlechtern.“ Was wird denn von NVV und RMV gesagt? Hat das etwas mit Nicht-Verschlechtern zu tun? Das ist eine kolossale Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand.

(Gerhard Bökel (SPD): Er will das doch kompensieren! – Norbert Schmitt (SPD): Mit höheren Mehrwertsteuermitteln! – Reinhard Kahl (SPD): Erst einmal die Zweckentfremdung weglassen! Alles Bundesgeld in den ÖPNV! – Gegenrufe von der CDU)

Nun kriegt euch mal richtig an die Hälse, jawohl, große Koalition pur.

(Beifall bei der FDP)

Dann sagen Sie noch einen Satz, und das ist etwas, wo Sie selbst Verantwortung tragen: Die Kürzungen können durch konsequente Ausschreibung aller Verkehrsleistungen zum größten Teil aufgefangen werden; allein beim Busverkehr in Hessen betrage das Einsparpotenzial rund 100 Millionen c. Meine Damen und Herren, wir haben in der Vergangenheit im öffentlichen Personennahverkehr viel über Ausschreibung und Wettbewerb erreicht. Ich habe aber mehr als nur Zweifel, ob das die Aussage rechtfertigt, dass durch Ausschreibung die Einsparmittel kompensiert werden können. Dies funktioniert in absehbarer Zeit nicht.

Lieber Herr Kollege Posch, würden Sie dann bitte zum Schluss kommen?

Noch einen Satz, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Ich will dies auch begründen. Sie, Herr Minister Rhiel, haben es zugelassen und werden es zulassen, dass die Inhausvergabe stattfindet – bei dem kommunalen Druck, den ich aus der Sicht der kommunalen Betriebe verstehe. Das kann aber dazu führen, dass 70 % unserer Buslinien nicht mehr ausgeschrieben werden, sondern inhaus vergeben werden. Wenn das der Fall ist, dann reduziert sich die Kompensationsmöglichkeit um ein Vielfaches. Es ist ein Trugschluss und die Unwahrheit, zu sagen, durch Wettbewerb könnten 1,8 Milliarden c kompensiert werden. Das stimmt nicht, und Sie tragen die Verantwortung dafür, dass eine Verschlechterung sowohl im Ballungsgebiet wie insbesondere in den ländlichen Räumen eintreten wird, Herr Rhiel.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Weitere Zurufe von der CDU)

Vielen Dank.– Das Wort hat die Frau Kollegin Pfaff,SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Dr. Lübcke machen schon betroffen. Herr Dr. Lübcke, Sie haben kein einziges Wort gesagt, wie man in Hessen mit diesen Kürzungen umgehen will. Sie haben sich damit jeglicher Verantwortung für den Nahverkehr entzogen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,auf der Grundlage des Koalitionsvertrages war zunächst im Haushaltsbegleitgesetz eine Kürzung der Regionalisierungsmittel um 2,3 Milliarden c, für Hessen 170 Millionen c, vorgesehen. In gleicher Weise wie der rheinland-pfälzische Mi

nisterpräsident Kurt Beck haben wir die drastischen Kürzungen von Anfang an abgelehnt, weil sie verkehrspolitisch kontraproduktiv sind, zu tiefen Einschnitten im Angebot führen und ebenfalls zu drastischen Tarifsteigerungen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich würde an Ihrer Stelle den Rücktritt von Herrn Steinbrück verlangen!)

Ich verweise auf unseren Antrag, der ebenfalls auf der Tagesordnung steht. RMV und NVV haben bereits mehrfach auf die massiven Auswirkungen hingewiesen, und sie sind hier von meinen Kollegen auch dargestellt worden. Das Ergebnis des Sparpakets zeigt eines in aller Klarheit: es ist verkehrspolitisch nicht zu verantworten und steht für eine ÖPNV-Politik mit der Abrissbirne, die die Attraktivität des ÖPNV akut gefährdet. Statt mehr Mobilität stehen am Ende mehr Staus und mehr Belastungen für die Menschen in Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Weil auch wir die Notwendigkeit zur Konsolidierung des Bundeshaushalts sehen,

(Zurufe von der CDU:Aha!)

haben wir einen Vorschlag unterbreitet: vor einer Kürzung nach dem Rasenmäherprinzip zunächst einmal eine Bedarfsermittlung unter Berücksichtigung der bestehenden Verkehrsverträge und der mittelfristigen Finanzplanung vorzunehmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 %!)

Leider ist dieser Vorschlag nicht in die Realität umgesetzt worden. Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat den hier bereits dargestellten Kompromiss zwischen Bund und Ländern erzielt. Für Hessen bedeutet dies statt einer Kürzung von ursprünglich 170 Millionen c nunmehr nach den ersten Berechnungen 130 Millionen c weniger. Unsere Erwartungen sahen anders aus, und deshalb löst der Kompromiss in unserer Fraktion keine Begeisterungsstürme aus. Im Gegenteil, es wird auch nach dem Kompromiss in Hessen zu tiefen Einschnitten kommen, da auch die Verbünde mit weit höheren Reduzierungen durch den Bundesrat rechnen. Zudem sind die Einsparungen aus dem Wettbewerb beim RMV bis zum Jahr 2009 bereits für den Ankauf von Neufahrzeugen belegt. Entgegen Ihrer Ankündigung, Herr Minister Rhiel, kann der Wettbewerb allein das Loch, das wir in Hessen zu bewältigen haben, nicht stopfen.

(Beifall bei der SPD)

Mir ist daher völlig schleierhaft, wie Sie, Herr Minister Rhiel, unter diesen Bedingungen das hoch gelobte Projekt „Staufreies Hessen 2015“ – eigentlich Chefsache des Ministerpräsidenten – erfolgreich realisieren wollen.

Im Zusammenhang mit dem Kompromiss begrüßen wir sehr, dass sich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck schon vor Monaten gegen die Kürzungen stark machte und nun im Bundesrat gemeinsam mit anderen Bundesländern einen Erfolg erreichen konnte. Herr Minister Rhiel, während Beck und die Ministerpräsidenten fast alle anderen Bundesländer noch bis zur letzten Minute gegen die Kürzung vorgegangen sind, hat Herr Ministerpräsident Koch dafür nicht einen einzigen Finger gerührt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Weitere Zurufe der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist kein Wunder, denn der Hessische Ministerpräsident ist der Architekt der ÖPNVPolitik mit der Abrissbirne.

(Beifall bei der SPD)

Bereits im Rahmen des Koch-Steinbrück-Papiers zum Subventionsabbau hat er gemeinsam mit Steinbrück maßgeblich dazu beigetragen, dass die Mittel gekürzt wurden.

(Anhaltende Zurufe von der CDU und der SPD)

Nun hören Sie doch einmal zu, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Das Wort hat Frau Kollegin Pfaff.

Im vergangenen Herbst wurde das jetzt verabschiedete Konsolidierungspaket wiederum unter Federführung des Hessischen Ministerpräsidenten Koch und mit Steinbrück ausgearbeitet.Während der Bundesminister natürlich die Bundesinteressen zu vertreten hat,

(Zurufe von der CDU:Aha!)

ist es in einem föderalen Staat die originäre Aufgabe des Hessischen Ministerpräsidenten, die Interessen des Landes wahrzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt, auch wenn er als Koalitionär in Berlin am Tisch sitzt. Er hat das nicht getan. Das wurde am Freitag in der Bundesratsdebatte erneut deutlich. Wirtschaftsminister Rhiel verfügt dagegen offenbar über ein gespaltenes Bewusstsein.

(Zuruf von der CDU: Den Beweis haben Sie heute angetreten!)

Frau Kollegin Pfaff, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Auf der Verkehrsministerkonferenz lehnte er kategorisch die Kürzungen ab. Dort hingegen, wo er gemeinsam mit seinem Chef, dem Ministerpräsidenten, auftritt, wie jüngst bei der Kommunalkonferenz auf dem Hessentag, knickt er ein und traut sich nicht, die verkehrspolitische Position, die er hat, durchzusetzen. Es ist geradezu ein Skandal, wie diese Landesregierung mit der ÖPNV-Politik umgeht.

(Michael Boddenberg (CDU): Lustiger Vortrag, nur verstehe ich Ihre Worte nicht!)

Frau Kollegin Pfaff, sind Sie so lieb?

Wir fordern die Landesregierung auf, den Ausfall der Bundesmittel durch Landesmittel aufzufangen. Die Ausfälle und deren Kompensation dürfen nicht den kommunalen Aufgabenträgern alleine aufgebürdet werden. Das Land hat hier Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Rhiel, Sie haben in den Jahren 2003 bis 2006 insgesamt sage und schreibe ca. 135 Millionen c an Überschüssen aus den Bundesregionalisierungsmitteln erzielt,

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist der Punkt!)