Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage Sie jetzt: Wo ist denn die angebliche Blockade der GEW? Die Frau Kultusministerin stellte sich letzte Woche hin und sagte, an 80 % der Schulen sei der Aufbau der Pools auf gutem Wege.Das sagte die Kultusministerin, obwohl dieses Gesetz überhaupt nicht in Kraft ist. Wo ist die Blockade der GEW? Ich kann nur feststellen, dass die

Schulen sehr loyal sind. Sie setzen das um, was aus Wiesbaden kommt, obwohl sie es inhaltlich falsch finden. Deshalb braucht es gegenüber den Menschen, die an unseren Schulen eine hervorragende Arbeit leisten,keine Drohgebärden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Argument der Blockade bzw. der nicht vorhandenen Blockade ist ein sehr wichtiges. Denn bei der Einbringung Ihres Gesetzes hat der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dr. Christean Wagner, am 16. Mai dieses Jahres von diesem Pult aus gesagt:

Meine Damen und Herren, mit generalstabsmäßiger Kampagne versucht die GEW, dieses vernünftige Konzept der Landesregierung zu durchkreuzen. Ich will etwas hinzufügen, weil auch das von der Opposition immer wieder angesprochen wird: Ohne diesen GEW-Sabotageversuch hätte es keiner weiteren Gesetzesänderung bedurft.

Ich stelle fest: Es gibt keine Blockade, deshalb hätte es dieses Gesetzes und der Einschränkung der Personalvertretungsrechte nicht bedurft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das hätten Sie gern!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss der Rede noch auf eines eingehen,weil Herr Irmer bei der zweiten Lesung am Dienstag arithmetische Zahlenspiele eingebracht hat. Die Kultusministerin sagte vor wenigen Wochen, in unserem Lande fielen 70.000 Unterrichtsstunden aus.

(Ministerin Karin Wolff: Nein, mussten vertreten werden! – Michael Boddenberg (CDU): Das ist wieder die Unwahrheit!)

Herr Kollege Boddenberg, seien Sie vorsichtig mit der „Unwahrheit“. – Der Herr Kollege Irmer rechnete dem erstaunten Publikum am Dienstag vor, es ginge nur um einen Unterrichtsausfall von 2,5 %. Herr Kollege Irmer, ich rechne nun für Sie sehr positiv:Wir haben im unmittelbaren Schuldienst 40.000 Lehrerinnen und Lehrer – Sie wissen,dass diese Zahl sehr positiv gerechnet ist.2,5 % hieße, wenn wir in unserem Lande 1.000 Lehrerstellen mehr hätten, gäbe es keinen Unterrichtsausfall.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist wieder die Unwahrheit! Das passt zu dem, was Sie sonst noch gesagt haben! Rechnen Sie doch einmal in Unterrichtsstunden!)

Ich stelle fest, es sind exakt die 1.000 Stellen, die Sie im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ gestrichen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Ihre eigenen Zahlen stimmten, dann könnten wir von den 42 Millionen c, die Sie jetzt für Vertretungsmittel bereitstellen, 1.000 Lehrerstellen bezahlen. Aber Sie wissen es doch selbst besser: Der Unterrichtsausfall ist so, wie ihn die Kultusministerin dargestellt hat.Es sind 70.000 Stunden.

(Michael Boddenberg (CDU):Was Sie sagen,passt! Das ist auch gut so!)

Deshalb müssen Sie diese Lücke mit Billigkräften statt mit qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern schließen. Dieser Weg ist falsch, und deshalb lehnen wir Ihr Gesetz ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Henzler das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Herr, Sie haben vorhin an diesem Pult für ganz Hessen eine ideale Situation geschildert:Alle Schulen haben ihre Personalpools schon fast voll.

(Michael Boddenberg (CDU): Das hat er nicht gesagt!)

Doch, er hat gesagt, zu 80 bis 90 %. – Es herrsche überall Einigkeit, eitel Freude, und die Menschen, die sich bereit erklärt hätten, Vertretungsunterricht zu halten, seien alle hoch qualifiziert. Herr Dr. Herr, dann kann ich der CDU nur eines raten: Ziehen Sie das Gesetz heute zurück; denn wenn die Situation heute so ist, dann brauchen Sie es nicht mehr.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes – ich habe leider keine Zweifel daran,dass es verabschiedet wird – begehen das Kultusministerium und die Kultusministerin nicht nur drei Kardinalfehler, sondern in meinen Augen begeht sie den größten Fehler ihrer Arbeitszeit überhaupt, und es wird der größte Misserfolg werden.

(Beifall bei der FDP)

Auch der jetzt vorliegende Änderungsantrag mit dem „Hauptpersonalrat der Lehrer“ und dem „Hauptpersonalrat am Kultusministerium“ zeigt,wie genau und gründlich Sie Ihren Gesetzentwurf vorbereitet haben;denn man sollte schließlich wissen, welche Beteiligungsrechte betroffen sind und welcher Hauptpersonalrat überhaupt ein Mitspracherecht hat.

Alle Beteiligten an den Schulen sind dagegen, und zwar nicht nur die, die ideologisch sind, und nicht nur – wie das unterstellt wird – die Funktionäre der GEW. Liebe Frau Kölsch, wenn Sie heute die „Taunus-Zeitung“ gelesen hätten,dann hätten Sie festgestellt,dass selbst an unserem Mustergymnasium, dem Kaiserin-Friedrich-Gymnasium, der Personalrat und die gesamte Lehrerschaft eine Resolution verfasst haben, die beinhaltet, dass sie eben nicht mit der Unterrichtsgarantie plus einverstanden sind und sie nicht haben wollen. Man kann Politik nicht gegen alle Menschen machen. Man kann Politik nur mit ihnen machen. Herr Irmer, es gab schon einmal einen Kultusminister, der das auch gegen den Willen aller Beteiligten gemacht hat. Ich kann Ihnen nur sagen, dass dieser Kultusminister 1999 abgewählt worden ist. Das sollte Ihnen wirklich zu denken geben.

Warum gibt es denn jetzt überall diesen großen Protest? Aus einem sehr einfachen Grund: Ein wirklich gutes Ziel, nämlich die verlässliche Schule,wird mit einem schlechten Begriff, dem der Unterrichtsgarantie plus, versehen und soll dann umgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP)

Mit diesem Begriff „Unterrichtsgarantie plus“ wird den Eltern und Schülern etwas vorgegaukelt, was mit dem dann eingestellten Hilfspersonal schlicht und ergreifend nicht zu leisten ist. Es sind keine ausgebildeten Lehrer.

(Beifall bei der FDP)

Die Eltern in diesem Lande erheben einen Anspruch auf Qualität in der Schule. Sie erheben auch einen Anspruch auf gut ausgebildete Lehrer. Das ist ihr gutes Recht. Die Politik – insbesondere die Politik der CDU/FDP-Regierung seit 1999 – hat den Eltern erst die Bedeutung der Bildung klargemacht.Wir haben den Eltern gesagt: Es ist unheimlich wichtig, dass in der Schule guter Unterricht stattfindet. Es ist wichtig, dass Eltern diesen Unterricht ernst nehmen. Es ist wichtig, dass die Eltern auch die Lehrer ernst nehmen. – Wir haben den Eltern den Bildungsbegriff und die Bedeutung der Bildung vermittelt, und jetzt erheben sie auch Anspruch auf Qualität in der Schule.

(Beifall bei der FDP)

Zum Zweiten haben Eltern natürlich Angst, und sie haben berechtigte Angst: Wer ist mit unseren Kindern im Klassenzimmern hinter verschlossener Tür? Was macht diese Person mit diesen Kindern hinter der verschlossenen Tür? Und was erzählen die eigenen Kinder dieser fremden Person alles während dieses Unterrichts? – Vergessen Sie nicht, diese Personen sind nicht auf die Verfassung des Landes Hessen vereidigt, so, wie das jeder Lehrer sein muss, und sie haben auch kein polizeiliches Führungszeugnis. Da kann ich die Ausführungen von Herrn Dr. Herr überhaupt nicht verstehen; denn wenn das polizeiliche Führungszeugnis so wenig aussagt, dann brauchen wir es zukünftig überhaupt nicht mehr, dann können wir es wirklich lassen.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Richtig!)

Gerade die Schule lebt wie kaum eine andere Einrichtung von den Menschen, die sie gestalten. Das sind nicht nur die Lehrer, Schüler und Eltern, die in den Mitbestimmungsgremien sind,sondern das sind auch Sekretärinnen, Hausmeister, der Förderverein und die ehrenamtlich tätigen Menschen an so einer Schule. Es gibt mittlerweile unheimlich viele ehrenamtlich Tätige an den Schulen.

Das funktioniert alles nur,wenn es sich um ein gutes Team handelt, das sich zum Wohle der Kinder zusammenfindet und zum Wohle der Kinder arbeitet. In so ein Team, das harmonisch zusammenarbeitet, kann man nicht einfach von außen eine ungewollte Vertretungskraft hineinpflanzen, indem man über alle Einspruchsfristen hinweggeht und per Befehl des Kultusministeriums sagt: Dieser Mensch soll an dieser Schule unterrichten. – Das geht nicht, das stört diesen Frieden.

(Beifall bei der FDP)

Wie wir jetzt gesehen haben, sind die Personalversammlungen an den Schulen eben nicht mit den Funktionären der GEW gleichzusetzen. Zu diesem Thema hatten wir im Rahmen der Nationalhymne auch eine Debatte. Die Funktionäre machen vielleicht scharf, aber die Personalräte an den Schulen sind gar nicht so. Sie sind eigentlich gutwillig, und sie arbeiten an diesem Konzept mit. – Sie wollen wenige treffen,nämlich die Funktionäre der GEW, aber Sie treffen dabei alle gutwilligen Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der FDP)

Zum anderen ist es auch eine Frage des Umgangs mit Vertretungskräften, die auf dieser Liste sind. Sie gaukeln ihnen vor, sie könnten wie die Lehrer richtigen Unterricht halten, denn sie sollen ihn auch fünf Wochen lang durchführen.In der „HNA“ vom 11.07.2006 steht:„Eine Stunde Superstress“.Eine „HNA“-Volontärin hat es nämlich ausprobiert. Sie versuchte sich im Rahmen der Unterrichtsgarantie plus als Lehrerin. Ich zitiere Ihnen nun einige Teile dieser Berichterstattung:

Meine Stimme wird während der gesamten 45 Minuten gerade unterhalb der Grenze zum Brüllen sein. Ruhe. Seid ihr jetzt bitte mal ruhig. Hallo, Ruhe jetzt!

(Michael Boddenberg (CDU): Wen meinen Sie jetzt? – Heiterkeit)

Wenn es gar nicht hilft...

(Michael Boddenberg (CDU): Machen Sie auch einen Erfahrungsbericht, Frau Kollegin? Machen Sie weiter mit dieser „repräsentativen“ Umfrage! – Zuruf des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Verehrter Herr Ministerpräsident, das ist nicht sehr viel anders als bei den Lehrern, aber die Lehrer sind dafür ausgebildet, werden dafür auch sehr gut bezahlt und haben sich darauf eingelassen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es gar nicht hilft...

(Unruhe – Michael Boddenberg (CDU): Sie sind auch nicht besonders als Lehrerin!)

Herr Boddenberg, Sie müssen sich auch einmal Dinge anhören, die Ihnen vielleicht nicht passen.