Der Gesetzentwurf wird zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen. – Ich sehe, das ist einvernehmlich.
Ich bin gebeten worden, auf die jetzt folgenden Tagesordnungspunkte hinzuweisen, damit klar ist, wie sich die Sitzung bis zur Mittagspause gestaltet.Als Nächster wird Tagesordnungspunkt 10 aufgerufen, erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Darauf folgt Tagesordnungspunkt 11, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des Disziplinarrechts.
Vor der Mittagspause wird Tagesordnungspunkt 59 aufgerufen, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Erstes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen. Dieser Tagesordnungspunkt wird gemeinsam mit folgenden Tagesordnungspunkten aufgerufen: Tagesordnungspunkt 60, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Zweites Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen, Tagesordnungspunkt 61, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Drittes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen, Tagesordnungspunkt 62, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Viertes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen, und Tagesordnungspunkt 38, Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, Drucks. 16/5748. – So soll es bis zur Mittagspause weitergehen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) – Drucks. 16/5773 –
Der Gesetzentwurf wird von dem Kollegen Hahn, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, eingebracht. Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Herr Kollege Hahn, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion legt Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der, wie ich glaube, gravierende, jedenfalls zukunftweisende Änderungen für unser Polizeigesetz enthält. Ich will gleich zu Beginn der Diskussion sagen, dass alle drei The
menbereiche, die wir hier erörtern, nämlich die akustische Wohnraumüberwachung – gemeinhin „großer Lauschangriff“ genannt –, die Telekommunikationsüberwachung und die Rasterfahndung, in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder nicht nur die Debatten im Hessischen Landtag, sondern auch die allgemeine Diskussion und die Diskussionen in den Parteien, jedenfalls die in meiner Partei, beherrscht haben.
Gerade die hessischen Liberalen waren bei diesem Thema federführend. Wir haben uns zu Beginn der Neunzigerjahre innerhalb der FDP für die akustische Wohnraumüberwachung eingesetzt. Zu dem damaligen Zeitpunkt war diese Möglichkeit in meiner Partei, also bei den Liberalen, nicht erwünscht. Jedenfalls wurde sie weder auf Bundesparteitagen noch von der Bundestagsfraktion, noch von anderen gefordert. Wolfgang Gerhardt, Dieter Posch und ich haben Anfang der Neunzigerjahre einen Mitgliederentscheid innerhalb der liberalen Familie organisiert, weil wir meinten, dass in den Werkzeugkasten der Polizei auch die Möglichkeit gehöre, eine Wohnraumüberwachung durchzuführen.
Wie Sie wissen, hat es dann bei den Liberalen einen Mitgliederentscheid gegeben. Wir haben ungefähr 70 % der FDP-Mitglieder hinter uns gebracht. Sowohl in Berlin als auch im Hessischen Landtag ist die akustische Wohnraumüberwachung nach einigen Diskussionen mit den Stimmen der Liberalen eingeführt und darüber hinaus noch verfeinert worden.
Herr Al-Wazir und Herr Frömmrich, wie immer Sie sich auch bemühen werden: Ich habe vor, dafür zu sorgen, dass diese Debatte nicht durch Zwischenrufe diskreditiert wird.
Ich glaube nämlich, dass man sich gerade bei diesem Thema nicht dadurch profilieren kann, dass man qualifiziert, halb qualifiziert oder nicht qualifiziert dazwischenruft, sondern dadurch, dass man sich einfach einmal zehn Minuten entspannt damit beschäftigt.
Herr Kollege Rudolph, ich erwarte, dass Sie Ihren Beitrag anschließend genauso fachlich fundiert vortragen werden.Aber bitte nachher, nicht während ich spreche.
Die akustische Wohnraumüberwachung ist ein Mittel, ein Handwerkszeug, eine Möglichkeit für die Polizei, um insbesondere bei der Aufdeckung von schweren Straftaten in Bereichen, die wir alle als problematisch empfinden, aktiv und erfolgreich zu sein. Deshalb ist sie jetzt in die Strafprozessordnung implantiert worden, ohne dass es zu weiterer Kritik gekommen wäre. Für die Prävention haben wir dies im Hessischen Polizeigesetz auch.
Wir müssen aber schlicht zur Kenntnis nehmen – auch deshalb habe ich auf meine persönliche Vorgeschichte hingewiesen –, dass es in der Rechtsprechung Änderungen gab. Wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom März 2004 feststellt – 109. Band; es geht immer um die repressive Wohnraumüberwachung, also um die StPO –, es müsse einen absolut geschützten
Wir haben nicht darüber zu diskutieren. Wir haben das auch nicht zu relativieren, sondern wir haben zu akzeptieren, dass das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Entscheidung getroffen hat.
Wir wissen aus den Anhörungen im Hessischen Landtag, dass es ein Problem für diejenigen gibt, die die Überwachungen vornehmen. Es geht nicht darum, dass sie nicht wüssten, wann sie abschalten müssen.Was der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung ist, ist den Polizisten bekannt. Nur, es ist nicht ganz klar, wann sie wieder einschalten können. Auch hier gilt: Wir haben es zu beachten, wenn uns das Bundesverfassungsgericht vorschreibt,dass dort für jeden Menschen in der Republik ein Freiraum zu lassen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt umso mehr, wenn wir uns auf dem Gebiet der Prävention bewegen. So verfahren wir im hessischen Polizeigesetz. Auch wenn es um die Prävention geht – also bevor eine Straftat begangen worden ist –, muss ein absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung respektiert werden. Nichts anderes wollen wir mit dem ersten Teil der Änderung in § 15 Abs. 4 des hessischen Polizeigesetzes erreichen.
Wir wollen darüber hinaus erreichen, dass bei der repressiven Bearbeitung nicht nur im Bundesgesetz, sondern auch bei uns diejenigen Berufsgruppen ausgenommen werden, die durch ihren Job geschützt sind.
Wir wollen nicht, dass Anwaltsbüros, Geistliche usw. abgehört werden. Diese Berufsgruppen sind in der Strafprozessordnung ausgenommen, und sie müssen auch im hessischen Polizeigesetz ausgenommen bleiben.
Das war der erste Teil. Nun zum zweiten, zur Telekommunikationsüberwachung. Hier will ich noch nicht so sehr, aber eben ein bisschen den Ruf von Kollegen Al-Wazir eben aufnehmen und auch schon einmal fragen, wie denn das Verhältnis der Effizienz und der Effektivität in diesem Bereich ist.
Uns wurden gerade – das werden wir das nächste Mal in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses zu beraten haben – Zahlen vorgelegt, die auf alle Fälle zeigen, dass in den letzten Jahren die Zahl der Betroffenen im Bereich der Telekommunikation erheblich erhöht worden ist.
Ich habe Zweifel, ob die Anzahl der Betroffenen und damit die große Vielzahl von zusätzlich neu abgehörten Telefonanrufen von der Polizei effektiv ausgewertet werden kann. Ich bin der festen Überzeugung, dies ist so nicht möglich.
Auch hier müssen wir beachten, dass das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zu einem Landespolizeigesetz festgestellt hat, dass genau so oder ähnlich wie bei der Wohnraumüberwachung auch bei der Telefonüberwachung Kriterien zum Schutz des Einzelnen aufzustellen sind. Das heißt, auch bei der Telekommunikationsüberwachung muss der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung beachtet werden. Auch da gilt also das Motto, um es verkürzt zu sagen: Wenn es richtig privat wird, muss abgestellt werden. – Nichts anderes wollen wir in das hessische Polizeigesetz aufnehmen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein dritter Teil ist das Thema Rasterfahndung. Vorhin beim Thema der Wohnraumüberwachung habe ich bewusst auf die Geschichte der Liberalen in der Auseinandersetzung mit den Problemen des Innen- und Rechtsbereichs hingewiesen. Beim Thema Rasterfahndung tue ich das ausdrücklich nochmals.
Ja, nach den schrecklichen Ereignissen vom 11. September 2001 haben wir in diesem Hause zweimal heftige Diskussionen zum Thema Rasterfahndung im hessischen Polizeigesetz und darüber hinaus gehabt.Wir hatten sie deshalb, weil wir im September 2001 in Hessen eine Rechtslage hatten, die sich von der aller anderen Bundesländer schon allein deshalb unterschied, weil wir nicht den Weg der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben gehen lassen, sondern den Gerichtsweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die fast schon zu erwartende Folge war, dass letztlich der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – ich glaube, in einer Entscheidung vom Januar oder Februar 2002 – die Rasterfahndung, wie sie in Hessen, in bundesweiter Absprache, durchgeführt worden war, als rechtswidrig bezeichnet hat. Danach hat es in diesem Hause eine Debatte gegeben,in der wir festgestellt haben, dass zwei Dinge zu ändern sind.
Das eine war eine Änderung des Rechtswegs, hin zur zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit und weg von der freiwilligen Gerichtsbarkeit, also von der ordentlichen Gerichtsbarkeit hin zur Fachgerichtsbarkeit. Zum Zweiten wollten wir die Vorgaben für die Durchführung einer Rasterfahndung bundesweit so angleichen, dass sie auch in Hessen durchführbar ist. – Ja, ich gebe zu, da war das Ziel die Argumentationsebene, nicht der Weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei Dinge haben wir nun zu beachten. Zum einen sind die Effizienz und die Effektivität bei der Rasterfahndung offensichtlich – ich will nicht sagen: vollkommen auseinander gefallen, aber jedenfalls – noch relativ weit auseinander. Diese Schere geht relativ weit auseinander.
Ja, ich finde, man sollte von Dingen lernen, die man auf den Weg gebracht hat und mit denen man sich auseinander gesetzt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,darüber hinaus hat das im Haushalt des Landes Hessen einen immensen Kostenblock verursacht. Wir kennen nicht die genaue Höhe. Der Innenminister hat auf mehrere Fragen von uns hier, im Ausschuss und anderswo immer wieder erklärt ich glaube, diese Erklärung ist auch richtig –, er könne es
nicht feststellen, wie viele Mannstunden bei der Rasterfahndung eingesetzt worden sind. Ich unterstelle aber einmal, dass ich nicht falsch liege, wenn ich sage, dass mindestens 5 Millionen c für die Rasterfahndung im Zusammenhang mit den Nachwirkungen des 11. September 2001 erforderlich waren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das erfolgte auf einer Rechtsgrundlage, von der wir nunmehr wissen – es ist nicht unser Gesetz angegriffen worden, sondern das Polizeigesetz eines benachbarten Bundeslandes –, dass das rechtlich nicht geht. Es ist festgeschrieben worden, dass die präventive Rasterfahndung – wir reden wiederum von der Prävention und unterscheiden uns damit vom repressiven Bereich wie der Strafprozessordnung usw. – nur dann durchgeführt werden kann, wenn weitere Tatsachen vorliegen, die eine konkrete Gefahr bedingen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Hessische Landesregierung ist gut beraten, in allen drei Punkten das zu übernehmen – und zwar 1 : 1, nicht herumzudiskutieren –, was das Bundesverfassungsgericht festgeschrieben hat.
Ich bin der festen Überzeugung, wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dies ist die Auslegung des Grundgesetzes bei uns in Deutschland, dann hat ein Landtag im Zuge der Gewaltenteilung daran innerlich nichts mehr zu diskutieren.