Dafür haben wir die Gewaltenteilung. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir werden Anhörungen durchführen, wir werden die Fachleute noch einmal dazu hören; aber ich meine, wir sind letztlich gut beraten, diesen Gesetzentwurf – sicherlich wird noch das eine oder andere Wort geändert werden müssen – umzusetzen.
Frau Präsidentin,meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eines aber lasse ich nicht zu: dass mir die Kollegin Zeimetz-Lorz in einer Presseerklärung als einzigen inhaltlichen Punkt entgegenhält,
wir wären zu eilig; ja, es müsse etwas bei der Rasterfahndung geschehen, aber man müsse sich erst einmal mit dem Bund absprechen.
Wir sind ein föderales Glied. Wir sind ein selbstständiges Glied. Seit dem letzten Freitag haben wir mehr Verantwortung. Wir müssen diese Arbeit leisten, nicht irgendeine Arbeitsgruppe. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP ist sicherlich gut gemeint, aber aus unserer Sicht nach wie vor nicht erforderlich.
Weil das den Autoren wahrscheinlich auch klar war,segelt dieser Entwurf unter falscher Flagge. Er gibt vor, die Rechtslage in Hessen den verfassungsrechtlichen Vorgaben der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anpassen zu wollen. Damit will er den Eindruck erwecken, wir würden die Verfassung verletzen, wenn wir das Gesetz nicht ändern wollten.
Worum geht es? Der Kollege Hahn hat es angesprochen: Dieser Entwurf sieht drei Änderungen für das hessische Polizeigesetz vor. Das ist zum einen die Form der Wohnraumüberwachung, zum Zweiten die Form der Telefonüberwachung und zum Dritten die der Rasterfahndung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FDP versucht hier, mit fettarmer Milch Schaum zu schlagen.
(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Lachen und Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Gerhard Bökel (SPD):Das war aber vollkommen an der Sache vorbei!)
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004 hinsichtlich der Wohnraumüberwachung haben wir bereits bei der Novelle des Polizeigesetzes vor zwei Jahren äußerst intensiv hier und im Ausschuss miteinander diskutiert. Ich will die Argumente von damals nicht alle wiederholen. Nur so viel vielleicht: Die Landesregierung hatte seinerzeit den Gesetzentwurf schon auf diese Entscheidung hin überarbeitet, bevor er den Landtag erreicht hat, und dabei ein ausdrückliches Verbot für die Verwertung solcher Informationen vorgesehen; durch den Bezug auf § 27 HSOG wurde außerdem die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Löschung dieser Informationen sichergestellt.
Wir von der CDU waren und sind auch heute der Überzeugung, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004 nicht 1 : 1 in Landesrecht umzusetzen sind. Herr Hahn hat in seinen Ausführungen auch schon selbst darauf hingewiesen.Wir bewegen uns hier im Landesrecht im Bereich der Prävention, während das Bundesverfassungsgericht ausschließlich die Frage der Repression, nämlich der Strafverfolgung, zu bewerten hatte.
Das Bundesverfassungsgericht hat damals festgestellt – auch darauf haben Sie hingewiesen –, dass der Abhörvorgang zu beenden ist, wenn derjenige oder diejenige, die abgehört werden, sich mit engeren Familienangehörigen oder Menschen aus ihrer Privatsphäre unterhalten. Demgegenüber betrifft die Regelung zur Wohnraumüberwachung im hessischen Polizeirecht ausschließlich den Bereich der Prävention.
Im Bereich der Gefahrenabwehr ist nach unserer Überzeugung die Abwägung der unterschiedlichen Rechtsgüter anders zu treffen als bei der Strafverfolgung. Denn der Schutz eines möglichen Opfers, dessen Leib oder Leben konkret gefährdet ist, ist anders zu bewerten als das Interesse eines schon gewordenen Opfers an einer Strafverfolgung des Täters.
Deshalb ist die CDU-Fraktion, gemeinsam mit der Landesregierung, der Überzeugung, dass bei der Prävention die Überwachungsmaßnahme nicht abgebrochen werden muss, wenn das Gespräch einen privaten Inhalt hat.
Es ist aber auch völlig klar geregelt, dass solche Daten unmittelbar zu löschen sind und selbstverständlich nicht verwertet werden dürfen.
Deswegen ist der erste Teil dieses Gesetzentwurfs in jedem Fall verfassungsrechtlich nicht erforderlich.
Ich halte ihn aber auch in der Sache für nicht hilfreich. Eine entsprechende Regelung im HSOG wäre eine quasi offizielle Einladung an Kriminelle oder gar terroristische Organisationen, sich genau der dort aufgeführten Ausnahmetatbestände zu bedienen, um möglichen Überwachungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden zu entgehen.
(Nicola Beer (FDP): Und was ist mit den vielen unschuldigen Betroffenen? – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wenn nun – wie es in diesem Gesetzentwurf heißt – die Überwachungsmaßnahmen sofort zu beenden sind, wenn erkennbar wird, dass sie auch Erkenntnisse über die private Lebensgestaltung der zu überwachenden Person zutage fördern, dann dürfen wir uns schon heute darauf freuen, in Zukunft von jedem Terroristen erst einmal eine detaillierte Darstellung seines Sexuallebens zu erhalten,
Nur, dass die Polizei dann von der Planung des Anschlags nichts mehr mitbekommen wird, weil sie nach den ersten sexuellen Details abschalten muss.
Zweitens. Bei der letzten Novelle des HSOG konnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2005 zur Telefonüberwachung naturgemäß nicht berücksichtigt werden. Aber auch diese Entscheidung macht eine Änderung des HSOG aus unserer Sicht nicht erforderlich.Herr Kollege Hahn,Sie haben im Übrigen die Anzahl der Telefonüberwachungsmaßnahmen angesprochen. Ich denke, wir haben uns darüber schon hinlänglich auseinander gesetzt. Vor dem Hintergrund, dass die Zahlen wachsen, muss man berücksichtigen, dass wir es heutzutage mit vielen Handys zu tun haben – wir haben dies schon des Öfteren gehört –
und dass viele der Abzuhörenden bzw. Abgehörten die Handys oder Anschlüsse von Angehörigen benutzen. Daraus resultiert die erhöhte Zahl der Betroffenen. Sie tauschen sich mit Bruder, Schwester, Mutter,Vater, Onkel oder wem auch immer aus, und das macht erforderlich,
Gleichwohl macht die Entscheidung aus dem Jahre 2005 eine Änderung des Polizeirechts nicht erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat hier für den Fall des besonders hohen Ranges des betroffenen Rechtsguts eine Ausnahme formuliert.Es hatte hier über die niedersächsische Regelung zu entscheiden, die mit der hessischen nichts gemein hat. Denn zwischen der niedersächsischen Regelung und der hessischen Regelung gibt es einen ganz entscheidenden Unterschied, meine Damen und Herren. Die Regelung in § 15a HSOG setzt für die Telefonüberwachung eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person voraus. Damit gilt sie überhaupt nur für den vom Bundesverfassungsgericht genannten Ausnahmefall. Der niedersächsische Gesetzgeber dagegen hatte die Telefonüberwachung umfassend zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Strafverfolgung zugelassen.
Ach, Herr Rudolph, wer hier dazuzulernen hat oder nicht, können wir an dieser Stelle gerne entscheiden. Ich denke, die Mehrheit in diesem Hause ist diesbezüglich eindeutig geregelt.
Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April dieses Jahres macht eine Gesetzesänderung in der Tat erforderlich. Insofern, Herr Hahn, gebe ich Ihnen Recht.
Allerdings – Herr Hahn, Sie haben unsere Pressemeldung angesprochen – besteht keineswegs Anlass zur besonderen Eile.
Denn die jetzige gesetzliche Regelung im HSOG, nach der präventive Rasterfahndungen zur Verhütung besonderer Straftaten zwingend erforderlich sein müssen, ist offen genug formuliert, um die Bedenken des Verfassungsgerichts problemlos zu integrieren. Es muss einfach nur jedem Entscheider klar sein, dass Erforderlichkeit im Sinne dieser Vorschrift notwendig das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die von diesen Straftaten bedrohten hochrangigen Rechtsgüter voraussetzt. Ist diese Auslegung einmal allgemein akzeptiert, wird das Verfassungsgericht keinen Grund mehr zu irgendwelchen Beanstandungen haben. Herr Kollege Hahn, das betrifft im Übrigen alle Bundesländer, und deshalb wird zurzeit intensiv an einer bundeseinheitlichen Lösung gearbeitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf unternimmt damit den Versuch einer jedenfalls derzeit überflüssigen Gesetzesoperation. Ich bin neugierig und gespannt auf das Verfahren im Ausschuss, aber wir sehen die zwingende Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung in der Tat nicht. – Ich danke Ihnen.