Protokoll der Sitzung vom 04.10.2006

(Beifall bei der SPD)

Es ist wirklich ein Skandal, dass sich Hessen mit dem Saarland um den letzten Platz bei der Kreditförderung des Mittelstandes streitet. Dabei weiß jeder, wie schwer es die kleinen Betriebe heute haben, Kredite zu bekommen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wie war das 1998?)

Wenn Sie jetzt noch Ihre Privatisierungspläne für die Sparkassen durchführen wollen,wird es noch viel schlechter für kleine und mittlere Unternehmen in diesem Land. Deswegen sagen wir Ihnen: Hände weg von den Sparkassen. Sie gehen an dieser Stelle in eine falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Andere Länder finanzieren doppelt so viele Investitionen in diesem Bereich.

(Michael Boddenberg (CDU): Was macht denn Rheinland-Pfalz mit dem Sparkassengesetz?)

Da geht es alleine um 20.000 Arbeitsplätze, die in anderen Bundesländern über diese Maßnahmen mehr gefördert werden als in Hessen. Deswegen sehe ich hier ganz erhebliche Defizite.

Die Herauslösung der Beratung aus der Finanzierung,wie das bei der Hessen-Agentur von Ihnen gemacht wurde, ist ebenfalls ein schwerer Fehler. Denn wir sagen, die Beratung von Firmen und Hilfen bei der Finanzierung gehören in eine Hand. Die Umstrukturierung hat sich als nachteilig erwiesen. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt, dass Sie es falsch gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen noch etwas tun: Sie müssen die Beratung noch stärker darauf konzentrieren, dass die bei Weitem nicht ausgeschöpften Bundes- und Europamittel nach Hessen gelenkt werden.Das ist ein zentraler Punkt.Auch hier gibt es in Hessen Defizite. Das Stichwort Bayern ist eben zwischengerufen worden. – Jawohl, die Bayern machen es anders und besser. Die können an dieser Stelle Vorbild sein.

(Beifall bei der SPD)

Notwendig wären auch erhebliche Anstrengungen im Bildungsbereich. Ihre Vorhaben sind mehr als dürftig. Mit Laienlehrern werden Sie nicht den Unterricht geben können, der notwendig ist, um dieses Land nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen vor allem eine neue Ausrichtung unserer Schulen: echte Ganztagsschulen, wie Rheinland-Pfalz es uns vormacht.

(Michael Boddenberg (CDU): Einheitsschule, sagt Frau Ypsilanti! – Gegenruf der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD):Das sagen Sie! Ich habe das nie gesagt!)

Sie sollten auch in Zwischenrufen keine Unwahrheiten gebrauchen, Herr Boddenberg.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, hier spreche ich den Sozialdemokraten in der Fraktion aus dem Herzen: Wir wollen echte Ganztagsschulen nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz. Wir wollen eine Hinwendung der Schulen zu den Schülern, und wir wollen endlich ein Ende der gnadenlosen,Talente zerstörenden Auslese sowie die Herstellung von Chancengleichheit für alle Kinder in der Schule,

(Beifall bei der SPD)

egal,wie dick der Geldbeutel der Eltern ist oder ob die Eltern bei den Hausaufgaben helfen können. Hier ist vielleicht mehr Geld erforderlich. Aber genauso wichtig ist eine Konzeption für eine neue Schule in diesem Lande.

(Michael Boddenberg (CDU):Aber die Eltern dürfen auch noch mitmachen?)

Ja, die Eltern sollten mitmachen. Das ist ein gutes Beispiel. Der Elternwille und die Anregungen, die es vielfach vom Landeselternbeirat gab, wurden von dieser Landesregierung oft nicht aufgenommen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Ich darf ankündigen: Der Elternwille und die Anregungen, die vom Landeselternbeirat kommen werden, werden von einer Landesregierung, die ab April 2008 in Hessen regieren wird und die sozialdemokratisch geführt sein wird, ernst genommen, jedenfalls ernster, als es bei Ihnen und Ihrer Kultusministerin der Fall ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich sage auch, weil Sie dauernd „Finanzierung, Finanzierung“ zwischenrufen: Natürlich, die notwendige Finanzierung der Zukunftsinvestitionen in Bildung, in eine gute Bildung von Anfang an, in Ganztagsschulen, in gute Hochschulen, wird ohne eine Vermögensteuer nicht möglich sein.

(Axel Wintermeyer (CDU):Ah!)

Meine Damen und Herren, diese Reaktion habe ich erwartet.

Es ist richtig, von denen, die hohe Vermögen haben, einen Beitrag für die Zukunftssicherung unseres Landes zu verlangen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Keiner ist daran zugrunde gegangen. Niemand ist an der Vermögensteuer zugrunde gegangen, als es sie noch gab.

Wenn die Vorstellungen, die wir vorgelegt haben, umgesetzt würden, würde niemand über die Maßen belastet.

Wir sollten darüber reden,damit Sie wissen,wovon wir reden. Die Besteuerung würde weit unter dem liegen, wie der Vermögenszuwachs bei hohem Vermögen in der Bundesrepublik Deutschland ausfällt. Einen Teil dieser Vermögenszuwächse abzuschöpfen,ist ein Gebot der Vernunft. Das ist ein Gebot mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit. Außerdem ist das notwendig, um die für die Zukunft notwendigen Investitionen in diesem Land auch finanzieren zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Trotz Steuermehreinnahmen in Höhe von über 1 Milliarde c wird auch im Jahre 2007 der hessische Landeshaushalt erneut verfassungswidrig sein. Die Nettokreditaufnahme soll um 450 Millionen c - ich wiederhole: 450 Millionen c - über der nach der Verfassung zulässigen Verschuldung liegen.

Herr Weimar, da ist mir nicht zum Lachen. Die nach der Verfassung zulässige Verschuldung wird um 450 Millionen c übertroffen werden. Die Nettokreditaufnahme soll um 450 Millionen c über dem liegen, was die Verfassung zulässt. Diese Verschuldungsgrenze ist seit 60 Jahren Praxis in unserem Staat. Sie ist auch Orientierungspunkt.

Mir ist da nicht zum Spaßen. Seit 60 Jahren wird das in unserem Staat angewandt. Seit 60 Jahren dient das als verfassungsmäßiger Orientierungspunkt. Dabei werden von den Bruttoinvestitionen diejenigen Investitionen abgezogen, die fremd finanziert werden, also vom Bund oder von der europäischen Ebene. Dabei ist auch völlig klar, dass die Investitionen der kommunalen Ebene nicht hinzuzurechnen sind. Ich finde, es war schon dreist, dass sich der Finanzminister vor Journalisten der Landespressekonferenz hingestellt und gesagt hat, der Haushaltsplanentwurf sei verfassungsgemäß. Dabei ist er überhaupt nicht darauf eingegangen, dass er eine ganz andere Verschuldungsgrenze annimmt als diejenige, die seit 60 Jahren in der Praxis Hessens angewandt wurde.

Aus dem Haushaltsgesetzentwurf, der vorgelegt wurde, geht hervor, dass die Grenze, bis zu der laut Verfassung eine Verschuldung erlaubt ist, nicht bei 1.363 Millionen c, sondern bei 904 Millionen c liegt. Das entspricht in etwa der Schätzung, die ich auf einer Pressekonferenz nach dem Vortrag des Herrn Finanzministers vorgenommen habe. Ich habe davon gesprochen, dass wir laut diesem Entwurf wahrscheinlich um fast 500 Millionen c über der nach der Verfassung zulässigen Grenze der Verschuldung liegen werden.Jetzt sieht es so aus,als ob es 450 Millionen c würden.

Die kommunalen Investitionen zu den Investitionen des Landes hinzuzurechnen, ist schon ein dreister Akt. Andere, nämlich die Kommunen, investieren. Sie wollen sich die Investitionen, die die Kommunen tätigen und die auch im Eigentum der Kommunen verbleiben – das betrifft z. B. Schulen und Krankenhäuser –, anrechnen lassen. Dreister geht es kaum noch.

Das ist ein Verstoß gegen die Verfassung. Was andere Bundesländer da machen, interessiert mich überhaupt nicht. Für uns gilt Art. 141 unserer Landesverfassung. Herr Boddenberg, das ist für uns das Entscheidende und Maßgebende.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich sagte es bereits. Trotz des Anstiegs der Steuereinnahmen um rund 8 % hat der Finanzminister wieder einmal keinen Haushaltsentwurf vorgelegt,der den Vorgaben der Verfassung entspricht. Einmal mehr wird deutlich, an welchen finanzpolitischen Abgrund die Herren Koch und Weimar und die Mitglieder der CDU, die diese Politik gestützt haben, das Land Hessen herangeführt haben.

Der Herr Minister hat eben von „seichten Gewässern“ gesprochen, in denen man sich bewege. Schön wäre es, wenn wir uns in seichtem Gewässer befinden würden. Vielleicht wäre das aber doch nicht ganz so schön. Etwas mehr Wasser unter dem Kiel wäre vielleicht doch sehr schön. Aber Tatsache ist doch, dass der Minister den hessischen Haushalt, das hessische Haushaltsschiff längst auf Grund hat laufen lassen. Das Schiff Landeshaushalt ist an den Felsen zerschellt. Das ist die Tatsache, mit der wir uns hier auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte den Finanzminister noch einmal an seinen Haushaltsaufstellungserlass für das Jahr 2007 erinnern. Dieser Erlass wurde im Februar dieses Jahres erstellt. Ich darf daraus zitieren.

Bekanntermaßen strebt der Bund für 2007 einen Haushalt an, der sowohl die verfassungsmäßige Regelgrenze der Verschuldung (Neuverschuldung nur in Höhe der Investitionen, Art. 115 Abs. 1 Grund- gesetz) einhält als auch das Maastricht-Defizitkriterium... erfüllt. Diese Anforderungen müssen auch für die Aufstellung des Landeshaushaltes 2007 gelten.Zentrales finanzpolitisches Ziel ist daher,zu erreichen,dass die Nettoneuverschuldung die Summe der Ausgaben für Investitionen nicht übersteigt.

Man kann jetzt also ganz nüchtern feststellen:Wieder einmal ist der Finanzminister weit hinter seinen eigenen Zielen zurückgeblieben. Er ist wieder einmal neben die Matte gesprungen. Dieses Verhalten „zeichnet ihn aus“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die von der CDU geführte Landesregierung ist gescheitert. Am Ende des Jahres 2006 werden in Hessen die Schulden auf 32,5 Milliarden c - ich wiederhole: 32,5 Milliarden c - angewachsen sein. Am Ende des Jahres 2007 werden sie 33,7 Milliarden c betragen. Diese Angaben beruhen nicht auf Berechnungen von uns. Vielmehr handelt es sich um Angaben aus Ihrem Finanzplan für die Jahre 2006 bis 2010.

Herr Minister, das ist keine Trendwende. Letztes Jahr sprachen Sie noch von einer Trendwende. Heute waren Sie etwas bescheidener. Sie haben davon gesprochen, dass in dem Buch ein neues Blatt aufgeschlagen werde.Von einer Trendwende haben Sie nicht mehr gesprochen. Das ist auch richtig. Denn es handelt sich nicht um eine Trendwende, sondern um das Beschreiten der Wendeltreppe in die Verschuldung. Damit setzen Sie Ihre Politik auf dem Rücken kommender Generationen fort.