Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das über Ländergrenzen hinweg im Schulbereich geht, dann muss es doch mit dem Teufel zu tun haben, wenn man eine solche Ausgleichsregelung nicht auch zwischen Ländern im Hinblick auf die Studienplätze herstellen kann.
Eine zweite Bemerkung zu Frau Beer, weil sie sich kritisch darüber ausgelassen hat, was das Lesen und dass Sinnverstehen angeht. Es kommt nicht nur darauf an, Papiere zu lesen, sondern es kommt auch darauf an, sie zu verstehen. Das ist bisweilen das Problem dabei, Frau Kollegin Beer.
Ich will mich nicht mit Ihnen auseinandersetzen, sondern mit Herrn Staatsminister Corts. Wir hatten gestern noch einmal eine Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst und haben dort eine Reihe von Fragen gestellt. Das Problem in diesem Ausschuss und der Beantwortung der Fragen war doch – auch darauf hat Frau Kollegin Ypsilanti schon hingewiesen –, dass es offensichtlich nicht ausreicht, Ihnen die Gutachten vorzulegen. Es reicht offensichtlich auch nicht aus, dass Sie sie lesen. Davon gehe ich einmal aus. Aber wer im Ausschuss leugnet, dass im akademischen Bereich Frauen nur 70 % des Gehalts bekommen, das Männer bekommen, und dann in einer kurzen Bemerkung sagt, dass dieser Gesetzentwurf keine unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen hat, der hat offensichtlich nicht das sinnzusammenhängende Lesen für sich erschließen können.
Die Rede von Frau Kollegin Kühne-Hörmann deutet darauf hin, dass die CDU wild entschlossen ist, dieses Gesetz heute zu verabschieden. Ich weiß, dass viele von Ihnen heute weniger aus innerer Überzeugung die Hand heben werden,sondern aus Fraktionsdisziplin.Es ist für viele unverständlich, dass diese Finanzierung der Hochschulen gesucht wird und keine andere, nachdem der Finanzminister gestern die Einnahmesituation des Landes positiv
Vielleicht ist auch der eine oder die andere unter Ihnen, die sich überlegt haben, ob sie selbst unter den Bedingungen von Studiengebühren hätten studieren können. Herr Kollege Lenz, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür, dass Sie an diesem Rednerpult einmal die persönliche Situation eines CDU-Abgeordneten geschildert haben.
Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Ich glaube, dass viele unter Ihnen sind, die genau wissen, dass sie unter der Voraussetzung,dass Studierende am Ende mit weiteren 10.000 c Schulden dastehen,
wenn sie in ihrer Entscheidung frei wären und nicht dem Fraktionszwang unterlägen, heute nicht für dieses Gesetz stimmen würden. Damit würde dieses Gesetz in diesem Parlament heute keine Mehrheit finden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie sich dem Fraktionszwang beugen.
Was ich Ihnen vorwerfe, ist, dass Sie wissentlich und willentlich, dass Sie kalkuliert und einem ideologischen Kalkül folgend die Bildungs- und Studierchancen eines Teils der jungen Menschen verschlechtern.
Damit verbauen Sie jungen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes die Lebenschancen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie schaden dem Bildungsstandort in Hessen.
Nach der Pause, die von Herrn Staatsminister Corts gestaltet wird, werde ich noch ein paar Bemerkungen zur Verfassung machen. – Herzlichen Dank.
(Norbert Schmitt (SPD): Der Pausenfüller! – JörgUwe Hahn (FDP): Das war peinlich! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ungehörig!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute zur dritten Lesung zumindest von unserer Seite noch einmal deutlich machen können, worum es uns geht.Wir haben einen sechsmona
tigen Diskussionsprozess zu diesen Studienbeiträgen hinter uns, von den Medien und teilweise auch von Demonstrationen begleitet, aber das ist auch richtig so.Wir führen in Hessen gerade einen Paradigmenwechsel durch. Das sieht man auch an den Äußerungen, die Frau Ypsilanti heute von sich gegeben hat. Es war eine nicht ganz einfache Zeit. Wir haben eine großartige Anhörung durchgeführt. Wir haben mehr als 99 Sachverständige gehabt. Wir haben das ausgewertet, überprüft, und – das kann man in der Politik durchaus ehrlich sagen – wir haben bei der Überprüfung festgestellt, dass es an der einen oder anderen Stelle durchaus Verbesserungen geben kann. Dazu steht man. Ich habe nicht die Arroganz, zu sagen: „Ich weiß alles“ – wie Sie es immer sagen. Vielmehr haben wir uns überprüft und uns gesagt:Wir wollen dieses Gesetz verfassungsgemäß und auch sozial ausgewogen gestalten.
In der zweiten Lesung haben wir die Rechtslage, wie ich meine, ausreichend dargestellt. Wir werden sehen – Sie haben beide angekündigt, zum Staatsgerichtshof zu gehen –, wer am Ende recht behält.Wir sind davon überzeugt, dass wir recht behalten.
Heute ist es meine Aufgabe, noch einmal Ziel und Zweck dieses Studienbeitragsgesetzes darzustellen. Ich möchte da mit einer Sache anfangen, die von Frau Ypsilanti und von Herrn Siebel angerissen worden ist:dem sogenannten Zöllner-Vorschlag. Ich nenne Ihnen kurz drei Punkte, die dagegen sprechen. Zunächst einmal hat es noch nie eine Möglichkeit gegeben, dass Landeskinderklauseln verfassungsgemäß sind. Sie waren bisher immer verfassungswidrig, wie wir es vor Kurzem in Bremen gesehen haben. Zweiter Punkt. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass irgendein Land bereit ist, die Hochschulen der anderen Länder mitzufinanzieren, vom Länderfinanzausgleich und ähnlichen Dingen ganz abgesehen. Das kann man vielleicht zwischen zwei Dörfern wie St.Goarshausen hinbekommen, aber ansonsten nicht.
Aber das Entscheidende ist – und da bleiben Sie hinter dem Berg, wenn Frau Ypsilanti sagt, sie nimmt die Studienbeiträge zurück, und Sie sagen, da gebe es einen Ausgleich –: Es gibt kein neues Geld, und darum geht es. Wir brauchen in diesem Lande zusätzliche Mittel.Wir müssen auch offen zugeben: Das kann der Steuerzahler nicht mehr alleine schaffen, und deshalb muss es eine Beteiligung der Studierenden geben.
Sie sehen es am Beispiel Rheinland-Pfalz, wo der Numerus clausus angekündigt worden ist. Ich erinnere an Frau Fuhrmanns Zwischenruf bei der letzten Lesung: „Was soll Herr Zöllner denn machen?“ Genau das haben wir auch gesagt. Wir haben festgestellt, dass Bayern, Baden-Württemberg,Nordrhein-Westfalen,Niedersachsen,Thüringen und Hamburg – und wir sind in der Mitte – alles Länder sind, die Studiengebühren einführen. Ein Numerus clausus würde selbstverständlich auch unsere Landeskinder benachteiligen.
Ich will Ihnen erläutern, warum dieses Gesetz wichtig ist. Es stärkt den Studienstandort Hessen.Wir haben im Jahr 2006 mit 1,156 Milliarden c Hochschulausgaben einen Rekord. Ich bin dankbar dafür, dass wir ihn seit 1999 ste
tig steigern können.Wir haben gleichzeitig seit 1999 mehr als 800 Millionen c zusätzlich in den Kreislauf gebracht. Ich freue mich, dass Frau Ypsilanti das angesprochen hat: Der Tiefpunkt der Hochschulfinanzierung war 1998. Soweit ich weiß, war das das letzte Jahr der Regierung Eichel. Da hatten wir für den Hochschulbau 56 oder 58 Millionen c und an Ausgaben 950 Millionen c. Heute haben wir mehr als 211 Millionen c für den Hochschulbau und Ausgaben von mehr als 1,156 Milliarden c – im nächsten Jahr werden noch einmal 70 Millionen c hinzukommen.
Das heißt, Sie sollten ganz ruhig sein bei dem, was Sie hier vortragen. Wir sagen, dass die Mittel nicht reichen. Obwohl wir zusätzliche Mittel hier vorsehen, möchten wir weitere Mittel, nämlich in Höhe von 120 oder 130 Millionen c, von den Studierenden erheben. So haben wir es im Haushalt vorgesehen. Diese Einnahmen – auch das muss man deutlich machen – dienen der Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen der Studierenden. Wir wollen ein besseres Betreuungsverhältnis, weil wir eine bessere Absolventenquote in diesem Lande brauchen. Heute Morgen ist Bundespräsident Köhler mit seiner Aussage zur Absolventenquote zitiert worden. Genau das ist richtig, Sie sehen es ein.
Wir wollen mehr Praktika, mehr Übungen, längere Bibliotheksöffnungszeiten und, was wichtig ist, keine Verzögerung des Studiums. Das Lehrangebot muss so sein, dass das Studium innerhalb der Regelstudienzeit absolviert werden kann. Wir haben vorgesehen, dass die Studierenden beteiligt werden. Darüber haben wir mit den Präsidenten gesprochen. Ich fordere ausdrücklich die Präsidenten auf, diese Beteiligung ernst zu nehmen. Es ist ganz wichtig, dass die Studierenden mitbestimmen können, das Geld dort einzusetzen, wo es hingehört. Wir erhoffen uns am Ende eine Verkürzung der Studiendauer. Das ist notwendig, um uns an europäische Standards anzupassen. Das heißt, wir brauchen jüngere Absolventen, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, und wir brauchen mehr Absolventen.
Frau Ypsilanti, ich habe eines nicht verstanden. Sie haben gesagt – wenn Sie es so gesagt haben –, Sie wollen nicht auf Exzellenz setzen.
(Andrea Ypsilanti (SPD): Doch, aber durch Qualität, nicht durch Auslese! – Michael Siebel (SPD): Sie schaffen Selektionseliten!)
Zu Ihrem Hinweis auf die bildungsfernen Schichten möchte ich noch etwas sagen. Der Hinweis von Frau Beer war absolut richtig: Man sollte den Packen Papier auch lesen, den man nach vorn trägt. Sie haben in Ihrer Statistik die Jahre ab 1982 genannt. Wissen Sie, wer da die Verantwortung getragen hat? Die SPD bzw. Rot-Grün. Zu verzeichnen waren da Rückgänge. Seit 1998, seit Frau Bulmahn als Bundesministerin regierte, was ist da passiert? Sie schießen mit Ihren Zahlen ein Eigentor. Lassen Sie es doch einfach.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das hängt vielleicht mit dem BAföG zusammen, das unter Kohl eingefroren war!)
Wir glauben, dass unser Vorschlag sozial ausgewogen ist. Es ist ein darlehensfinanzierter Studienbeitrag. Ich will nicht noch einmal im Einzelnen darauf eingehen, das ist bekannt. Wir haben jetzt zusätzlich die BAföG-Bezieher zinsfrei gestellt. Das heißt, wir geben bis zum Jahre 2010 zusätzliche Mittel von 8 bis 10 Millionen c in den Haushalt.Wir machen noch einmal deutlich: Es kommt auf die wirtschaftliche Situation erst nach dem Abschluss des Studiums an und nicht vorher.
Es wird immer wieder der Hinweis gebracht, die Studierendenzahlen würden dann zurückgehen, und es hätten viele Angst davor. Österreich wird dann als Beispiel gebracht. Österreich können Sie aber gar nicht als Vergleichspunkt heranziehen. Erstens hat es nicht das Darlehenssystem, das wir jetzt einführen, und zweitens hatten wir den Bereinigungseffekt, der in Österreich zu verzeichnen war,schon vorweggenommen,indem wir vor drei Jahren das Langzeitstudiengebührengesetz verabschiedet hatten. Diese Vergleiche hinken. Im Übrigen haben wir Hinweise aus Baden-Württemberg, das ja mit der Einführung 2007 vor uns liegt, dass es dort keine Einbrüche bei den Studienbewerberzahlen gab.
Meine Damen und Herren, die Studienbeiträge führen zu mehr Wettbewerb. Der Student des Jahres 2008/09 wird sich fragen: An welche Hochschule gehe ich? Wo bekomme ich mehr für mein Geld? Zwischen den Hochschulen wird es einen vernünftigen Wettbewerb geben. Ich spreche bei den Studierenden nicht von Kunden, aber sie kommen in eine kundenähnliche Position. Die Studierenden werden die Lehrenden kontrollieren. Sie werden fragen:Wo ist das beste Produkt, um mir einen Abschluss zu liefern, damit ich nachher einen guten Arbeitsplatz bekomme? Es ist sicherlich auch nicht schlecht für die Lehre, wenn das geschieht.
Im Übrigen werden wir es in der nächsten oder übernächsten Woche vorstellen: Für einen Wettbewerb, in dem die Lehrenden, die gut, die exzellent sind, als Vorbilder herausgestellt werden, werden zusätzliche Mittel eingebracht werden.
Ferner darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir von einer Verkürzung der Studiendauer ausgehen.Vorhin wurde die Studie des Studentenwerks vorgestellt, in der von 10.000 c Ausgaben pro Jahr die Rede war. 1.000 c kosten die Studienbeiträge. Wenn wir durch eine bessere Betreuung eine Verkürzung von nur einem Semester erreichten, dann hätte sich das schon volkswirtschaftlich und für den Einzelnen gelohnt. Zu den Änderungen, die wir vorgenommen haben, hat Frau Kühne-Hörmann schon alles gesagt.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir insbesondere die Tüchtigen fördern wollen. Wir haben 10 % der Studierenden – damit sind wir bundesweit Spitze – von den Studienbeiträgen ausgenommen. In einer absoluten Zahl sind das 15.000 junge Leute, die keine Studienbeiträge zahlen müssen, wenn sie gut sind.
Wir werden darüber hinaus – das ist auch schon angesprochen worden – auch Studierenden, die exzellente, herausragende Leistungen beispielsweise beim Leistungssport bringen, Stipendien geben, damit sie die Studienbeiträge zahlen können. Das Gleiche gilt für exzellente und herausragende Aufgabenübernahme im Ehrenamt. Das