Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Judith Lannert (CDU): Das ist nicht wahr! – Norbert Schmitt (SPD): Was heißt „nicht wahr“? Was soll das heißen?)

Das ist etwas, was man noch einmal deutlich machen muss.Es ist nämlich nicht so,dass die UNESCO diese Prädikate aufrechterhält, wenn eine Verschlechterung eintritt. Gerade im letzten Jahr gab es drei Aberkennungen: in Italien, in Spanien und in Frankreich. Das ist also nichts Unrealistisches, sondern etwas, was schon verwirklicht wurde, leider auch in Regionen, die auf Tourismus angewiesen sind. Das riskieren Sie mit der Wegnahme der großen LSG-Verordnung Bergstraße-Odenwald.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt möchte ich darstellen, wie die Landesregierung mit diesem Gesetz umgeht. Ich sage Ihnen, ich finde es ungeheuerlich – das Wort „Lüge“ darf man ja nicht mehr in den Mund nehmen –, mit welcher Unwahrheit mit diesem Gesetz umgegangen wird.

Allein am Beispiel Landschaftsschutzgebiet kann das jeder Laie nachvollziehen,der den Gesetzentwurf vorliegen hat. Sie behaupten in Ihrem Gesetzentwurf:

Den in Abs. 2 bezeichneten Verordnungen

das sind die zu den 15 großen Landschaftsschutzgebieten, die wegfallen sollen –

ist gemein, dass sie zu Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts erlassen wurden.

So, und dann schauen wir uns doch einmal diese Verordnungen an. Darin sehe ich im Regierungsbezirk Darmstadt: „Bergstraße-Odenwald“,Verordnung vom 22.April 2002; „Osttaunus“,Verordnung vom 30.August 2002,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Alles voriges Jahrhundert!)

„Rhein-Taunus“ vom 19.11.2001; „Vogelsberg-Hessischer Spessart“ vom 12. September 2003.

Kommen wir zum Regierungsbezirk Gießen: „Hessischer Westerwald“, 28.02.2001; „Lahn-Dill-Bergland“, 21. August 2000. Meine Damen und Herren, dann haben wir die Verordnung zum „Burgwald“, und diese Regelung stammt vom 28.02.2000.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles aus dem letzten Jahrhundert!)

Von diesen 15 Verordnungen, die jetzt wegfallen sollen, sind alleine sieben in den Jahren komplett neu gefasst worden, die ich eben genannt habe. Allen 15 ist gemein, dass sie in der Regierungszeit von Roland Koch und von Minister Dietzel sämtlich neu innen abgegrenzt wurden. – Von wegen also: unrealistische Landschaftsschutzgebietsabgrenzung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweite Unwahrheit. Sie sagen, das sind zu viele Flächen: die Landschaftsschutzgebiete 40 %, dazu kommen noch die Vogelschutzgebiete Natura 2000. – Absolut unwahr. Das sind keine 60 %. Meine Damen und Herren, hier gibt es Überlagerungen. Es ist insgesamt ein viel geringerer Anteil als der, den Sie darstellen. Die Überlappungen wurden genannt, sie sind bekannt. Sich dann hierhin zu stellen und zu sagen, das sind alles große Flächen – das stimmt in keiner Weise. Das können Sie, wenn Sie wollen, auch nachvollziehen.

(Norbert Schmitt (SPD): In der Mengenlehre nicht aufgepasst!)

Die dritte Unwahrheit. Es wird gesagt, wir haben bei den Landschaftsschutzgebieten so viele Teillöschungsverfahren; ständig kommen Kommunen an und wollen wieder Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen bekommen. Dabei wird von über 300 solchen Anträgen allein im Jahr 2005 gesprochen.

Wenn man sich allein diese 15 großen Landschaftsschutzgebiete anschaut und versucht, die Teillöschungsverfahren auf einen Nenner zu bringen, dann merkt man, dass es noch nicht einmal ein Bruchteil dessen ist, was von Herrn Minister Dietzel immer wieder öffentlich verkündet wurde. Meine Damen und Herren, also auch hier ein platte Unwahrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch und Kopfschütteln des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Kommen wir zum Wegfall der besonders schützenswerten Biotope. Frau Kollegin Apel, dazu gehören die Streuobstwiesen, und dazu zählen auch die Alleen.

Ich habe eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Alleenstraßen mitgebracht. Sie haben auf die ökologische Bedeutung der Alleenstraßen hingewiesen und sagen:

Betrachtet man den vorliegenden Entwurf des Hessischen Naturschutzgesetzes aus der Sicht des Alleenschutzes,so ist es fraglich,ob in Zukunft der Erhalt der hessischen Alleen noch in vollem Umfang gewährleistet ist.

Hier wird befürchtet, dass durch diese Aufweichung, durch die Wegnahme des Schutzes die Alleen vernichtet werden. Dann können Sie doch nicht im „Hessen-Tourismus“ für die Deutsche Alleenstraße werben, wenn Sie gleichzeitig diesen Schutz wegnehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einmal den Schlenker zurück zu den Streuobstwiesen. Auf der einen Seite wirbt Herr Ministerpräsident Koch für das Land Hessen mit dem Laptop und dem Äppelwoi. Hier aber stellen Sie den Schutz der Streuobstwiesen infrage, indem Sie ihn herausnehmen. Sie sugge

rieren:Wir wollen den Schutz weiter behalten, wir werden ein Wiederherstellungsgebot einfügen. – Das wird genauso eine Pleite wie Ihre damalige Regelung zum Bannwald. Auch die mussten Sie zurücknehmen, weil es rechtlich überhaupt nicht griffig war.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Das ist das Problem. Dass Sie dann aber auch hier wieder nicht mit der Lüge,aber mit der Unwahrheit kommen und behaupten, alte Bäume dürften nicht entfernt werden, ist ein platter Blödsinn.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht nicht um vergreiste Bäume, sondern um vergreiste Abgeordnete!)

Sie brauchen doch nur einmal mit der unteren Naturschutzbehörde zu reden.

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Dann wird Ihnen gesagt, dass die unteren Naturschutzbehörden nur dann gefragt wurden, wenn es zu Komplettrodungen kam. Sie wurde nicht gefragt, ob Ersatzpflanzungen möglich sind oder ob ein Baum weggenommen werden durfte. Meine Damen und Herren, das ist die Realität in der Natur.

Was aber die unteren Naturschutzbehörden tun konnten: Sie konnten wertvolle Streuobstwiesenbestände – es heißt „Bestände“, nicht „Schutz des einzelnen Baumes“ – erhalten.

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Aber, Frau Kollegin Apel, die werden doch nicht sagen: – Na ja, weil dort ein Steinkauz nistet, hauen wir den Baum nicht ab.

Was Sie in Ihrem Gesetz tun, ist, dass Sie alles auf den Artenschutz zuschreiben. Das heißt, auch ein Steinkauz genießt seinen Schutz, denn sonst wäre es kein Naturschutzgesetz mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Mir liegen hier viele Stellungnahmen vor. Die werde ich nicht alle vorlesen, aber ein paar. Es gab eine Stellungnahme von der Evangelischen Heilig-Geist-Kirchengemeinde, die diesen Gesetzentwurf gerade im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung abgelehnt hat.

Zwei weitere Stellungnahmen sollte man hier noch erwähnen. Da geht es um die Streuobstwiesen,Arbeitskreis Streuobst Maintal. Auch hier wird die Gefahr gesehen, dass die Streuobstwiesen aus der Landschaft verschwinden. Dann die Streuobstroute Nassauer Land, mittlerer Taunus – genauso negativ. Kleine Keltereien wie die kleine Kelterei Spies in meinem Heimatkreis beklagen diese gesetzlichen Änderungen, weil sie glauben, dass der Rohstoff irgendwann nicht mehr geliefert werden kann.

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Meine Damen und Herren, das ist das Problem der kleinen Keltereien.

Jetzt kommen wir einmal zu der Entbürokratisierung, die Sie immer so schön in den Raum stellen. Ich habe hier etwas,das leider nicht alle Abgeordneten haben.Ich habe es durch Zufall erhalten, und das war auch gut so.

Leider erhalten wir nicht die Stellungnahmen der Regierungspräsidien. Ich habe eine vom Regierungspräsidium

Darmstadt. Ich sehe, dass dort ganz viele Punkte, die wir kritisch gesehen haben – der Wegfall der Positivliste, die die Eingriffsregelungen betrifft –, genauso kritisch gesehen werden. Gerade zu diesem Punkt wird gesagt: mehr Bürokratie, mehr Verwaltungsaufwand, überhaupt keine Erleichterungen.Meine Damen und Herren,das bedeutet auch Mehrkosten für die Steuerzahler. Der zweite Teil handelt von den Landschaftsschutzgebieten. Es ist schön, wenn man genau das, was man selbst als kritischen Punkt gesehen hat, auch beim RP nachlesen kann. Hier steht nämlich drin:

Entgegen den Ausführungen in der Begründung stammen die Verordnungen nicht aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, sondern wurden in den Jahren 2001 bis 2003 völlig neu gefasst und an die aktuellen Anforderungen angepasst.

Die Überarbeitung geht nämlich auf einen Erlass zurück – das war damals Rot-Grün –, der zur Aufgabe gegeben hat, alles neu innen abzugrenzen. Darin wurden die Regierungspräsidien aufgefordert, im Rahmen von Teillöschungsverfahren alles den Aktualitäten anzupassen.

Meine Damen und Herren, mit den Landschaftsschutzgebieten – so steht es hier ausdrücklich drin – werden die großen Naherholungsgebiete im Umfeld des RheinMain-Gebietes im Interesse der Bevölkerung geschützt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Also hier auch eine ganz massive Kritik an dem, was Sie jetzt im Gesetz über den Wegfall der Landschaftsschutzgebiete regeln wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)