Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

Erstens.Unsere Hochschulen sind demokratisch konstituiert. Sie bauen auf dem Fundament und dem Wissen ihrer

Mitglieder, der Lehrenden und Lernenden, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und, seit es die Hochschulräte gibt, auch auf die Beratung derer, die sich im Umfeld der Hochschule befinden, auf. Dabei muss es bleiben, denn das sichert die Qualität und die Freiheit der Forschung und der Lehre.

Zweitens. Unsere Hochschulen brauchen Eigenverantwortung hinsichtlich der Personalentscheidungen und der Bauherreneigenschaft. Sie müssen deswegen schneller und flexibler entscheiden können. Deshalb führen wir die Diskussion um die Autonomie und deren Weiterentwicklung.

Drittens. Die hessischen Hochschulen brauchen eine abgestimmte Hochschulentwicklungsplanung. Es erweist sich zunehmend als falsch,Autonomie als einen Aufruf zu verstehen, einfach vor sich hinzuwurschteln. So hört sich das nämlich manchmal bei der Frau Beer und den Mitgliedern der FDP an. Sie haben Autonomie auch heute Morgen wieder so interpretiert.

Herr Kollege Siebel, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Gott sei Dank!)

Ich möchte diese Debatte zum Anlass nehmen, uns alle dazu aufzurufen, die Bedürfnisse der Hochschulen ernst zu nehmen und einen Diskurs darüber zu führen, wie die Diskussion an den Hochschulen aussehen sollte.

Ich komme zu meinen letzten Sätzen zu diesem Thema. Wir wollen in Zukunft bei der Anhörung der Präsidenten nicht wieder über Budgetdeckelung, über leistungsorientierte Mittelzuweisung und Kennziffern diskutieren. Ich bin mir mit Herrn Staatsminister Corts einig, dass wir demnächst über die Inhalte diskutieren wollen, die es in der hessischen Hochschullandschaft geben soll.Wenn der Querschuss des Herrn Steinberg der Anlass sein könnte, dies zu tun, dann sollten wir dieses in den nächsten Wochen aufgreifen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Corts.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, will ich noch einmal ganz kurz zwei oder drei Dinge festhalten. Zunächst einmal will ich sagen: Die staatliche Mitverantwortung steht nicht zur Disposition und ist auch in Zukunft unverzichtbar.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich denke, es gibt keine Denkverbote!)

Das hat Herr Siebel gerade eben vorgetragen. Es handelt sich um ein Zitat des Herrn Steinberg. Ich sehe das nicht anders. Die Landesregierung sieht das nicht anders. Wir stehen zu der Verantwortung des Staates für Forschung und Lehre.

Lieber Herr Siebel, ich bin sehr froh, dass auch Sie anfangen, darüber nachzudenken, wie die Ziele mit der Autonomie erreicht werden können. Das zu tun während der Ausschusssitzungen lag bisher in Ihrer Hand.Wir denken schon lange darüber nach.Wir haben Arbeitsgruppen eingerichtet.

Ich will jetzt nicht lange über die Privatisierung und die Missverständnisse, die es gegeben hat, diskutieren. Frau Sorge sprach von Privatisierungsfanatismus und ähnlichen Dingen.Wir leben im Zeitalter der Autonomie.Wir haben viel erreicht. Wir haben mit dem TUD-Gesetz das modernste Hochschulgesetz in Deutschland. Ich finde es prima, dass Sie dem Gesetzentwurf zugestimmt haben. Aber das geschah während unserer Regierungsverantwortung. Wir haben diesen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben den Mut dazu gehabt. Sie sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Nichts anderes war es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir bleiben mit unserem Gesetz bundesweit ohne Beispiel.

Inzwischen ist ein Wettbewerb entstanden. Dieser Wettbewerb ist gut. Zu dem Wettbewerb gehört auch, dass wir mutige Präsidenten haben.An dieser Stelle will ich Herrn Prof.Steinberg ausdrücklich loben.Wir haben mutige Präsidenten und Professoren,die über den Tag hinaus denken und nicht im Gestern verharren und sagen: „Wie schön war es gestern“, oder Ähnliches.

Wir brauchen diesen Mut.Wir brauchen den Wettbewerb. Wir müssen weltweit bestehen. Wenn man mehr Autonomie hat, kann am Ende auch mehr Exzellenz entstehen. Auf diesem Weg befindet sich Herr Steinberg. Deswegen habe ich am Wochenende, als diese Diskussion aufkam, sofort gesagt – da sind wir uns alle einig –: Es gibt keine Denkverbote.

Wenn wir die Freiheit der Forschung und Lehre ernst nehmen, dann sollten wir bei den Präsidenten damit anfangen. Er soll die Möglichkeit haben, darüber nachzudenken, welches die besseren Wege sind, die innerhalb seiner Hochschule eingeschlagen werden sollten und welche Wege es noch geben könnte, zusätzliche Mittel zu erhalten.

Lieber Herr Siebel, das, was Sie gerade eben gemacht haben, war, dass Sie, bezogen auf das, was Sie eigentlich als Thema dieser Aktuellen Stunde angekündigt hatten, das Thema verfehlt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Militärisch gesehen, würde man sagen: Das war ein echter Rückzug. – Nichts anderes war es. Sie haben andere Vorschläge gemacht.

Sie haben nämlich mittlerweile erkannt, dass Herr Steinberg im Vorfeld mit verschiedenen Parlamentariern der verschiedenen Fraktionen, auch denen der Opposition, darüber gesprochen hat,dass er darüber nachdenkt.Denn er wusste, dass das in seiner Hochschule zu einer öffentlichen Debatte führen wird.

In unserem Land sollte es selbstverständlich sein – und es sollte auch dabei bleiben –, dass wir den Professoren und allen Mitgliedern der Hochschulen insgesamt die Erlaubnis geben, nachzudenken. Das werde ich auch weiterhin so halten.

(Zuruf von der SPD: Das ist ihr Job!)

Dieser Tag bietet eine gute Gelegenheit, eines festzuhalten. Das sollte nicht außer Acht bleiben. Etwas sollte man wirklich festhalten. Sie kennen diese eine Zeitung. Sie ist bei Ihnen wahrscheinlich jeden Tag Pflichtlektüre. Ich meine die „Frankfurter Rundschau“. Bei den Abgeordneten der SPD-Fraktion ist es wahrscheinlich zumindest Pflicht, ein Abonnement zu haben. Diese Zeitung muss unterstützt werden. Ich mache jetzt auch noch einmal Werbung für sie. In ihr kann man heute Morgen lesen: „Goethe-Uni punktet erneut.“

Das ist doch wunderbar. Pünktlich zu dieser Diskussion wird mit diesem Artikel von heute Morgen dargestellt, dass wir mit der Universität in Frankfurt die Chance haben, bei den Exzellenz-Clustern mitzuspielen. Es gibt in Deutschland nur zwei Hochschulen, nämlich die in Freiburg und Heidelberg, bei denen sich mehr Forschungsbereiche als in Frankfurt im Spitzenranking befinden. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.

Herr Steinberg verharrt nicht, sondern er denkt weiter. Er denkt über weitere Modelle nach. Denn nach der gestern geführten Diskussion müssen wir doch festhalten: Der Staat kann, wirtschaftlich gesehen, das nicht alles alleine leisten. Wir brauchen die Studienbeiträge. Außerdem brauchen wir auch noch zusätzliche private Mittel. Über die Bedeutung des Lissabon-Abkommens und Ähnliches können wir an anderer Stelle diskutieren.

Ich freue mich darüber, dass ich in Frankfurt einen Präsidenten habe, der mutig ist, gegen den Strom schwimmt und nachdenkt.Ich würde mich freuen,wenn Sie sich meiner Auffassung anschließen könnten und ihn unterstützen würden, auch wenn Sie sich in der Opposition befinden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Vielen Dank. – Das Wort hat nun Frau Kollegin Sarah Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Corts, zunächst möchte ich auf das zu sprechen kommen,was Sie zu der Technischen Universität Darmstadt gesagt haben. Bei der Landesregierung und den Mitgliedern der Regierungsfraktion scheint es zunehmend Mode zu werden, sozusagen Lügen von dem Podium zu verbreiten.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): He, he! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Corts, während der Diskussionen wurde auch von Ihnen immer klar dargestellt, dass wir nicht auf einen Zug aufgesprungen sind. Sie haben im Verlauf der Diskussion immer ganz deutlich gesagt, wie sehr es Ihnen am Herzen liegt, dass wir den Schritt, der Technischen Universität Darmstadt mehr Autonomie zu geben, in diesem Haus gemeinsam gehen. Genau das haben wir getan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Sorge, wir waren uns doch hinsichtlich der Formulierungen einig. Wenn wir Lüge meinen, sagen wir Unwahrheit.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Ich bitte Sie, das parlamentarisch zu formulieren.

Anderes wollte ich eigentlich auch nicht sagen.

Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, es sei gut, wenn wir mutige Professoren hätten. Sie sagten, wir bräuchten mutige Professoren. Dazu sage ich Ihnen: Natürlich brauchen wir mutige Professoren. Damit zeigt sich aber das Problem, das wir in dieser Aktuellen Stunde behandeln müssen – wir brauchen auch fachlich versierte und vor allen Dingen interessierte Minister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Axel Winter- meyer (CDU): Die haben wir!)

Das eigentliche Problem,über das wir diskutieren,besteht doch nicht darin, wie die Universität in Frankfurt zum Modellprojekt Darmstadt plus werden könnte oder welche Überlegungen es an der Universität Frankfurt gibt, wie sie als Modellprojekt in eine Stiftungsuniversität überführt werden kann. Das eigentliche Problem besteht doch darin, dass man beachten muss, was vier Tage vor Verabschiedung des Studiengebührengesetzes durch die Medien gegangen ist und wie dieser Minister darauf reagiert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Michael Siebel und Dr.Thomas Spies (SPD) – Axel Wintermeyer (CDU): Oh!)

Vier Tage vor Verabschiedung des Studiengebührengesetzes wurde in den Nachrichten gebracht, die Universität Frankfurt wolle privatisiert werden. Es ist doch logisch, dass dann die Alarmglocke schrillt. Sie haben das Universitätsklinikum Gießen-Marburg privatisiert. Sie wollen die Sparkassen privatisieren. Sie verscherbeln zurzeit massenhaft Gebäude des Landes. Sie machen nicht einmal davor halt, die Gebäude der Ministerien zu verkaufen. Herr Corts, am Wochenende haben Sie in Ihrer bekannt dilettantischen Art reagiert und gesagt,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die staatsgläubigen GRÜNEN!)

es gebe keine Denkverbote und wir würden im Zeitalter der Autonomie der Hochschulen leben. Darin zeichnet sich aber alles andere als der Gestaltungswille eines Ministers ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Corts, Sie befinden sich wirklich im Privatisierungsfieber. Sie merken überhaupt nicht, was Sie damit anrichten.

Die Studierenden haben aktuell Angst um ihre Zukunft. Sie haben Angst, sich ihr Studium in Zukunft nicht mehr leisten zu können. Sie spüren, dass Ihnen, Herr Minister Corts,diese Ängste und Befürchtungen ziemlich egal sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))