Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

Am 29.03., also sechs Tage später, habe ich Ihnen hier im Landtag erklärt – ich zitiere –:

Der Kommissar hat nämlich deutlich gemacht, dass die Bildung und Übertragung von Stammkapital innerhalb der Sparkassenfamilie auch in Zukunft durch das EU-Recht gerechtfertigt und gedeckt seien. Er hat deutlich gemacht, dass es unter europarechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken gebe, sich beim Erwerb von Sparkassen auf öffentlich-rechtliche Erwerber zu beschränken.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

So weit meine Erklärung von damals. Herr Kahl, Sie haben sich unter anderem damit hervorgetan, diese meine Aussage von damals in Zweifel zu ziehen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das hat der Kommissar auch gemacht!)

Sie haben gesagt, das sei eine Dreistigkeit. Sie haben gesagt: Rhiel täuscht die Öffentlichkeit und das Parlament.

(Frank Lortz (CDU): Unerhört!)

Meine Damen und Herren, der Kommissar hat Sie und alle Kritiker, die mir wider besseres Wissen Unwahrhaftigkeit und Unwahrheit unterstellt haben, Lügen gestraft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Gerhard Bökel (SPD))

Ich habe damals das gesagt, was der Kommissar dann in einem Schreiben vom 07.08. nochmals bestätigt hat. Das will ich Ihnen hier zitieren.

(Reinhard Kahl (SPD): Was hat der Kommissar zu Ihrem Satz gesagt?)

Ich zitiere:

Aus Sicht des Binnenmarktes bestehen gegen die oben genannten Kernelemente des Gesetzes keine Bedenken. Wie ich Ihnen bereits bei unserer Zusammenkunft am 23.März mitgeteilt habe,erzwingt der EG-Vertrag keinesfalls eine Privatisierung, da die Entscheidung hierüber allein den Mitgliedstaaten obliegt.

Und er verweist auf Art. 295. Herr Kahl, Sie sollten also heute hierhin treten und sagen: Herr Minister, ich habe mich damals getäuscht – zumindest: Ich nehme diese Aussage zurück, dass Sie die Unwahrheit gesagt haben. – Denn das ist hier widerlegt worden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Darum geht es in der Tat nicht im Kern. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass wir in Hessen ein Sparkassengesetz vorlegen, das für viele andere Länder Vorbildcharakter hat.Wir schaffen Raum für die Entwicklung der Sparkassen. Wir schaffen Raum dafür, dass die Sparkassen auch in Zukunft ihre wirtschaftspolitische Funktion wahrnehmen können.

Wir tun dies im Rahmen größtmöglicher Offenheit. Denn das,was wir in das Gesetz hineingeschrieben haben,ist ein Angebot an die Kommunen. Die Kommunen können von dieser Maßnahme Gebrauch machen, sofern sie Träger der Sparkassen sind. Sie müssen das aber nicht tun. Wir zeigen einen Weg auf,wie die Leistungsfähigkeit der Sparkassen gesteigert werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wenn ich Ihnen nun den Gesetzentwurf zur Beratung anempfehle und zur Zustimmung empfehle, dann beginnt jetzt sicherlich eine fruchtbare Debatte, auch in den Ausschüssen. Die öffentliche Debatte darüber ist aber schon vorweggenommen, nicht zuletzt durch die Opposition in diesem Hause.

Herr Dr. Rhiel, ich darf Sie freundlich darauf hinweisen, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit abgelaufen ist.

Es hat darüber bereits eine politische Abstimmung gegeben. Sie haben den Kommunalwahlkampf dazu zu missbrauchen versucht, eine Abstimmung über das Sparkassengesetz vorwegzunehmen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und wir haben sie gewonnen!)

Sie sind belehrt worden.Sie haben diese Abstimmung verloren. Ich hoffe, dass die Sparkassen mit diesem neuen Gesetz gewinnen werden.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Rhiel. – Zur Einbringung des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion hat Herr Kollege Posch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bringe den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP zu dem gleichen Thema ein, zu dem Herr Minister Dr. Rhiel eben gesprochen hat.

Im Vorfeld dieser Diskussion habe ich mir ein paar Presseerklärungen herausgesucht,die nach meiner Auffassung sehr deutlich machen, vor welchem Hintergrund wir die Reform der Sparkassen im Moment diskutieren müssen.

In der „Börsenzeitung“ vom 15. September steht: „EZB für den Verkauf öffentlicher Banken – EZB stellt sich gegen die Sparkassen“. Im „Handelsblatt“ vom 6. September heißt es:

Überall auf der Welt entwickelt sich die Kreditwirtschaft weiter, sogar in Italien, nur Deutschland ist voll von Säulenheiligen, die ihre Säulen mit Zähnen und Klauen verteidigen; die österreichische Alternative: Bei den Sparkassen in der Alpenrepublik ist vieles anders als in Deutschland.

Im „Handelsblatt“ vom 7. September liest man:

Realismus ist gefragt. Es ist höchste Zeit, dass das Sparkassenlager aus der Bremserrolle herauskommt. Das sehen auch viele Chefs von Sparkassen und Landesbanken so. Nur mit mehr Reform und Modernisierungsbereitschaft können die Sparkassen ihre Bedeutung für den industriellen Mittelstand und für die gesamte Volkswirtschaft dauerhaft sichern.... Fischer will bei den Sparkassen Privatisierungen ermöglichen. Die öffentlichen Banken in Deutschland haben sich indirekt dafür ausgesprochen, die Privatisierung von Sparkassen möglich zu machen, und sich damit gegen den Sparkassenverband gewandt.

Im „Handelsblatt“ vom 23. Mai heißt es: „Öffentliche Banken stehen unter Druck – Gewinnmargen im deutschen Kreditgeschäft fallen dramatisch“. In der „FAZ“ vom 11.August:

Ein Keil ins Drei-Säulen-Modell: Die Kommission folgt nicht den zentralen Argumenten der deutschen Sparkassen, dass die Öffentlichkeit von den Sparkassen ein ausschließlich gemeinnütziges Engagement erwarte.

(Beifall bei der FDP)

„Zeitenwende in Hamburg: die WestLB treibt einen Keil in das öffentlich-rechtliche Bankenlager – S-Gruppe bläst der Wind ins Gesicht“. So heißt es in der „FR“ vom 19. Mai 2006:

Dabei ist die Wettbewerbssituation der Sparkassen alles andere als rosig. Da immer mehr Bundesbürger über einen Internetanschluss verfügen, schreiben die Direktbanken eine Erfolgsgeschichte.

„Weg frei für private Investoren bei der HSH Nordbank“. Die „Wirtschaftswoche“ hat im vergangenen Jahr sehr ausführlich dargestellt:

In der Sparkassengruppe klaffen tiefe Risse. Kunden wandern zur Konkurrenz. Die Rivalitäten im eigenen Lager wachsen. Der weltgrößte Finanzverbund steht am Scheideweg. Bricht er auseinander, oder formen sich neue Champions?

Meine Damen und Herren, dies ist ein willkürlich zusammengestellter Blumenstrauß an Veröffentlichungen in der Presselandschaft, die sich mit der sehr wichtigen Frage befasst, welche Rolle die öffentlich-rechtlichen Sparkassen vor dem Hintergrund einer gravierenden Veränderung in der europäischen Bankenlandschaft und insbesondere vor dem Hintergrund der Herausforderung amerikanischer Banken spielen, die auch in Europa tätig werden wollen.

(Beifall bei der FDP)

Man mag sagen: Das spielt sich irgendwo anders ab. Das hat mit uns nichts zu tun. – Doch, es hat etwas mit uns zu tun, weil unsere Sparkassen ein wichtiger Teil der Kreditwirtschaft sind. Ich werde noch darauf eingehen. Ich denke, dass die Veränderungen in Europa eine Antwort brauchen.

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Rhiel, sagen wir: Die Vorschläge der Landesregierung gehen uns nicht weit genug. Das wissen Sie.Wir wollen die Möglichkeit einer privaten Beteiligung eröffnen. Ich sage gleich dazu:Auch die Eröffnung der Beteiligung privaten Kapitals stellt das Grundsystem, das Drei-Säulen-System, nicht infrage.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der Auffassung, dass das, was wir in anderen Bereichen unter dem Stichwort Public Private Partnership machen, auch in der Kreditwirtschaft durchaus eine Rolle spielen kann.

Zurück zu den Presseartikeln. Am 14. Oktober 2006 liest man: „Hessischer Sparkassenverband will keine Ruhe geben; Sparkassen ringen um Direktbank“. Darin wird die innerverbandliche Diskussion dargestellt, weil wir mit der Fraspa nun eine Direktbank haben. Wir haben es aber erstmals mit der Situation zu tun, dass es einen Dissens zwischen dem Sparkassen- und Giroverband einerseits und der Landesregierung andererseits gibt, wie es ihn noch nie gegeben hat. Ich habe das nicht weiter zu kommentieren, aber ich denke, wenn anders kommuniziert worden wäre, hätten wir möglicherweise eine andere Situation. Ich glaube nämlich, dass sich die Sparkassen dieser Diskussion, die ich eben durch die Zitate zu umreißen versucht habe, letztendlich nicht verschließen können. Irgendwann wird das, was die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf jetzt einleitet, weiterentwickelt werden müssen – hin zu einer Beteiligung Privater auch an öffentlich-rechtlichen Systemen.

(Beifall bei der FDP)

Die Vorstellungen der FDP-Fraktion gehen deshalb über die Vorstellungen der Landesregierung hinaus.Wir wollen neben der Bildung von Stammkapital auch die Beteiligung privaten Kapitals an öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten oder an Sparkassengesellschaften ermöglichen, die allerdings mehrheitlich in öffentlicher Hand bleiben. Meine Damen und Herren, ich habe es an anderer Stelle bereits gesagt und wiederhole es hier: Sparkassen sind kommunale Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft. Ich wehre mich dagegen, wenn immer so getan wird, als wenn die Gemeinnützigkeit ausschließlich durch ein öffentlich-rechtliches System gewährleistet werden könne. Das können Sie in einer privaten Rechtsform in gleicher Weise erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist es falsch, wenn gesagt wird, dass ein Rechtsformwechsel die Gemeinnützigkeit gefährde. Wir wissen, dass in den Verbänden über diese Frage diskutiert wird, wenn bei der HSH Nordbank Private einsteigen, aber das bedeutet eben nicht, dass damit ein Fundament der deutschen Kreditwirtschaft tatsächlich gravierend verändert wird.

Erlauben Sie – etwas vom eigentlichen Sparkassengesetzentwurf weg – die Frage, wie das in anderen Ländern aussieht. Vor 20 oder 30 Jahren war die Struktur der Kreditwirtschaft in den Nachbarländern so ähnlich wie in Deutschland. In allen europäischen Nachbarländern gab es eine ähnliche Struktur: Genossenschaftsbanken, Privatbanken und Sparkassen.

Jetzt müssen wir uns ansehen, wie sich die Situation verändert hat.Die Sparkassen wurden in diesen Ländern teilweise in Anstalten privater Rechtsform, meistens in Aktiengesellschaften, umgewandelt. In einigen Ländern, in den Niederlanden und in Italien, wurde damit der Weg für Fusionen mit Privatbanken eröffnet. In Spanien sind die Sparkassen inzwischen private Stiftungen. In Frankreich hat man den genossenschaftlichen Weg gewählt. Das erinnert mich fast an die Diskussion heute Morgen zum Thema Frankfurter Universität. Es ist ein Irrglaube, zu meinen, es handle sich materiell um eine Privatisierung, wenn wir Sparkassen in Stiftungen umwandeln. Hier findet nur ein Rechtsformwechsel statt, der die Möglichkeit der Beteiligung Privater ermöglicht.

(Beifall bei der FDP)