Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

Herr Ministerpräsident, Sie grummeln seit einiger Zeit. Ich widme mich jetzt aber anderen Themen. Ich werde mich jetzt dem BAMBINI-Programm widmen.

Auch das BAMBINI-Programm ist ein Zeichen dafür, dass diese Landesregierung im Jahr 2007 und in den fortfolgenden Jahren keine Verantwortung vor Ort, keine Subsidiarität und keine vernünftige Haushaltsführung in ihre Gedanken einbeziehen will. Auch dieses Programm ist eindeutig vom Wahlkampf getrieben.

Ich habe es für meine Fraktion schon einmal in einer anderen Debatte äußern müssen: Silke Lautenschläger erinnert mich da sehr stark an Edelgard Bulmahn. Sie wissen, dass Edelgard Bulmahn ein Programm aufgelegt hat.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber nicht sehr charmant!)

Kümmern wir uns erst einmal um die Inhalte, dann können Sie das auf das Weibliche beziehen. Herr Kollege Kaufmann, ich wollte das gar nicht machen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das dürfen Sie auch gar nicht! Das steht Ihnen nicht zu!)

Herr Kaufmann, zahlen Sie 5 c in die Chauvikasse. Das wollen wir doch einmal klar sagen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Bulmahn hat ein Programm vorgelegt, das sie „Ganztagsschulprogramm“ genannt hat: Ausbau der Ganztagsbildungseinrichtungen nicht nur in Hessen, sondern überall im Bund.Wir alle wissen,dass dies überhaupt nicht der Job des Bundes ist. Das wussten auch die Sozialdemokraten; ich hatte die Ehre, im Rahmen der Föderalismuskommission mit vielen in Berlin darüber zu reden.

Aber sie hat mit dem Scheckbuch gewinkt, und deshalb sind wir alle – die einen mehr, die anderen weniger – darauf eingegangen: die Landespolitiker, die Landräte und die Kommunalpolitiker. Wir haben uns gesagt: Also gut, das Geld nehmen wir halt mit. – Es war eine Anmaßung, eine Aufgabe, für die man nicht zuständig ist; aber die Anmaßung wurde mit eigenem Geld, nämlich mit Bundesgeld, bezahlt.

Silke Lautenschläger und Roland Koch machen es anders. Sie nehmen sich eines Themas an, das sie fachlich nichts angeht, nämlich der Kinderbetreuung. Ich glaube, das ist unstreitig. Das wissen auch die jetzt Regierenden.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir, fachlich geht uns das alle etwas an. Die Zuständigkeit aber liegt eindeutig bei den Kommunen, und zwar bei den Städten und Gemeinden, noch nicht einmal bei den Kreisen. Auch über dieses Thema gibt es schon Diskussionen.

Aber das ist nur der erste Schritt. Das hieße, wie Edelgard Bulmahn zu handeln.Aber Edelgard Bulmahn zu toppen bedeutet, das auch noch mit dem Geld aus dem Kommu

nalen Finanzausgleich zu machen,das den Kommunen zusteht: Edelgard Bulmahn hoch zwei.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, was hat das mit einer vernünftigen und ehrlichen Haushaltsführung zu tun, wenn Sie doch sehen, dass dort ein Problem ist? Ja, wir alle sehen dort ein Problem.

Ich glaube, der Herr Ministerpräsident wird sich daran erinnern, wie intensiv wir auf einer Reise über ein anderes Modell diskutiert haben, das nach Auffassung der FDP das viel zielführendere ist.Wir haben nämlich darüber diskutiert, dass wir bei der Kindergartenfinanzierung von der Objektförderung der Einrichtung wegkommen und uns der Subjektförderung zuwenden müssen, nämlich der Förderung des Kindes, das einen Kindergarten besuchen will.

Dazu wollen wir mit Kindergartengutscheinen arbeiten, statt die Gemeinde – sei es die politische oder die kirchliche; wer auch immer der Betreiber dieses Kindergartens ist – zu finanzieren. Indem wir den Menschen Gutscheine aushändigen,mit denen sie ihre Kinder vom Kindergarten A zum Kindergarten B bringen können, geben wir ihnen die Möglichkeit,Wettbewerb zu organisieren.Wir alle finden das offensichtlich gar nicht so schlecht. Das habe ich der Reaktion auf unserem Parteitag entnommen, den wir im Frühjahr zu diesem Thema veranstaltet haben.Nur,das BAMBINI-Programm macht das kaputt – noch dazu mit Geld, das einem nicht zusteht.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass das Verhältnis zwischen dem Land Hessen und den Kommunen nicht so kaputt ist, wie das insbesondere von interessierter sozialdemokratischer Seite immer wieder gesagt wird. Das ist falsch.Wenn das Verhältnis so kaputt wäre, würden die kommunalen Organisationen – Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag – entweder jeden Tag vor Gericht gehen oder diese Konnex-Gruppe anrufen und fragen, wie das so läuft. Wenn das Verhältnis so schlecht wäre, wie behauptet wird, müssten die Vertreter des Städte- und Gemeindebunds vor Zorn explodieren, weil den Kommunen hessenweit zugunsten der Kreise immerhin 220 Millionen c – plus/minus 50 Millionen c – weggenommen worden sind.

So schlecht ist das Verhältnis nicht. Nur, wenn die Landesregierung das Verhältnis immer wieder aushöhlt, immer wieder das Geld der Kommunen nimmt und immer wieder kleine Töpfe einrichtet, wie es jetzt der Fall ist, macht sie deutlich,dass sie mit ihrer Politik zwar bis in den letzten Kindergarten hinunterregieren möchte, aber nicht das Geld dafür hat. Sie nimmt deshalb das Geld der Kommunen. Sie nimmt die Vorschläge der anderen nicht auf und begreift nicht, dass Subsidiarität heißt, dass nicht nur die Aufgabe dort gemacht wird, wo sie anfällt, sondern dass auch das Geld dort bleibt, wo es eingenommen wird, statt von anderer Seite genutzt zu werden.

(Beifall bei der FDP)

Nachdem ich für die FDP-Fraktion eine Reihe von Punkten sehr kritisch beleuchtet habe, bei denen es um finanzielle Maßnahmen der Landesregierung auf dem Gebiet der Kinderbetreuung geht, will ich auch auf einige sehr positive Aspekte hinweisen.Wir reden in einer Haushaltsdebatte nicht nur über die Zukunft. Vielmehr sprechen wir,wenn eine Generaldebatte ansteht,auch über das vergangene Jahr.

Allein auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Hochschulpolitik begrüßen wir zwei Entscheidungen dieser Landesregierung – der CDU-Fraktion –, die die FDP entscheidend mit begleitet hat. Es war eine kluge und letztlich von Erfolg gekrönte Entscheidung, die Universitätsklinika in Gießen und Marburg zu privatisieren. A la bonne heure, das war ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage ein bisschen stolz – ich weiß, dass Sie das in internen Gesprächen nicht abstreiten –: Wir Liberale sind daran beteiligt, dass der eine oder andere technische Stolperstein, der im Weg lag, erkannt und zur Seite geräumt werden konnte, sodass dies jetzt zu einem Erfolgsmodell geworden ist. Dass dies mit den Namen Udo Corts und Roland Koch verbunden ist, ist völlig klar. Wir werden auch überhaupt nicht hineinreden. Es war eine richtige Entscheidung, sich von staatlichen Aufgaben zu trennen, die keine staatlichen Aufgaben mehr sind – gerade dann, wenn man sie nicht mehr vernünftig finanzieren kann. Das hat die Unterstützung der FDP gefunden, und das ist hier ausdrücklich zu loben.

(Beifall bei der FDP)

Sie wissen, dass wir innerhalb der hessischen FDP-Fraktion über ein bestimmtes Thema mindestens fünf oder sechs Jahre lang streitig diskutiert haben. Jörg-Uwe Hahn und Ruth Wagner waren die Antipoden in dieser Diskussion. Dabei geht es um die Einführung von Studiengebühren an den hessischen Hochschulen.Wir wollten Sie dazu bewegen und haben mit dem Vorlegen eines eigenen Gesetzentwurfs letztlich auch die richtige Spur gelegt.

Das war eine gute, eine zukunftsweisende Entscheidung, aber leider auch eine Entscheidung, mit der Sie bewiesen haben, dass Sie – zumindest am Anfang – eine Reihe von Problemen nicht mit aufgenommen haben. Ich bin nicht so selbstbewusst, zu sagen, Sie hätten sie nicht erkannt. Aber Sie haben sie nicht aufgenommen. Daher haben Sie nach der Anhörung, in der der FDP-Vorschlag viel positiver bewertet worden ist als der Vorschlag der CDU, eine Reihe von entscheidenden Vorschlägen aus unserem Programm übernommen.

Das zeigt,dass die Mehrheit der Unionsfraktion in diesem Hause an einigen Punkten lernfähig und bereit ist, Vorschläge anderer zu übernehmen, wenn das für das Land Hessen von besonderer Bedeutung ist, und das auch ohne irgendeine Häme macht. Auch das muss in einer Haushaltsrede erörtert werden. Für die FDP-Fraktion sage ich das hier sehr deutlich.

Es gibt aber auch Punkte – das ist meine dritte Abteilung –, bei denen wir nicht verstehen, wie Sie sich benehmen. Ich will das anhand des Beispiels Energieversorgung in Hessen deutlich machen. Das wird auch eine zentrale Auseinandersetzung im Landtagswahlkampf werden.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Natürlich!)

Ich erläutere die Position der FDP. Wir möchten in Hessen eine Energieversorgung haben, die verbrauchernah und kostenbewusst ist und weder von sehr wenigen Energiequellen noch von sehr wenigen Gesellschaften abhängig ist.Wir möchten einen Energiemix haben, der von der Kernenergie bis zu den erneuerbaren Energien reicht.Wir wollen, dass die Energie, die in Hessen produziert wird, auch weiterhin hier produziert wird – jedenfalls dann, wenn sie mithilfe von Auflagen sicher produziert werden kann.Außerdem möchten wir, dass die Abhängigkeit vom

Ausland so gering wie möglich ist. All das können wir in Hessen leisten.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Wir haben so viele Ölund Gasreserven in Hessen!)

Allein von den beiden Kraftwerken in Biblis und in Staudingen werden über 70 % der Stromenergie produziert, die wir in unserem Bundesland benötigen.Wenn alle Blöcke von Biblis und Staudinger laufen, können wir sogar Strom in andere Bundesländer exportieren. Daher kann ich bei den Sozialdemokraten einiges nicht nachvollziehen. Bei den GRÜNEN kann ich es nachvollziehen. Das hat etwas mit der Geschichte zu tun. Ich meine das überhaupt nicht abwertend. Aber wer aus der Anti-AKW-Bewegung kommt, wird sich sicherlich nicht dafür einsetzen, dass die Kernkraftwerke länger am Stromnetz bleiben. Doch die Sozialdemokraten in Hessen hatten den Ministerpräsidenten Georg August Zinn – auf den sie in Sonntagsreden immer wieder stolz verweisen –, der sich bewusst dafür eingesetzt hat, dass an den Standorten Biblis A und Biblis B Kernkraftwerke eingerichtet werden.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ich habe es Ihnen schon einmal erklärt! Sie haben es nicht verstanden!)

Frau Kollegin Ypsilanti, wenn man sich davon verabschiedet, wird man nicht lernfähig, sondern geschichtslos.

(Beifall bei der FDP – Andrea Ypsilanti (SPD): Nein, Sie haben es nicht verstanden! – Petra Fuhrmann (SPD):Wer hat denn etwas gelernt? Die FDP nicht!)

Das ist ein Running Gag geworden.Wenn man mit Kollegen aus anderen Ländern spricht, fragen die einen bereits: Wo sind denn die 1.700 Windmühlen der Andrea Ypsilanti?

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Windmühlen standen in Biblis!)

Wir haben gehört, dass sie jetzt entlang der Autobahnen aufgebaut werden sollen.

(Zurufe von der SPD)

Es wurde so gesagt, es wurde so behauptet. Sie hat von diesem Pult aus gesagt, wir benötigten 1.700 Windmühlen, um Biblis A und Biblis B auszugleichen.Diese sollten entlang der Autobahnen aufgestellt werden. Gott sei Dank habe ich noch keine einzige neue Windmühle gesehen. Das würde nämlich dem Landschaftsbild schaden.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen also, dass Staudinger ausgebaut wird und dass man dort einen neuen Block, ein Steinkohlekraftwerk, baut. Wir wollen, dass Biblis A und Biblis B wieder ans Netz gehen, wenn die technischen Probleme mit den Dübeln gelöst sind.

Wir wollen darüber hinaus auch, dass erneuerbare Energien eingesetzt werden. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Antrag von Heinrich Heidel zu dem Thema „Biomasseprogramm in Hessen“ im Ausschuss so positiv aufgenommen worden ist, dass man versucht, für die dritte Lesung einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie sehen also, dass wir von der Kernkraft bis zur Energie aus Biomasse relativ gut und insbesondere unideologisch

aufgestellt sind. Wir wollen aber auch erreichen, dass die Politik umgesetzt wird. Ich finde, dass der Herr Ministerpräsident da eine hohe Verantwortung hat. Der Herr Ministerpräsident sagt in allen seinen Reden – er sagt es nicht nur hier,sondern auch im Fernsehen –,er halte es für falsch,dass eine funktionierende Produktionsstätte,wie in Biblis, aus ideologischen Gründen kaputtgemacht wird. Herr Ministerpräsident, da sind wir Seite an Seite.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Wie so oft! Sie sind doch das Back-up des Ministerpräsidenten!)