(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Walter (SPD) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er hat das auswendig gelernt!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem mich Frau Pauly-Bender zum Berichterstatter gemacht hat, war ich natürlich auf diesen Auftritt vorbereitet – vielen Dank.
Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrages Drucks. 16/6651 in zweiter Lesung anzunehmen.
Der Gesetzentwurf war dem Sozialpolitischen Ausschuss in der 113. Plenarsitzung am 5. Oktober 2006 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.
Der Sozialpolitische Ausschuss hat am 29.November 2006 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt.
Der Sozialpolitische Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 7. Dezember 2006 behandelt und ist mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu dem von mir genannten Votum gelangt.
Zuvor war der Änderungsantrag Drucks. 16/6568 mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP abgelehnt worden. Der Änderungsantrag Drucks. 16/6651 wurde mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen. – Vielen Dank.
Danke, Herr Rentsch. – Meine Damen und Herren, ich darf nunmehr die Aussprache dazu eröffnen.Als Erste hat sich Frau Kollegin Dr.Pauly-Bender für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Frau Dr. Pauly-Bender, Sie haben eine 15-minütige Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen hat anlässlich seines Verfassungsjubiläums rauschende Feste absolviert. In der Hauptsache hat sich die Hessische Landesregierung gefeiert.
Fraktionsübergreifend haben dies viele Mitglieder der ersten Gewalt kritisch kommentiert.Aus meiner Sicht waren jedoch diejenigen Themen bemerkenswert, die Sie bewusst aus den Feierlichkeiten herausgehalten haben. Meine Damen und Herren, unsere Hessische Verfassung war zukunftsweisend und verfügte für die damaligen Verhältnisse über revolutionäre Substanz. Dafür lieben wir Sozialdemokratinnen unsere Verfassung. Das Substrat unserer Hessischen Verfassung war 1946 und ist 2006 die Idee der demokratischen und sozialen Gemeinschaft, das starke Plädoyer für demokratische Partizipation und soziale Chancengleichheit aller hessischen Einwohner – egal, ob arm oder reich, ob eingeboren oder zugewandert, ob Mann oder Frau.
Meine Damen und Herren, wenn es in Hessen einen essenziellen Verfassungsauftrag an den Staat gibt, dann ist es der Verfassungsauftrag an den Staat, Chancengleichheitspolitik zu machen. Unsere Verfassung will keine systematisch betriebene Bildungsbenachteiligung, wie Sie sie seit dem hessischen Schulkampf unter Dregger betreiben. Unsere Verfassung will gerade keine Ausgrenzung von Neuhessinnen und Neuhessen, wie Sie sie in Ihren populistischen Gegen-Ausländer-Kampagnen in Stadt und Land immer wieder betreiben.
Meine Damen und Herren, unsere Verfassung will nicht, dass der Staat zuschaut, wenn die demokratische Teilhabe zwischen Männern und Frauen in irgendeinem Bereich der Gesellschaft hinterherhinkt.
Unsere Verfassung will auch und gerade, dass der Staat korrigierend eingreift und aktiv ausgleicht, wo immer Frauen beruflich benachteiligt sind.
Meine Damen und Herren, so berechtigt es gesamtgesellschaftlich ist, Frauenrechtsinteressen in Migranten-Communitys durchzusetzen, so abstoßend ist es, zuzusehen, wenn sich die hessische CDU von unserer verfassungsmäßigen Ordnung mit dem mit deutschen Stimmen verabschiedeten Europarecht und unserer nationalen Verfassung, unseren nationalen gleichheitspolitischen Standards zugunsten der Frauen seit über 40 Jahren und bis zum heutigen Tag so ganz und gar staatsfrei geriert und selbst in der Regierung in keiner Weise angesprochen fühlt.
In diesem Geist, meine Damen und Herren von der hessischen CDU in Parlament und Regierung, sind Sie auch nicht bereit, eine zeitgerechte, die Frauenförderung effektiver weiterführende Novelle zum HGlG vorzulegen. Ihr Umgang mit dem Thema einer staatlich verantworteten Frauenförderung im öffentlichen Bereich hat Geschichte und ist Ausdruck Ihrer konservativen, ja in Frauenfragen teils geradezu reaktionären Ideologie.
Niemals haben Sie ein vernünftiges Verhältnis zu dem Verfassungsauftrag an den Staat gefunden, mit kompensatorischen Maßnahmen
Herr Wintermeyer, darauf kommt es an – einzugreifen, um Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichzustellen. Was Sie in diesem Verfassungsjahr nicht über die Lippen gebracht haben, darf ich Ihnen wenigstens an dieser Stelle als Nachklapp zum 01.12. in Erinnerung rufen. Ganz konkret hat unsere Verfassung bereits im Jahre 1946 in ihrem Art. 30 vorweg genommen, was das Bundesverfassungsgericht Jahrzehnte später befand. Der Staat wird verpflichtet, für die Gleichheit der Frau einzugreifen. Darauf hat sie ein sozialstaatliches Anrecht, eben nicht nur als Mutter, sondern auch und gerade als Staatsbürgerin und Erwerbstätige.
Doch haben auch die Verfassungsfeierlichkeiten die hessische CDU nicht veranlasst, sich wenigstens in der Frauenpolitik auf die gleichheitspolitischen Verpflichtungen des Staates zu besinnen.
Herr Wintermeyer, da meine ich auch „Kerle, Kerle“. – Stattdessen plappern Sie gestern in Presseverlautbarungen erneut in böswillig fehlinterpretierter Bürokratismuskritik: Bitte nicht so viele Gleichstellungsregeln im Lande Hessen.
Meine Damen und Herren von der CDU, die staatliche Verpflichtung zu gleichheitspolitischen Regularien für alle öffentlichen Ebenen als symbolisches Vorbild und als sanktionierende Nachhilfestunde für die gesamte Gesellschaft müssen Sie hinnehmen. Die europäische Modernisierungspolitik stoppen Sie nicht mehr. Die nationalen Gleichheitsrechte für Frauen sind ebenso wenig deregulierungsfähig, wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung deregulierungsfähig ist.
Meine Damen und Herren von der CDU, im Grunde genommen ist Ihnen das auch klar, sonst wären Sie mit Ihrer Novelle im Abbau von gleichheitspolitischem Regularium natürlich liebend gerne weiter gegangen. Sie haben sich im Schatten der Vorbereitungshandlungen zu den Verfassungsfeierlichkeiten hingesetzt, um die Gleichheitspolitik für Frauen im öffentlichen Dienst wenigstens noch einmal so minimalistisch wie irgend möglich abzuhandeln. Denn das ist Ihre hessische Mission, meine Damen und Herren von der CDU. Sie haben sich vorgenommen, in der bundesweiten CDU-Riege in Frauenfragen gleichheitspolitisch so weit hinten wie möglich zu bleiben, soweit dies die gegenwärtige Gesetzesebene noch hergibt.
Letzteres wurde Ihnen von überwältigend vielen Fachleuten in der einschlägigen HGlG-Anhörung bescheinigt. Was andere CDU-Länder machen, interessiert Sie ebenso wenig, wie Sie sich für die gleichstellungspolitischen Beschlüsse Ihrer Bundestagsfraktion interessieren. Sie interessieren sich noch nicht einmal für Ihre eigene Bundesfrauenministerin und deren Website, meine Damen und Herren.
In der Anhörung wurde es Ihnen von mehreren Seiten bescheinigt:Nicht nur das Bundesgleichstellungsgesetz – mit Ausnahme der FDP von allen Parteien im Deutschen Bundestag verabschiedet – ist frauenpolitisch weiter, selbst Ländergesetze der Union wie im Südland Bayern oder im Südland Baden-Württemberg, allesamt Gesetze aus neuerer Zeit, zu denen schon erste Erfahrungen ausgewertet wurden, die man mit früheren gesetzlichen Regelungen gemacht hat, im Bundesbereich mit dem alten Frauenfördergesetz.
Meine Damen und Herren,ich frage in die Runde:Gibt es noch einen Zweifel daran, aus welchen Gründen Sie uns den landesgesetzlich vorgeschriebenen Frauenförderbericht vorenthalten? – Es gibt nur eine mögliche Erklärung: Hessen soll sauber bleiben von zu viel Gleichheitspolitik.
Sie sind in Ihrer gleichheitsfeindlichen Ideologie förmlich getrieben. Unvergessen bleibt uns Ihre in diesem Hause überaus hässlich geführte Debatte zum deutschen Antidiskriminierungsgesetz, Herr Wintermeyer. Über Monate haben Sie – man soll es benennen – in wirklich abstoßender Vordergründigkeit der Argumentation dagegengehalten,bis hin zu den Kritiken am AGG-Entwurf der Großen Koalition.
Meine Damen und Herren,die hessische CDU ist mit missionarischem Eifer unterwegs: gegen rechtliche Verpflichtung zur paritätischen Teilhabe der Frauen in Gesellschaft, Politik, Karrierezugang, Lohnchancen, ebenso gegen die Überwachung der Effektivität dieser staatlichen Vorgaben und ebenso gegen alle Maßnahmen, die ergriffen werden, Gleichheitsverstöße zu sanktionieren.
Meine Damen und Herren, Ihre CDU-Sprecherinnen von heute sagen nichts anderes als ihre gleichheitsfeindlichen Vorgängerinnen, die 1994 die Klage Ihrer Fraktion gegen das HGlG betrieben haben. Sie sind zu verblendet,
um zu erkennen, dass das von Ihnen beklagte Hessische Gleichberechtigungsgesetz für eine qualitätsorientierte Personalpolitik des hessischen öffentlichen Dienstes Bahn brechen und gegen die tradierten Einstellungs- und Beförderungskartelle unter Männern vorgehen wollte.
In diesem Sinne war das Hessische Gleichberechtigungsgesetz selbst Pionierbaustein für einen sich erneuernden, sich selbst reformierenden öffentlichen Dienst.