Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

Kassel ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass eine engagierte Frauenbeauftragte viel erreichen kann, aber immer nur zusammen mit einer aufgeschlossenen Verwaltungsleitung, die die Vorteile der Modellvorhaben anerkennt und den Willen zur Umsetzung mitbringt. Da

möchte ich einmal unsere Staatssekretärin Scheibelhuber hervorheben.

(Beifall bei der CDU)

Best-Practice-Beispiele werden hierzu viel beitragen. Bereits jetzt haben viele Anzuhörende geäußert, dass sie ein großes Interesse an der Umsetzung der Modellvorhaben haben. Den Willen zur Umsetzung fordern wir aber auch ausdrücklich von den Verwaltungen im Land und den Kommunen ein; denn Frauen bringen ein riesiges Potenzial an Wissen und Kompetenzen auch für Leitungsfunktionen ein, auf das moderne Verwaltungen in Zukunft nicht mehr verzichten können.

Wir wollen aber ein Miteinander und kein Gegeneinander. Deshalb ist ein Klagerecht oder ein gerichtliches Antragsrecht, wie sie im SPD-Änderungsantrag zu finden sind, auf diesem Weg auch nicht zielführend.

Als weiteren Änderungspunkt wollen wir in Übereinstimmung mit der Sozialministerin den Zuständigkeitsbereich der Frauenbeauftragten in § 16 Abs. 1 um die sexuelle Belästigung erweitern. Zwar ist die sexuelle Belästigung im AGG des Bundes geregelt, in der Anhörung wurde dies jedoch von vielen Anzuhörenden als nicht ausreichend angesehen. Dieser Meinung wollen wir uns anschließen. Ich möchte an dieser Stelle beispielhaft Prof. Roetteken nennen; denn wir schließen uns seiner Meinung an und sprechen uns dafür aus, dass die Zuständigkeiten der Frauenbeauftragten und ihre Beteiligungsrechte ausdrücklich auf alle Diskriminierungen wegen des Geschlechts bezogen sein sollten und deshalb auch gerade die sexuelle Belästigung hier ausdrücklich mit erfasst wird.

Heftig diskutiert in der Anhörung wurde auch die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung. Wir begrüßen die Regelung, dass Stellen grundsätzlich auszuschreiben sind.Aber einer Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung und ihren strengen Regelungen steht ausdrücklich entgegen, dass angesichts der immer geringeren Anzahl an Stellen in der öffentlichen Verwaltung wegen finanzieller Zwänge den internen Bewerberinnen und Bewerbern der Vorzug gegeben ist, wie es auch Herr Dr. Dieter vom Hessischen Städtetag in der Anhörung gefordert hat.

Ich will an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Natürlich kann öffentlich ausgeschrieben werden; das lässt die Gesetzesformulierung ausdrücklich zu. Dort, wo die öffentlichen Ausschreibungen für zusätzlichen Input sorgen sollen, z. B. bei Stellen, die von innen nicht zu besetzen sind, ist auch weiterhin die öffentliche Ausschreibung sehr sinnvoll und selbstverständlich möglich. Ich will betonen, dass das natürlich gerade auch auf die Hochschulen zutrifft.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Sätze zu den Änderungsanträgen der GRÜNEN und der SPD sagen. Der Antrag der GRÜNEN, aber auch der der SPD,der uns gerade erst vorgelegt worden ist,haben mich schon ein wenig zum Lächeln gebracht. Die GRÜNEN bringen nämlich heute einen Änderungsantrag ein, der ganz plötzlich die von uns immer wieder geforderte Flexibilität der Modellvorhaben im Sinne der Experimentierklausel auch hinsichtlich der modernen Personalentwicklung anerkennt. Wir begrüßen es sehr, dass Sie die Elemente der Experimentierklausel, die Sie in der Vergangenheit vehement verteufelt haben, jetzt ebenfalls für wegweisend halten, wenn auch Ihre Erkenntnis ziemlich spät kommt.

Aber Sie bleiben doch beide auf dem Weg in der Halbherzigkeit stecken.Wohl,um uns nicht zustimmen zu müssen, versuchen die GRÜNEN, die Elemente der Experimentierklausel jetzt in die starren, alten Frauenförderpläne hineinzupressen. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN,das ist halbherzig und zu kurz gedacht.Ich lade Sie ausdrücklich ein, unseren Weg mitzuverfolgen.

Dem SPD-Antrag habe ich entnommen, dass auch Sie unseren Modellvorhaben zustimmen, aber die Frauenförderpläne wohl ausdrücklich noch einmal erweitern wollen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. PaulyBender?

Nein. Frau Pauly-Bender hat ja nachher noch die Möglichkeit, zu sprechen.

Wir hingegen sind überzeugt, dass es nicht richtig ist, wie es die GRÜNEN unbedingt gefordert haben, das englische Wort „Gender-Mainstreaming“ in das Gesetz aufzunehmen. Wir sind überzeugt, dass die Betonung auf den Zielen von Gender-Mainstreaming liegen sollte, die in § 1 auch ausdrücklich erwähnt werden: die Verwirklichung von Chancengleichheit von Frauen und Männern, ebenso die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Beseitigung bestehender Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst.Auch in der Anhörung wurde ausdrücklich die Aufnahme des Leitprinzips der Chancengleichheit in das Gesetz,wie wir es formuliert haben, begrüßt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU-Fraktion sieht sich in ihrer Meinung bestätigt,dass das Hessische Gleichberechtigungsgesetz auch weiterhin seine Existenzberechtigung hat, es aber in seiner ursprünglichen Form den modernen Anforderungen an Verwaltungsstrukturen, aber auch den Anforderungen an eine moderne Frauenförderung nicht mehr gerecht wird.Wir sehen uns klar bestätigt in der Einführung der Experimentierklausel und der Abschaffung der nochmaligen Ausschreibung in der Gesetzesnovelle von 2001.Deshalb begrüßen wir,dass der jetzige Gesetzentwurf konsequent einen Schritt weitergeht und die Modellvorhaben als gleichwertige Frauenförderpläne neben die klassischen Frauenförderpläne gestellt werden. Damit werden neue Handlungsspielräume eröffnet, die wir auch brauchen.

Wir Frauen wollen die Chance zur Personalentwicklung. Wir wollen die Chance zur Teilhabe an Fortbildungsmaßnahmen.Wir wollen die Chance zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch für unsere männlichen Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber die meisten Frauen wollen keine Glasglocke mit einer geschützten Zone im Inneren für sich, sondern die Frauen wollen eine Anerkennung ihrer Leistungskraft,ihrer Motivation, aber auch die Berücksichtigung ihrer Leistungen für unsere Gesellschaft bei Kindererziehung und Pflege der alten Menschen. An diesen Forderungen orientiert sich der vorgelegte Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung, und deshalb findet er in der geänderten Form unsere volle Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, das überrascht uns aber sehr!)

Danke,Frau Ravensburg.– Zu einer Kurzintervention hat Frau Dr. Pauly-Bender das Wort.

Frau Ravensburg, meine Damen und Herren! Was die CDU will und was die Hessische Landesregierung will, ist völlig irrelevant, solange Sie keine verbindlichen Fördergesetze schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diejenigen, die aus den Experimentierbereichen vorgetragen haben, haben vorgetragen, dass sie für die Experimente sind, dass sie aber die Experimente in jedem Fall als Baustein eines verbindlichen Förderplans im Gesetz geregelt sehen wollen, und zwar selbst diejenigen, die die Experimente betreiben. Das wollen wir hier einmal festhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, alle, die zur Anhörung gekommen waren,auch die Spitzenverbände,auf die Sie sich berufen, haben es in hohem Maße bedauert und kritisiert, dass Sie nicht Rede und Antwort stehen zu dem Fortschreiten der Frauenförderung im Lande, seit Sie regieren, nämlich seit 1999. Sie sind bereits mit dem Bericht von 2003 Rede und Antwort schuldig geblieben, wie die Gleichstellung der Erwerbstätigen im kommunalen Bereich vorangeschritten ist. Das haben Sie absichtsvoll gemacht; Sie haben den Bericht noch im Wahlkampf vorgelegt, damit er ja nicht noch beurteilt werden kann, und zwar wahlentscheidend für die Frauen, für die Wählerinnenstimmen. Dieses Mal sind Sie dem Parlament den Abschlussbericht schuldig geblieben. Das haben alle kritisiert.

Frau Ravensburg, wir hören Ihre guten Worte, was Sie wünschen und wollen, aber wir warten darauf, dass Sie hier den Nachweis führen. Wir werden das nächste Jahr nutzen, den Nachweis zu führen, um auch im Wahlkampf berichten zu können, was Sie den hessischen Frauen schuldig geblieben sind.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Jetzt komme ich noch ganz kurz zu unseren Änderungsanträgen. Frau Ravensburg, hier handelt es sich nicht um SPD-Änderungsanträge in dem Sinne, dass wir aufgeschrieben haben, wie wir uns eine starke Novelle des HGlG vorstellen.

Frau Dr. Pauly-Bender, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es handelt sich vielmehr um eine Zusammenstellung besserer Regelungen, die die CDU in Baden-Württemberg, die CSU in Bayern und die CDU im Bund für den richti

gen Weg befinden. Frau Ravensburg, da ist beispielsweise das Klagerecht ganz eindeutig dabei.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön.– Frau Ravensburg,Sie haben zwei Minuten Gelegenheit zur Antwort.

Sehr geehrte Frau Pauly-Bender, für uns ist wichtig:Wenn die Experimentierklausel angewendet wird, wenn Modellvorhaben genutzt werden, dann brauchen wir nicht nur die Zustimmung der Frauenverbände, sondern auch der Verwaltung, weil das nur gemeinsam geht. Deshalb brauchen wir größtmögliche Flexibilität. Ich denke, wir sollten uns darüber nachher noch im Ausschuss unterhalten.

Aber ich weiß eigentlich gar nicht mehr, was die SPD will. Zuerst haben Sie eine Gesetzesnovelle von ver.di unterstützt; davon haben wir dann nichts mehr gehört. Dann haben Sie uns aufgefordert, unseren Gesetzentwurf völlig zurückzuziehen, und heute legen Sie einen Änderungsantrag vor,der offensichtlich,wie Sie sagen,nicht Ihre Handschrift trägt, sondern die der föderalen Struktur, also anderer CDU-Bundesländer. Ich finde es sehr komisch, dass die SPD keine eigene Meinung zu diesem Gesetz hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Das ist doch immer so! – Gegenruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD):Aber Sie haben doch auch keine eigene Meinung, nur die der Regierung!)

Frau Hölldobler-Heumüller, Sie haben sich als Nächste gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist auf das Verfahren schon öfter hingewiesen worden: Den ersten Bericht, der für das Gleichberechtigungsgesetz anstand, hat man irgendwie versucht zwischen zwei Legislaturperioden unter den Teppich fallen zu lassen. Damals bemerkte aber immerhin die Ministerin, dass das Gesetz seine Wirkung nicht voll entfalten kann. Da konnte man ja noch eine leise Hoffnung haben, dass das einen Denkprozess oder einen Erkenntnisprozess in Gang setzen könnte. Das, was jetzt vorgelegt worden ist, bestätigt uns allerdings nur darin, dass eine Evaluation des Gesetzes diesmal das gleich schlechte Urteil verdienen würde, wenn nicht sogar ein schlechteres, und aus gutem Grunde haben Sie es gescheut, diesen Bericht jetzt noch vorzulegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, es ist eine unglaubliche Missachtung eines Gesetzes und auch der Möglichkeiten der Befristung, wenn man ein Gesetz so wenig ernst nimmt, dass man vorher nicht genau schaut,welche Wirkungen man damit erzielen

will, welche Maßnahmen es bisher gab und welche Wirkungen sie entfalten konnten. Das halte ich für eine unglaubliche Ignoranz in diesem gesamten Prozess.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben zumindest in wenigen Punkten Erkenntnisse aus der Anhörung gezogen.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Hölldobler-Heumüller, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. – Meine Damen und Herren, ich spreche jetzt die Reihen der CDU-Fraktion an, die aber nicht nur durch CDU-Abgeordnete bestückt sind. Ich bitte sehr darum, dass mehr Ruhe einkehrt. Ich weiß, dass die Rednerin mit ihrer Stimme eigentlich noch der Schonung bedarf. Ich sage das bewusst, um ihr zu helfen. Ich bitte sehr um mehr Ruhe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Es sind Veränderungsvorschläge gemacht worden;Frau Ravensburg hat sie dargestellt.Es hat mich sehr gewundert, dass Sie sich noch auf unsere Änderungsvorschläge bezogen haben. Anscheinend ist Ihnen das Verfahren nicht ganz klar, denn unsere Vorschläge haben Sie im Ausschuss ja schon abgeschmettert.

(Claudia Ravensburg (CDU): Nein, das haben wir nicht!)

Natürlich. Die sind schon abgelehnt. Etwas Verfahrenskenntnis wäre an dieser Stelle hilfreich, auch wenn wir die Inhalte natürlich gerne noch einmal darstellen und diskutieren können.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Sie dürfen sie gern noch beschließen! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir können sie auch gern noch einmal einbringen!)

Das Gesetz – ich habe es schon angesprochen – ist nicht evaluiert worden.Anscheinend finden Sie das nicht nötig. Sie legen wenig Wert auf Rat von Fachleuten, und so entsteht der Verdacht, dass der einzige Sinn dieser Neuvorlage ist, sich den Anschein zu geben, als wolle man etwas verbessern, aber Gleichberechtigung für Frauen ist offenbar nicht das, was die Hessische Landesregierung erreichen will.