Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

dass der Justizminister vor einigen Monaten, als Frau Beer und ich den Gesetzentwurf zum Jugendstrafvollzug vorgestellt haben,gesagt hat,es sei ein Schnellschuss.Man müsse in aller Ruhe einmal überlegen, wie die Problemlagen seien. Ich will Ihnen nur sagen, damit wir auch wissen, worüber wir reden – objektiver Bericht –: Beide Male hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, es müsse ein Gesetz gemacht werden oder ein Vertrag abgeschlossen werden. Beide Male hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Er muss am 31.12.2007 stehen.

Wir legen einen qualifizierten Gesetzentwurf zum Jugendstrafvollzug in Hessen vor, da ruft der Justizminister: „Schnellschuss“. Auf der anderen Seite rasen die Ministerpräsidenten und Innenminister bei dem Thema Suchtbekämpfungsmonopol vorneweg. Beide Male geht es um das gleiche Datum. Meine sehr verehrten Damen und Herren,wenn man so etwas Wichtiges macht,wie Geld für die Gesellschaft zu sammeln und zu halten,dann darf man keinen Schnellschuss machen, sondern dann muss man sich mit den rechtlichen Problemlagen auseinandersetzen. Das haben Sie bisher nicht getan.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt auf drei Ebenen Probleme. Nun weiß ich, dass der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein von den Landtagskollegen dort fast einstimmig aufgefordert worden ist, diesen Vertrag jetzt nicht zu unterschreiben, weil sie die rechtlichen Problemlagen sehen, insbesondere wegen Europa auf zwei Ebenen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das eine ist die Frage: Monopol – ja oder nein? Das Zweite ist die Frage: Dienstleistungsfreiheit – ja oder nein?

Von beiden Punkten wissen wir, dass sie zurzeit beim EuGH anhängig sind, und zwar im Zusammenhang mit dem Sportwettensystem in Italien. Wir alle wissen, dass der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass er spätestens im Frühjahr des nächsten Jahres – das heißt übersetzt auf die Brüsseler Sprache: im April – eine Entscheidung treffen wird. Diese Entscheidung wird für die Beurteilung sehr wichtig sein, wie wir das entsprechende Monopol in Deutschland organisieren können.

Sie hören aus meinen Worten: Wir möchten hier auch noch so etwas Ähnliches wie ein Monopol haben, aber eines, das dann auch das Geld in die Gesellschaft bringt und nicht, wo es Wildwest à la irgendwelchen Orten wie Las Vegas oder Reno in Amerika zugeht.

(Beifall bei der FDP)

Zweites Problem: Kartellrecht. Das Bundeskartellamt hat – auch in meinen Augen für viele überraschend – die Landeslotteriegesellschaften angewiesen, ihre Internetangebote nicht auf die Bundesländer, aus denen sie kommen, zu beschränken, sondern sie bundesweit zu öffnen. Da haben die Strategen aus den Lotteriegesellschaften zunächst alle laut gerufen: Das ist falsch, das ist nicht richtig. Das ist rechtswidrig.– Sie mussten dann zur Kenntnis nehmen, dass der zuständige Kartellsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf es genauso gesehen hat wie Herr Böge

und seine Leute und nicht wie die Landeslotterieveranstalter.

Es ist auch klar: Es gibt gerade kartellrechtlich überhaupt keinen Grund, warum Hessen-Lotto sein ODDSET nur in Hessen anbietet und nicht z. B. auch die Mainzer Hessen-Lotto ODDSET spielen dürfen. Die Folge davon war aber nicht gewesen, dass die Lotterie-Gesellschaften das umgesetzt haben, was das OLG Düsseldorf festgeschrieben hat,sondern sie haben schlicht und ergreifend Gegenmaßnahmen ergriffen und haben das ODDSET vollständig aus dem Internet herausgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle, die sich ein bisschen mit Kartellrecht beschäftigen, wissen, dass das nicht die richtige Lösung ist. Nur weil der derzeitige Präsident, Herr Böge, das Thema für einige Monate zur Seite gelegt hat, ist das Problem noch nicht gelöst. Also auch hier besteht Klärungsbedarf.

Dritte Bemerkung: Verfassungsrecht. Wir werden vielleicht noch erfahren, was gestern gemacht worden ist. Es gibt verschiedenste Begriffe: zustimmend zur Kenntnis genommen, durchgereicht zur Entscheidung der Parlamente. – Die Pressekonferenz, die gestern veranstaltet wurde, hat ein breites Tableau abgeliefert. Herr Wulff hat die Formulierung gewählt: „zustimmend zur Kenntnis genommen“, was auch immer das bedeutet. Wenn ich eine Sitzung leite, bedeutet das für mich:Wenn der Bericht abgegeben worden ist, dann haben wir ihn zustimmend zur Kenntnis genommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,ich empfehle in diesem Zusammenhang – ich komme wieder zum Verfassungsrecht zurück – Herrn Scholz. Herr Scholz ist ein sehr angesehener und anerkannter Verfassungsrechtler in unserem Land. Er war auch einmal CDU-Bundestagsabgeordneter und Bundesverteidigungsminister der CDU. Er sagt heute in der „Welt“, dass Art. 12 diesem Staatsvertrag, wie er gestern zustimmend zur Kenntnis genommen worden ist, eindeutig widerspricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, er sagt eindeutig, dass die Berufs- und Gewerbefreiheit, die im Grundgesetz geschützt ist, mit diesem Vertrag ausgehebelt wird. Darüber hinaus sagt er – das ist besonders spannend –, ich zitiere: „Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lässt es sich aber nicht vereinbaren, das Lotto-Staatsmonopol faktisch zu verlängern und die Privaten völlig vom Markt zu verdrängen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer bei einer solch verworrenen Rechtslage meint, mit einem Schnellschuss durch die gesamte Thematik durchgaloppieren zu können und zu wollen,der – ich sage es noch einmal – verzockt das Geld, das der Gemeinschaft zur Verfügung steht und das sie auch dringend braucht.

(Beifall bei der FDP)

Ich will gar nicht das Thema Eigentumsrecht der DFL oder des DFB diskutieren. Es ist schon spannend, dass eine Veranstaltung durchgeführt wird – ODDSET, Sportwetten auf Bundesligaspiele –, dass aber diejenigen, die die Grundlage dafür liefern, nämlich der DFB und die DFL, davon überhaupt nichts haben. So etwas gab es in der Geschichte bisher noch nicht. Ich bin mir relativ sicher: Auch dazu wird das Bundesverfassungsgericht sagen, dass das so nicht funktioniert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist deshalb in unseren Augen eindeutig, dass es keinerlei Sinn macht, das Problem jetzt mit einem Schnellschuss zu lösen. Wir

fordern die Ministerpräsidenten auf, wir fordern auch die Landeslotterieanstalten auf, sich schnellstmöglich auf den Hosenboden zu setzen und ein Konzessionsmodell zu entwerfen, bei dem bundesweit 4, 5, 6 – das ist mir relativ egal – Anbieter, egal ob staatliche oder private, Sportwetten auf gleicher Augenhöhe mit den gleichen Belastungen an den Mann und die Frau bringen können. Wir Liberale wollen nämlich, dass das Geld weiterhin für den ehrenamtlichen Sport, für den Denkmalschutz und für anderes zur Verfügung stehen kann.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb möchte ich ein Konzessionsmodell haben,in dem es nicht möglich ist, dass die bwins dieser Welt, oder wie sie auch immer heißen mögen, das Geld über Malta oder Cayman Islands waschen können. Nein, die müssen in Deutschland ihren Sitz haben. Sie müssen hier nicht nur die normalen Steuern, sondern auch die Lotterieabgaben zahlen, aus denen wir anderes, wie Sport und Denkmalschutz und RPJ, finanzieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, also weg mit dem alten Kram des Sportwettenmonopols – das ist nicht mehr zu retten; das muss jeder kapieren –, hin zu einem Konzessionsmodell, bei dem es sichergestellt ist, dass die Gesellschaft weiterhin die Beträge bekommt, die sie aus den normalen Steuern nicht finanzieren kann und die wir alle für notwendig erachten.

(Beifall bei der FDP)

Letzte Bemerkung.Wie auch immer es ausgeht, sollte dieser Staatsvertrag tatsächlich Gültigkeit bekommen – ich sage bewusst: Gültigkeit bekommen –, er wird niemals verfassungsgemäß rechtsgültig sein können.

Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie ganz herzlich, die Rechte des Landes Hessen nicht zu verraten. Sie verraten die Rechte des Landes Hessen, wenn Sie zulassen, dass erstmals in der Geschichte ein Staatsvertrag abgeschlossen wird, dem nicht jedes Bundesland zustimmen muss, sondern bei dem die Zustimmung von 13 Bundesländern reicht.

Herr Kollege.

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte nicht – z. B. im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich –,dass letztlich nur 13 Bundesländer beschließen, dass Hessen im Rahmen eines Staatsvertrags verpflichtet ist, 2 Milliarden oder 5 Milliarden c mehr pro Jahr zu zahlen. Das ist die Folge,wenn man von dem Einstimmigkeitsprinzip abgeht.

Herr Innenminister, davon wollen Sie jetzt wegkommen. Allein aus diesem Grunde müssen Sie von diesem Pult aus sagen – Sie sind der Verfassungsminister –, dass der Staatsvertrag auf diese Art und Weise niemals rechtsgültig werden kann, schon gar nicht mit den Stimmen des Landes Hessen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Hartmann hat für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zur FDP halten wir es für erfreulich, dass sich bei der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz alle Ministerpräsidenten – bis auf den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein – auf eine Verlängerung des staatlichen Glücksspielmonopols verständigt haben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Haben sie nicht!)

Herr Hahn,ich würde die Frage,wer hier bereit ist,wessen Geld zu verzocken, anders als Sie beantworten. Ich gehe davon aus, dass die avisierte Unterzeichnung des Staatsvertrags im Umlaufverfahren ebenso zeitnah erfolgen kann wie die Ratifizierung durch die Landtage. Deshalb zählen wir hierbei ausnahmsweise auf den Hessischen Ministerpräsidenten und hoffen, dass er nicht wie SchleswigHolsteins Ministerpräsident Carstensen abspringt oder, wie die CDU-Ministerpräsidenten Oettinger oder Wulff, kalte Füße bekommt.

(Zurufe von der CDU: Da haben Sie mit Sicherheit auf das richtige Pferd gesetzt!)

Die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz deckt sich weitgehend mit der Position der SPD-Landtagsfraktion. Wir halten im Rahmen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils eine Regelung für sinnvoll, die ohne Wenn und Aber auf die Erhaltung des staatlichen Wettmonopols hinausläuft.

Wir verschließen nicht die Augen vor den Problemen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich einer Neuorganisation des Wettmarktes aufgeworfen hat. Vor dem Hintergrund der im Vorfeld festgelegten Eckpunkte des Staatsvertrags hat in den zurückliegenden Wochen bereits eine Änderung der Werbestrategie der hessischen Lotteriegesellschaft stattgefunden. Viele von Ihnen werden das wahrgenommen haben.

Um die Vorgaben zu erfüllen, werden wohl weitere Einschränkungen bei den Werbeaktivitäten für das Glücksspiel greifen müssen, was auch mit einer Reduzierung der Erträge einhergehen kann. Die gerichtliche Vorgabe, dass gegen die Spielsucht ausreichend vorgegangen wird, wird nicht nur durch eine Reduzierung der Werbeaktivitäten zu erfüllen sein.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das kostet Geld!)

Trotzdem halte ich es zum jetzigen Zeitpunkt für angebracht, nicht in vorauseilendem Gehorsam, wie es bei Ihnen der Fall ist, einer uneingeschränkten Liberalisierung das Wort zu reden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist alles schon gemacht! Konzessionsmodell! Hören Sie doch zu! Mann, die SPD-Frauen im Plenum!)

Deshalb war es richtig, dass die Ministerpräsidenten mit breiter Mehrheit beschlossen haben, den Staatsvertrag als Grundlage zu nehmen, sodass das staatliche Glücksspielmonopol zumindest für die nächsten Jahre gesichert werden kann.

(Nicola Beer (FDP): Ich denke, es geht um die Suchtbekämpfung!)

Wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Signalwirkung, die von dieser mit breiter Mehrheit getroffenen Entscheidung ausgeht. Unabhängig von der Parteizugehörigkeit ist es richtig, sich klar dazu zu bekennen, dass man nicht durch einen beliebigen Wettbewerb nationaler und internationaler Anbieter einer unkontrollierten Ausweitung der Glücksspiel- und Wettmöglichkeiten Tür und Tor öffnet.

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hahn zu?

Ich weiß nicht, wie ich mit meiner Redezeit hinkomme.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oh, wie schwach!)

Bei einer Marktöffnung wäre die Eindämmung der Glücksspielsucht und des damit verbundenen gesellschaftlichen Schadens schier unmöglich. Wir würden es begrüßen, wenn auch der Hessische Landtag ein klares Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des bewährten staatlichen Angebots abgäbe.

(Beifall bei der SPD)

Die Unterzeichnung des Staatsvertrags im Interesse der privaten Anbieter weiter zu verzögern und zu verhindern – quasi in vorauseilendem Gehorsam mit einem Hinweis auf Europa sowie auf verfassungsrechtliche und kartellrechtliche Bedenken –, wäre aus meiner Sicht das falsche Signal.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb werden wir den ersten Absatz des FDP-Antrags ablehnen. Wenn eine getrennte Abstimmung möglich wäre,könnten wir dem zweiten Absatz zustimmen,in dem gefordert wird, dass im Innenausschuss eine Beratung über die Stellungnahmen zu dem Staatsvertrag erfolgt.