Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

ein bisschen mehr darüber nachdenken, statt nur einzelne Beispiele aufzuzählen und zu bejubeln.

(Beifall bei der SPD)

Schon der erste Blick zeigt:Der Mittelstand ist es,der Wissenschaftstransfer und Unterstützung braucht.

(Michael Boddenberg (CDU):Wir beschließen solche Anträge nicht in 15 Minuten!)

Der Mittelstand kann nämlich nicht selbst in Forschung und Entwicklung investieren. Das ist zu aufwendig und zu teuer. Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur funktioniert gar nicht.

Genau da liegt das Problem. Es liegt in der Schaffung einer kommunikativen Infrastruktur, die die Verbindung zwischen Hochschulen und Mittelstand herstellt. Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Genau das würden Sie tun, wenn Sie wirksam und nicht nur symbolisch handelten. Hessen braucht eine stringente Innovationsstrategie, mit der man sich um die an dem Verfahren Beteiligten kümmert.

Herr Boddenberg, dazu haben wir schon vor fünf Jahren ein Konzept vorgelegt. Insofern bin ich dankbar für Ihre freundliche Anerkennung, dass die SPD etwas tut. Lassen Sie sich aber versichert sein: Hätten wir in dieser Legislaturperiode regiert, wäre in Hessen auch etwas passiert. Es wären nicht nur ein paar Symbole dabei herausgekommen.

Was braucht man? Man braucht vor allem Personen, die in der Lage sind, zwischen den zwei Welten der Wirtschaft und der Wissenschaft zu vermitteln; denn die Menschen aus Wirtschaft und Wissenschaft sprechen in der Mehrzahl der Fälle – gerade was die mittelständischen Unternehmen betrifft – unterschiedliche Sprachen, ticken unterschiedlich und haben unterschiedliche Denk- und Orientierungsstrukturen. Das ist auch richtig, weil sie nur dann in ihren jeweiligen Feldern erfolgreich sind.

Deshalb braucht man Vermittler. Man könnte sagen, man braucht Trüffelschweine, die durch die Hochschulen ziehen, die Trüffeln finden und in der Lage sind, sie an die Wirtschaft zu vermitteln. Man braucht Menschen mit wissenschaftlicher Qualifikation und Industrieerfahrung, die genau zwischen beiden Seiten vermitteln können. Von diesen Menschen, die die Hochschulen durchsuchen und ihre Ergebnisse der Wirtschaft darstellen können, braucht man eine ganze Menge. Das muss man sich auch etwas kosten lassen.

(Beifall bei der SPD)

Aber dazu ist diese Landesregierung überhaupt nicht bereit. Die Umwandlung von öffentlich finanziertem Wissen in ökonomisch interessante Ideen muss sich allerdings auch für die Hochschulen rechnen. Dazu bedarf es dringend einer Verbesserung der Patentierungsstrukturen.

Gute Wissenschaftler sind nicht zwingend gute Unternehmer. Deshalb muss man diese zwei, den Wissenschaftler und den Unternehmer,zusammenbringen.Dazu bedarf es sehr viel mehr Struktur.

In Wisconsin macht man das schon lange so. In Wisconsin gibt es eine Struktur.In Wisconsin gibt es genau diese Vermittler.Was kommt dabei heraus? Die University of Wisconsin – Standort Madison, nicht größer als die Universität Frankfurt – nimmt allein aus ihren Patentrechten, nach Abzug der Anteile für den Entdecker selbst im Fachbereich, immer noch so viel Geld ein, wie eine ganze hes

sische Universität kostet. Das ist richtig Geld für die Hochschulen und für die Unternehmen.

(Michael Siebel (SPD): Hört, hört!)

Wenn Transfer und Innovation schnell, effizient und an den Interessen sowie den Eigenheiten der Beteiligten orientiert sind, wenn es eine Struktur gibt statt lediglich symbolischer Aufzählungen, wenn man investiert, wenn man es ernst meint mit Innovation und Fortschritt, muss man keine Einzelbeispiele mehr aufzählen. Dann kann man über Erfolge berichten, und man kann es, wenn man so viel Geld hat, sogar gebührenfrei tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Sorge das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hessen hat eine leistungsfähige Forschungsinfrastruktur, die von der EU, dem Bund, dem Land Hessen, den Kommunen, den Fördereinrichtungen der Wissenschaft, Stiftungen und Unternehmen getragen wird.Es ist gut,dass wir in Hessen diese leistungsfähige Forschungslandschaft haben; denn davon hängt stark der zukünftige Wohlstand dieses Landes ab – unabhängig von der Farbe der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir tun gut daran, beste Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation zu gewährleisten, und zwar als gemeinsamen Auftrag. Das möchte ich vorneweg betonen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollte gemeinsame Auffassung aller Fraktionen im Hause sein, und das sollten wir in dieser Debatte auch nicht zerreden.

Meine Damen und Herren, der von der CDU hier vorgelegte Antrag bildet das alles aber nicht ab. Es wäre schön, wenn sich die CDU bei diesem Thema selbst ein wenig zurücknehmen könnte und den Beitrag anderer Akteurinnen und Akteure würdigen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich erinnere daran, dass dieses Verhalten schon einmal bei einem ähnlichen Jubelantrag in dieser Legislaturperiode zur Gesellschaft für Schwerionenforschung für Sie eher peinlich ausgegangen ist, als Sie vor lauter Selbstbeweihräucherung unter den Tisch fallen ließen, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung den Löwenanteil des neuen Teilchenbeschleunigers finanzierte.

Hier legen Sie wieder einen Jubelantrag vor, wohl im Hinblick auf die Landtagswahl. Das wäre ja legitim, wenn es ein gut gemachter, kenntnisreicher und umfassender Antrag wäre. Schauen wir aber allein schon einmal auf den ersten Satz Ihrer Forderungen, merken wir auf den ersten Blick, dass die Kompetenz zwar in Hessen sitzt, nicht aber in der CDU-Fraktion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Sie sagen, dass es seit dem Haushaltsjahr 2006 „ein Innovationsbudget in Höhe von 15,3 Millionen c... zur Förderung von Exzellenzen“ gebe. Ich sage: ein Satz, zwei Fehler. Meine Damen und Herren von der CDU, „Exzellenz“

wird im Zusammenhang mit Wissenschaft immer im Singular verwendet. In Universitäten gibt es zwar Spektabilitäten – die Dekaninnen und Dekane – oder auch Magnifizenzen, die Präsidenten; Exzellenzen aber haben wir da nicht. Wenn Sie diese fördern wollen, dann wird es allein im Diplomatischen Corps große Freude über 15,3 Millionen c auslösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann gibt es das Innovationsbudget auch nicht erst seit 2006, sondern seit es den Hochschulpakt gibt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist es!)

Ein bisschen kleinlich, mögen Sie jetzt denken.

(Michael Boddenberg (CDU):Das passt aber zu Ihnen!)

Ich finde aber schon,dass,wer mehr Kompetenz überall in Hessen will, sich selbst auch einmal ein bisschen Mühe geben sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD) – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr gut!)

Ein weiteres Beispiel. Sie sagen, Hessen sei „in den Bereichen Medien und IT... eine der stärksten Regionen Europas“. Hessen ist, glaubt man der Studie „Hessen-Media“, Nummer eins im bundesweiten Standortranking der Multimedia-Agenturen. Ich hoffe, alle Mitglieder der CDU wissen, was das ist. Wenn nicht: Das ist zwar eine Kombination aus IT und Medien; denn es werden, grob gesagt, Internetauftritte, Präsentationen und auch Zulieferprodukte für Filme erarbeitet. Daraus aber abzuleiten, man sei in Sachen IT und klassische Medien führend, ist unrichtig. Von einer Spitzenposition bei den Medien, also Fernsehen, Radio und Print, ist Hessen weit entfernt. Da hätte die Regierung Koch wirklich einiges tun können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allgemein gilt, und da hat der Geist dieses Antrags recht: Landesregierungen können eine Dynamik entfalten, in der sich Wirtschaft und Wissenschaft gut entwickeln können. Seltsam nur, dass die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft im Dynamikranking ihrer Standortstudie 2005 Hessen auf Platz 12 listet, knapp vor Bremen.

(Florian Rentsch (FDP): Die Stiftung, die Sie gestern als unseriös bezeichnet haben! – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

2006 hat diese Initiative einen Bildungsmonitor gemacht. Ich könnte die Ergebnisse für Hessen von hier aus wörtlich als Oppositionsrede halten. Die Studie sagt: Hessen ist eines der Bundesländer, das mit am stärksten vom innerdeutschen Braindrain profitiert, kann also den Bedarf an Forschern nicht selbst decken. Hessen konnte die Qualität seines Bildungssystems nur geringfügig auf den zweitschlechtesten Wert aller Bundesländer verbessern. Im Gesamtranking rutscht das Land deshalb vom 8. auf den 13. Platz ab. Bei den allgemeinbildenden Schulen schneidet nur Bremen schlechter ab. Im Hochschulbereich wird Hessen sogar Letzter, und gerade für die universitäre Forschung gibt das Land im Vergleich viel zu wenig Geld aus.

Meine Damen und Herren, diese Ergebnisse sind doch eine Bankrotterklärung für die Politik der Landesregierung, wenn es darum geht, gute Rahmenbedingungen für die Forschung zu schaffen.Aber ich will jetzt gar nicht auf

der Vergangenheit herumreiten, sondern aufzeigen, was ich für die Zukunft für nötig halte.

Auf dem EU-Gipfel von Lissabon haben sich die Regierungen der damals 15 Mitgliedstaaten im März 2000 das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Dazu müssen, so die Forderung, die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation verstärken.Von diesem Ziel sind wir leider noch weit entfernt. Das Mindeste wäre, dass wir uns in Hessen dem 3-%-Ziel für die Forschungsausgaben in großen Schritten annähern.

Wir müssen – da schließen wir uns der Forderung der FDP an – den aus dem Landeshaushalt geförderten Forschungseinrichtungen Planungssicherheit über mehrere Jahre geben. Dazu gehört auch, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir gerade die außeruniversitäre Forschung mit mehr Mitteln ausstatten, sodass sie nicht, wie zurzeit leider des Öfteren der Fall, zwar Projektmittel einwerben könnte, das aber daran scheitert, dass sie nicht die notwendige Eigenfinanzierung aufbringen kann.

Die FDP hat auch recht,wenn sie in ihren Antrag den wissenschaftlichen Nachwuchs aufnimmt. Was sie da aufführt, reicht aber nur bedingt. Wir brauchen ein Programm,um dem wissenschaftlichen Nachwuchs das Wachsen zu ermöglichen.

Ich bringe ein Beispiel. Ein mir bekannter Nachwuchswissenschaftler ist in der Promotionsphase. Er ist Naturwissenschaftler, und er hat sich seine Stelle mit Drittmitteln eingeworben. Das Erste war, dass die Uni ihn sich auf die von ihm selbst eingeworbene Stelle bewerben ließ. Die Stelle wurde ausgeschrieben. Das Zweite – wir kennen die Geschichten alle –: Jetzt muss er so viele Studierende betreuen und andere Arbeiten für seinen Chef erledigen, dass ihm für seine eigentliche Arbeit keine Zeit mehr bleibt.

Dieser Nachwuchswissenschaftler hat schon in der Diplomarbeit etwas für die anwendungsorientierte Forschung sehr Wichtiges herausgefunden, was zuvor noch niemand entdeckt hatte. Er hat aber schlichtweg keine Zeit, seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen und weiter an diesen Ergebnissen zu forschen. Es gibt offenbar nicht genügend Unterstützungsstrukturen, um dem jungen Forscher zu helfen, seine Arbeit beispielsweise, wie es angemessen wäre, in „Nature“ zu veröffentlichen. Meine Damen und Herren von der CDU, da fehlen noch geeignete Strukturen, da verschenkt Hessen wirklich Kompetenz.

Ein weiterer Punkt ist für Hessen wichtig. Das ist das Clustermanagement. Herr Spies hat gerade schon das Thema Mittelhessen angesprochen.Sie haben vielleicht in der „Frankfurter Rundschau“ vom 27. Januar 2007 den Artikel über den mittelhessischen Standort für Medizintechnik gelesen. Eine Studie hat gezeigt, dass in Mittelhessen 450 mittelständische Firmen Produkte für Kliniken und Labors herstellen, die Unternehmen aber nichts voneinander wissen und die Wissenschaft das auch nicht weiß. Da existiert ein einmaliges Umfeld von Unternehmen, wissenschaftlicher Forschung und Lehre, und niemand macht etwas daraus.Da vergibt Hessen wirklich Zukunftschancen. Ich bin sicher, es gäbe noch andere Felder, in denen Hessen wieder einmal vorn sein könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich denke, in vielen dieser Punkte können wir Einigkeit erzielen. Wenn die CDUFraktion gerade einmal nicht damit beschäftigt ist, sich selbst zu beweihräuchern, und wenn die Ministerien gerade einmal nicht damit beschäftigt sind, Lobhudelanträge zwecks Wahlkampfs zu erstellen, müsste doch im Wissenschafts- oder auch im Wirtschaftsministerium einmal Zeit sein, solche Chancen zu suchen und endlich damit zu beginnen, gezielt Innovationscluster voranzubringen. Ich glaube, dass sich das lohnt. Die hessische Forschungslandschaft hat einen besseren Beschluss des Landtags verdient als den hier vorliegenden CDU-Antrag. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)