Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Haus hat sich in den letzten Jahrzehnten mindestens jede zweite Legislaturperiode mit der Forschungssituation in Hessen beschäftigt. Ich kann das überblicken. Das war in den Siebzigerjahren mit einer Großen Anfrage der FDP-Fraktion, 1986 mit Initiativen der FDP-Fraktion, im April 2002 mit einer Großen Anfrage der SPD und nun mit vier unterschiedlichen Anträgen, die durchaus unterschiedliche Facetten des gesamten Problems darstellen.Ich würde es begrüßen, wenn auch im Wissenschaftsausschuss intensiv darüber geredet würde und wenn es gelänge, die Anträge in beiden Ausschüssen zu einem gemeinsamen Antrag zusammenzuführen.
Die FDP-Fraktion legt Ihnen einen Antrag vor, der ein bisschen Dach sein könnte, nämlich parallel zu dem Hochschulpakt – der in der letzten Legislaturperiode mit den Hochschulen geschlossen und jetzt verlängert worden ist – einen Forschungspakt mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu schließen, auf den ich noch im Detail eingehen will.
Meine Damen und Herren,wir haben in Hessen heute 160 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, 38 Einrichtungen, die institutionell durch den Bund und das Land gefördert werden. Wir haben die Großforschungseinrichtung GSI, an der wir beteiligt sind, deren Erweiterung wir noch in der letzten Legislaturperiode massiv gefördert haben,
mit großen anwendungsbezogenen Chancen, z. B. länderübergreifend mit der Medizin in Heidelberg. Wir haben zwei herausragende europäische Einrichtungen, das ESOC und EUMETSAT mit erheblichen anwendungsbezogenen Projekten – eines ist genannt worden: Galileo –, die für die hessische Wirtschaft von ganz erheblicher Bedeutung sind.
Wir haben sechs Max-Planck-Institute, fünf FraunhoferForschungsinstitute,vier Institute der Blauen Liste,Helmholtz, wozu hoffentlich bald auch die Hessische Stiftung
Meine Damen und Herren, ich möchte die Anträge ein bisschen loben,und die Rede von Frau Sorge dennoch kritisch beleuchten. – Frau Sorge, wenn Sie sich heute auf die Seriosität des „Instituts Neue Soziale Marktwirtschaft“ – so will ich das einmal nennen – beziehen, gestern aber massiv dessen Seriosität bekämpft haben, dann ist das ein bisschen merkwürdig.
Ich will das aufgreifen, denn so lange ist das nicht her. Im Jahr 2002 haben wir intensiv über die Frage diskutiert, ob ein Forschungsinstitut in Gießen, das nichts anderes als ein grüner Verbraucherladen war, noch weiter bestehen sollte und ob wir das sogenannte WKZ in Fulda in der Rhön noch als Forschungsinstitut bezeichnen dürften. Das haben wir geschlossen – zu Recht. Das „Feministische, interdisziplinäre Forschungsinstitut für Frauen“ in Frankfurt war ebenfalls zu schließen.
Wir haben aber die Kerkhoff-Institute als Max-Planck-Institute in Bad Nauheim gerettet.Dazu will ich der SPD sagen: Armin Clauss hat als Person hierzu erheblich beigetragen. Wir haben die HSFK für die Helmholtzliste so weit vorfinanziert, dass, wenn sie aufgenommen ist, das Land Hessen entlastet würde.
Meine Damen und Herren, ich glaube deshalb, dass man noch einmal deutlich machen muss, warum die hessischen Forschungseinrichtungen,einschließlich der Forschung an den Hochschulen,heute nicht in der vordersten Reihe von Gesamtexzellenz-Universitäten stehen. Das hat etwas mit den Unterlassungssünden von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den acht Jahren ihrer Regierungszeit zu tun.
Sie haben – das waren zwei Jahre, und das wissen die Jungen gar nicht mehr – den sogenannten Titel 99, den Titel im Hause des Wissenschaftsministeriums, der für die Forschung vorgesehen war und in der Zeit Wolfgang Gerhards mit 15 Millionen DM pro Jahr geschaffen worden ist, gekürzt.
Als wir – damals CDU und FDP – angefangen haben, war er in einem Jahr auf 3,5 Millionen DM heruntergekürzt worden. Das sind heute 1,8 Millionen c. Wir haben in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Jahre 2001 den Hochschulpakt – das ist auch eine kleine Ermahnung an die Erinnerungslücke der CDU, denn das hat Frau Sorge zu Recht gesagt, und es hat mich geärgert – mit einem Innovationsbudget vorgestellt, mit dem wir 15,3 Millionen c bereitgestellt haben, und nicht erst seit dem Jahre 2006.Wir haben in den letzten Jahren über 70 Millionen c in die Forschung der Hochschulen gesteckt. Wir haben mehr als 70 oder 80 Millionen c in die außeruniversitäre Forschung gesteckt.
Meine Damen und Herren, was ich – und das möchte ich hier ganz deutlich sagen – ein bisschen beklage, ist – das hat natürlich etwas mit der Haushaltssituation zu tun, Herr Kollege Corts –, dass auch in diesem laufenden Haushalt 2007 nicht sehr viele eigene Haushaltsmittel da sind. Sie nehmen die Bund-Länder-Finanzierung mit dem Hochschulpakt 2020 mit. Sie setzen fort, was in der letzten Legislaturperiode begonnen wurde. Eigene Initiativen, zusätzliches Geld sind kaum da.
Hier will ich ehrlicherweise sagen, was wir in der FDP sehr intensiv diskutiert haben:Wir verlangen als FDP eine Entschuldung des Haushaltes. Wir wollen, dass wir nicht zusätzliche Förderungen einbauen, die nicht gedeckt sind.
Ich bin völlig der Meinung unseres Kollegen Herrn von Hunnius, dass dies eine Kompensation an anderer Stelle verlangt. Denn unser Vorschlag heißt: 3 % des Bruttosozialproduktes muss in die Forschung gesteckt werden. Ich glaube, das ist bei einem Forschungspakt notwendig, der sich an den Lissabonner Vorgaben orientiert. Aber dann müssen wir auch sagen, welche Prioritäten wir setzen. Das wird eine Frage der nächsten Legislaturperiode sein, in der wir uns einbringen wollen.
Meine Damen und Herren, Grundlagenforschung braucht Zeit.Ich bin im Übrigen mit Herrn Corts völlig einig, dass Hessen in den beiden Runden nicht so schlecht abgeschnitten hat. Dabei können wir zeigen, dass die Graduiertenkollegs hervorragende Arbeit geleistet haben; dass wir in der Tat bei den Exzellenz-Clustern sowohl im Bereich der Bio-Molekularmedizin, bei den Herzinitiativen in Gießen im Verbund mit Frankfurt als auch bei den Ingenieurs- und Sozialwissenschaften in Frankfurt einen hervorragenden Wettbewerbsabschluss erreicht haben. Das ist die Voraussetzung für Qualität. Das haben SPD und GRÜNE in den letzten Jahrzehnten nicht getan.
Meine Damen und Herren, wir sind uns darin einig – dies zum ersten Mal, und ich bin sehr glücklich darüber, dass dies alle Fraktionen angesprochen haben, es ist auch bemerkenswert, wenn sich Herr Dr. Spies an Wisconsin orientiert; das habe ich noch nie aus dem Munde eines SPD-Abgeordneten gehört –:Wir brauchen ein professionelles Technologietransferverfahren.
Herr Rhiel weiß das.Ich sage das auch selbstkritisch:Wir haben das in der letzten Legislaturperiode gemacht. Es ist zu bürokratisch. Es muss verbessert werden, und es kommt noch nicht da an, wo es sein sollte. Die Vernetzung mit den Hochschulen muss enger werden. Da sind wir einer Meinung.
Meine Damen und Herren, bevor wir neue Formen finden, müssen wir eine Evaluation dieses Verfahrens machen – eine Überprüfung. Ich habe in diesen Tagen eine heftige Auseinandersetzung mit einigen Menschen um das TIZ und FIZ gehabt. Denn es wird immer mehr Geld von uns als Staat verlangt,ohne dass gesagt würde,was die jungen Leute in diesem Brutkasten, den sie irgendwann einmal zu verlassen haben, als Unternehmer schaffen werden. Wenn diese jungen Leute im TIZ und FIZ mietfrei unterstützt werden, dann müssen sie eines Tages auch selbstständig werden. Dann müssen sie einen Betrieb gründen und nicht am Dauertropf der Subventionierung des Staates hängen.
Genau, aber fragen Sie einmal – ich habe das jetzt gesehen –, wie viele von den 100 Unternehmen im TIZ dort auch schon seit vielen Jahren sitzen. Ich werde mir das sehr genau anschauen.
Meine Damen und Herren, die Patentanmeldungen, die Vermarktungen und Serviceleistungen, wie das von Ihnen verlangt wird, und wie das auch die GRÜNEN und SPD angesprochen haben, müssen ein gemeinsames Ziel sein. Das müssen wir gemeinsam beschließen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Die Spitzenbegabungen junger Forscherinnen und Forscher müssen wirklich verbessert werden.Die Grundlage aller Innovationen und technologischer Anwendungen ist die Forschung. An dieser Stelle zitiere ich eine Frau, die ich geradezu verehre, weil sie eine der besten Wissenschaftlerinnen ist, die auch in Hessen arbeitet.
Frau Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Vollhardt, Nobelpreisträgerin, hat in den letzten Tagen in einem Interview der Zeitschrift „Cicero“ gesagt, Teilzeit, Mentorinnen und Kinderbetreuung reichten nicht aus. Wir bräuchten die jungen Frauen schon aus demografischen Gründen für die Spitzenpositionen in der Wissenschaft.
Herr Präsident,noch ein halber Satz.Wir müssen für diese Frauen am Institut schon während der Zeit ihrer Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt Möglichkeiten der Kinderbetreuung schaffen, damit sie erst gar nicht aus der Wissenschaft aussteigen. Das sind die Herausforderungen, nicht die Dinge, die hinterher kommen. Wir brauchen junge, begabte Frauen, die in dieser Generation zum Glück da sind, damit auch die Wissenschaft und die Innovation in Hessen stärker werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist in dieser Debatte deutlich geworden, dass Wohlstand der Menschen, Wissen und Innovation eine geschlossene Kette darstellen, und dass der Wohlstand der Bürger im Wesentlichen von der Anwendung des Wissens, vor allem des technologischen Wissens, abhängig ist. Wir wissen, dass die Produktivität zu 70 % vom technischen Fortschritt bestimmt wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir gerade auf die Frage, wie wir international dauerhaft wettbewerbsfähig sein können, den Schwerpunkt unserer Politik legen. Das tut die Europäische Union mit der Lissabon-Strategie, indem sie deutlich macht, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowohl im privaten als auch öffentlichen Bereich deutlich steigen müssen, damit Europa weltweit zur Wachstumslokomotive werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie in allen Feldern ist es auch hier der Mensch, auf den es ankommt. Die Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst einmal das Bildungssystem,die Schulpolitik.Denn hier fängt Technologie- und Wissenschaftspolitik an, gefolgt von der Hochschulpolitik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Tat – hier spreche ich für meinen Kollegen Herrn Corts sehr deutlich – und schon allein am Etat ablesbar deutliche Steigerungen erreicht und einen neuen Spitzenwert für das Haushaltsjahr 2007 platziert. Der Pakt für Forschung, Programmbudget, leistungsorientierte Förderung für Forschungseinrichtungen sowohl im staatlichen als auch außeruniversitären Bereich sind hier die Schlagworte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den zwölf staatlichen Hochschulen kann nicht nur geforscht werden, sondern mit der Öffnung dieser Politik, die Frau Wagner soeben angesprochen hat, mit der seit nunmehr acht Jahren in Hessen die Wende eingeleitet worden ist, haben wir nicht nur in der Hochschule Freiheiten, sondern auch – Stichwort „Drittmitteleinwerbung“ – Kooperation mit der Wirtschaft. Das zahlt sich aus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen hier also einen ganzheitlichen Ansatz fahren,nämlich eine koordinierte Vorgehensweise von Wissenschafts-, Finanzund Wirtschaftsministerium, so wie es bei uns in bester Weise geschieht.
Hochschulpolitik und Wirtschaftspolitik setzen also auf die Verklammerung von Wissensproduktion einerseits und Wissensverwertung andererseits. Bei der Entstehung und Generierung von Wissen sind wir gut.Gerade im Output ist das zu sehen, unabhängig von der Vergleichsfrage, was wir hineinstecken. Unser Geld ist gut angelegt, wenn man sieht, was an Wissen entsteht.
In der Verwertung von Wissen müssen wir aber besser werden. Deswegen haben wir die Forschungspolitik, vor allem aber die Wirtschaftsförderpolitik in dem Bereich Technologiepolitik in diesem Zusammenhang neu ausgerichtet, indem wir Infrastruktur nicht nur für Wissensentstehung schaffen, sondern für eine bessere Wissensverwertung.
Der erste Schwerpunkt in diesem Zusammenhang ist die Ausweitung und Neugründung von Anwenderzentren,die den Brückenschlag machen von der Invention, der Erfindung, hin zur eigentlichen Innovation, nämlich zur Marktfähigkeit der Produkte. Das geschieht erstens durch Beschleunigung und zweitens durch Bündelung des Wissenstransfers und dadurch, dass in solchen Anwenderzentren eine kritische Masse geschaffen wird, die es ermöglicht, den Technologietransferprozess in Clustern voranzutreiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sagte: In der Wissensgewinnung sind wir gut. Bei den Patenten liegen wir pro Kopf an dritter Stelle. Bei der Patentverwertung sind wir noch besser. Wir haben hier einen Spitzenwert in Deutschland.Deshalb dürfen wir nicht nur wie Archimedes „Heureka,ich habe es gefunden“ rufen,sondern wir müssen auch am Markt „Hurra“ schreien dürfen, wenn Produkte marktfähig werden, also umgesetzt werden können.
Die Anwenderzentren sind angesprochen worden. Es ist wichtig, dass wir sie regional gleichmäßig verteilt haben. Das Anwendungszentrum für Metallformgebung in Baunatal ist ein Cluster, das Vertrauen schafft und schnelle Umsetzung ermöglicht und in diesem Wissen ein Konzentrat bildet. HeRo ist ein zweites Stichwort. Es ist 2004 als Anwenderzentrum für die Umwelttechnologie neu geschaffen worden. Gerade in diesem Bereich haben wir 70.000 Beschäftigte, die immer wieder mit neuen Ideen
Das FIZ ist erwähnt worden.Allein in der Biotechnologie im Rhein-Main-Gebiet gibt es 17.000 Beschäftigte. Das zeigt sich auch in der Produktivität. Wir liegen unter den Flächenländern in der Bundesrepublik bei der Produktivität mit 65.000 c pro Beschäftigtem an erster Stelle. Bei der Biotechnologie sind es sogar 165.000 c pro Beschäftigtem. Das zeigt, dass wir diese Spitzentechnologien brauchen, um den Wohlstand insgesamt zu erhalten, bei dem wir in Deutschland beim Bruttoinlandprodukt mit 32.500 c pro Beschäftigtem ebenfalls den Spitzenplatz einnehmen.
Wir haben das Anwenderzentrum CESAH im Zusammenhang mit dem Navigationszentrum und dem System Galileo gegründet. 1,1 Millionen c geben die Hessische Landesregierung und die ESA in Darmstadt als Unterstützung aus, und 6.100 Betriebe aus dem Bereich IT und Kommunikationswissenschaften profitieren unter anderem von diesem Zentrum.
Das Gleiche gilt für das Medizintechnikzentrum in Gießen. Herr Spies hat die Zahlen genannt, richtig. Deshalb schaffen wir dort dieses Zentrum. Wir haben bereits eine Spitzenposition erreicht.Bei der Telemedizin haben wir es hier in Hessen deutschlandweit als Erste geschafft, ein ITgestütztes Patientenportal zu eröffnen und anwendbar zu machen,mit einer digitalen Ärztekarte.– Sie haben davon gelesen. Das ist übrigens eine Kooperation der fusionierten Klinika Marburg und Gießen mit dem T-Systems.