Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vorgesehen. Das Wort hat Herr Abg. Boddenberg für die CDUFraktion.
Frau Präsidentin,liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass unser Antrag alle Fraktionen dazu veranlasst hat, ihrerseits zum Teil sehr ausführliche Anträge zu stellen.
Frau Sorge, ich sage das ausdrücklich in aller Freundschaft und ohne auch nur den Ansatz von Kritik zu üben, denn ich will, wenn Sie einverstanden sind, zunächst einmal vorschlagen, wie wir mit diesen Anträgen verfahren. Normalerweise würden wir über alle Anträge im Plenum
abstimmen, aber ich möchte Ihnen vorschlagen, dass wir die Anträge an den Wirtschaftsausschuss, federführend, und an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, mitberatend, überweisen.
Sie verstehen es richtig, wenn Sie vermuten, dass wir diesen Antrag gestellt haben, um zunächst einmal deutlich zu machen,wie wichtig die Beziehungen zwischen den Hochschulen, der Forschung und der Wirtschaft sind. Deshalb zielt unser Antrag eher auf die für die Wirtschaft unseres Bundeslandes bedeutenden Fragen ab und beinhaltet nicht nur Fragen der Etatisierung der Hochschul- und der Forschungspolitik, wie Sie das in Ihren Anträgen formuliert haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit diesem Gedanken leben könnten.
Zum Antrag selbst möchte ich sagen, dass wir natürlich die Absicht verfolgen, über das, was Hessen vorzuweisen hat, häufiger öffentlich zu reden, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Jeder von Ihnen, der schon einmal an einer Delegationsreise teilgenommen und zugehört hat, als der Ministerpräsident oder ein anderes Mitglied des Kabinetts über die Vorzüge Hessens gesprochen hat, der wird, wie ich, festgestellt haben, dass man selbst als hier lebender und an diesem Land interessierter Mensch nicht alles kennt, was wir an Essentials im globalen Wettbewerb zu bieten haben.
Das gilt für die Hochschullandschaft in Hessen mit ihren zwölf Hochschulen, die in einer Zeitspanne von eineinhalb Stunden vom Flughafen Frankfurt aus erreichbar sind, und das gilt genauso für viele Forschungseinrichtungen in diesem Lande, die sehr bedeutsam sind, wie ich kurz darstellen möchte, aber aus meiner Sicht in der öffentlichen Darstellung ein bisschen zu kurz kommen. Die Bedeutung dieser Einrichtungen ist zwischen allen Fraktionen völlig unstreitig, wie ich Ihren Anträgen entnehme.
Ich will an einem Punkt etwas Wasser in den Wein gießen. In der Plenarsitzung am Dienstag hat Frau Ypsilanti über den zukünftigen Wettbewerb auf internationalen Arbeitsmärkten gesprochen. Sie hat an der Stelle schwerpunktmäßig über die Niedriglohnproblematik geredet. Das ist sicherlich zwar nicht falsch, aber ich glaube, wir müssen uns zunehmend auch mit Arbeitsverhältnissen mit Gehaltsstrukturen anderer Größenordnung beschäftigen, die im internationalen Wettbewerb eine Rolle spielen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Wenn Sie sehen, dass im Jahre 2003 7.000 bis 8.000 amerikanische Staatsbürger und im Jahre 2005 mehrere Hunderttausend amerikanische Staatsbürger ihre Steuererklärungen von Fachleuten in Indien haben fertigen lassen, dann wissen Sie, was ich damit sagen will. Es darf nicht sein, dass wir nur über die Niedriglohnsegmente auf dem internationalen Arbeitsmarkt reden, sondern wir müssen zunehmend auch qualifizierte Beschäftigungsverhältnisse in diesem Land wettbewerbsfähiger machen. Insofern ist alles, was die Fraktionen zu der Notwendigkeit von mehr Investitionen und einer verstärkten Hinwendung zur Forschung gesagt haben, richtig.
Wir haben uns in den letzten Jahren sehr häufig – hier danke ich dem Wirtschaftsminister ausdrücklich für viele Aktivitäten – einem aktuellen Schwerpunkt zugewandt, nämlich der Nanotechnologie. Wir haben dies mit tollen Ergebnissen getan, was das Interesse und die vorzeigbaren Daten anbelangt. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In Europa gibt es ca. 1.000 Nanotechnologieunternehmen, also Unternehmen, die sich vorrangig mit dieser immer noch recht jungen Wissenschaft beschäftigen.550 dieser Firmen haben ihren Sitz in Deutschland, und etwa ein
Fünftel davon, also 100, ihren Sitz in Hessen. Deshalb darf man sicherlich behaupten, dass wir an dieser Stelle sehr gut aufgestellt sind, was die Präsenz und die Forschungsaktivitäten von Unternehmen anbelangt.
Das Gleiche gilt für den gesamten Bereich der Informationstechnologie, übrigens auch in der Frage der Nutzung dieser Technologie in unserer Gesellschaft, denn hier stehen wir im Bundes-, aber auch im internationalen Vergleich mit einer Nutzerquote von nahezu zwei Dritteln aller Bürgerinnen und Bürger sehr ordentlich da.
Frau Sorge,wir dürfen davon ausgehen,dass es eine sehr große Aufgeschlossenheit in unserer Gesellschaft für neue Technologien gibt, wenngleich wir auch in diesem Plenum leider wieder darüber diskutieren mussten, dass bei den GRÜNEN nach wie vor die Bedenken häufig sehr stark überwiegen,während bei den anderen,insbesondere den betroffenen Forschern, die Chancen und Perspektiven dieser neuen Technologien im Vordergrund stehen.
Die Hessische Landesregierung hat hier – selbstverständlich in völligem Einverständnis mit der CDU-Fraktion – einen wichtigen Beitrag zu leisten.Wir haben für eine bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft zu sorgen, eine Angelegenheit, die in der Vergangenheit im Grundsatz nicht immer ganz unstrittig war. Die Sozialdemokraten – das sage ich ohne jede Häme und nahezu ohne jede Wertung – kommen zunehmend, wie auch alle anderen in diesem Hause, zu der Erkenntnis, dass wir an der Stelle die Bemühungen intensivieren müssen. Insofern freuen wir uns darüber, dass Sie allesamt sagen, dass das, was wir dort tun, richtig ist – ob es um das Thema Satellitentechnologie und die Raumfahrttechnologie in Darmstadt geht, ob es um die Biotechnologie geht, gestützt durch das Innovationszentrum in Frankfurt am Main, oder ob es um die Rohstoffforschung in Witzenhausen geht, nicht nur mit Blick auf die energetische Nutzung, sondern auch auf viele andere Formen der Nutzung.
Kurzum, die Landesregierung hat, wie ich finde, genau die richtigen Akzente gesetzt, um das stattfinden zu lassen, was diese Gesellschaft und die Wirtschaft in Hessen dringend brauchen. Wir haben in unserem Antrag nur einige Beispiele aufgeführt. Wir haben noch eine ganze Reihe anderer Einrichtungen in diesem Bundesland, die zu erwähnen wären. Wir haben im Antrag z. B. das PhotonikZentrum Hessen in Wetzlar, wo sich 14 dort ansässige Unternehmen zusammengeschlossen haben, um für die gesamte Optikbranche gemeinsam Forschung zu betreiben, das Klinische Studienzentrum an der Universität Frankfurt, wo Wissen aus Universität, pharmazeutischer Industrie und Biotechnologie zusammengeführt werden soll, und das Anwenderzentrum Metallformgebung in Baunatal, das sich naturgemäß sehr intensiv mit Werkstofftechnologie, Materialprüfungstechnologie und Prozessautomation befasst, nicht erwähnt. Kurzum, wir können behaupten, Hessen ist ein Land der Innovationen. Das wäre eine schöne Überschrift. Hessen ist ein Land, in dessen Hochschulen auf exzellentem Niveau geforscht wird.
Aus diesen insgesamt sehr erfreulichen Rahmenbedingungen für modern aufgestellte Zukunftsbranchen und -technologien ergeben sich hervorragende Wirtschaftsdaten. Das gilt für das Bruttoinlandsprodukt, wo wir in der Arbeitsproduktivität mit Abstand auf Platz eins in Deutschland liegen.Wir haben aber auch das höchste Pro
Kopf-Bruttoinlandsprodukt in der Bundesrepublik.Wenn sie gefragt werden, sagen Unternehmer, dass sie sich in Hessen sehr wohl fühlen, nicht nur, was die topografischen und geografischen Verhältnisse betrifft, sondern auch, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt, und dass sich aufgrund der sehr guten Vernetzung von Hochschulen und Betrieben beste Perspektiven für sie und ihre unternehmerische Zukunft ergeben.
Kurzum, wir sind gut aufgestellt. Aber es gibt nichts, was man nicht noch verbessern könnte. Insofern ist unsere herzliche Bitte, dass wir im Ausschuss gemeinsam darüber reden, wie man möglicherweise in dem einen oder anderen Fall noch einmal neue Gewichtungen und Schwerpunkte setzen kann.
Ich will abschließend sagen, dass wir – da sind sich die Fraktionen durchaus uneins – und die Landesregierung vor allem den Mut brauchen, am Ende die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Herr Dr. Spies, da Sie in der ersten Reihe sitzen und vermutlich gleich zu den Anträgen sprechen werden, will ich sagen, dass dieser Mut bei der SPD-Fraktion oftmals nicht erkennbar ist.
Ich will zum Schluss sagen, dass wir am Ende beim Blick in den Haushalt sicherlich eines gemeinsam feststellen werden: dass nicht mehr nur die öffentliche Hand die in vielen Forschungsbereichen notwendigen Investitionen wird tätigen können, sondern dass wir privates Investment brauchen.
Die Klinikastandorte in Mittelhessen sind ein gutes Beispiel dafür, dass das gelingen kann, wenn man mutig ist – auch wenn es dort in dem einen oder anderen Fall, häufig aufgrund falscher Informationen einzelner Politiker oder sämtlicher Mitglieder einer Fraktion oder einer Partei, Widerstände oder zumindest Bedenken gibt. Das sind richtige und wichtige Wege; denn nur durch eine Einbindung privaten Kapitals werden wir es schaffen, die Mittel zur Verfügung zu stellen, die wir in Zukunft brauchen, um international wettbewerbsfähig zu sein.
Wenn in Ihrem Antrag die Rede davon ist, dass nur 2 % der Patentanmeldungen von den Universitäten kommen – im Umkehrschluss heißt das, dass 98 % der Patentanmeldungen aus Hessen aus anderen Bereichen kommen; dort sind wir, nach unseren großen südlichen Nachbarn Bayern und Baden-Württemberg, immerhin die Nummer drei in Deutschland –, nehme ich das zur Kenntnis, sage aber dazu, dass ich grundsätzlich nichts dagegen habe. Ich bin über jedes Patent froh, das in Hessen angemeldet wird, egal woher es kommt. Die Hauptsache ist, es hat zur Folge, dass in Hessen Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies ist, bedingt durch die Innovationskraft der Menschen in unserem Lande, ein traditionelles Asset Hessens im Ländervergleich.
Letzter Satz. – Diese Entwicklung ist nicht ganz neu.Aber ich will sagen, dass die Stimmungslage und das Klima in Hessen mittlerweile so gut sind – das sagt nicht nur die Forschung, sondern auch die Wirtschaft –, dass wir uns darauf freuen dürfen, dass die Innovationskraft des Landes nicht nachlassen wird und dass wir weiter zu unseren südlichen Nachbarn aufschließen werden. – Vielen Dank.
Hessen ist ein Land der Innovationen und überaus bedeutender Kompetenzstandort in Deutschland. Hessen bietet zahlreichen Wissenschaftszentren und Forschungsnetzwerken Heimat, wodurch Zukunftschancen eröffnet werden.Neue Technologien bergen große wirtschaftliche Potenziale, die es auszuschöpfen gilt.
Das steht in Ihrem Antrag. Das ist auch richtig. Leider hat das alles nichts, aber auch gar nichts mit der Hessischen Landesregierung und der Mehrheit im Hessischen Landtag zu tun. Leider passiert all das nicht wegen, sondern trotz der Hessischen Landesregierung und ihrer Aktivitäten.
Überflöge ein unbefangener Beobachter diesen Entschließungsantrag der CDU, so fiele ihm die anekdotische Aufzählung einiger weniger Beispiele auf. Anekdoten werden zwar sehr gerne, aber fälschlicherweise als Belege für vermeintliche Zusammenhänge verwendet, führen dann zu einem verzerrten Bild der Realität und stellen eine unzulässige Datenselektion dar.Wie wahr.
Die Aneignung einzelner, durchaus beachtenswerter Leistungen anderer und die Aufzählung der Kompetenzzentren sollen eine Kompetenz der Landesregierung suggerieren, was aber bar jeden Realitätsbezugs ist.
Nano-Netzwerk: Den Elan und das Engagement der Wissenschaftler in diesem Bereich dämpfte die Landesregierung zunächst einmal, indem sie den engagierten Plänen mit dem bescheidenen Betrag von 34.000 c begegnen wollte. Wegen der Zähigkeit der Beteiligten konnten Sie sich irgendwann nicht mehr verweigern.
Galileo – eine immense Chance –: Diesem Projekt lag allerdings ein wirklich überschaubarer Anteil der Landesregierung zugrunde.
Das Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie ist wirklich eine gute Sache – aber etwas, von dem es viel mehr und vor allem Strukturiertes geben müsste. Ich komme auf diesen Punkt zurück.
Warum zählt uns die Union ein paar Beispiele auf? Warum werden uns einige wenige Symbole genannt? Wovon wollen Sie mit Ihrer symbolischen Politik ablenken? Denn es handelt sich um Symbole, mit denen Sie dafür sorgen wollen, dass wir uns in dem irrigen Glauben wiegen, die Landesregierung würde etwas Relevantes für die wirtschaftliche Nutzung hessischer Innovationen unternehmen.
Was sind die Fakten? Was sind die harten Fakten bei dem Thema „Innovationsland Hessen und diese Landesregierung“? Fangen wir bei den Hochschulen an. Ausgaben je Studierenden: Hessen liegt auf dem letzten Platz. Ausgaben je Absolvent: Hessen liegt auf dem letzten Platz.Ausgaben für die Forschung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt: Hessen liegt auf dem vorletzten Platz – immerhin etwas. Keine hessische Universität ist in die Exzel
lenzinitiative aufgenommen worden,und das bei so guten, engagierten Hochschulen. Das hat möglicherweise etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun.
Was ist eigentlich aus all den Jubelprojekten der letzten Jahre geworden, mit denen Sie Handeln und Handlungsfähigkeit inszenierten? Das Projekt zum Technologietransfer vermisse ich in Ihrer Liste. Das wundert mich aber nicht: keine Leute, kein Geld, keine relevante Unterstützung.Was übrig bleibt, sind Messestände.
Potenzielle Patente werden von den Hochschulen in Hessen immer noch nicht angemeldet, und das trotz eines äußerst aufwendigen Bundesprogramms unter Rot-Grün. Im Gegenteil, trotz aller Unterstützung, trotz GINo und TransMIT, die ohne diese Landesregierung entstanden sind, liegt die Quote der Patentanmeldungen – Herr Boddenberg, Sie haben es selbst angesprochen – deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Future Capital: Erinnern Sie sich noch an Future Capital? Das war ein gemeinsam von der Landesregierung und Aventis groß angekündigtes Projekt für innovative Existenzgründungen. Was passiert, wenn ein wohlmeinender Betrachter einen Blick auf dessen Homepage wirft und sich das Portfolio einer Gesellschaft anschaut, die mit Steuermitteln hessische Innovationen fördern soll? Zwei von neun Anlageprojekten sind in Hessen angesiedelt, aber allein drei in den USA. Meine Damen und Herren, das ist alles Mögliche, aber keine hessische Innovationsförderung.
Diese Landesregierung hat keinerlei Konzept für den Technologietransfer. Sie tut auch nichts dafür: Sie gibt kein Geld, sie stellt keine Struktur zur Verfügung, und sie trägt auch sonst nicht bei.
In Mittelhessen – Herr Boddenberg hat auch dieses Thema angesprochen – kommt die magere „résonance“, die die Landesregierung auf ihre Vorstellung von einem Medizintechnologiecluster erhält, einer Ohrfeige gleich.
(Michael Boddenberg (CDU): Ich fand die „résonance“ ganz gut! Haben Sie noch ein Rhetorikseminar besucht?)
Woran liegt das denn? Sie sind, wie die Hessen-Agentur gezeigt hat, überhaupt nicht in der Lage, eine Verbindung zwischen den Unternehmen und den Hochschulen herzustellen. Die Unternehmen selbst sehen gar nicht, warum man so dicht an den Hochschulen dran sein muss. In diesem Land gibt es nämlich keine Struktur, keine Initiative und keine Aktivitäten in Bezug auf das Thema Wissenstransfer. Davon wollen Sie sich befreien.
Da Sie nichts dafür tun und dennoch Ihre Klientel befriedigen müssen, erfreuen Sie uns heute mit diesem Antrag der Symbole. Aber statt die fremden Federn, mit denen Sie sich schmücken, aufzuzählen und frühere Jubelprojekte konsequent zu vergessen,
wären Sie im Dienste des Landes gut beraten, sich endlich der Problemanalyse zu stellen. Lieber Herr Boddenberg, in aller Freundschaft: Dass Sie den Antrag zusammen mit den anderen Anträgen zur Beratung in die Ausschüsse schicken, ist ein erster Ansatz der Erkenntnis. Man muss