Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

sprechend auch Geld in die Hand nehmen. Im Gegensatz zu Ihrer Ministerin haben unsere Ministerinnen sich immer um die Finanzierung ihrer Konzepte gekümmert. Sie haben sich der schmerzlichen Frage unterworfen, woher das Geld für die Programme kommen soll, die wir für die Familien machen, und zwar ohne Neuverschuldung.

Dann erst wurde es spannend, das gebe ich zu. Dann wurde es auch oft strittig. Aber wir haben uns diesen Fragen gestellt. Auch bei dem Konzept, das wir in der letzten Woche vorgestellt haben, haben wir gesagt, wie wir es finanzieren wollen. Wir sind dieser schwierigen Frage nicht ausgewichen.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wie wollen Sie es denn finanzieren? Indem Sie den Familien etwas wegnehmen!)

Ich sage etwas dazu, natürlich. – Wir haben gesagt: Wenn wir mit solchen Riesenschritten vorangehen – es sind Riesenschritte, und wir brauchen sie in Deutschland, damit wir mit unseren europäischen Nachbarn gleichziehen können –, dann reden wir über 4 bis 6 Milliarden c. Da muss der Bund seinen Beitrag leisten. Wir bekennen uns dazu: Der Bund will seinen Beitrag leisten.

Sie haben noch nie einen Finanzierungsvorschlag gemacht. Bei Ihnen fing dann aber die Diskussion darüber an: Dürfen, wollen oder sollen wir das Geld des Bundes überhaupt nehmen? – Das ist eine lächerliche Diskussion.

(Beifall bei der SPD)

Dann gibt es noch die Diskussion, die Herr Milde gerade eben angestoßen hat. Sie dreht sich um die Frage: Ist diese Finanzierung gerecht? – Meine Damen und Herren der CDU in Hessen, dürfen Sie die Frage nach Gerechtigkeit bei diesem Thema überhaupt stellen?

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Gerade Sie haben den größten Kahlschlag in Hessen zu verantworten. Gerade Sie haben den Kommunen das Geld für die Förderung der Familien weggenommen.

(Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, wo geschah das denn bitte?)

Gerade Sie haben mit Ihrer „Operation düstere Zukunft“ das Geld für die Weiterbildung und die Beratung gestrichen. Deswegen dürfen gerade Sie diese Frage überhaupt nicht stellen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Milde, ich werde auch auf den Vorwurf, wir wollten das Kindergeld nicht erhöhen, eingehen. Schauen wir uns doch einmal das Thema Kindergeld an.

Ja, wir haben gesagt: Wir können auf die geplante Erhöhung des Kindergelds um 10 c erst einmal verzichten. Dieses Geld nehmen wir dann für die Kinderbetreuung.

Wir haben aber gleichzeitig noch etwas anderes gesagt. Das dürfen Sie nicht verschweigen. Das alles soll bis zum Jahr 2010 geschehen. Bis zum Jahre 2010 wollen wir aber auch eine Freistellung der Eltern von Gebühren für Kindertagesstätten erreichen. Rechnen Sie einmal die 120 c pro Jahr gegen die Freistellung der Eltern von der Zahlung der Gebühren für die Kindertagesstätten. Rechnen Sie einmal aus, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Milde, nur einmal so en passant: Von Ihnen kam noch überhaupt kein Vorschlag. – Wenn sich Herr Koch heute hierhin stellen und sagen würde: „Okay, wir machen die Reform der Unternehmensbesteuerung nicht, die uns bis zu 6 Milliarden c kosten kann,

(Michael Boddenberg (CDU): Hören Sie doch auf!)

wir nehmen das Geld und stecken es in die Kinderbetreuung“ – damit treffe ich genau Ihre empfindliche Stelle –, wenn er das sagen würde, dann hätte er vielleicht kein Koch-Steinbrück-Papier mehr, aber dafür könnte er einen Koch-Ypsilanti-Kompromiss schließen. Dafür stehe ich zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Aber das wird wahrscheinlich nicht passieren.

Ich möchte bei diesen 120 c bleiben. Meine Damen und Herren, Sie können zu Recht sagen, davon würden nur Familien profitieren, die Kinder im Kindergarten haben. Aber auch Sie wissen genau, dass gerade die Familien mit kleinen Kindern, die in den Kindergärten sind, am allerstärksten auf die finanzielle Förderung angewiesen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit auch das klar ist: Der Ministerpräsident hat auf dem Parteitag der CDU vor zwei Jahren gesagt, er würde einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik einleiten. Nach zwei Jahren kann man dann schon einmal fragen: Was ist dabei herausgekommen?

Schauen wir uns einmal die Politikfelder an. Was hat denn der Ministerpräsident z. B. hinsichtlich der Bildungspolitik unternommen? Die Kinder stehen in dem achtjährigen Gymnasium unter Druck. Der Druck wird von der Schule auf die Kinder weitergegeben. Die Kinder geben den Druck an die Eltern weiter. Das hat Stress in die Familien gebracht. Das ist keine gute Familienpolitik.

Sie haben die Auslese im 4. Schuljahr zementiert. Eltern müssen zu diesem Zeitpunkt entscheiden, auf welche Schule ihr Kind gehen soll.

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie das wieder zurücknehmen?)

Sie wissen, wenn das Kind nicht auf das Gymnasium kommt, geht der Weg nur noch nach unten. Sie haben Stress in die Familien gebracht.

Meine Damen und Herren, was haben Sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemacht? Sie haben die Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöht. Sie sollten das einmal nachrechnen. Das ist eine Arbeitszeit von 8,4 Stunden pro Tag. Wenn man die Pausen hinzunimmt, sind es etwa neun Stunden. Bei Berücksichtigung der Wegezeiten sind es etwa zehn Stunden am Tag, die eine Mutter oder ein Vater nicht bei der Familie ist. Wenn Sie das unter Familienpolitik verstehen, haben Sie keine Ahnung von Familienpolitik.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Frau Kollegin, wie lange arbeiten Sie denn pro Tag?)

Ja, das ist ein Problem. Aber ich habe es mithilfe meiner großen Familie gelöst. Herr Boddenberg, das geht Sie aber überhaupt nichts an.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche und Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wir können alle Felder durchdeklinieren. Ich möchte auf die Ladenöffnungszeiten zu sprechen kommen. Ja, die Mütter und Väter können jetzt bis 22 Uhr einkaufen. Das ist „klasse“. Wer aber sitzt an den Kassen, füllt die Regale auf und macht die Schichtarbeit? Das sind die Frauen. Auch das ist wirklich kein grandioses Beispiel für eine Familienpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Familien brauchen finanzielle Absicherung. Das wissen wir. Wir wissen heute, dass Väter, Mütter und ihre Kinder ganz oft von dem, was die Eltern verdienen, nicht mehr leben können. Was machen Sie? – Sie sperren sich in der Diskussion um die Einführung der Mindestlöhne. Meine Damen und Herren, Sie haben die Familienpolitik wirklich noch nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD)

Es reicht eben nicht, bei der Betreuung stehen zu bleiben. Wenn man über die Familien redet, muss man auch deren soziale Lage ins Blickfeld nehmen. Da gibt es ganz viel zu tun. Weil Sie das nicht tun, sind Sie in dieser Frage absolut unglaubwürdig. Ich habe das gerade vorgetragen. Sie unterstützen nicht einmal die Forderungen Ihrer eigenen Ministerin.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte jetzt auf die Hessische Sozialministerin zu sprechen kommen. Frau Ministerin, wir haben uns eigentlich schon immer gefragt, warum Sie in dieser Legislaturperiode noch keine Regierungserklärung abgegeben haben. Aber darüber muss man wahrscheinlich nicht nachdenken. Das ist so, weil Sie zu diesem Thema überhaupt nichts zu sagen haben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Frau Ypsilanti, vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention erhält Herr Milde das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Ypsilanti, ich habe mich zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet, mein Anliegen aber auch schon einmal dazwischengerufen: Ich finde es unerträglich, dass Sie zur Finanzierung der Krippenplätze Familien gegen Familien ausspielen wollen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dorothea Henz- ler (FDP))

Das Einzige, was Ihnen eingefallen ist, um die Freistellung der Krippenplätze von Gebühren zu finanzieren, ist die Kürzung des Kindergeldes und die Streichung des Ehegattensplittings.

(Norbert Schmitt (SPD): Was fällt denn Ihnen ein? – Weitere Zurufe von der SPD)

Genau das Gegenteil ist aber richtig. Wenn das, was Sie wollen, Wirklichkeit werden soll, nämlich dass die Lebensentwürfe derer, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren wollen oder müssen, und derer, die sich entscheiden, ihr Kind zu Hause zu erziehen, gleichberechtigt nebeneinander stehen, dann können wir nicht den einen das Geld wegnehmen, um den anderen etwas zu finanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens halte ich es für verlogen, dass Sie behaupten, wir hätten in Hessen die Finanzierung der Kindergärten im Kommunalen Finanzausgleich reduziert.

(Zuruf von der SPD: Natürlich ist das so!)

Noch nie wurde in den Kommunalen Finanzausgleich so viel Geld vom Land eingestellt, wie es im Jahr 2007 der Fall ist und im Jahr 2006 der Fall war.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Was hat das mit dem Land zu tun?)