Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Es darf keinen Rabatt für politisch motivierte Verbrechen geben. Mord bleibt Mord.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag, der Opfer zu gedenken, wollen wir die Koordinaten wieder zurechtrücken: Keinerlei Relativierung oder Verklärung der Mordtaten,sondern Anteilnahme für das Leid der Hinterbliebenen und der Opfer sind das Gebot der Stunde.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wagner. – Das Wort hat die Frau Kollegin Hofmann, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist verständlich, dass unter anderem auch die sehr fragwürdigen und kritikwürdigen Äußerungen des Terroristen Klar in der Öffentlichkeit eine zum Teil sehr aufgeregte Diskussion um die Frage der Entlassung von RAF-Terroristen wie auch über deren Begnadigung ausgelöst haben.

Meine Damen und Herren, die Terrorakte der Roten Armee Fraktion gehören gewiss zu einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ziel der RAF war von Beginn der Siebziger- bis zum Ende der Neunzigerjahre die von ihnen sogenannte „Bekämpfung des imperialistischen Kapitalismus“ mit allen Mitteln des Terrors.

Zu den traurigen Höhepunkten des Terrors durch die RAF gehörten unter anderem die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, die Ermordung des Bankiers Herrhausen sowie die völlige Zerstörung der hessischen JVA Weiterstadt im Jahr 1993 – um nur ein paar Stichworte zu nennen.

Angesichts dieser Terrorakte und Mordtaten der RAF taugt die RAF gewiss nicht zum Mythos. Lassen Sie mich für die SPD-Fraktion an dieser Stelle ganz deutlich machen: Es dürfte in diesem Hause insgesamt völlig unstrittig sein, dass die Terrorakte der Roten Armee Fraktion nicht verharmlost und auch niemals gerechtfertigt werden dürfen.

(Allgemeiner Beifall)

Aber lassen Sie mich auch genauso deutlich sagen, dass es sich bei den RAF-Terroristen nicht um Linke,sondern um Mörder handelt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, eines möchte ich auch ganz deutlich machen. Das vom Bundespräsidenten ausgeübte Gnadenrecht nach Art. 60 Abs. 2 des Grundgesetzes ermächtigt diesen im Einzelfall,Tätern die ihnen strafrechtlich zuerkannte Strafe zu erlassen. Dieses Recht resultiert aus althergebrachten Rechtsgrundsätzen und folgt dem Prinzip Gnade vor Recht. Dieses vom Bundespräsidenten ausgeübte Recht ist nicht justiziabel, d. h. es unterliegt nicht einer gerichtlichen Kontrolle. Der Bundespräsident kann weitgehend nach freiem politischen Ermessen über das Ob und das Wie einer Begnadigung entscheiden.

Lassen Sie mich dies auch ganz deutlich für die SPD Fraktion hier sagen: Die SPD-Fraktion vertraut darauf, dass der Bundespräsident als Verfassungsorgan und Staatsoberhaupt verantwortungsvoll und kraft eigenen Ermessens diese Entscheidung im Hinblick auf Christian Klar alleinig treffen wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich deswegen abschließend feststellen, dass wir aus unserer Sicht dem Bundespräsidenten keine unerbetenen Ratschläge erteilen sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Ruth Wagner, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab sagen, dass wir es als FDP sehr begrüßen, dass wir drei Anträge der anderen Fraktionen haben, denen wir sämtlich zustimmen können,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

weil sie in der Tat das wiedergeben, was Frau Hofmann und Herr Wagner vorgetragen haben.

Ich bin der Auffassung, und wir sind da auf einem guten Weg, dass wir in diesem Hause keinen neuen Historismusstreit vom Zaun brechen wollen. Denn nach den Einschätzungen von Frau Hofmann und Herrn Wagner ist es ganz klar, dass es sich nicht um die Untersuchung handelt, wie und von welcher Seite her politisch motiviert ein Mord begangen worden ist. Das waren Serienmorde der RAF, einer terroristischen Vereinigung, die dazu geführt haben, dass der Mord an Siegfried Buback, Jürgen Ponto und Hanns-Martin Schleyer zu insgesamt sechsmal lebenslanger Freiheitsstrafe sowie bei Christian Klar zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von nochmals 15 Jahren geführt haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch daran erinnern, dass nach einem Bekenntnisschreiben der sogenannten Revolutionären Zellen möglicherweise auch Heinz Herbert Karry zu diesen Opfern im Jahr 1981 gezählt hat sowie die unzähligen Beamten der Polizei,die Sicherheitskräfte, die wir immer vergessen, wenn über diese Taten gesprochen wird.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, mein Bundesvorsitzender hat zu Recht gesagt, Deutschland hat sich nicht ausgesöhnt. Unrecht hat allein der begangen, der gemordet hat. Dafür gibt es keine Rechtfertigung, weder damals noch heute.

Ich finde, deshalb müssen wir in der Diskussion klar unterscheiden, und ich sage das überhaupt nicht selbstgerecht, denn das ist auch in unserer Partei legitim. Es gibt einen Unterschied zu einer gesellschaftlichen Aufbruchsituation nach dem Jahr 1968, aus der neue Parteien und Neuorientierungen von Parteien hervorgegangen sind. Das steht nicht im Zusammenhang mit dem Entstehen von Terrorismus. Das ist sehr wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Punkt. Terror ist Terror. Dieser ist – so sage ich einmal vorsichtig – in dem Geist zu erkennen, den Christian Klar in einem verschrobenen und ideologisch gefärbten Brief zum Ausdruck gebracht hat. Das ist doch der Punkt. Es ist unglaublich wichtig für die politische Diskussion in Deutschland, dass man klar erkennen kann, ob jemand, der Mordtaten begangen hat, für das öffentliche Rechtsgefühl bekennt, dass er in irgendeiner Weise diese Taten bereut. In diesen Äußerungen ist das aber nicht zu erkennen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb bin ich der Auffassung, dass der baden-württembergische Justizminister mit der Anordnung einer erneuten Überprüfung genau dem rechtsstaatlichen Prinzip folgt, das er zu befolgen hat. Er muss klären, ob trotz dieser hohen Strafen eine Hafterleichterung möglich ist, die den Gesichtspunkten und Kriterien entspricht, die auch bei anderen Straftätern angelegt werden.

Meine Damen und Herren, die Argumentation, die Herr Kollege Baum und Frau Kollegin Vollmer vorgetragen haben und die zum Teil von Herrn Bütikofer vorgetragen wird, kann ich zum Teil nicht nachvollziehen. Ich kann politisch sehr wohl nachvollziehen, was der Geschäftsführer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Beck, vorgetragen hat. Volker Beck sagt, er wolle in keine öffentliche Beratungsdebatte für den Bundespräsidenten eintreten. Genau das haben Sie gesagt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre aber die Folge, wenn wir uns als Hessischer Landtag in einer gemeinsamen Beschlussfassung dazu äußerten.

Volker Beck sagt: Ich glaube, dass die Äußerungen von Klar an Abwegigkeit schwer zu übertreffen sind.Nicht bei Trost zu sein ist kein Grund, nicht nach so langer Zeit aus der Haft entlassen zu werden. – Diese Bemerkung halte ich für sehr klug, weil sie den Unterschied zwischen einem rechtsstaatlichen Verfahren und einer politischen Bewertung deutlich zum Ausdruck bringt.

Meine Damen und Herren, es ist politisch meines Erachtens nicht richtig, wenn zahlreiche Journalisten sagen, die Zeit müsse zu Ende sein. In diese Richtung gehen im Übrigen auch die Überlegungen von Frau Vollmer.

Meine Damen und Herren, Habermas hat zu Recht einmal gesagt: Vergangenheit vergeht nie. – Das sagte er bezogen auf die nationalsozialistische Zeit. Das gilt aber für jede Zeit. Vergangenheit vergeht nicht. Wer glaubt, er könne Schlussstriche ziehen, der wird von seiner Vergangenheit eingeholt.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, deshalb will ich noch einmal sagen: Der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland kann am Ende sagen, dass es die einzige sozusagen systembedingte Entscheidung ist, die der Bundespräsident selbst zu treffen hat, die er aber nicht treffen wird, ohne das Rechtsgefühl der deutschen Bevölkerung zu beachten. Gnade ohne Reue des Täters ist keine Größe, sondern nur eine Kränkung der Opfer. Das sollten wir beachten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, wir sollten gelegentlich einmal darüber nachdenken, welche ernsthaften Themen für eine Aktuelle Stunde geeignet sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Viele von uns merken sicherlich,dass es nicht angemessen ist, den politischen Tageskampf einer Aktuellen Stunde und die Trauer um die Opfer terroristischer Mordtaten miteinander zu verbinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Wagner, Sie haben in Ihrem Antrag darauf hingewiesen, heute werde mehr über die Täter als über die Opfer geredet. Sie werden Gelegenheit haben, Ihre Rede nachzulesen.Schauen Sie einmal nach,wie viele Worte Sie den Opfern und ihren Hinterbliebenen gewidmet haben

(Axel Wintermeyer (CDU): Die Überschrift schon allein!)

und wie viele Worte Sie dafür verwendet haben, sich mit den Tätern und den politischen Gegnern auseinanderzusetzen. Dann denken Sie doch bitte noch einmal darüber nach, ob Sie damit den Opfern wirklich gerecht geworden sind.

Meine Damen und Herren, wir trauern um die Opfer der Terroristen.Wir gedenken der Toten, die durch fürchterliche Taten mitten aus dem Leben gerissen wurden. Wir fühlen mit den Angehörigen, Freunden und Wegbegleitern, die einen vertrauten Menschen verloren haben. Deshalb meinen wir, dass auch diese Menschen in einem Antrag des Hessischen Landtags Erwähnung finden sollten, weil sie von der aktuellen Diskussion am meisten betroffen sind.

Ich denke, es herrscht Konsens in diesem Haus über das, was Herr Kollege Wagner gesagt hat,dass diese Menschen

lebenslang betroffen sind. Sie haben buchstäblich „lebenslänglich bekommen“, und zwar ohne die Möglichkeit der Gnade. Ich bin sicher, dass auch der Bundespräsident das weiß.