Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

weise nicht haben. Es muss die Aufgabe aller sein, die auf Landes- oder kommunaler Ebene ÖPNV organisieren, dass der ÖPNV so effizient wie möglich angeboten wird; denn jeder Steuereuro und jedes Fahrgeld, die in den ÖPNV fließen, müssen so effizient wie möglich dafür eingesetzt werden, dass wir ein Mehrangebot und ein Mehr an Bussen und Bahnen haben, und es darf auf keinen Fall, auf welcher Grundlage auch immer, in ineffizienten Strukturen versickern, die wo auch immer bestehen. Dass es diese Strukturen im ÖPNV gab und leider auch teilweise noch gibt, das kann, glaube ich, ernsthaft wohl keiner bestreiten. Deshalb lautet unser Appell an die Kommunen, damit weiterzumachen, effiziente Strukturen zur Verfügung zu stellen; denn es kann nicht die Aufgabe der Verkehrspolitik sein, ineffiziente Bürokratie zu finanzieren, sondern es muss die Aufgabe der ÖPNV-Politik sein, ein möglichst gutes Angebot zu finanzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Dann sind wir bei dem Punkt – Herr Lübcke hat ihn als Leuchtturm beschrieben, ich hatte ihn als hessischen Weg beschrieben –, bei dem wir fragen: Was ist eigentlich das Konzept dieser Landesregierung in Bezug auf die Weiterentwicklung des ÖPNV in Hessen? – Herr Minister, da sage ich relativ deutlich: So einig, wie wir uns eben noch in dem einen Punkt gewesen sind, so unterschiedlich sind unsere Auffassungen in dem folgenden Punkt. Denn Ausschreibungswettbewerb allein ist für die Gestaltung des ÖPNV kein Konzept.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Konzept für die Gestaltung des ÖPNV in unserem Land muss zum Bestandteil haben, dass wir uns bewusst machen, dass die CO2-Emissionen im Verkehrssektor nur gesenkt werden können, wenn wir ein deutlich größeres Angebot des Personennahverkehrs mit Bussen und Bahnen haben und wenn wir ein deutlich attraktiveres Angebot beim Nahverkehr mit Bussen und Bahnen haben. Daran sollte sich die Verkehrspolitik der Hessischen Landesregierung ausrichten.

Herr Minister, dann fragt man aber zu Recht:Wie kann es sein, dass bei der Vorstellung des Klimakonzepts Ihres Kabinettskollegen Dietzel – sofern man das Konzept nennen kann – dieses Thema überhaupt nicht angesprochen wurde oder, wenn es angesprochen wurde, es dazu nur wolkige und blumige Formulierungen gab. Herr Minister Rhiel, das zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, welche Bedeutung Busse und Bahnen für den Klima- und Umweltschutz haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass das nicht verstanden wurde, zeigt sich auch daran, dass Sie einer Landesregierung angehören, deren Regierungschef sich auf der Bundesebene in der Großen Koalition dafür eingesetzt hat – Herr Kollege Dr.Lübcke,bevor Sie es dazwischenrufen: ja, der Großen Koalition gehört auch die SPD an –, dass die Bundesmittel für den öffentlichen Personennahverkehr so drastisch gekürzt wurden. Herr Kollege Lübcke, Sie haben gesagt, die Landesregierung hätte einen Teil der Kürzungen aufgefangen.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Herr Kollege, die Hälfte! – Hildegard Pfaff (SPD): Das ist ein Treppenwitz der Geschichte!)

Ich frage Sie ernsthaft: Was ist das eigentlich für eine Politik, bei der sich der Regierungschef dafür einsetzt, dass das Land weniger Mittel erhält, um dann zum Ausgleich

aus dem eigenen Haushalt die Mittel teilweise wieder zuzuschießen? Was ist das für eine Politik? Im Interesse des Landes Hessen geschieht das sicherlich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Lübcke, Sie haben die Kompensation angesprochen. Es ist aber nicht so, dass Sie von selbst auf diese Idee gekommen sind.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das haben Sie uns empfohlen! So gut arbeiten wir zusammen!)

Ja, das haben nicht nur wir Ihnen empfohlen. Vielmehr haben Ihnen das auch die Verkehrsverbünde und die Bürgerinnen und Bürger empfohlen.Erst auf massiven Druck ist es dazu gekommen, dass Sie da ein wenig kompensiert haben. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Wagner, finden Sie das jetzt gut oder nicht? Sie müssen sich einmal entscheiden!)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Kollege Boddenberg, Sie haben mich eben so freundlich angesprochen. Ich fände es gut, wenn diese – –

(Michael Boddenberg (CDU): So freundlich war das nicht, das gebe ich zu!)

Gut, wenn Sie darauf Wert legen, haben Sie mich eben unfreundlich angesprochen. Ich fände es gut, wenn wir uns unfreundlich oder freundlich darauf einigen könnten, dass wir einen massiven Ausbau des ÖPNV brauchen und dass deswegen die Politik, die Mittel beim ÖPNV zu kürzen, die dieser Ministerpräsident und diese Landesregierung betrieben haben, der falsche Weg ist.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Kollege Posch für die Fraktion der FDP.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns über die Frage des Umgangs mit dem öffentlichen Personennahverkehr und der Frage der Auswirkung der Einführung des Wettbewerbs hier mehrfach unterhalten. Ich will zunächst etwas zu dem sagen, was bei dieser Diskussion nicht außen vor gelassen werden darf. Das betrifft die bereits angesprochene Reduzierung der Regionalisierungsmittel. Herr Dr. Lübcke, Ihre Partei muss sich da schon vorhalten lassen, dass Sie die Kürzung der Regionalisierungsmittel zulasten des Bundeslandes Hessen in Höhe von 170 Millionen c bis zum Jahr 2009 akzeptiert haben, weil Sie im Gegenzug die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte im Bund durchsetzen konnten. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP)

Andere Leute, die sich normalerweise einer sehr seriösen Sprache bedienen, wie etwa die Redakteure der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ haben das seinerzeit „Kuhhandel“ genannt. Nichts anderes war es.

Herr Dr. Lübcke, damit will ich diese Diskussion aber beenden. Denn das ist Geschichte. Sie müssen sich aber daran erinnern lassen, dass Sie das mit akzeptiert haben. Verehrte Frau Pfaff,insofern ist es auch nicht ganz redlich, dass Sie das völlig außen vor gelassen haben.

(Hildegard Pfaff (SPD): Es muss nicht alles richtig sein, was Herr Steinbrück in Berlin verabredet!)

An diesem Geschäft haben Sie mitgewirkt. An diesem Geschäft haben Herr Koch und Herr Steinbrück mitgewirkt.

(Hildegard Pfaff (SPD):Wir haben hier die Interessen Hessens zu vertreten und nicht die des Bundes!)

Beides sind doch wohl herausragende Figuren der Großen Koalition.Tun Sie doch nicht so,als hätten Sie mit dieser Frage nichts zu tun. Sie tragen die gleiche Schuld, dass die Regionalisierungsmittel zulasten der Fahrgäste in diesem Land reduziert wurden. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP – Hildegard Pfaff (SPD): Ich habe hessische Interessen zu vertreten! Das habe ich heute auch in dieser Diskussion gemacht!)

Ich will Ihnen eines sagen:Wenn Sie das ernst gemeint haben, was Sie mit Ihrem Antrag fordern, den Sie hier gestellt haben, dann werden sich die Sozialdemokraten als die wahren Totengräber des öffentlichen Personennahverkehrs erweisen. Erst tragen Sie mit dazu bei, dass die Regionalisierungsmittel drastisch gekürzt werden. Anschließend wollen Sie auch noch das Einsparpotenzial kaputt machen, das sich durch den Wettbewerb ergeben würde. Damit wollen Sie in zweifacher Hinsicht riskieren, dass der öffentliche Personennahverkehr in Hessen keine Chance mehr hat.

(Hildegard Pfaff (SPD): Herr Kollege, das ist falsch!)

Ich werde versuchen, Ihnen das nachzuweisen.

Einerseits haben Sie sich hierhin gestellt und gesagt, Sie würden mehr Wettbewerb fordern. Frau Kollegin Pfaff, das haben Sie in der Vergangenheit immer getan. Praktisch mit dem gleichen Atemzug fordern Sie aber auch die Möglichkeit der Direktvergabe. Die Direktvergabe und der Wettbewerb schließen sich aber gegenseitig aus.

(Hildegard Pfaff (SPD): Wir wollen keine Pflicht zur Direktvergabe, sondern das Wahlrecht!)

Sie müssen schon bekennen, was Sie wollen.

(Zuruf)

Doch, genau das tun Sie. – Verehrte Frau Pfaff, ich möchte auf den Inhalt des Antrags Ihrer Fraktion zurückkommen. In Ihrem Antrag steht, „entgegen allen anderen Bundesländern“ sei „nahezu übergangslos eine europaweite Ausschreibungspflicht für die Vergabe von Linienverkehrskonzessionen im öffentlichen Personennahverkehr angeordnet“ worden. Das erfolgte aber weder übergangslos noch zwangsweise. Es hat dazu einen sehr intensiven Dialog gegeben,der dazu geführt hat,dass viele Aufgabenträger auf der kommunalen Ebene davon überzeugt werden konnten, den Weg zu gehen, auszuschreiben, weil der Weg,auszuschreiben,der einzige ist,der es ermöglicht,

das zu kompensieren, was wir an Verlusten bei den Regionalisierungsmitteln haben.

Hierzu möchte ich aus der „Frankfurter Rundschau“ zitieren.Vor Kurzem hat ein Kongress stattgefunden. Dazu kann man lesen:

2007 werden die Busse im öffentlichen Nahverkehr der Stadt 98,25 % der Kosten durch Ticketeinnahmen decken.Das kündigte der Manager der lokalen Nahverkehrsgesellschaft traffiQ beim Kongress an.

Der RMV liegt bei einem Deckungsgrad von 57 %. Zu Beginn des zweitägigen ÖPNV-Kongresses „Nahverkehr Richtung Zukunft“ sagte traffiQ-Manager Rolf Valussi am Donnerstag, bei Gesamtaufwendungen von 40 Millionen c in der Bussparte werde das von der Stadt Frankfurt auszugleichende Defizit 2007 nur noch 700.000 c betragen, im Jahr davor seien es noch rund 9 Millionen c gewesen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Hört, hört!)

Erst 9 Millionen c, dann 700.000 c, das zeigt, dass in Frankfurt der Weg,Wettbewerb zu realisieren, erfolgreich beschritten wurde. Dieses Beispiel zeigt, dass das auch an anderen Orten durchgeführt werden sollte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Man kann also nicht von einem Sonderweg sprechen. Vielmehr wurde ein Weg beschritten, der gemeinsam mit den Verbünden abgesprochen wurde.Teilweise wurde das sogar von den Verbünden initiiert.

Ich möchte nun auf die berühmte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 zu sprechen kommen. Herr Kollege Wagner ist eben schon darauf eingegangen. Durch diese Entscheidung wurde keine Rechtssicherheit geschaffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat lediglich gesagt, dass in diesem Zusammenhang eigenwirtschaftliche Anträge nach dem Personenbeförderungsgesetz gestellt werden können.

(Hildegard Pfaff (SPD): Das ist jetzt Ihre Interpretation!)

Ich weiß nicht, welche Konsequenzen die Landesregierung daraus ziehen wird. Mit Sicherheit wird sie aber, wenn sie redlich ist, darauf hinweisen müssen, dass, wenn eigenwirtschaftliche Anträge bei den Genehmigungsbehörden gestellt werden, der jeweilige Aufgabenträger ein erhebliches beihilferechtliches Risiko eingeht. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat hinsichtlich der Fragen zur Prüfung des Beihilferechts überhaupt keine Entscheidung getroffen.