Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Der Antrag und der Dringliche Antrag sollen dem Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen werden. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch? – Dann ist das damit beschlossen.

Ich darf jetzt Tagesordnungspunkt 6 aufrufen:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Gesetze – Drucks. 16/7064 –

Damit zusammen wird Tagesordnungspunkt 27 aufgerufen:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Zeit für autonomere Hochschulen – individuelle Entwicklungen ermöglichen – Drucks. 16/6948 –

Herr Staatsminister Corts, Sie haben Gelegenheit, den Gesetzentwurf einzubringen. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf soll zu einem weiteren strategischen Schritt auf dem Weg der umfassenden und zügigen Modernisierung der Hochschullandschaft in Hessen führen.

Der Entwurf enthält drei Regelungskomplexe:

Erstens ist das die Möglichkeit,dass alle hessischen Hochschulen den Regelungen des TUD-Gesetzes ganz oder teilweise beitreten können.

Zweitens soll die Universität in Frankfurt in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt werden.

Drittens geht es um die Einführung des sogenannten Tenure Track und um weitere Flexibilisierungen beim Personal.

Auch vor dem endgültigen Abschluss der Evaluierung des TUD-Gesetzes sind die gemachten Erfahrungen, aber auch die bundesweite Resonanz ermutigend genug, um auch den anderen Hochschulen die Vorteile der Autonomie und der neuen inneren Strukturen sowie der neuen Entscheidungsprozesse umfassend nutzbar zu machen. Jede Hochschule soll mit qualifizierter Zustimmung ihres Senats und ihres Hochschulrats den wesentlichen Bestimmungen des TUD-Gesetzes beitreten können, sofern eine Zielvereinbarung hinsichtlich der Finanzierung und des Studienangebots mit dem Ministerium abgeschlossen wurde. Darüber hinaus muss – hierauf kommt es maßgeblich an – eine Grundordnung gemäß § 39 Hochschulgesetz beschlossen worden sein.

Das ist genau der Weg, den die Technische Universität Darmstadt schon auf der Basis des Hochschulgesetzes des Jahres 2000 und auf der des Jahres 2004 beschritten hat.

Ich halte es für völlig richtig, dass eine Hochschule selbst die ihr gemäße Fassung der Autonomie in positivem Sinne bestimmen muss. Sie darf eine bestimmte Form der Autonomie nicht als Geschenk oder auf dem Weg der fürsorglichen Bevormundung erhalten.

Die Technische Universität Darmstadt hat einige Jahre benötigt, bevor sie hinreichend Klarheit über ihr Leitbild gewonnen hatte. Sie hat diese Entwicklung anderen Hochschulen vorgemacht. Ich bin deswegen zuversichtlich, dass die notwendigen Lern- und Entwicklungsprozesse auch an anderen Orten zumindest zum Teil schon abgeschlossen sind.

So hat das Präsidium der Hochschule Darmstadt, also der ehemaligen Fachhochschule Darmstadt, mit allen Fachbereichen bereits Zielvereinbarungen geschlossen. Auf diese Art und Weise wurde das Profil der Hochschule deutlich. Außerdem wurden damit die Grundlagen für eine Leistungssteigerung gelegt.

Die Landesregierung hält es aufgrund dieser Erfahrungen nicht für erforderlich, eine weitere Modellhochschule zu installieren. Wir haben ein erfolgreiches Modell, das bundesweit anerkannt ist. Nunmehr soll jede Hochschule entscheiden können, ob sie den Weg in die Autonomie gehen will.

Mir ist wichtig, dass die Hochschulen selbst diesen Weg beschreiten, und zwar ohne die mit der Übernahme der Grundstücke und Bauangelegenheiten zwangsläufig zusätzlich verbundenen Anstrengungen schultern zu müssen. Zu welchen Schwierigkeiten das führt, haben wir in Darmstadt erlebt.

Unsere Novelle sieht deshalb vor, dass den Hochschulen auf gesonderten Antrag im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Zuständigkeit für die Grundstücksund Bauangelegenheiten ganz oder teilweise übertragen werden kann.Dies ist an die Bedingung geknüpft,dass vor Ort die Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass diese Aufgabe wahrgenommen werden kann.

Dabei geht es auch um die Größe, ab der man arbeitsfähig ist. Denn unterhalb eines bestimmten Volumens kann diese Aufgabe gar nicht hinreichend professionell wahrgenommen werden.

Ich rate dazu, die Möglichkeiten und Voraussetzungen sorgfältig zu prüfen, aber, falls man dies positiv bewertet, zur Tat zu schreiten. Dabei ist es durchaus denkbar, arbeitsteilig vorzugehen und sich z. B. des Hessischen Baumanagements als Dienstleister zu bedienen.

Ich will als Beispiel nur das von uns in der vergangenen Woche vorgestellte Programm HEUREKA nennen. Das hat ein derartiges Volumen für Bauten, dass wir jede Hochschule damit überfordern würden, wenn sie von heute auf morgen das Programm umsetzen müsste. Deswegen soll das nur auf Antrag und mit Zustimmung des Finanzministeriums möglich sein.

Mit den vorgenannten beabsichtigten Änderungen des Hessischen Hochschulgesetzes berücksichtigt die Landesregierung zugleich den mit breiter Mehrheit gefassten Entschluss der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt zu werden. Der Zehnte Abschnitt in der Novelle des Hochschulgesetzes, der die Überschrift „Stiftungsuniversität Frankfurt am Main“ trägt, enthält die hierfür erforderlichen rechtlichen Regelungen für eine Stiftung unter Berücksichtigung der Vorgaben des hessischen Stiftungsrechts.

Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass dies auf eine Initiative der Johann Wolfgang Goethe-Universität zurückgeht. Dem ist nämlich ein klares Bekenntnis des Senats zur Umwandlung in eine Stiftungsuniversität des öffentlichen Rechts vorangegangen. Das entspricht dem erklärten Ziel der Landesregierung, die hessischen Hochschulen zu modernisieren und ihnen größere Unabhängigkeit einzuräumen, damit sie sich in dem immer schärfer werdenden nationalen wie auch internationalen Wettbewerb weiterhin behaupten und aus eigener Kraft handeln können.

Im Kern angelegt ist dieser Schritt bereits im Hochschulgesetz. Denn § 1 Abs. 1 Hessisches Hochschulgesetz sieht die Möglichkeit der Umwandlung einer Hochschule in eine andere öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsform bereits vor.

Ich freue mich ganz besonders, dass wir hinsichtlich der von den Hochschulen geforderten größeren Autonomie Unterstützung von allen Fraktionen bekommen. Ich bin auf den weiteren Diskussionsprozess gespannt. Wir müssen diesen in Ruhe führen.

Ich möchte heute nicht auf die Einzelheiten des Antrags der GRÜNEN eingehen. Das erlaubt die Redezeit nicht. Aber wir werden noch zweimal im Plenum und auch im Ausschuss dazu sprechen.Wir können das also im Einzelnen noch einmal erörtern. Wichtig ist, dass da grundsätzlich viele Parallelen sichtbar sind.

Meine Damen und Herren,die neue – ich sage es jetzt einmal – Johann Wolfgang Goethe-Universität hat als Stiftung des öffentlichen Rechts die größtmögliche institutionelle Autonomie, die der Staat einer Hochschule einräumen kann. Sie besitzt nämlich nicht nur in akademischen Angelegenheiten das Recht zur Selbstverwaltung. Unter Berücksichtigung der aktuellen Diskussion mit den Hochschulen, die darauf abzielt, weitere staatliche Aufgaben insbesondere in den Bereichen der Personal- und Finanzverwaltung zu übernehmen, erhält die Stiftungsuniversität auch auf den genannten Gebieten maximale Freiräume. Die Deregulierung wird im Falle der Stiftungsuniversität durch folgende, der Stiftung immanente Wesensmerkmale bestimmt.

Erstens. Stiftungszweck. Zweck der Stiftung ist es, erstens die Stiftungsuniversität als Hochschule des Landes zu betreiben, zweitens die Qualität von Forschung und Lehre, Studium und Weiterbildung an der Stiftungsuniversität zu steigern, und drittens – darauf kommt es an – private und öffentliche Finanzmittel für die Weiterentwicklung der Stiftungsuniversität einzuwerben, um neue Formen der Zusammenarbeit mit Dritten zu erproben.

Die jüngst im Rahmen der Exzellenzinitiativen errungenen Erfolge zeigen das enorme wissenschaftliche Potenzial der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Die Hochschule benötigt nun einen modernen Rahmen, in dem sie sich entfalten und flexibler als bisher agieren kann. Zur Erzielung signifikanter Verbesserungen muss die Universität in Zukunft über wichtige Punkte ihrer künftigen Entwicklung in kürzeren Zeiträumen selbst entscheiden können und dafür mehr Autonomie erhalten. Gleichzeitig soll ihr die Möglichkeit eröffnet werden, sich in weit höherem Maße als bisher privaten Geldgebern und Stiftungen zu öffnen.

Zweitens. Stiftungsvermögen. Mit der Errichtung der Stiftung gehen auf die Stiftung erstens die in der Anlage zum Hochschulgesetz aufgeführten Grundstücke des Landes, zweitens das im Eigentum des Landes stehende, der Universität gewidmete bewegliche Vermögen einschließlich entsprechender Rechte über. Weitere Grundstücke werden der Stiftung übertragen, sobald ihre Bebauung – ich sagte es schon – im Rahmen der Standorterneuerung abgeschlossen ist.

Daneben erhält die Stiftung einen jährlichen Beitrag zum Unterhalt, der sich nach denselben Verteilungsgrößen richtet, die für die übrigen Hochschulen des Landes gelten. Es gibt Zuweisungen für Bau- und Geräteinvestitionen, für Bauunterhaltung nach Maßgabe einer vertraglichen Regelung sowie sonstige Mittel, die nach Maßgabe einer vertraglichen Regelung, eines Hochschulpaktes und der Zielvereinbarungen vergeben werden. Natürlich bedürfen unter Wahrung des Budgetrechts des Hessischen Landtages die vertraglichen Regelungen der Zustimmung des Hessischen Landtages.

Aufgrund dieser Regelung profitiert die Universität in ihrer weiteren Entwicklung vom Wert der ursprünglich städtischen Grundstücke im Einklang mit den Bestimmungen des Kulturvertrages.Besonderen Wert lege ich an dieser Stelle auf die Feststellung, dass auch in Zukunft die staatliche Finanzierung der Universität fortbestehen wird. Im Einzelnen wird darüber hinaus gewährleistet, dass die Einwerbung zusätzlicher Mittel aus privaten Quellen ausdrücklich nicht zu einer Absenkung des Landeszuschusses führt.

Die Organisation als Stiftungsuniversität signalisiert der Bürgergesellschaft in Anknüpfung an ihre Gründertradition die Öffnung der Universität Frankfurt für die institutionalisierte Mitwirkung von Stiftern und Stifterinnen.

Drittens. Stiftungsverfassung. Organe der Stiftung sind der Hochschulrat, das Stiftungskuratorium, der Senat und das Präsidium als Vorstand.Präsidium und Senat behalten ihre wesentlichen Funktionen bei stärkerer Entscheidungsgewalt, indem z. B. von den Bestimmungen des HRG für folgende Bereiche abweichende Regelungen getroffen werden können: von der Organisationsstruktur, von dem Berufungsverfahren, von den Lehrverpflichtungsverordnungen und von der Qualitätssicherung, um nur einige wenige zu nennen.

Es wird ein Hochschulrat eingerichtet, dem eine generelle Aufsicht in akademischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zufällt.Der weitergehenden Verantwortung des Hochschulrates in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten wird mit der Bildung eines Wirtschafts- und Finanzausschusses Rechnung getragen, wodurch sich zugleich die Flexibilität dieses Gremiums erhöht.

Meine Damen und Herren, ich möchte meine Ausführungen zur Stiftungsuniversität nicht beenden,ohne zuvor die für das Universitätspersonal entstehenden Konsequenzen angesprochen zu haben. Darüber wird zurzeit auch häufig diskutiert. Das Personal der Universität wird zukünftig bei der Stiftungsuniversität beschäftigt, der aus diesem Grund die Dienstherrnfähigkeit im Sinne des Hessischen Beamtengesetzes zugesprochen wird. Erst mit der Dienstherrnfähigkeit in Verbindung mit der zugleich erteilten Tarifhoheit eröffnen sich die notwendigen Freiräume, die zur Realisierung der erhöhten Leistungssteigerung erforderlich sind.

Ausdrücklich wird dabei geregelt, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre erworbenen Rechte uneingeschränkt behalten.Verschlechterungen werden ausdrücklich ausgeschlossen. Die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigung aus Anlass der Umwandlung wird ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen. Für das beamtete Personal wird der Status quo festgeschrieben. Es gelten unverändert das Beamtenversorgungsrecht des Bundes und des Landes, sodass der Rechtsformwechsel zu keinerlei Benachteiligung führt.

Der Regelungsgehalt unseres Gesetzentwurfs erschöpft sich indes nicht in der Stiftungsgründung für Frankfurt und in der Optionsmöglichkeit für die Regelungen des TUD-Gesetzes. Auch denjenigen Hochschulen, die sich nicht oder nicht sofort für eine Anwendung der Regelungen des TUD-Gesetzes entscheiden, wachsen durch das Gesetz unmittelbar erweiterte Gestaltungsspielräume zu.

Dies betrifft vor allem den Personalbereich, dem eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen zukommt. Hier wird es mit der Einführung des sogenannten Tenure Track gelingen, die Attraktivität hessischer Hochschulen für Nachwuchswissenschaftler wesentlich zu steigern.

Bislang mussten sich Juniorprofessoren, die eine Professur an ihrer Hochschule anstrebten, auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben. Eine gesicherte Perspektive, auch eine Karriere an der Hochschule konnten Juniorprofessoren damit nicht in Aussicht gestellt werden. Dies bedeutete einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil vor allem gegenüber ausländischen Hochschulen, wo derartige Möglichkeiten seit Langem bestehen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

In Zuschriften deutscher Wissenschaftler im Ausland ist mir gegenüber wiederholt das Fehlen genau dieser Perspektive beklagt worden.Teilweise wurde dieser sogar ein höherer Stellenwert als den Einkommensaspekten beigemessen. Nachdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben, dass auch beim Tenure Track die hohe Qualität der Berufung gewährleistet bleibt.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Zum einen werden Juniorprofessoren obligatorisch evaluiert. Wichtiger ist jedoch, dass anders als bei herkömmlichen Berufungen im Falle des Tenure Track im Berufungsverfahren zwei auswärtige Gutachten einzuholen

sind. Hierdurch werden Mauscheleien oder die Etablierung eines Laufbahnprinzips wirksam verhindert.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schritt zur Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschule im Personalbereich besteht darin, dass es zukünftig möglich sein wird, befristet beschäftigte Professoren zu entfristen, wenn ein auswärtiger Ruf vorliegt. Die bislang vorgesehene obligatorische Begutachtung vor Ende der Beschäftigungsperiode entfällt damit. Eine effiziente Reaktionsmöglichkeit auf auswärtige Abwanderungsversuche ist damit geschaffen.

Meine Damen und Herren, die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten für alle hessischen Hochschulen beschränkt sich indes nicht nur auf den Personalbereich. Auch im wissenschaftlich-organisatorischen Bereich – wenn Sie so wollen – wird es künftig möglich sein, dass durch Vereinbarung gemeinsame Fachbereiche auch mit Hochschulen in anderen Bundesländern gebildet werden.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Der besondere Reiz dieser Kooperationsform liegt darin, dass sie vollständige organisatorische Grundeinheiten umfasst. Hierdurch wird die Einbeziehung des gesamten Aufgaben- und Kompetenzspektrums von Fachbereichen in die Kooperation gewährleistet. Auf diese Weise kann eine Konzentration von Kompetenzen erreicht werden, die zu einer entscheidenden Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Hochschulen führt. Die Profile werden dadurch schärfer.

Meine Damen und Herren, abschließend ist festzuhalten: Mit der Stiftungsuniversität wird nunmehr nach dem TUD-Modell und einer Nutzbarmachung für alle Hochschulen ein weiteres Modell implementiert,wobei ich ausdrücklich betone, dass der Erfolg dieses Modells von vielen Faktoren abhängt, die sicher nicht an jedem Standort so vorzufinden sind, wie dies in Frankfurt und auch im Hinblick auf die Geschichte dieser Universität der Fall ist.