Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sollte mit der Art der Fragestellung der Versuch unternommen worden sein, die Landesregierung zu diskreditieren? Dazu kann ich nur sagen: Dieser Versuch ist schon im Ansatz gescheitert. – Denn die Landesregierung bekennt sich natürlich zur Chancengleichheit. Sie bekennt sich aber nicht nur dazu. Sie handelt auch.

(Reinhard Kahl (SPD): Das muss aber im Verborgenen geschehen!)

Das geht aus den Antworten sehr deutlich hervor.

Mitarbeiter können immer nur das dokumentieren, was auch tatsächlich geschieht. Die Landesregierung handelt, ohne dabei eine ideologisch motivierte Frauendebatte zu führen. Die meisten Frauen wollen auch gar nicht, dass eine solche Debatte geführt wird. Aber das passt nicht in Ihr Bild.

Trotz Kopfschütteln beim Lesen der Fragen, will ich mich jetzt lieber den Antworten widmen.

Gender-Mainstreaming wurde vor zwei Jahren in die Gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien des Landes Hessen aufgenommen. Damit wurde die Verpflichtung, die sich aus dem Vertrag von Nizza ergibt, die Chancengleichheit von Frauen und Männern herzustellen, in Hessen in geltendes Recht umgesetzt.

Die Verankerung des Gender-Mainstreamings in der Geschäftsordnung war aber keinesfalls der Anfang des Prozesses hin zu mehr Chancengleichheit. Seit der Regierungsübernahme im Jahr 1999 hat sich die Hessische Landesregierung die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch die Verbesserung der Chancen für Frauen im Berufsleben zum Ziel gesetzt.

So war die Aufnahme des Leitprinzips der Europäischen Union zur Chancengleichheit ein weiterer Schritt, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Situationen

von Männern und Frauen in den Entscheidungsprozessen mit zu beachten. Behauptungen, die Hessische Landesregierung könnte mit Verweis auf Gender-Mainstreaming die spezifische Frauenförderung oder gar das Hessische Gleichberechtigungsgesetz abschaffen, wie Sie das vielen Frauenverbänden einreden wollten, sind völlig ohne Grundlagen. Das mussten Sie im Herbst einsehen, als wir das Hessische Gleichberechtigungsgesetz novelliert haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Da hat man gesehen, dass richtig war, was wir gesagt haben!)

Gender-Mainstreaming ergänzt vielmehr die klassische Frauenförderung als Querschnittsaufgabe. Folgerichtig misst die Landesregierung der Weiterbildung der Führungskräfte in allen Bereichen der Landesverwaltung besondere Bedeutung bei.Das können Sie in den Antworten gerne noch einmal nachlesen. Die Implantation folgt natürlich als Top-down-Genderprozess, der von der Führungsebene vorgelegt und umgesetzt wird, und ist dann auch bis in die unterste Ebene ein Grundprinzip.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle unterscheiden wir uns deutlich von der SPD. Unsere Auffassung ist Pragmatismus statt Dogmatik. Uns geht es um die pragmatische Umsetzung des Gender Mainansatzes, denn wir sind davon überzeugt,dass nur mit individuell auf die Situation der jeweiligen Verwaltung zugeschnittenen Lösungen wirksam gearbeitet werden kann.Anreize,wie z.B.ein Erfolgsbudget, ein im Hochschulpakt verankerter Topf, aus dem Frauen in den Universitäten zusätzlich gefördert werden können, sind Erfolg versprechende Wege.

(Zuruf von der FDP)

Lassen Sie mich einen weiteren wichtigen Punkt erwähnen, die Personalentwicklung. Ihr kommt auf dem Weg zur Chancengleichheit ganz besondere Bedeutung zu. Deshalb muss das Ziel schon bei der Vereinbarung jeglicher Personalentwicklungsstrategien mitbeachtet werden. Dazu gehört die Beachtung der Besonderheiten von Frauen im Beurteilungswesen. Ich meine, dass viele Frauen neben ihrer beruflichen Tätigkeit noch wertvolle Arbeit für die Familie leisten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist zutreffend!)

Dadurch waren die Frauen früher im Beruf oftmals benachteiligt. Zum Beispiel haben Familienarbeit leistende Frauen meist geringere Bereitschaft zur Mobilität als ungebundene Kollegen. Sie benötigen mehr Flexibilität.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das darf ihnen bei der Beurteilung oder der Zahlung von Leistungsprämien natürlich nicht angerechnet werden. Deshalb möchte ich beispielhaft das Personalentwicklungskonzept des hessischen Innenministeriums nennen, das genau diese Kriterien sowohl bei der Personalauswahl wie auch bei der Beurteilung mit berücksichtigt. Diese Personalentwicklungskonzepte müssen von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf umrahmt werden.

Besonders erwähnen möchte ich die Anstrengungen der Ministerien im Audit Familie und Beruf, bei der Telearbeit, der Kinderbetreuung in der Nähe des Arbeitsplatzes, die Eltern-Kind-Arbeitszimmer, die Kinderferienbetreuung und besonders die Anstrengung im Mentoring.

Ich möchte ein sehr gutes Beispiel nennen, nämlich das First-Aid-Notebook. Das First-Aid-Notebook ist eine ganz einfache wie auch pragmatische Lösung, wenn z. B.

ein Kind plötzlich erkrankt und die Mitarbeiterin zu Hause bleiben muss, aber von zu Hause gerne an ihren Projekten weiterarbeiten möchte. Die Landesregierung hat genauso wie die Privatwirtschaft erkannt, dass Gender-Mainstreaming positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die Motivation im Team verbessert und damit auch die Arbeitsproduktivität steigert.

Unterschiedliche Strategien von Frauen und Männern, an Probleme heranzugehen, unterschiedliche Interessen und Lebenserfahrungen führen gerade bei komplexen Aufgabenstellungen zu deutlich besseren Ergebnissen, wenn Frauen und Männer in Teams zusammenarbeiten. Aus diesem Grunde ist es nur richtig, dass Gender-Mainstreaming einerseits einen Grundsatz innerhalb der Personalpolitik der Landesverwaltung, aber auch ein Grundsatz in der Arbeitsmarktpolitik ist. So sind sämtliche europäischen ESF-Mittel im Gender-Mainstreaming-Grundsatz ausgerichtet.

An dieser Stelle möchte ich besonders zwei wichtige Maßnahmen aus der Beantwortung der Großen Anfrage erwähnen, nämlich das Programm betriebliche Ausbildung Alleinerziehender, das betriebliche Ausbildungsplätze für allein erziehende junge Mütter nicht nur zur Verfügung stellt, sondern sie begleitet, ihnen hilft und auch bei der Kinderbetreuung während der beruflichen Ausbildung behilflich ist. Das sind ebenso wie die regionale Arbeitsplatzförderung die richtigen Ansätze, denn insbesondere Frauen mit Familie sind weitaus weniger mobil, als es der freie Arbeitsmarkt oftmals fordert.

Hier ist es sinnvoll,öffentliche Förderungsmittel einzusetzen.Wenn jedoch die berufliche Erstausbildung von Mädchen in Berufen, in denen sie deutlich unterrepräsentiert sind und ihr Anteil unter 20 % liegt, zwar finanziell gefördert wird, ihr Anteil letztendlich doch nicht steigt, dann müssen wir uns überlegen, woran es liegen kann. Ich glaube, dass die Unternehmen gerade im technisch-gewerblichen Bereich nicht genug Bewerberinnen finden.

Wir sollten alle gemeinsam aufgerufen sein,Aufklärungsarbeit bei den Mädchen zu leisten. Ich glaube, dass der Girls’ Day, der im kommenden Monat wieder stattfindet, eine gute Gelegenheit bietet, denn die Berufsberatung auch der Lehrer und Eltern ist gefragt, dass sie auf den Berufswahlprozess der Mädchen und ihrer Töchter Einfluss nehmen.

Wir sind noch nicht am Ziel, denn dann könnten wir Gender-Mainstreaming gleich wieder aus der gemeinsamen Geschäftsordnung streichen.Aber wir befinden uns in einem Prozess, der einen Kulturwandel zum Ziel hat. Jeder, der behauptet, dass Gender-Mainstreaming einfach verordnet werden kann, der hat in meinen Augen Unrecht. Denn Gender-Mainstreaming ist ein Prozess, der sich entwickeln und selbstverständlich gelebt werden muss. Ich glaube,wir sind in Hessen auf einem guten Weg.Ich danke – jedenfalls für meine Fraktion – für die umfangreichen Beantwortung dieser Großen Anfrage. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine Kurzintervention von Frau Pauly-Bender.

(Axel Wintermeyer (CDU):Ach ja!)

Frau Ravensburg, das ist gerade das, was die CDU-Fraktion nicht verstanden hat. Gender-Mainstreaming will nicht den Wandel, der dahin wandelt, sondern ist eine europäische Intervention, eine Nachhilfestunde an diejenigen, die es nicht verstanden haben, schon Jahrzehnte gehandelt zu haben. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Der zweite Punkt. Unsere Anfrage haben wir so gestaltet, weil wir gehofft haben, die Landesregierung lernt durch Wiederholung, was ihr Auftrag ist. Das war wieder nicht der Fall. Sie hatte vorne einen allgemeinen Teil; darin stand, was sie machen muss. Dann kam sie zum Besonderen – was sie getan hat –, und hatte wieder nichts als leere Hände.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Unglaublich!)

Drittens. Das Thema der erwerbstätigen Mutter ist seit Beginn der Arbeiterbewegung ein Thema der Sozialdemokratie. Was der Unterschied zwischen unserer Vereinbarkeitspolitik und Ihrer Wahlfreiheitsideologie ist, wird Ihnen heute Nachmittag Frau Fuhrmann noch erklären.

Vierter Punkt. Frau Ravensburg, es ist unzutreffend, dass Sie das HGlG gemacht haben. Sie haben es 1994 vor den Staatsgerichtshof gezerrt. Sie haben über Jahre versucht, es kaputtzumachen. Sie haben ihm jetzt die Zähne gezogen. Dabei bleiben wir, und dabei bleiben auch alle diejenigen, die mit diesem Gesetz täglich umgehen, denn wenn Sie das in der CDU so komisch finden, dann schauen Sie sich andere CDU-Fraktionen und deren viel bessere Gleichstellungsgesetze an. Nehmen Sie daran Maß. Sind Sie nicht das Schlusslicht der Modernisierung in der deutschen Union? – Das sind Sie nämlich in den Punkten der Frauenpolitik.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Horst Klee (CDU):Ah!)

Jetzt komme ich zu dem Thema Kontrollinstrumente und Top-down-Prozess.Angeblich leitet der Herr Ministerpräsident den Top-down-Prozess in den hessischen Verwaltungen. Davon merken wir allerdings sehr wenig. Sie berufen sich auf eine – jetzt lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen – Koordinierungsstelle. Die besteht in einem vierteljährlich zweistündigen Gespräch, das die Landeszentrale für politische Bildung mit einer hessischen Professorin durchführt.

Sie müssen zum Ende kommen.

Meine Mitarbeiterin oder ich – der letzte Satz, Frau Präsidentin – haben regelmäßig daran teilgenommen. Wissen Sie,was dabei herauskommt? – Es kommen dort die Frauenbeauftragten – –

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ravensburg.

Sehr geehrte Frau Pauly-Bender, die CDU-Fraktion braucht von Ihnen keine Belehrung.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie machen sich unbelehrbar!)

Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen in der Praxis.Wir handeln und brauchen keine Ideologie. Dazu ist auch nicht ein großer Verwaltungskopf notwendig,sondern es ist wichtig,dass in allen Ministerien Gender-Mainstreaming bekannt wird.Das ist der Fall.Wir haben auch dem HGlG keine Zähne gezogen, sondern das war 1994 Ihr Entwurf, den Sie gemacht haben.

(Lachen der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben z. B. durch die Experimentierklausel, die wir jetzt in das Gesetz als Regelfall übernommen haben,mehr Flexibilität nach den praktischen Erforderungen angepasst. Das ist unser Weg.Wir werden mit Ihnen sicherlich nicht in Übereinstimmung kommen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Hölldobler-Heumüller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich stand die Große Anfrage der SPD zum Thema Gender-Mainstreaming am Weltfrauentag schon auf dem Programm. Sie werden sich vielleicht an das kleine Kärtchen von uns erinnern, worin wir uns damals bemüht haben, Ihnen und den Pressevertretern diesen sperrigen Begriff etwas zu versüßen. Darauf haben wir eine Definition stehen, von der ich überzeugt bin, wenn ich heute herumfrage, ist es ein bisschen schwierig, sie wiederzugeben. Ich gebe zu, das Thema ist ein schwieriges. Das hat sich auch bei den Vorrednerinnen gezeigt.