Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

Ich möchte noch ganz herzlich heute zu ihrem Geburtstag Frau Kollegin Gudrun Osterburg gratulieren. Frau Osterburg, ich wünsche Ihnen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute.

(Beifall – Schriftführer Abg. Alfons Gerling über- reicht Blumen.)

Das ist jetzt Frankfurt-intern. Das war jetzt ein richtig emotionaler Ausbruch des Kollegen Gerling.

Frau Kollegin Osterburg, als Parlamentarierin eine lebhafte Debatte als Geschenk zu bekommen ist etwas Besonderes. Ich wünsche viel Spaß dabei.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung des Hessischen Ministerpräsidenten betreffend „Operation sichere Zukunft in Hessen – entscheiden, durchsetzen, handeln!“

Mit aufgerufen werden Tagesordnungspunkt 33:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Entlassung des Ministers der Finanzen – Drucks. 16/484 –

Tagesordnungspunkt 35:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend „Haushaltspolitischer Marathonlauf statt 100-m-Sprint für Hessen nötig“ – Drucks. 16/486 –

Tagesordnungspunkt 37:

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen steigt ab – größter Wahlbetrug in der Geschichte Hessens – Drucks. 16/488 –

und Tagesordnungspunkt 41:

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend „Operation sichere Zukunft“ – Drucks. 16/494 –

Die Redezeit beträgt 30 Minuten pro Fraktion. Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Ministerpräsident, Sie beginnen mit 41 Minuten Verspätung!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abg. Hahn, möglicherweise haben einige derjenigen, die uns in den letzten 41 Minuten beobachtet haben, den Eindruck gewonnen, dass wir noch in relativ normalen Zeiten der bekannten politischen Auseinandersetzung leben. Dem ist aber nicht so. Wir befinden uns in einer außerordentlich schwierigen und kritischen Situation.

(Petra Fuhrmann (SPD): Die ist selbst verschuldet!)

Alle öffentlichen Haushalte Deutschlands, auch der des Landes Hessen, befinden sich in einer Lage, bei der die Politik zu entscheiden hat, ob der Weg der sehr schnellen wachsenden Verschuldung weiter beschritten werden soll oder ob wir politisch in der Lage sind,die Verschuldung zu stoppen, indem wir Leistungen einschränken. Die Situation ist so,weil die Bundesregierung nicht in der Lage war, das Verschulden der öffentlichen Haushalte durch das Schaffen von Wachstum zu stoppen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auch förmlich den Hessischen Landtag davon unterrichten, dass ich auf Vorschlag des Finanzministers unter Nutzung meiner Richtlinienkompetenz Vorgaben gemacht habe, die dafür sorgen sollen, dass sich der hessische Landeshaushalt am Ende der „Operation sichere Zukunft“ in einer Größenordnung bewegt, die es ermöglicht, dass wieder dauerhaft solide finanzielle Verhältnisse geschaffen werden können, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Erwartungen der Bundesregierung hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums eintreten oder nicht.

Mancher mag sich die Frage stellen, warum dies nicht schon vor ein oder zwei Jahren gemacht wurde. Zunächst einmal ist dabei als ein Teil der Antwort festzuhalten, dass wir uns im Konsens mit allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland dafür entschieden haben, zu versuchen,

die nächste Stufe einer ansteigenden Konjunktur zu erreichen. Übrigens hätte man auch so handeln können, wenn man gesagt hätte: Wir vertrauen den Zahlen der Bundesregierung. – Ich kann mir dazu nämlich die Zahlen ansehen, die der Bundesfinanzminister im Jahre 2000 über die voraussichtliche Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland, also des Bundes und der Länder, veröffentlicht hat. Ich muss dann feststellen, dass wir im Jahre 2001 um 50 % höher abgeschlossen haben, als Herr Eichel die Staatsverschuldung für Deutschland prognostiziert hat. Im Jahre 2002 haben wir hinsichtlich der Verschuldung doppelt so hoch abgeschlossen, wie Herr Eichel prognostiziert hatte. Wahrscheinlich werden wir am Ende des Jahres 2003 das Dreifache gegenüber dem erreichen, was Herr Eichel im Jahre 2000 erreichen wollte.

Um den Bürgerinnen und Bürgern auch deutlich zu sagen, welche Größenordnung das bedeutet: Wir haben im Jahr 1999 in Deutschland rund 27 Milliarden c Staatsverschuldung gehabt. Auch damals waren wir alle der Meinung, dass das zu viel und nicht zu wenig ist.Wir haben im Jahr 2000 34 Milliarden c gehabt, im Jahr 2001 47 Milliarden c, im Jahr 2002 57 Milliarden c. Nach der Meldung, die Herr Eichel jetzt der Europäischen Kommission gemacht hat,werden es im Jahr 2003 67 Milliarden c sein. Es spricht nach allen Zahlen dafür, dass wir bei der Endabrechung eher ungeschönt bei 80 Milliarden c stehen werden und nicht bei diesen 67 Milliarden c.

Das ist die Situation in Deutschland, der wir uns nicht völlig entziehen können,bei der die öffentliche Verschuldung in den Ländern, im Bund und in den Gemeinden von den 57 Milliarden c im letzten Jahr zu den 67 oder gar 80 Milliarden c in diesem Jahr steigt.Aber ich will Ihnen sagen, dass der hessische Finanzminister in diesem Jahr einen Nachtragshaushalt vorlegen wird, in dem die Verschuldung im Verhältnis zum letzten Jahr nicht mehr steigt.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben in diesem Jahr mit unseren Maßnahmen schon erreicht, dass wir nicht ganz so schlecht sind wie die anderen.Aber wir sind alle in Deutschland zu schlecht, um zufrieden sein zu können.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Opposition gefällt sich in der Behauptung – weil sie aus vielen Gründen, auf die ich komme, ein bisschen einfacher ist –,in Hessen sei in den letzten Jahren bei der Verschuldung etwas schlechter gelaufen als in anderen Ländern.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren,es ist relativ einfach,auch dort die Statistik zu bemühen.Schauen Sie sich an,wie die ProKopf-Verschuldung dieses Bundeslandes in den vergangenen vier Jahren gestiegen ist. Das sind 15 %. Das ist überall gestiegen. Wie war es in Nordrhein-Westfalen? Das ist ein rot-grün regiertes Land. Das müsste eine gewisse Grundsympathie bei Ihnen auslösen.

(Norbert Schmitt (SPD):Wir sind hier in Hessen!)

In Nordrhein-Westfalen betrug die Steigerung 20 %. Wie ist es in Rheinland-Pfalz? Das ist von SPD und FDP regiert, auch dort ist jedenfalls nicht die CDU dabei. Dort sind es über 20 %.Wie ist es in Niedersachsen, am Anfang noch von Schröder geprägt und dann von Herrn Gabriel? 22 %.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren,fest steht:In einer sehr schwierigen Lage hat sich entgegen Ihrer Behauptung das Land Hessen besser dargestellt als andere, die mit uns im Wettbewerb stehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was sagt eigentlich Herr Stoiber dazu?)

Ich werde nicht den Versuch unternehmen, dem Kollegen Schmitt im Detail die Zahlen zu erklären,nachdem ich gelesen habe, wie er mit ihnen öffentlich umgeht.Aber eines will ich sagen:Wir streiten nicht darüber, dass wir im Jahr 2000 sehr viel mehr Steuereinnahmen gehabt haben als heute. Das ist unser Problem. Damals haben wir auch übrigens Hunderte von Millionen Rücklagen geschaffen; denn sonst wäre die Abflachung der Kurve nachher nicht möglich gewesen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was sagt Herr Stoiber dazu, Herr Ministerpräsident? – Norbert Schmitt (SPD): 8 Milliarden c Mehreinnahmen!)

Ich weise Sie auch darauf hin:Wir haben von 1970 bis zum Jahre 2002 weit mehr in den Länderfinanzausgleich gezahlt, als wir Schulden gemacht haben. Die Differenz dazwischen beträgt 3 Milliarden c. Wir haben aber inzwischen die Situation, dass wir in den letzten vier Jahren 10 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich gezahlt haben und 4,4 Milliarden c neue Schulden gemacht haben. Da stecken die Summen, die Sie immer verschweigen, Herr Schmitt. Wir haben mehr eingenommen als andere, aber wir haben auch mehr abgegeben als andere und konnten das deshalb in unserem Land nicht ausgeben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): 8 Milliarden c mehr!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie machen das aus einem einfachen Grunde. Eine Opposition versucht immer, wenn es schwierig wird, sich bei Entscheidungen, die unangenehm für die Bürger sind, auf die Seite derer zu begeben, die die unangenehme Entscheidung nicht vertreten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das machen Sie so!)

Das sage ich über alle Parteigrenzen hinweg. Ein Stück weit ist das für eine Opposition durchaus eine Position, die niemand kritisieren kann.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Merkel/Koch-Strategie! Das ist nicht unsere!)

Aber die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, warum Sie es hier tun. Sie wollen sich am Ende über die Frage, wie das in der Zukunft aussieht,herumdrücken,indem Sie durch das Land gehen und sagen:Wenn es anders gewesen wäre, wäre es alles nicht so schlimm, und deshalb sind wir gegen alles.

(Zurufe von der SPD)

Das ist keine zukunftsfähige Position, und die werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nicht abnehmen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Am Ende der „Operation sichere Zukunft“ wird ein Bundesland Hessen stehen, das weiterhin in seinen politischen Kernbereichen, der Bildung und Ausbildung für

Kinder und junge Menschen, der inneren Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger und der Bereitstellung einer wirtschaftlichen Infrastruktur, die wirtschaftliches Wachstum ermöglicht, zu den besten Ländern in der Bundesrepublik Deutschland gehört. Das ist das Ziel, und das wird auch das Ergebnis sein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Walter (SPD))