Protokoll der Sitzung vom 02.05.2007

Wir haben hier vor Kurzem einmal über eine Anzeige der hessischen Hochschulen und der Landesregierung im „Scientific American“, einem amerikanischen Wissenschaftsmagazin, diskutiert, die für Hessen geworben hat. Diese Anzeige im „Scientific American“ hat 237.325 c gekostet. Man kann also sagen: Die Verbesserung der Lehre ist dem Wissenschaftsminister genauso viel wert wie eine Anzeige in einer US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist doch nicht wahr? Unglaublich!)

Meine Damen und Herren,die Absurdität dieser heutigen Regierungserklärung – Herr Siebel hat sie bereits angesprochen – fällt beim Thema Förderung der Chancengleichheit von Frauen ganz extrem ins Auge. Deswegen will ich zum Ende meiner Rede einen deutlichen Schwerpunkt auf diesen Bereich legen. Denn auch hier geht es darum,dass wir die Potenziale,die da sind,nutzen müssen.

Sie haben in Ihrer Rede die eklatante Unterrepräsentanz von Frauen selbst angesprochen.Herr Minister,Ideen und Lösungsansätze aber bietet die Landesregierung hier nicht.Wenn Sie selbst richtig argumentieren, dass wir, die gesamte Gesellschaft, es uns nicht leisten können, wichtige Potenziale brachliegen zu lassen, dann müssen Sie sich fragen lassen,welche Ideen für die Chancengleichheit von Frauen in der Wissenschaft Sie in Ihrer Regierungszeit entwickelt haben. Meine Damen und Herren, die Antwort ist: nichts, zumindest nichts Neues.Wenn man es sich ansieht,stellt man fest,sie haben tatsächlich nur Altes fortgeführt.

Jetzt sagen Sie heute – als wäre es Ihnen beim Schreiben der Rede gerade in den Kopf gekommen –, dass Sie insbesondere in den Naturwissenschaften mehr für Frauen tun wollen und dass ein Mentoring-Programm eine gute Idee wäre. Hierfür wollen Sie sogar Mittel bereitstellen. Hallo? Herr Corts,ich weiß,ehrlich gesagt,nicht,ob Sie es selbst nicht wissen oder ob Sie meinen, andere an der Nase herumführen zu können: Es gibt bereits ein gut funktionierendes Mentoring-Netzwerk für Frauen, gerade in den Naturwissenschaften. Heute stand sogar ein großer Artikel darüber auf der Campus-Seite der „Frankfurter Rundschau“. Es ist auch gut, dass es das gibt. Denn gerade in den Naturwissenschaften ist die sogenannte „gläserne Decke“, die Frauen den Aufstieg in die Führungsetagen versperrt, noch wesentlich dramatischer als in anderen Bereichen. Gerade die Mentoring-Programme sind der richtige Weg; denn es fehlt den Frauen heute nicht an der Qualifikation – da sind sie den Männern in den meisten Bereichen inzwischen schon voraus –, sondern es fehlt an den Netzwerken und Seilschaften.Es fehlt in den Köpfen der Männer die Idee, nicht nur den Kumpelkollegen, mit dem man abends ein Bier trinken geht, für eine Professur vorzuschlagen, sondern stattdessen eine gut, wahrscheinlich meist besser qualifizierte Frau.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Mentoring-Netzwerk ist also eine gute Idee, die Sie hier heute anerkannt haben. Dann lassen Sie uns bitte konkret werden. Zurzeit ist die Situation so: Bisher wurden die Mittel für das Mentorinnen-Netzwerk aus den HWP-Mitteln, einem Förderprogramm des Bundes, gezahlt. Dieses Programm wurde im Rahmen der Föderalismusvereinbarung aber abgeschafft. Zurzeit bekommen

die Hochschulen von der Landesregierung kein Geld für dieses Programm. Die Hochschulen halten es aber aus eigenen Mitteln aufrecht, weil sie es so wichtig finden.

Nun wollen Sie wirklich eigenes Geld in die Frauenförderung stecken. Ich finde es gut, wenn Sie das hier erklären. Aber, ehrlich gesagt, fehlt mir der Glaube daran. Ich habe den Verdacht, dass es sich hier doch wieder nur um die typischen cortsschen Seifenblasen handelt. Was wollen Sie denn tun? Wir haben es auch schon öfter gefordert und angesprochen. Herr Siebel hat gerade von den SPDHaushaltsanträgen gesprochen. Ich habe Verständnis dafür, dass man nicht unbedingt die Anträge einer Oppositionsfraktion positiv bescheidet,

(Michael Siebel (SPD): Aber wenn sie doch gut sind?)

aber zumindest könnten Sie ein hessisches Frauenförderprogramm aufsetzen, das die bisherigen HWP-Mittel ersetzt. Zumindest dies hätten Sie Anfang des Jahres vorlegen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, was ist eigentlich mit den Frauen außerhalb der Naturwissenschaften? Natürlich haben wir in den Naturwissenschaften ein extremes Problem. Aber Sie sind doch auch sonst für die Förderung von Exzellenz. Warum betreiben Sie Frauenförderung nicht auch da, wo es jetzt schon gut läuft, aber immer noch nicht fifty-fifty oder chancengerecht zugeht? Wo ist die Initiative der Landesregierung für ein Mentoring-Projekt in anderen Bereichen? Wo ist es in der Pädagogik, der Psychologie oder der Tiermedizin?

Wir haben heute einen Tagesordnungspunkt verschoben, weil der entsprechende Bericht zu spät hereingekommen ist, der Bericht zum Gleichberechtigungsgesetz, Vorlage der Landesregierung, Drucks. 16/7186. Hierin sind die aktuellen Zahlen der Professuren enthalten. In der Tat ist der Frauenanteil an den Professuren bei den Ingenieurwissenschaften mit 4,9 % eklatant niedrig. Aber bei den Sprach- und Kulturwissenschaften – in Bereichen also, in denen es klassischerweise mit dem Frauenanteil besser aussieht – liegt der Anteil der Professorinnen auch nur bei 22,6 %.

Hier sind also noch dringend Hausaufgaben zu machen. Da Sie das heute so großspurig angekündigt haben, warte ich auf ein Landesprogramm, das Sie in nächster Zeit vorlegen werden.Aber auch hier habe ich den Verdacht, dass Sie sich in Ihrer Regierungserklärung in der Manier des billigen Jakob das Verdienst der Hochschulen an die Brust heften, obwohl Sie hier ganz eindeutig kein Förderer sind, sondern eher ein Steine-in-den-Weg-Leger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, gerne lasse ich mich eines Besseren belehren – aber dann bitte konkret.

Auch beim Punkt Chancengleichheit für Frauen müssten Sie, wenn Sie die Hochschulen wirklich fit für die Zukunft machen wollen, ein Konzept haben und es ausfinanzieren. Aber, wie gesagt: Fehlanzeige.Wir warten darauf und sind gespannt, ob es in ein paar Monaten auf dem Tisch liegt.

Meine Damen und Herren, in Sonntagsreden bekennt sich die Landesregierung zur Frauenförderung und zur Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden. Ihre Politik aber richtet sie nicht an diesen drängenden Zukunftsproblemen aus, sondern im Gegenteil baut sie

bei der Frauenförderung Mittel ab und legt den Studierenden aus ärmeren Verhältnissen mit Studiengebühren noch weitere Steine in den Weg.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss.

Das alles wird sich rächen.Vor ein paar Tagen wurde eine neue Studie veröffentlicht, der zufolge der deutschen Volkswirtschaft bereits jetzt durch den zunehmenden Mangel an Ingenieurinnen und Ingenieuren Milliardeneinnahmen verloren gehen. Das IW, das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, spricht in diesem Zusammenhang von einer Wachstumsbremse; im Jahr 2006 hätten 48.000 geplante Stellen für Ingenieurinnen und Ingenieure nicht besetzt werden können. Dieser Ingenieurmangel wird gesamtwirtschaftliche Folgen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin.

Herr Präsident, ich bin am Schluss.

Meine Damen und Herren, schon jetzt ist diese Zahl dramatisch. Wir müssen hier gegensteuern – und nicht nur PR-Veranstaltungen der Landesregierung machen. Wir brauchen hier wirklich keine Miniprojekte, sondern einen größeren Wurf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unverschämtheit! – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Siebel hat auch total überzogen!)

Herr Kaufmann, wir haben die Verlängerung schon eingebaut.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt nicht!)

Mittlerweile sind es 23 Minuten.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es sind 21 Minuten und 20 Sekunden!)

Dann stimmen die Uhren nicht überein.– Frau Kollegin, bitte Ihren Schlusssatz.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat er gepennt!)

Danke, Herr Präsident, dann kommt mein Schlusssatz. Aber bei mir sind es auch erst 21 Minuten.

Herr Minister Corts, Sie haben schon wiederholt ganz offen gezeigt, dass es nicht Ihr Traumjob ist, Wissenschaftsminister zu sein. Leider merkt man das Ihrer Politik auch an. Gerade am Montag haben Sie wieder in der „Frankfurter Neuen Presse“ bekräftigt, dass Sie sich vorstellen können,etwas anderes zu machen,und von einem Mandat auf Zeit gesprochen. Lieber Udo Corts, das hört sich doch ganz vernünftig an. Hier herrscht endlich einmal Einigkeit: Auch ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie endlich einmal etwas anderes machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke sehr, Frau Sorge. – Frau Beer, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, die Art und Weise, in der diese Debatte vor sich hin plätschert, missfällt mir.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Sorge hat eine gute Rede gehalten!)

Herr Kollege Bocklet, ich glaube, bisher sind wir hier viel zu wenig auf die wirklichen Inhalte eingegangen, und zwar in allen Redebeiträgen,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

auf die Inhalte, deretwegen wir eine hochkarätige Wissenschaftspolitik in Hessen betreiben sollten.

Aus Sicht der FDP geht es nämlich im Wesentlichen um eine Leitidee. Wissenschaft, Forschung und Bildung sind die Grundlagen der Selbstentfaltungskräfte des einzelnen Menschen wie der Entwicklung unserer Gesellschaft insgesamt.

Darüber hinaus sind sie ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb. Dieser Standortfaktor ist insbesondere deswegen so wichtig,weil wir in der Bundesrepublik angesichts der Knappheit an Rohstoffen besonders in die Köpfe unserer Menschen investieren müssen.

(Beifall bei der FDP)

Die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Bildung ist daher für uns als Liberale eine,ja die zentrale staatliche Aufgabe.Ausgaben hier sehen wir als Investitionen in die Zukunft, die individuelle Entwicklungsperspektiven eröffnen und die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft sichern.

Vor diesem Hintergrund stellt der Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft auch an die Hochschulen steigende Herausforderungen. Herr Minister Corts, deshalb benötigt die Wissenschaftspolitik ein Gesamtkonzept, nicht nur einzelne, nebeneinander gestellte Hochglanzbroschüren.

Sie haben das Programm HEUREKA angesprochen. Das habe ich ganz besonders im Auge, wenn ich an dieser