Protokoll der Sitzung vom 02.05.2007

Sie haben das Programm HEUREKA angesprochen. Das habe ich ganz besonders im Auge, wenn ich an dieser

Stelle von „Hochglanzbroschüren-Politik“ spreche. Herr Kollege Siebel hat schon darauf hingewiesen: Heureka – „Ich habe es gefunden!“; die FDP sagt dazu: „Ich habe es gefunden, und zwar in den Plänen meiner Vorgängerin.“

Sicherlich ist dieses Programm grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere ist zu begrüßen, dass Sie die Planungen von Ruth Wagner aus der letzten Legislaturperiode fortführen.Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,es darf nämlich daran erinnert werden: Es war Ruth Wagner, die die zugrunde liegende HIS-Studie in Auftrag gegeben hat, nach deren Ergebnissen es an den einzelnen Hochschulstandorten eine grundsätzliche Untersuchung der jeweiligen Entwicklungsfähigkeit und -ziele geben sollte. Es war Ruth Wagner, die in ihrer Zeit auch bereits mit der Umsetzung der Ergebnisse der HIS-Studie angefangen hatte.

Herr Minister,das heißt,so löblich es ist,dass Sie dies jetzt fortsetzen:Sie versuchen hier,ein Projekt zum dritten Mal zu verkaufen.

Viele der Projekte der einzelnen Planungen der Hochschulen, die Sie jetzt im HEUREKA-Programm zusammengefasst haben, finden sich bereits in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die Ruth Wagner unter der Geltung des ersten Hochschulpaktes mit den Hochschulen abgeschlossen hat. Sie finden sich wiederum in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die Sie, Herr Corts, als Unterlage für den Hochschulpakt II abgeschlossen haben. Jetzt verkaufen Sie das nochmals, schön als Paket zusammengeschnürt, unter dem Stichwort HEUREKA. Was dabei inhaltlich gemacht wird, ist gut – allein, wir haben es gemerkt: Es ist hier eine PR-Maßnahme.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann Beispiele nennen.

Der Ausbau in Frankfurt ist nun wahrlich nicht neu und von Ihnen erfunden worden, sondern er beruht sogar noch auf Vorarbeiten der rot-grünen Landesregierung, wenn es um den Ankauf des Geländes für den Campus Westend geht.Aber die weiteren Planungen – was die Medizin und was den Ausbau des I.G.-Farben-Gebäudes wie auch den Riedberg betrifft – fallen ganz eindeutig in die Zeit Ihrer Vorgängerin.

In Kassel ist der Ausbau des Standorts durch den Ankauf des Holländischen Platzes auf Ruth Wagner zurückzuführen. Auch in Fulda ist das Stichwort Landesbibliothek/Universitätsbibliothek in diese Zeiten zu verorten.

Gut also, dass hier weiter gehandelt wird. Aber bitte tun Sie doch nicht so, als würden Sie hier nicht auf den Schultern Ihrer Vorgängerinnen stehen.

Herr Minister, allerdings wünsche ich mir, dass Sie wesentlich seriöser agieren, was die Finanzierung und vor allem die Zusagen für die Zeiträume dieser Finanzierung betrifft. Sie versprechen den Hochschulen – und diese freuen sich natürlich über solche Aussagen – Gelder über den Zeitraum von zweieinhalb Legislaturperioden hinweg. Sie selbst können im Grunde aber nur die Finanzierung zusichern, die in diesem Zusammenhang in den nächsten Haushalt eingestellt wird.

(Beifall bei der FDP)

Alles andere betrifft Parlamente, die noch in mehreren Landtagswahlen zusammengestellt werden müssen.

In diesem Zusammenhang muss ich, das kann ich Ihnen nicht ersparen, darauf hinweisen, dass sich die Hochschu

len sicherlich sehr darauf freuen, dass so etwas kommen soll, dass man aber vor Ort genauso misstrauisch ist – wenn auch vielleicht hinter vorgehaltener Hand und nicht in den Pressekonferenzen, die Sie momentan überall im Lande gestalten –, was denn nach dem Wahltermin geschehen möge. Zu frisch ist die Erfahrung mit dem Bruch des Hochschulpakts I. Damals haben Sie bereits nach einem Jahr, kaum dass Ruth Wagner nicht mehr Wissenschaftsministerin war und trotz der Unterschrift des Ministerpräsidenten, in die Kassen der Hochschulen gegriffen und ihnen 30 Millionen c abgenommen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, zu schlecht ist die Erinnerung an die Umstellung der leistungsorientierten Mittelverteilung, die diesen Namen wahrlich nicht mehr verdient, da wir hier mittlerweile von einem Preismodell auf ein reines Verteilmodell übergegangen sind.

Deswegen wiederhole ich für die Liberalen an dieser Stelle:Wissenschaftspolitik muss mehr sein als die – zugegebenermaßen wirksame und gut gemachte – Verkaufe eines HEUREKA-Programms.

Herr Minister, wir als FDP setzen hier auf ein abgestimmtes Gesamtkonzept, das sich ganz streng an Qualitätsstandards orientiert.Wir möchten, dass Hessens Hochschulen die attraktivsten,forschungsfreundlichsten und innovativsten Hochschulen dieses Landes sind. Wir möchten Studierende wie Professoren aus der ganzen Welt gewinnen und hier in Hessen in den Forscherteams, den Hörsälen, den Labors und den Bibliotheken die besten Professoren und Studierenden versammeln. Wir wollen ein Klima schaffen, in dem diese Studierenden, diese Forscher, diese Professoren die besten Arbeits- und Studienbedingungen vorfinden, die sie an anderer Stelle eben nicht vorfinden.

Wie gesagt, unterstützen wir den Ausbau, wollen ihn aber gern seriös finanziert sehen. Zusätzlich gehören für uns weitere sieben wichtige Punkte dazu.

Erster Punkt. Wir als FDP möchten eine wirkliche Autonomie für alle, nicht nur eine Art Autonomie light, wie Sie sie mit der vierten Novelle zum Hessischen Hochschulgesetz vorgelegt haben. Wir wollen wieder eine leistungsorientierte Mittelzuweisung, die ihren Namen verdient und die ein wirkliches Preismodell, nicht nur ein Verteilmodell, darstellt.

Autonomie betrifft beispielsweise auch die Bauherrneigenschaft, vor allem aber das Thema der vollen Personalhoheit – sowohl im Hinblick darauf, ob wir im Angestellten- oder Beamtenverhältnis beschäftigen, als auch im Hinblick darauf, wie Lehrdeputate an den Hochschulen frei im Fachbereich verteilt werden können, auch im Hinblick darauf, ob Forschungssemester gepoolt werden oder z. B. sogenannte Lehrprofessuren eingeführt werden. Wir möchten durch beispielsweise solche Maßnahmen der Personalflexibilisierung eine bessere Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Professoren erreichen und damit bessere Studien- und Arbeitsbedingungen, sowohl für Professoren als auch für Studierende.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der SPD und den GRÜNEN, bitte doch nicht wieder ein Fünfjahresprogramm. Wenn man mit der Autonomie wirklich Ernst macht, dann kann man doch nicht wieder Fünfjahresprogramme des Staates fordern, lieber Herr Kollege Siebel.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Stattdessen muss man mit Globalbudget und Ziel- und Leistungsvereinbarungen Ernst machen. Dann erfolgt die Steuerung der Hochschulen eben outputorientiert über Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Dann erfordert es das Geschick der jeweiligen Landesregierung – ich gebe Ihnen recht, da vermisse auch ich die eine oder andere geschickte Hand –, aus diesen zwölf Ziel- und Leistungsvereinbarungen als Mosaiksteinchen ein Gesamtbild der hessischen Hochschullandschaft so zusammenzusetzen, dass wir eine ausgewogene Profilbildung in Hessen erreichen, dass wir den breiten Fächerkanon abdecken, dass wir von den großen Studienrichtungen bis hin zu exotischen kleinen Fachrichtungen alles auf höchstem Niveau in Hessen anbieten können.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): Genau das fehlt doch, Frau Beer!)

Das fehlt sicherlich der Hessischen Landesregierung, die von der CDU allein gestellt wird. Das werden Sie aber über einen Fünfjahresplan auch nicht erreichen, Herr Kollege Siebel.

Herr Minister, an der Stelle einen kleinen Seitenwink, weil Sie die Veränderung der Rechtsform der Universität Franfurt und deren ganz besonderen Autonomiestatus angesprochen haben, den Sie den anderen Hochschulen leider nicht zubilligen wollen, was wir aber sehr begrüßen würden: Wir als FDP stehen hinter den Plänen der Universität Frankfurt. Das ist klar.Allerdings erschweren Sie uns ganz explizit die Zustimmung zu Ihrer vierten Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes durch Ihre „Autonomie-light-Version“, die Sie den anderen Hochschulen in diesem Land zumuten wollen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der GRÜNE, für uns gehört zu einer wahren Autonomie der hessischen Hochschulen auch, dass wir die Studentenlandverschickung der ZVS abschaffen. Wir wollen ein neues Kapazitätsrecht für Hessen.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es schade, Herr Minister Corts, dass sich die CDU dies nicht traut. Ich finde es schade, dass Sie den alten Staatsvertrag fortschreiben wollen, auch wenn die Quoten ein bisschen erhöht werden. Es gibt nämlich noch kein volles Auswahlrecht der hessischen Hochschulen. Nach wie vor wird es dazu kommen, dass von den Hochschulen abgelehnte Bewerber ihnen nachher über die ZVS wieder hineingedrückt werden. Das darf nicht sein. Wir wollen, dass die Studierenden sich die beste Hochschule aussuchen können, und das bedeutet auch, dass sich die Hochschulen die Studierenden aussuchen können, die auf das Anforderungsprofil ihrer Studiengänge passen.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Haben Sie an dieser Stelle Mut. Ordnen Sie das neue Kapazitätsrecht über Ziel- und Leistungsvereinbarungen statt über die Regulative der Kapazitätsverordnung. Zeigen Sie hier mehr Mut, schreiten Sie an dieser Stelle voran.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Aus all den Gründen, die sowohl vom Minister als auch von den Kollegen Siebel und Frau Sorge genannt

worden sind, brauchen wir einen Kapazitätsaufbau angesichts der absehbar steigenden Studierendenzahlen. Wir brauchen ihn angesichts der fehlenden Absolventen, deren Mangel wir schon jetzt in der Wirtschaft schmerzlich beklagen.

Der Aufbau muss aber seriös finanziert werden. Herr Minister, an der Stelle werde ich noch mehr als bei dem HEUREKA-Programm geschüttelt. 4.250 c sind wahrlich zu wenig, um gerade in den wichtigen Bereichen Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften Studienplätze auszubauen. Woher sollen die Hochschulen das Geld nehmen, um hier Studienplätze zu schaffen? Die Kollegin Sorge hat darauf hingewiesen,dass Sie mit dieser Summe nur Studienplätze in Rechts- und Wirtschafswissenschaften finanzieren können – nach den Preisen, die Sie im hessischen Landeshaushalt selbst festgelegt haben. Das heißt, das ist eine Light-Nummer, die Sie hier präsentieren.

Es geht aber auch anders.Wir brauchen doch nur über die Landesgrenzen zu schauen. Baden-Württemberg gibt 9.400 c pro Studienplatz aus. Die haben die erforderlichen Mittel schon in den Haushalt eingestellt.Die wissen schon, welche Plätze sie schaffen. Und vor allem: Sie wissen, Herr Minister, in welchen Bereichen sie investieren wollen. Sie, Herr Minister, sprechen von 8.800 Plätzen.Wo sind denn die zukunftsfähigen Cluster, in die Sie investieren wollen? Wir wollen in die Ingenieurwissenschaften investieren, in die Biotechnologie, in die Nanotechnologie. Herr Minister, das sind die teuren Studiencluster. Hier müssen Sie ganz erheblich nachbessern, wenn Sie, wie es die FDP fordert, Zukunftsfelder besetzen wollen.

In diesem Zusammenhang halte ich es, wie im Ausschuss schon angemerkt, für sehr fahrlässig, die privaten Hochschulen in Hessen nicht einzubeziehen. Private Hochschulen in Hessen sind keine Quantité négligeable, zu der Sie sie im Ausschuss erklärt haben. Private Hochschulen in Hessen bieten schon heute Studienplätze auf höchstem Qualitätsniveau an,und sie bieten sie vor allem – das kann uns doch nur recht sein – auf eigenes Risiko, mit eigener Finanzierung an. Von daher gesehen rate ich Ihnen sehr, etwas nachzuholen, was Ihre Kollegen in anderen Ländern schon getan haben, nämlich mit den Vertretern privater Hochschulen zu reden, sie in den Hochschulregionen mit den Vertretern öffentlicher Hochschulen an einen Tisch zu holen und zu fragen: Wie können wir diese Aufgabe, zumindest temporär – man denke an den Studentenberg 2014/2015, der auf uns zukommt –, gemeinsam stemmen? – Den privaten Hochschulen fällt es nämlich viel leichter, Studienplätze wieder abzubauen.

Dann werden Sie aber auch um ein anderes Thema nicht herumkommen, Herr Minister: um das Thema, wie Sie das, passgenau auch auf die Mobilität von Studierenden abgestimmt, finanzieren. Da werden Sie früher oder später – ich hoffe sehr, früher – die Modelle aufgreifen, die die FDP schon längst vorexerziert hat, die mittlerweile auch vom CHE vertreten werden.

(Beifall bei der FDP)

Das Modell heißt Bildungsgutscheine: „Geld folgt Studierenden“.Wenn man die privaten Hochschulen hier einbezieht, muss klar sein, dass diese denselben Betrag von den Studierenden gezahlt bekommen müssen,die sie im freien Wettbewerb der Qualitätsangebote wählen.

Viertens:Erhöhung der Forschungsmittel.Hier wollen wir als FDP-Fraktion die Tradition von Wolfgang Gerhardt und Ruth Wagner fortsetzen. Das ist ein Punkt, sehr ver

ehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie immer gern Studien mit kurzfristiger Wirkung zitieren, an dem man einen langen Atem haben muss. Denn Investitionen in die Forschungslandschaft tragen nach acht, zehn, vielleicht auch erst zwölf Jahren Früchte. Man sieht heute sehr genau, an welchen Stellen z. B.Wolfgang Gerhardt damals investiert hat: dort, wo wir heute Exzellenzcluster haben, die auch von internationalen Expertengremien so bezeichnet werden.

Wir als FDP-Fraktion möchten, dass in Hessen endlich 1 % des BIP in die Forschung investiert wird, dass wir die Lissabon-Strategie einhalten. Herr Minister, an dieser Stelle bleiben Sie aber leider fürchterlich unkonkret. Sie machen sich Gedanken darüber, mit welchen strukturell formalen Verfahren Sie die Gelder verteilen. Sie haben aber noch nicht einmal die Summe genannt,die Sie an dieser Stelle investieren wollen. Wenn Sie Investitionen in Höhe von 1 % des BIP in die Forschung in Hessen aus staatlichen Kassen sicherstellen wollen – die Wirtschaft hat hier ihre Hausaufgaben fast vollständig gemacht und hat fast 2 % zusammen –, dann sind wir bei einem Betrag von round about 90 bis 100 Millionen c. Dazu haben Sie nichts gesagt, obwohl ich davon ausgehe, dass Sie hinter den Kulissen bereits Haushaltsgespräche mit Ihrem Kollegen Weimar geführt haben. Dieser Umstand lässt mich leider aufhorchen.

Fünftens. Wir möchten, dass es auch für die außeruniversitären Forschungsinstitute eine finanzielle Planungssicherheit gibt. Wir sind für einen Forschungspakt mit den außeruniversitären Forschungsinstituten, so, wie der Hochschulpakt mit den Hochschulen existiert.

(Beifall bei der FDP)

Dafür brauchen wir an vielen Stellen gar nicht mehr Geld, sondern einfach ein bisschen mehr Grips, der hier investiert werden muss.

Sechstens: Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dazu ist wenig gesagt worden, und ich würde es, Frau Kollegin Sorge, auch nicht nur auf Frauen kaprizieren, obwohl es natürlich zutrifft, dass Frauen eine ebenso gute Förderung verdienen.Wir möchten als FDP-Fraktion eine gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Eine gezielte Förderung sieht so aus, dass es auch eine gezielte Karriereplanung gibt, dass gezielt in Forscherteams eingebunden wird, dass interessante Forschergruppen geschaffen werden und dass trotzdem auch Freiräume für Lehrverpflichtungen existieren.Dazu gehört für uns auch, das ganz gezielt Auslandsaufenthalte einbezogen werden, aber in eine Art und Weise – deshalb spreche ich hier betont von „gezielt“ –, dass die jungen Leute nach diesen Auslandsaufenthalten gern und schnell wieder nach Hessen zurückkommen.Das heißt,wir müssen auch die Rückkehrplanung in diese gezielte Karriereplanung einbauen.