Protokoll der Sitzung vom 30.05.2007

Letzter Punkt. Herr Staatsminister, Sie sind auch bei der Umstellung der Finanzierungssysteme an den Hochschulen grandios gescheitert.Wir haben Ihnen das anhand des Beispiels der Ingenieurausbildung schon einmal vorgehalten.

Sie müssen sich sagen lassen, dass Sie nach der Übernahme der Regierungsverantwortung den Hochschulpakt gebrochen haben.Das ist bei den Hochschulen hängen geblieben. Man nimmt es Ihnen an den Hochschulen immer noch übel, dass Sie das Versprechen gegeben haben, den Hochschulpakt zu halten, und dass Sie es dann – nicht nur Sie als einzelner Minister, sondern die gesamte Landesregierung – gebrochen haben. Das nimmt man Ihnen an den

Hochschulen immer noch übel, und ich denke, auch deshalb ist Ihre Hochschulpolitik gescheitert.

Es ist für Sie ein konsequenter Schritt, wenn Sie den Rückzug aus der Politik, insbesondere aus der Hochschulpolitik, vollziehen. Hessen hat eine bessere Hochschulpolitik verdient. Die werden wir im kommenden Jahr mit viel Kraft und viel Fantasie umsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Siebel. – Das Wort hat Frau Abg. Beer, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Siebel, als Hochschulpolitikerin freue ich mich natürlich immer, wenn sich in diesem Hause eine Gelegenheit bietet, intensiv über die Zukunft der Hochschulpolitik in Hessen zu diskutieren.

Aber, Herr Kollege Siebel, ich muss Sie enttäuschen. Die FDP-Fraktion ist nicht durch ein wie auch immer geartetes Vakuum dazu bewogen worden – das haben Sie angesprochen –, einen entsprechenden Antrag einzubringen, sondern die Gestaltung Ihres Antrags, des SPD-Antrags, hat sie dazu gebracht. In diesem Antrag verbinden Sie persönliche Angriffe,in diesem Fall auch gegen den Herrn Minister, mit den Versuchen, eine Sachdebatte zu führen. Das ist nicht unser Stil. Dem wollten wir ein zukunftsweisendes, programmatisches Konzept für die Hochschulpolitik entgegensetzen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Siebel, ich erkläre deshalb an dieser Stelle – ich habe es auch schon an anderer Stelle getan –, dass der Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik und, umgekehrt, aus der Politik in die Wirtschaft für uns nicht nur etwas Normales, sondern sogar etwas Wünschenswertes ist. So sollte es auch in Zukunft sein. Man sollte einen Wechsel vornehmen dürfen, ohne sich persönlichen Angriffen ausgesetzt zu sehen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,wer das anders sieht,hat möglicherweise – so darf man vermuten – noch kein interessantes Angebot aus anderen Bereichen erhalten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich setze für meine Fraktion aber auch hinzu, dass wir die Hochschulpolitik der CDU in den letzten viereinhalb Jahren in weiten Bereichen für falsch halten. Das ist unabhängig davon, ob Herr Corts bleibt oder geht.

(Zuruf des Abg.Norbert Schmitt (SPD) – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Nur kein Neid! Du bekommst auch irgendwann ein Angebot!)

Ich komme nun zu unserem Antrag. Herr Kollege Siebel, ich glaube nämlich, dass es keinen Sinn hat, sich mit dem SPD-Antrag tiefer auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rentsch, uns sind die Hochschulpolitik und die Fragen, die mit Lehre und Forschung an unseren

Hochschulen zusammenhängen, deshalb so wichtig, weil wir, die FDP-Fraktion, der Meinung sind, dass Wissenschaft,Forschung und Bildung sowohl die Grundlagen der Selbstentfaltungskräfte jedes einzelnen Menschen – gerade der jungen Menschen, die uns als Erstsemester oder als Schnupperstudierende im Schulalter an den Hochschulen begegnen – als auch die Grundlagen für die Entwicklung der Gesellschaft insgesamt sind. Unsere Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass wir die jungen Menschen so ausbilden, dass sie zukunftsfähig werden, und dass wir die intelligentesten Köpfe heranziehen.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen exzellente Bildungs-, Forschungs- und Entwicklungsleistungen; denn sie sind die Basis für die Innovationsfähigkeit und damit auch eine Zukunftssicherung für unser Bundesland und die Bundesrepublik insgesamt. Sie sind ein wichtiger Standortfaktor im nationalen sowie im internationalen Wettbewerb; denn angesichts seiner Rohstoffarmut – das kann man an Hessen exemplarisch zeigen – bleibt unserem Bundesland nichts anderes übrig, als durch Innovationskraft wettbewerbsfähig und immer einen Schritt voraus zu sein. Wir müssen die besten Studierenden, die besten Professoren, die besten Forscher und die besten Lehrenden in dieses Land holen und in diesem Land halten. So attraktiv müssen wir sein. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die besten Hochschulen und die besten Forschungseinrichtungen zu haben, sodass wir die hochkarätigen Wissenschaftler in diesem Land halten können und dadurch Innovationskraft entwickeln.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister Corts, das bedeutet für uns aber auch ganz konkret, dass es an den Hochschulen entsprechende Rahmenbedingungen geben muss, dass wir also Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit den Hochschulen für Forschung und Lehre ausreichend Zeit und ausreichend personelle Zuwendung bleiben. Dessen bedarf es in einem wissenschaftlichen Studium eben auch. Man kann viel über ein virtuelles Studium machen; aber letztendlich sind es die persönlichen Beziehungen zwischen Professoren und Studierenden, zwischen den Studierenden untereinander sowie zwischen den Studierenden und den Tutoren, auf die es ankommt. Außerdem muss man eine sachgerechte Ausstattung zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen auch wieder ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen der Politik und unseren Hochschulen.Ich glaube, das war einer der augenscheinlichsten Paradigmenwechsel in der Amtszeit des Ministers Corts unter der CDU-Alleinregierung. Herr Minister Corts, ich kann es nicht mehr hören – daher sage ich das in dieser durchaus persönlichen Art und Weise –, wie Sie unsere Hochschulen, die in der Legislaturperiode zuvor auf derselben Augenhöhe mit der Politik – mit diesem Landtag und mit dem Ministerium – verhandelt haben, ziemlich abqualifizierend als „nachgeordnete Behörden“ bezeichnen.

Wir als FDP wollen autonome, verantwortliche und auch stolze Hochschulen in diesem Land. Wir wollen zu einem partnerschaftlichen Verhältnis und zu Verhandlungen auf Augenhöhe zurückkehren.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb setzen wir dem, was der Kollege Siebel eben für die SPD vorgetragen hat, und dem, was wir in den letzten viereinhalb Jahren bei der CDU beobachten konnten und

mussten, ein sieben Punkte umfassendes Zukunftskonzept für die hessische Hochschulpolitik entgegen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Siebel, dazu gehört eine vollumfängliche Autonomie für die hessischen Hochschulen, für die auch eine verlässliche Finanzierung sichergestellt ist.

(Beifall bei der FDP)

Auch gehört für uns dazu, dass die Hochschulen neben der Bauherrneigenschaft die volle Personalhoheit bekommen. Sie müssen die Betreuungsrelationen zwischen Studierenden und Lehrenden verbessern können, auch indem sie z. B. vollumfänglich und eigenverantwortlich über den Einsatz des Personals, insbesondere der Lehrdeputate, entscheiden können.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Corts, sie müssen aber auch – anders, als Sie das in Ihrer vierten Novelle zum Hessischen Hochschulgesetz planen – intern für sich, auf ihr Profil angepasst, eine Struktur finden können, die diese Arbeit befördert. Wir haben großen Zweifel, dass die Strukturen, die die TUD für sich gefunden hat, letztendlich die Strukturen sind, die auf alle anderen elf Hochschulen zu übertragen sein sollten.

(Beifall bei der FDP)

Wir hatten in der letzten Legislaturperiode in der Novelle im Jahre 2000 eine sogenannte Experimentierklausel für die Strukturen der Hochschulen vorgesehen.

(Michael Siebel (SPD): Meinen Sie das ernst, Frau Beer?)

Wir haben diese Experimentierklausel lediglich an einige Effizienzbedingungen gebunden. Wir haben die Hochschulen auch aufgefordert, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, ein eigenes ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Präsidium als dem ausführenden, als dem aktiven Organ, zwischen dem akademischen Organ des Senats und dem Beratungsgremium des Hochschulrates zu finden. Dies machen Sie mit der Art, wie Sie Ihre Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes betreiben, wieder zunichte, indem Sie nämlich eine ganz bestimmte Struktur und allein diese Struktur vorschreiben und die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Experimentierklausel an dieser Stelle versagen. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der FDP)

Wir meinen,dass die Hochschulen die Bedingungen selbst festlegen können müssen, mit denen sie in den Wettbewerb um die besten Köpfe bei den Studierenden und bei den Professoren gehen wollen, die Bedingungen, mit denen sie vor Ort am besten agieren können. Herr Kollege Corts, das bedeutet, dass wir ein Freiheitsgesetz à la Nordrhein-Westfalen wollen und keine Autonomie light à la CDU.

(Beifall bei der FDP)

Herr Siebel, dazu gehört für uns aber auch, dass eine Hochschule autonom darin sein sollte, die Frage zu entscheiden, ob sie Studiengebühren erheben will, für welchen Studiengang sie Studiengebühren erheben will und in welcher Höhe sie Studiengebühren erheben will. Ich lasse mir nicht ankreiden, dass die Frage der Studiengebühren eine Frage der sozialen Gerechtigkeit sei.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): Das müssen Sie sich aber ankreiden lassen! So ist es aber! Das sieht sogar Ihre Fraktionskollegin anders, Frau Beer! Das wird sogar in der FDP anders gesehen!)

Nein, Herr Kollege Siebel.Wer in den Zeiten, als ich an Hochschulen studiert habe, gerade nicht aus gut betuchtem Elternhaus kam und zusammengerechnet hat, was er für Ausbildungsliteratur ausgeben musste, weil die Bibliotheken schlecht ausgestattet waren, weil die Bibliotheken mehr geschlossen als geöffnet waren, wer in großen Seminaren gesessen hat, weil er nicht die Möglichkeit hatte, an anderen Hochschulen mit kleinen Seminaren mit einer intensiven Betreuung in einen persönlichen Kontakt zum Lehrkörper zu treten, der weiß, dass die Verbesserung der Qualität unserer Rahmenbedingungen an den Hochschulen, die Verbesserung der Studienbedingungen sicherlich eine Frage sozialer Gerechtigkeit ist.Aber das gilt gerade für solche Studierende, die eine gute Ausbildung machen wollen, Herr Kollege Siebel, und nicht für den umgekehrten Fall, wie Sie das hier versuchen uns weiszumachen.

(Beifall bei der FDP)

Summa summarum erster Punkt: Hochschulautonomie. Herr Minister Corts, wir brauchen eine Komplettnovellierung des Hessischen Hochschulgesetzes und nicht diese Autonomie-light-Version, die Sie eingebracht haben und der man mangels verlässlicher Finanzierung regelrecht ansieht, dass Sie eigentlich gar nicht wollen, dass unsere Hochschulen das angehen. Sie werden diese Lightversion auch nicht auswählen, weil sie ihnen außer zusätzlicher Arbeit nichts bringt. Sie wird ihnen kein Geld einbringen.

(Beifall bei der FDP)

Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie als Minister, als CDU nicht den Mut hatten, das Hessische Hochschulgesetz mithilfe des Entwurfs zu überarbeiten, den die Hochschulen in einer Arbeitsgruppe zusammen mit dem Ministerium erarbeitet haben. Hinter dieser Novellierung – das haben mir bislang alle Präsidenten bestätigt,mit denen ich geredet habe – hätten sich unsere Hochschulen versammelt. Dann hätten wir Autonomie für alle gehabt und nicht Autonomie zum Aussuchen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweiter Punkt.Wir dürfen den vorliegenden ZVS-Staatsvertrag nicht verlängern. Dieses Ding gehört in die Mottenkiste der Geschichte.