Nach Ihrer Aussage dürfen die Gymnasien zwar bestehen bleiben – Sie wollen ja nicht gleich Krieg mit allen Eltern anfangen –, aber Sie sagen, Sie seien sich sicher, dass sich die Gymnasien in integrierte Systeme wandeln werden. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, denn die SPD wird die Gymnasien austrocknen, indem sie Mittel und Personal an die Einheitsschulen schicken.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So haben sie es früher auch schon gemacht!)
Ja, so hat es Rot-Grün schon einmal gemacht. – Da man bei der SPD nicht einsehen will, dass Kinder in ihren Anlagen und Talenten unterschiedlich sind, und da man nicht wahrhaben will, dass Eltern ihren Kindern nun einmal mehr oder weniger Startkapital mitgeben,macht man Folgendes: Man stopft alle Kinder in eine Einheitsschule,
und man füttert alle Kinder mit einem Einheitsbrei, der von Lehrern mit einer Einheitsausbildung zubereitet wird.
Selbst Förderstufen und Gesamtschulen differenzieren in A-, B- und C-Kurse.Was passiert, wenn sie alle Kinder mit dem gleichen Lernstoff füttern? Ein Teil ist überfordert. Der schaltet ab und beginnt zu stören.
Das fangen Sie auf, indem Sie in jede Klasse einen Sozialpädagogen stecken und jeder Schule einen Sozialpsychologen zuweisen, damit diese die Kinder beruhigen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Für uns auch! – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Damit erreichen Sie keine Bildungsgerechtigkeit, denn die Eltern, denen die Bildung ihrer Kinder sehr viel wert ist, schicken diese auf Privatschulen. Die Privatschulen werden einen sehr großen Zulauf bekommen. Schauen Sie sich einmal an, wie viele Privatschulen bereits jetzt in Hessen gegründet werden. Sie bieten ab der 5. Klasse bilingualen Unterricht an, und sie sind sehr leistungsorientiert. Diese Schulen werden einen immensen Zulauf haben, wenn Sie mit Ihrer Einheitsschule daherkommen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Wer regiert in Hessen, Frau Henzler? – Weitere Zurufe von der SPD)
Um die Konkurrenz der Privatschulen auszuhalten, müssen Sie an den staatlichen Schulen sehr große Anstrengungen unternehmen. Sie dürfen die staatlichen Schulen keinesfalls zu Einheitsschulen machen, in der niemand mehr etwas lernt.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Wer hat das alles zu verantworten?)
Die Eltern wissen sehr genau, was eine gute Bildung wert ist.Sie sind bereit,dafür viel Geld auszugeben.Die Kinder sind leistungsbereit und wollen gefordert und gefördert werden.
Lassen Sie mich zum Abschluss ein Stoßgebet gen Himmel schicken: Mögen uns Gott und die Wählerinnen und Wähler in Hessen vor der Schulpolitik der SPD bewahren.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wo ist denn Frau Ypsilanti zu dem Thema? – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Sie sind doch um 8.30 Uhr noch gar nicht wach! Da sind Sie doch noch gar nicht im Dienst!)
Herr Präsident! Guten Morgen meine Damen und Herren! Frau Henzler, Sie hätten sich die Zeit nehmen sollen, einen Antrag zu schreiben, über den man 20 Minuten lang diskutieren kann. Ich erlaube mir auch die Bemerkung, dass das 20-minütige Lesen eines Interviews nicht gereicht hat, Ihre Interpretationsfähigkeit zu steigern. Ich habe selten eine Rede gehört, die so deutlich zeigte, dass man das, was man gelesen hat, nicht verstanden hat.
Cervantes hätte seine Freude gehabt. Nachdem die hessische CDU seit geraumer Zeit wie Don Quichotte gegen Windmühlen anstürmt, um das imaginäre Ungeheuer namens Einheitsschule zu bekämpfen,
hat nun die „konstruktive Opposition“ in diesem Hause in vorkoalitionärer Treue die Rüstung angelegt und kämpft gegen dasselbe Hirngespinst. Frau Henzler, eine Debatte über die Zukunft von Bildung ist zwar immer aktuell, für eine Aktuelle Stunde aber nur dann geeignet, wenn man nichts anderes zu verkaufen hat als die Schlachten der Vergangenheit. Das haben Sie uns gerade sehr deutlich gemacht.
Gerade die FDP-Fraktion muss sich fragen lassen, weshalb sie auf ihre eigenen Prinzipien pfeift, wenn es darum geht, Schule so zu gestalten, dass jedes Kind – unabhängig von seinem persönlichen Leistungspotenzial und von seiner Herkunft – bestmögliche Bildungschancen erhält. Sie sind es doch, die immer von der freien Schulwahl der Eltern sprechen.
Dies hört für die FDP offensichtlich dann auf, wenn sich Schulgemeinden für das Prinzip längeren gemeinsamen Lernens aussprechen. Genau das ist in dem Konzept der SPD vorgesehen. Die Schulen sollen die Möglichkeit erhalten, mit individueller Förderung Ernst zu machen und jedes Kind ohne äußere Differenzierung möglichst gut zu qualifizieren. Sie wissen, dass die hessische SPD keine Schulform überstülpen wird, sondern auf die Akzeptanz der Lehrkräfte und der Eltern setzt,sich gegen eine Schulstruktur zu entscheiden, die mitverantwortlich ist für ungleiche Chancen beim Bildungszugang und für schulische Ergebnisse, die in internationalen Bildungsvergleichen höchstens mittelmäßig sind.
Um mit diesem Popanz ein für allemal aufzuräumen: Mit einer Ressourcenverteilung an andere Schulformen hat das nichts, aber überhaupt nichts zu tun. Das sollten Sie sich einmal merken.
(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das war Ihre eigene Praxis! – Weitere Zurufe von der CDU)
Die Akzeptanz für neue Formen des Lernens ist bereits in hohem Maße vorhanden. Das Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund legte im vergangenen Juni das Ergebnis der dritten Lehrerbefragung vor.Frau Henzler, eine Erkenntnis, über die Sie zumindest nachdenken sollten, war, dass 1998 auf die Frage, ob sie eine längere gemeinsame Schulzeit für gut hielten, 24 % der befragten Lehrkräfte Zustimmung äußerten. 24 % ist nicht viel. Im Jahre 2006 hingegen stimmten 56 % der Lehrer einem solchen Vorschlag zu. Vergleichbare Ergebnisse gibt es bei der Befragung von Eltern. Daraus ersehen Sie, dass eine viel höhere Akzeptanz vorhanden ist, als Sie wahrhaben wollen.
Die Einsicht darin, dass es das gegliederte Schulsystem weder schafft, den Anteil an Spitzenleistungen zu verbreitern, noch die fatale Koppelung zwischen Herkunft und Bildungserfolg aufzulösen,ist in den letzten Jahren massiv gewachsen – bei den Eltern, bei den Lehrkräften, aber auch bei Wirtschaftsfachleuten.
Die Zeit ist zu kurz – dafür haben Sie gesorgt –, um Stellungnahmen des Ifo-Instituts, des Handwerkstags von Baden-Württemberg oder auch der fünf Wirtschaftsweisen zu zitieren. Jedes Landesparlament in unserem Staat ist weiter als die CDU und die FDP in Hessen. Hierzu müssen Sie sich nur einmal in der Bildungslandschaft umschauen.
Schon allein die demografische Entwicklung und die Flucht der Eltern vor der Hauptschule gebieten es, nicht nur über Richtgrößen von Schulstandorten nachzudenken, sondern Lösungen anzubieten, die alle Abschlussmöglichkeiten in Wohnortnähe anbieten. Hierfür haben Sie uns noch keine Lösung genannt.
Das haben Sie mit dieser Aktuellen Stunde angerichtet. Es gibt dazu so viel zu sagen, was wir an anderer Stelle ganz bestimmt nachholen werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir wollen eine Schule, die jedes Kind bestmöglich fördert. Wir wollen die Vielfalt der Begabungen entfalten. Sie hingegen wollen nur die Vielfalt der Schulformen fördern. Das ist schlicht und einfach einfältig, Frau Henzler.
Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Habermann, ich sage das an dieser Stelle sehr deutlich: Wer die
Zwangseinheitsschule in diesem Bundesland einführen möchte, der versündigt sich an unseren Kindern und an diesem Land.