Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung und heiße Sie alle sehr herzlich willkommen. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.Ich informiere Sie zur Tagesordnung, dass noch einige Punkte offen sind: 17, 19 bis 34, 36 bis 50, 52 bis 61, 63 bis 73, 75 bis 79, 81 bis 84 und 86.

Es ist noch ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend BAMBINI-Programm: „Taschenspielertricks“ der Landesregierung bei unter Dreijährigen verhindern, Drucks. 16/7548, eingegangen. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann ist dies Tagesordnungspunkt 88. Die Redezeit ist wie vereinbart.

Ich komme nun zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute bis zur Erledigung der Tagesordnung ohne Mittagspause. Entschuldigt ist heute Herr Staatsminister Hoff und ab heute Nachmittag Herr Ministerpräsident Koch.

Ihren Geburtstag begeht heute – leider ist sie nicht bei uns, weil sie gesundheitlich angeschlagen ist – die Frau Abg. Silke Tesch. Trotzdem gratulieren wir ihr sehr herzlich und wünschen ihr alles Gute, auch gesundheitlich.

(Beifall)

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 75 auf:

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, darf ich Sie um etwas Aufmerksamkeit bitten.Man versteht sein eigenes Wort nicht. Seien Sie so lieb.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Kultusministerin soll irdi- sche Probleme lösen statt jenseitige Debatten führen) – Drucks. 16/7532 –

und Tagesordnungspunkt 77:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Wolff auf Abwegen: Grenzen zwischen Religion und Naturwissenschaften an hessischen Schulen nicht ver- wischen) – Drucks. 16/7534 –

Wir haben einmal fünf Minuten und einmal zweieinhalb Minuten Redezeit vereinbart. Es beginnt der Kollege AlWazir, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Freitag letzter Woche waren erstaunliche Vorstellungen der Hessischen Kultusministerin in der „FAZ“ zu lesen: Es sei dringend geboten, Schöpfungslehre und Evolutionstheorie in der Schule miteinander in Verbindung zu bringen, und im Übrigen gebe es erstaunliche Übereinstimmungen zwischen der Schöpfungsgeschichte der Bibel und der wissenschaftlichen Theorie. Deswegen solle die Schöpfungslehre auch im Biologieunterricht eine Rolle spielen.

Meine Damen und Herren, wir leben in einem freien Land. Jeder darf so viel Unsinn erzählen, wie er möchte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für uns GRÜNE stellt sich aber die ernsthafte Frage, ob ausgerechnet das Kultusministerium der richtige Arbeitsplatz für eine Vertreterin solcher Ideen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, es war im Übrigen nicht das erste Mal, dass Karin Wolff ihre Thesen vertreten hat.Wir sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, dass dieses Parlament dieser Landesregierung und ihrer Kultusministerin ein deutliches Zeichen gibt, dass die Trennung von Staat und Kirche, die Trennung von Naturwissenschaften und Religion, die Trennung von Religions- und Biologieunterricht nicht irgendwelche verhandelbaren Ideen sind, sondern die Grundlage des säkularen weltanschaulich neutralen Staates.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Trennung von Staat und Kirche und die weltanschauliche Neutralität des Schulunterrichts haben in Hessen Verfassungsrang, Frau Kultusministerin. Das muss und wird auch so bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte zitieren, was nicht nur Wissenschaftler zu Ihren Äußerungen gesagt haben. Der Direktor des MaxPlanck-Institutes in Frankfurt, Nobelpreisträger Hartmut Michel, sagt zur dpa:

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Die christliche Schöpfungslehre ist keine wirkliche Wissenschaft... Ich denke, der richtige Platz dafür ist Religion.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Jörg Hinrich Hacker von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, hat gestern gesagt:

Die Schöpfungslehre eignet sich nicht zur Beschreibung der Evolution.

Es sind aber nicht nur Wissenschaftler, die für eine strikte Trennung von Religion und Naturwissenschaften plädieren. Die „Bild“-Zeitung zitiert einen katholischen Geistlichen, der sagt: Die Aussagen der Bibel müssen interpretiert und eingeordnet werden. Im Biologieunterricht ist das nicht möglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Jesuitenpater und Zoologieprofessor Rainer Koltermann sagt in der „Frankfurter Neuen Presse“: Naturwissenschaft ist Naturwissenschaft, und Philosophie ist Philosophie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse das so zusammen: Dass religiöse Schöpfungslehren etwas im Biologieunterricht zu suchen haben, auf diese Idee kommen nur George Bush, der Iranische Religionsminister und Karin Wolff.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kultusministerin, bitte kommen Sie heute nicht mit der Ausrede, dass der Lehrplan fächerübergreifenden Unterricht vorsehe.

(Ministerin Karin Wolff: Das ist dummerweise keine Ausrede! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Was ist daran eine Ausrede?)

Wir sind sehr dafür, dass beispielsweise Chemie und Physik fächerübergreifend unterrichtet wird. Aber auf die Idee, dass man die Schöpfungslehre aus dem Religionsunterricht in den Biologieunterricht zieht,wären wir wirklich nicht gekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich gibt es einen Widerspruch zwischen den Schöpfungsgeschichten aller Religionen und der Evolutionstheorie.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er hat es wirklich nicht kapiert!)

Sehr verehrter Herr Wagner, dieser Widerspruch kann nicht in einem Schulfach aufgelöst werden, sondern diesen Widerspruch muss jeder Mensch, egal an was er oder sie glaubt oder nicht glaubt, am Ende mit sich selbst ausmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Immanuel Kant hat dazu als Wahlspruch der Aufklärung den passenden Satz formuliert:

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Ruth Wagner (Darm- stadt) (FDP))

Es wäre schön, wenn dies auch einmal in der Landesregierung ankommen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das soll mein letzter Punkt sein: Wenn diese Kultusministerin statt jenseitige Debatten zu führen einmal die irdischen Probleme ihrer Bildungspolitik lösen würde, dann wären wir in Hessen wirklich einen Schritt weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Kultusministerin, deswegen gebe ich Ihnen einen Rat: Lesen Sie heute einmal wieder die „FAZ“ über die Frage, was die Kirchen zu dem ausfallenden Religionsunterricht sagen. Dann würden Sie wissen, was eigentlich Ihre Aufgabe wäre. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Ypsilanti, SPD-Fraktion.